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Veröffentlicht am 10.02.2021

Who wants to live forever

Sechs Leben
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Inhalt:

91 % der Menschen haben nur ein Leben, 6 % können sich über ein Ersatzleben freuen, 2 % werden dreimal wiedererweckt, bevor sie der Tod holt. Lediglich 1 % der Bevölkerung darf sich über vier ...

Inhalt:

91 % der Menschen haben nur ein Leben, 6 % können sich über ein Ersatzleben freuen, 2 % werden dreimal wiedererweckt, bevor sie der Tod holt. Lediglich 1 % der Bevölkerung darf sich über vier bis sechs Leben freuen.

Als Gabriel an seinem fünfzehnten Geburtstag getestet wird, kann er sein Glück kaum fassen. Sechs Leben wurden ihm geschenkt! Das bedeutet grenzenlose Freiheit. Endlich kann er einen Fallschirmsprung aus riskanter Höhe von einer Klippe herab wagen. Jetzt kann er seinen Adrenalinspiegel jeden Tag so richtig schön in die Höhe treiben und das ohne mögliche letale Konsequenzen. In der Schule werden ihn alle bewundern. Jeder wird zu ihm aufblicken. So viel ist ausgemacht.

Doch schon bald holt Gabriel die bittere Realität ein und er muss sich fragen, was es wirklich bedeutet, ein Multileben zu sein.



Meinung:


Wie alle anderen Menschen auch, erfährt Gabriel an seinem 15. Geburtstag, ob er wie 91 % der Bevölkerung ein Monoleben ist oder ob er zu den 9 % gehört, die ein bis sechs weitere Leben geschenkt bekommen. Gabriel erwartet nicht viel und wird dann doch überrascht: Sechs Leben. Was sich damit nicht alles anstellen lässt.

Damit die Jugendlichen auf die Implikationen und Perspektiven des Befunds vorbereitet werden, haben sie die Möglichkeit, an der Schule an einer Gruppentherapie teilzunehmen. Gabriel findet diese Treffen eher nervig, fügt sich aber dem Willen seiner Eltern.

Nach und nach muss er sowohl von seinen Mitschülern als auch von seinen Eltern erfahren, dass mehrere Leben nicht nur Vorteile mit sich bringen. Wahrhaben möchte er diese Tatsache aber nicht. Unerschütterliche Todesverachtung genießt schließlich die volle Bewunderung so vieler Menschen. Vor allem gilt es Mila, das Mädchen aus seiner Klasse, zu beeindrucken. Doch auch seine relative Unsterblichkeit scheint sie so gar nicht zu beeindrucken.

Jugendliche können, so liest man, Gefahren durchaus einschätzen. Die schlechte Nachricht: Das soll nur gelten, wenn sie alleine sind. Sobald sie mit Altersgenossen zusammen sind, ist es ihnen wichtiger, denen zu imponieren (ein Antrieb, den Gabriel noch nicht einmal braucht). Vor diesem Hintergrund nachvollziehbar schildert die Autorin einen Jungen, der meint, plötzlich nichts mehr zu verlieren zu haben.

Im starken Kontrast zu dem unüberlegt handelndem Gabriel stehen die Menschen in seinem Umfeld. So gibt es in der Therapiegruppe einen Jungen namens Tely, ebenfalls ein Multileben, der mittlerweile einige Leben verloren hat und sich in Schweigen hüllt. Er wirkt jeden Tag unglücklich, spricht davon ein Opfer zu sein und dass Multileben menschliche Bomben wären. Dann gibt es da noch Hozorine, ein Vierleben, die sich Gedanken macht, wie sie der Allgemeinheit mit ihren Leben etwas Gutes tun könnte. Gabriels Mutter hingegen beschäftigt sich stets mit Lebensrisiken. Selbst sechs Leben können sehr schnell vorüberziehen, das weiß sie. Als Mutter von drei Kindern und mit einem Ersatzleben gesegnet, versucht sie alles, um dieses für Eventualitäten aufzubewahren. Denn sie möchte für die Kinder da sein, nachdem schon der Vater durch einen Unfall von ihnen gehen musste.



Fazit:


„Mit dem Tod habe ich nichts zu schaffen. Bin ich, ist er nicht. Ist er, bin ich nicht.“

Véronique Petit weiß es besser als der antike Philosophen Epikur; ein Nachdenken über den Tod ist nicht sinnlos, sondern richtig interessant. Mit „Sechs Leben“ legt sie ein wortgewaltiges und bedeutungsschweres Buch vor, das die menschliche Sehnsucht nach Unsterblichkeit, eine anthropologischen Grundkonstante, hinterfragt.

Wer ein flüssig und angenehm zu lesendes, aber anspruchsvolles Buch sucht. Wer eine klare, verständliche Sprache bevorzugt, wer eine glaubhafte, bewegende Geschichte sucht. Für all jene empfehle ich dieses Buch.


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Veröffentlicht am 07.02.2021

Liebe am Abgrund

8.540 Kilometer
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Inhalt:

„Hey, do you wanna buy some coke?“, das sind die Worte, mit denen Jasper Sunny auf einem Festival das erste Mal anspricht. Es folgt ein Lächeln, das dem Mädchen nahezu den Atem raubt. Sunny ist ...

Inhalt:

„Hey, do you wanna buy some coke?“, das sind die Worte, mit denen Jasper Sunny auf einem Festival das erste Mal anspricht. Es folgt ein Lächeln, das dem Mädchen nahezu den Atem raubt. Sunny ist kaum in der Lage, ein vernünftiges Wort herauszubringen. Jasper hingegen scheint erst einmal verwirrt, ob der Sprachlosigkeit seines Gegenüber. Es sind die Freundinnen, welche plötzlich dazukommen, die die Situation retten. Erst einige Zeit später findet Sunny ihre Stimme wieder.

Sollte es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick geben, dann ist Sunny wohl in diesem Moment diesem einzigartigem Gefühl verfallen. Jasper und sie verbringen einen Abend miteinander, den das Mädchen so schnell nicht wieder vergessen wird.

Um Jasper nicht zu verschrecken, willigt Sunny in Jaspers Angebot ein. Sie rauchen gemeinsam einen Joint, der Abend gipfelt in der Einnahme von Kokain. Dieser erste Drogenkonsum wirft Sunny jedoch völlig aus der Bahn. Sie muss viel zu früh ins Bett, fürchtet Jasper nicht mehr wiederzusehen. Doch der Fremde bleibt und berichtet ihr in dieser Nacht von seinen Erlebnissen. Wie er eine lange Zeit mit einem alten Seemann und seinem Hund Remmie auf einem Austern-Schiff gelebt hat. Dass er an das Schicksal glaube und es keine Zufälle gäbe.

Sunny und Jasper treffen sich am nächsten Tag wieder. Sunny kann es nicht mehr verleugnen: Sie hat sich Hals über Kopf in den jungen Mann verliebt. Umso schwerer ist der Abschied, der früher oder später folgen muss.



Meinung:

Was für eine Geschichte! Doch fangen wir von vorne an. Bereits auf den ersten Seiten, als sich Sunny und Jasper auf dem Festivalgelände kennenlernen, war ich mir nicht sicher, was ich im Sinne der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit vom Verhalten und den Gedanken der Figuren halten sollte. Dazu sei angemerkt: Ich selbst hatte in meinem Leben noch keinen Kontakt zu Drogen und stehe dem Konsum von Cannabis, Koks & Co. skeptisch gegenüber.

Die erste Kontaktaufnahme, die Jasper gegenüber Sunny startet, besteht darin, dass er dem Mädchen Koks anbietet. Sunny nimmt das Angebot an. Sie möchte den Fremden, dessen Lächeln sie vom ersten Moment an verzaubert, nicht verschrecken. Das Verhalten baut zunächst kein Identifikationspotential mit den Figuren auf. Auch die Gefühle, die Sunny für Jasper empfindet, waren nur schwer greifbar. Ein charmantes Lächeln ist für mich keine Rechtfertigung, sich exzessivem Drogenkonsum hinzugeben.

Doch Sunny ist jung, sie ist abenteuerlustig und genau das waren wohl die Gründe, die sie auch in Jaspers Arme trieben.

Nach dem ersten Kennenlernen geht Sunny der Fremde nicht mehr aus dem Kopf. Immer wieder muss sie an Jasper denken. Die Entfernung, die nach seiner Abreise zwischen ihnen liegt, der Gedanke, Jasper nie mehr wiederzusehen, zerreißt ihr das Herz und treibt sie in eine depressive Stimmung.

Sunny fasst einen Plan. Sie möchte Jasper besuchen. Sie überlegt sogar, ihr geregeltes Leben für einen Jungen, den sie bislang kaum richtig kennenlernen konnte, über den Haufen zu werfen und ein Abenteuer zu wagen.

Während des Lesens habe ich oft versucht, mich in Sunny hineinzuversetzen. Das ist mir zum Teil gelungen. Sunny wächst in einer Familie auf, in der man zusammenhält. Die Eltern sind tolerant und unterstützen die Tochter in ihren Plänen. Sie besitzt zwei Freundinnen, die mit ihr durch dick und dünn gehen würden, die ihr aber auch in Krisensituationen mal ordentlich die Leviten lesen. Außerdem hat das junge Mädchen Pläne. Sie möchte studieren. Sie macht sich sogar Sorgen, ob sie beim Fahren mit dem Auto die Geschwindigkeitsbegenzung versehentlich überschritten, und somit vielleicht eine Ordnungswidrigkeit begangen hat.

Jasper hingegen ist das genaue Gegenteil. Er lebt nicht in der Vergangenheit und schon gar nicht in der Zukunft. Er lebt im Hier und Jetzt. Jasper glaubt nicht an Zufälle, stattdessen glaubt er an das Schicksal. Wenn das Leben in all seinen Facetten eh schon vorherbestimmt ist, was macht es für einen Sinn, sich Sorgen zu machen, oder sich in Ängsten zu verlieren? Für fast jede Situation hat Jasper eine Lösung parat. Er scheut sich nicht, einfach mal mitten in die Wildnis zu ziehen und dort ohne fremde Hilfe ein Haus aufzubauen.

Nach dem Muster, wonach sich Gegensätze anziehen, ist zu erklären, was Sunny an Jasper spannend findet.

Die Frage nach der Nachvollziehbarkeit trieb mich also von Beginn an um.

Jaspers Charme ist wohl einer der Gründe, warum Sunny immer wieder auf ihn hereinfällt. Bei jedem Treffen bietet er ihr Drogen an. Sunny fällt es schwer, dieses Angebot abzulehnen. Einerseits möchte sie gefallen, andererseits ist sie auch neugierig. Mir erschien Sunny in vielen Fällen naiv. Ich hatte Jasper schnell als jemanden erkannt, der Versprechungen macht und sie oft nicht einhalten kann. Jemand, der gerne Dinge verschweigt. Spätestens nach der ersten Lüge war mein Misstrauen geweckt.

Es fehlt nicht an Warnungen durch treue Freunde. Aber Sunny lässt sich nicht warnen. Sunny möchte nicht auf die Meinung anderer hören. Sie möchte ihre eigenen Erfahrungen machen, auch, wenn die Vergangenheit gezeigt hat, dass sie immer wieder enttäuscht wird.

Schnell wird dem Leser klar: Dieses Buch wird sich zu einer Achterbahn der Gefühle entwickeln.

Zum Ende hin gewinnt die Geschichte noch einmal zusätzlich stark an Spannung. Ich habe an den Seiten geklebt, gehofft, gezittert, gebangt. Und dann hört das Buch auf. An einer Stelle, die hoffen lässt, dass die Autorin noch eine Fortsetzung schreiben wird.



Fazit:

Liebe am Abgrund.

Wer Jennifer Schmitzs „8.540 Kilometer gegen das System“ liest, kann erwarten, auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle mitgenommen zu werden, die oft den Atem kostet.

Im Mittelpunkt steht die dysfunktionale Psychodynamik eines Pärchens, sie ist der Dreh- und Angelpunkt dieses Liebesdramas.

Das Buch ist aber keine leichte Kost und schon gar keine locker-flockige Liebesgeschichte.

Jennifer Schmitzs wählt nicht die distanzierte Perspektive des Reporters, sondern schaut direkt in den Abgrund.

Das Ende ist spannend, aufwühlend und vor allem verstörend. Hier wünscht man sich als Leser unbedingt eine Fortsetzung. Doch wird es die geben? Das Leben ist nicht vorhersehbar und seine Geschichten bleiben, wie in diesem Buch, oft offen.

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Veröffentlicht am 03.02.2021

Eine chaotische Großfamilie

Lil April - Mein Leben und andere Missgeschicke
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Inhalt:

Als eines von fünf Kindern einer Großfamilie wünscht sich Lil nichts mehr, als Einzelkind zu sein. Jeden Tag erlebt sie Dramen, Chaos, Probleme, aber auch Spaß, alles, was der Alltag in einer ...

Inhalt:

Als eines von fünf Kindern einer Großfamilie wünscht sich Lil nichts mehr, als Einzelkind zu sein. Jeden Tag erlebt sie Dramen, Chaos, Probleme, aber auch Spaß, alles, was der Alltag in einer Großfamilie mit sich bringt. Die vielbeschäftigten Eltern neigen dazu, die unzähligen Aufgaben gefühlt fast immer nur an Lil zu delegieren. Verzweifelt versucht sie Aufgaben und Privatleben auf die Reihe zu bekommen.

All das, was an Zeit bleibt, nutzt Lil, um mit Helli, ihrer besten Freundin, abzuhängen. Und dann gibt es da noch diesen Jungen mit dem Skateboard, der ganz frisch in die Gegend gezogen ist. Dennis hat immer einen lockeren Spruch auf der Zunge, er fährt mit seinem Board sogar ins Klassenzimmer, bis direkt an seinen Platz.

Lil kann es nicht verleugnen. Irgendwie hat Dennis ihr Interesse geweckt. Doch statt sie zu beachten, hängt er lieber mit ihrer kleineren Schwester Arti rum. Die, die immer so schlagfertig ist und auf Dennis Ansagen jedes Mal total cool kontert. Lil hingegen passiert ständig irgendein Missgeschick. Die Salami fällt ihr in Gegenwart von Dennis vom Brot direkt auf den Schoß oder ihr Vater spricht sie auf den BH an, den sie auf dem Terrassentisch hat liegen lassen. Peinlicher geht’s ja wohl gar nicht, oder?



Meinung:

Stephanie Gessner zeichnet in Lil April das Bild einer absolut verrückten und chaotischen Großfamilie, bestehend aus fünf Kindern, einem Hund, einem Au-Pair-Mädchen und zwei Eltern, die zwischen Beruf und Haushalt pendeln.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Lil erzählt, einem Mädchen, dass am liebsten aus dem ganzen Chaos ausbrechen würde. Denn irgendwie steht sie der ganzen Familie als "Delegationsopfer"zur Verfügung. Lil kann gut Zeichnen und ist deswegen natürlich prädestiniert, ihrem Bruder Pego dabei zu helfen, die Straßenachse für den Kunstunterricht zu zeichnen. Die Hecke muss geschnitten werden? - Hat Lil nicht kürzlich Papas Pflanzenatlas studiert? Prima, dann kann sie das ja machen. Dabei hat Lil doch soviel vor. Beispielsweise mit dem coolen Jungen, der neu in die Nachbarschaft gezogen ist, ins Gespräch zu kommen.

Und während ihre Probleme nicht gründlich gewürdigt werden, scheinen am Horizont die nächsten Familienkrisen auf. So scheinen Papa und Mama irgendwie ein Geheimnis zu haben. Ständig ist Papa auf Geschäftsreise und muss auch am Abend des öfteren noch mal weg. Bei einem Telefonat wird Mama sogar richtig ernst. Was ist da los? Als wäre das nicht schon Problem genug, wird dann plötzlich der Familienhund Pan inkontinent, und Mama plädiert lautstark am Esstisch ihn abzugeben. Die Kinder sind außer sich. Da müssen aber ganz schnell gute Lösungen her, finden Lil und ihre Geschwister.

Während des Lesens musste ich des öfteren Schmunzeln. Denn in diesem Buch für jüngere Leser/innen sind die Kinder die Stimme der Vernunft.

Lils Eltern hingegen lösen den höchst strapaziösen Spagat zwischen Erwerbs- und Familienarbeit, indem sie sich letzterer entziehen. Besonders Lils Vater ist speziell. So sticht seine Liebe für Griechenland ganz besonders hervor. Die Kinder der Familie wurden allesamt nach griechischen Göttern benannt (Lil ist eine Abkürzung für Lilaia), ihre Anfangsbuchstaben ergeben in geordneter Reihenfolge den Namen eines griechischen Philosophen (Platon) und wenn einer eindeutig zu weit gegangen ist, dann erschallt Papas Ruf, „zum ZEUS“, einmal quer durchs Haus. Mama hingegen nennt das Familienoberhaupt liebevoll Zeusel.

Überhaupt ist mit Papa nicht immer leicht zu diskutieren. Ständig gibt er den intellektuellen Eigenbrötler aus dem Elfenbeinturm, wenn es um die Lösung konkreter Probleme geht.

Lil hat es nicht einfach, das spürt der Leser und dennoch meistert sie jede Situation mit Bravour.



Fazit:

Eine Großfamilie und ihre Probleme.

„Lil April – Mein Leben und andere Missgeschicke“ ist der Auftaktband einer Reihe rund um eine chaotische Großfamilie.

Stephanie Gessners Buch überzeugt durch seinen authentischen Ton und glänzt durch seine schrulligen Figuren, die nie flach oder eindimensional daherkommen.

„Lil April“ liest sich überaus kurzweilig. Die Geschichte ist zum Schmunzeln, zum Kopfschütteln, aber nie zum Achselzucken.

Ein Roman, dem man viele junge Leser wünscht.

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Veröffentlicht am 25.01.2021

Außergewöhnlich

Sara auf der Suche nach Normal
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Inhalt:

Sara weiß, dass sie von dem, was andere als „normal“ bezeichnen, weit entfernt ist. Die Diagnose ihres Arztes lautete auf Bipolare Störung, generalisierte Angststörung, leichte Schizophrenie und ...

Inhalt:

Sara weiß, dass sie von dem, was andere als „normal“ bezeichnen, weit entfernt ist. Die Diagnose ihres Arztes lautete auf Bipolare Störung, generalisierte Angststörung, leichte Schizophrenie und Depressionen. In der Schule wird sie nicht selten von den Mitschülern als Psycho-Sara diffamiert. Dabei möchte sie doch nichts lieber, als so zu sein, wie all die anderen um sie herum.

In der Schule bekommt Sara eine Sonderbetreuung. Dieser Unterricht, findet in der „Beklopptenbox“ statt, wie Sara den Raum nennt, in dem sie für einige Stunden separat von anderen Mitschülern unterrichtet wird. Zuhause erwarten sie keine Freunde, dafür aber ihre Eltern, die alles tun, um das Kind zu fördern, mit der Situation aber offensichtlich auch stark überfordert sind.

Sara wünscht sich nichts mehr, als Freunde zu haben und für sich eine Form der Alltagsbewältigung zu finden. Um diesem Ziel näher zu kommen, soll sie eine Gruppentherapie besuchen. Sara ist skeptisch. Wie soll es ihr gelingen, aus dem Kreis der Ausgestoßenen auszubrechen, wenn sie noch mehr Zeit mit anderen verbringen soll, die ähnliche Schwierigkeiten haben wie sie.

Saras Skepsis scheint nicht unbegründet. So trifft sie in der Gruppentherapie auf Gleichaltrige, die vor ähnlichen Problemen und Herausforderungen stehen. Doch an diesem Nachmittag findet Sara auch eine neue Freundin. Denn Erin, das Mädchen, das ständig ohne Punkt und Komma redet, das kaum noch Augenbrauen und Wimpern hat, lässt sich nicht so einfach abschrecken. Sie möchte Saras Freundin sein und hat sogar einen eigenen Begriff für die Menschen, die anders – ja besonders – sind: Sternenkinder. Und wenn Sara möchte, so darf sie sich auch so nennen. Und für Sternenkinder herrschen eigene Regeln. Eine davon ist, dass sie zusammenhalten und immer füreinander da sind.



Meinung:


Sara ist ein Mädchen, dessen Alltag stets zur wahnwitzigen Tour de Force abzudriften droht. Depressionen, Panikattacken und allerhand Ängste begleiten sie. Nach dem Unterricht, in dem sie von den anderen Schülern gemobbt wird, kommt sie nach Hause und sucht Schutz bei den Eltern. Diese bemühen sich nach besten Kräften der Tochter zu helfen, doch die Situation ist keine einfache und für die Ehe der Eltern eine schwere Belastung.

Nicht selten muss sich Sara von ihren Mitschülern den Begriff Psycho-Sara gefallen lassen. Oft fällt dieses Wort, wenn eines der „Spiele“ wieder losgeht. Das Risikospiel, das ist Saras Ausdruck für die schizophrenen Episoden. Oder Fehlalarm, Saras Ausdruck für die Panikattacken. Die Angst davor, dass etwas gewaltig aus dem Ruder läuft, dass jemand am Ende vielleicht sogar stirbt. Oder die Bleikugel, so nennt Sara die Momente, in denen sie sich schwer fühlt und einfach nur versucht, den Tag irgendwie hinter sich zu bringen.

Um mit den Herausforderungen des Alltags besser klarkommen zu können, führt Sara ein Spiralbuch mit über 130 Regeln darin. „Die Regeln zum Normalsein“, wie Sara sie nennt, werden von ihr ständig ergänzt. Mit ihrer Hilfe versucht sie sich an die Gesellschaft anzupassen. Das gelingt mehr schlecht als recht. Denn immer, wenn Sara eine Regel als erfüllt durchstreichen kann, so kommt ziemlich bald eine neue dazu.

Bei einem Spaziergang durch den Park trifft Sara auf einen Jungen. James spricht sie an und bezeichnet sie sogar als normal. Etwas verbindet die beiden miteinander. Vielleicht ist es die Tatsache, dass James so traurig blickt und ebenfalls Probleme zu haben scheint. Doch Sara weiß, dass sie besonders ist und dennoch schenkt ihr dieser Junge Mut, weiter dafür zu kämpfen, sich kompatibel zur Gesellschaft verhalten zu können.

Und dann gibt es da noch Erin, das Mädchen aus der Therapiegruppe, die so ganz anders ist als Sara. Erin redet ständig. Für sie ist es normal, wenn Sara, um durchzuatmen, für einige Zeit in einen anderen Raum verschwindet.

Im Nachwort erfährt der Leser, dass Wesley King selbst mit Zwangsstörungen, generalisierten Angststörung, Panikanfällen und Depressionen zu kämpfen hatte. Mit „Sara auf der Suche nach Normal“ wollte er nach „Daniel is different“ eine Geschichte schreiben, die sich mit dem Thema psychische Störungen auseinandersetzt.

Der Autor möchte mit seinem Buch den Leser auffordern, das zu verstehen und zu akzeptieren, was uns schräg und wundervoll macht. Das ist dem Autor meiner Meinung nach gelungen. Ich möchte Wesley Kings Appell an den Leser an dieser Stelle noch einmal weitergeben: Bleibt so wie ihr seid: Einzigartig, wundervoll, mit Ecken und Kanten, mutig und tapfer. Verbiegt euch nicht, nur weil andere es von euch verlangen.



Fazit:


Wesley King vereint in „Sara auf der Suche nach Normal“ eine unglaublich liebenswürdige Protagonistin mit frischen Ideen und unglaublich witzigen Einfällen.

Es ist die Geschichte eines Mädchens, dass Tag für Tag versucht, sich kompatibel zur Gesellschaft zu verhalten.

Glaubhaft und nachvollziehbar schildert der Autor das Leben von Sara, die nichts lieber möchte, als so zu sein wie all die anderen Menschen.

Menschen stylen sich, machen Diäten, werden sogar operiert – all dies, um sich zu verwandeln in die, die sie sein wollen sollen oder besser glauben, sein zu müssen. Anlass hierfür ist wohl, dass wir alle uns abmühen unsere Verortung im sozialen Raum für andere sichtbar zu verkörpern.

Als Leser hofft man schnell, dass Sara eben dies nicht so gelingt, wie sie sich das vorstellt. Denn Sara ist eine unglaublich wundervolle Figur, sie ist mutig und unglaublich stark. Sie ist ein fantastisches Mädchen mit einem großen Herzen. Für den Leser ist das Buch daher ein Reiseführer der ganz eigenen Art, bei dem er viel über sich selbst lernen kann.

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Veröffentlicht am 13.01.2021

Eine digitale Dystopie

Der Zwillingscode
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Inhalt:


Vincent lebt in einer Gesellschaft, die einem Soziallabor gleicht. Durch Einführung eines Social-Credit-Systems gelang es, alle Bürger wechselseitig transparent zu machen. Es stellt ein Mittel ...

Inhalt:


Vincent lebt in einer Gesellschaft, die einem Soziallabor gleicht. Durch Einführung eines Social-Credit-Systems gelang es, alle Bürger wechselseitig transparent zu machen. Es stellt ein Mittel der totalen Kontrolle der Bevölkerung durch die Vergabe von „Punkten“ für wünschenswertes Verhalten, bzw. deren Entzug für negatives Verhalten, dar.

Aufgrund seines niedrigen Sozialpunktestandes muss sich Vincent etwas einfallen lassen. Für das Recht zum Schulbesuch reichen die Punkte nicht aus, überdies ist der Junge notorisch klamm. In seiner Wohnung bietet Vincent daher einen illegalen Reparaturdienst für mechanische Haustiere an.

Als eines Tages eine alte Frau vor seiner Tür steht und ihm ihre Katze entgegenhält, denkt sich Vincent also nicht viel dabei. Doch bald stellt sich heraus, dass das Tier nicht wie erwartet vom Monopolisten Copypet, sondern in einem kleinen Laden in der Sophienstraße verkauft wurde. Alles wird noch verworrener, als die Auftraggeberin ihm einen ungewöhnlich hohen Lohn verspricht, was aber auch ihrem Anliegen geschuldet ist. Vincent soll der Katze die Krallen ziehen, die sie eigentlich gar nicht haben dürfte. Eigentlich sollten die mechanischen Haustiere friedliche Begleiter der Menschen sein.

Kaum ist die alte Dame aus dem Haus, macht sich Vincent an die Recherche. Als erstes besucht er den kleinen Laden in der Sophienstraße. Nach und nach kommt er einem Geheimnis auf die Spur, das eng mit seiner eigenen Vergangenheit und dem Verschwinden seiner Mutter verbunden ist.



Meinung:


Margit Ruile zeigt in ihrem Buch „Der Zwillingscode“ auf, wie künstliche Intelligenz unser Leben verändern kann. Das Social Credit System ist eine Art übergreifendes, perverses Schufa-Programm für alle Bürger, das zu einem digitalen Kastensystem geführt hat.

Der Protagonist Vincent hat es mit Doppel D in der Gesellschaft nicht leicht. Bei einem Verkehrsunfall beispielsweise ist die Chance, dass er in einen Unfall verwickelt wird, gar nicht so gering. Ein selbständig fahrendes Auto würde im Extremfall eher einem Menschen mit Status A ausweichen und als Kollisionsziel z.B. eine Person mit Status D wählen.

Auch werden Menschen mit einem schlechteren Sozialkonto ghettoisiert. So beschäftigt Vincent neben der Sorge um einen vernünftigen Schulabschluss auch die Sorge, ob er seine Wohnung behalten kann.

Mit dem Auftritt einer ungewöhnlichen Auftraggeberin verändert sich Vincents Leben von einem Tag auf den anderen. Er kommt einem Geheimnis auf die Spur, dass ihn dazu bringt, die Welt, wie er sie bisher kannte, zu hinterfragen. Immer wieder stößt er auf Situationen, die ihn verwirren. So zeigt ihm die alte Dame z.B. den Nachbau eines Sonnensystems und fordert ihn auf, sich die Konstellation zu merken. Der Verkäufer in der Sophienstraße kommt Vincent irgendwie sehr bekannt vor und immer wieder stößt Vincent auf Hinweise, die mit seiner verstorbenen Mutter in Verbindung stehen.

Im weiteren Verlauf der Geschichte findet Vincent Zugang zu einer gefährlichen Parallelwelt. Hier entwickelt sich eine thrillerhafte Spannung, die das ganze Buch über andauert. All dies ist aber lediglich der Zündstoff der eigentlichen Erzählung über eine dystopische Gesellschaft und ihre Strukturen.



Fazit:


Fallen die Begriffe künstliche Intelligenz und datenbasierte Systeme, dann kommt sehr schnell "Dystopie“ als dritter dazu. Und hier ist „Der Zwillingscode“ auch angesiedelt.
Margit Ruile zeigt vielen Genre-Vertretern, wie man eine Dystopie packend und mitreißend erzählen kann.

Gemeinsam mit Vincent erkundet der Leser eine Welt, in der künstlichen Intelligenz den Ton angibt.

Nach der Einführung eines Social Credit Systems hängt der Zugang zu Schulen, Jobs und vielen weiteren Lebenschancen von der Big-Data-Bewertung ab. Das Buch ist damit die ultimative digitale Dystopie.

Das Werk berichtet mit großer Konsequenz und einer bemerkenswerten Wucht, über die uns die Konsequenzen dieser bedauerlicherweise nicht mehr allzu fiktiven Welt präsentiert werden. Schließlich will auch Chinas Regierung die eigenen Bürger künftig mit einem Social-Credit-System bewerten.

Eine Leseempfehlung aber auch für jeden, der sich dem Sog geschickt aufgebauter Spannung hingeben will.

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