Profilbild von Esme--

Esme--

Lesejury Star
offline

Esme-- ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Esme-- über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.08.2018

Keine leichte Lektüre

Fernweh
0

Inhalt:

Evie wächst sehr behütet auf. Sie ist zwanzig Jahre alt und hat noch nicht viel von der Welt gesehen. Sie lebt mit ihrer Mutter zusammen, die jeden Tag von den bösen Menschen spricht, die außerhalb ...

Inhalt:

Evie wächst sehr behütet auf. Sie ist zwanzig Jahre alt und hat noch nicht viel von der Welt gesehen. Sie lebt mit ihrer Mutter zusammen, die jeden Tag von den bösen Menschen spricht, die außerhalb des Hauses warten. Evie darf ein Fernstudium absolvieren, auch ist es ihr gestattet, die Bibliothek zu besuchen. Doch Evie sehnt sich danach die Welt zu erkunden. Sie möchte die Niagarafälle sehen und etwas erleben.
Als sie irgendwann den Entschluss fasst aufzubegehren, kommt es zum Streit. Wenn sie jetzt geht, dann muss sie gar nicht erst wiederkommen und sie wisse schon, was sie davon hätte, schimpft die Mutter.
Doch Evie will mutig sein. Ihre Reise endet jedoch schneller als erwartet, denn schon am nächsten Rasthof trifft sie auf einen Mann, der an seinem Truck lehnt und dessen Blick wie starr an dem jungen Mädchen haftet.
Evie ignoriert den Fernfahrer. Doch im Restaurant trifft sie ihn wieder. Als die Bedienung ihr mitteilt, dass der Fremde namens Hunter ihr Essen bezahlen möchte, lehnt Evie ab. Sie möchte zurück auf ihr Zimmer. Der Blick der Bedienung wirkt traurig und wissend. Ihre Worte sind eine Warung und zugleich auch eine Prophezeihung: Es gäbe Männer, zu denen man nicht Nein sagt und Hunter sei einer von ihnen.



Schreibstil:

Fernweh ist mein erstes Buch aus dem Hause Festa. Der Verlag wirbt mit dem Slogan, „Wenn Lesen zur Mutprobe wird“. Ich wusste bald, dass man diese Worte ernst nehmen sollte.

Schon vorab informierte ich mich über das Verlagsprogramm und auch über dieses Buch. Ich kann unsicheren Leser/innen dieses Vorgehen empfehlen. Bei Fernweh handelt es sich, nach dem, was ich erfahren habe, um ein Buch, das im Vergleich zu anderen Werken Sex und Gewalt nur gleichsam in homöopathisch verdünnten Dosen präsentiert.

Auf den ersten Seiten des Buches lernt der Leser Evie kennen, ein Mädchen, das zu Hause bei einer Mutter lebt, die unter starken Ängsten und Kontrollzwängen leidet. Evie möchte nichts mehr, als aus dem Haus ausbrechen, das für sie für einen Käfig geworden ist. Doch ist sie durch die spezielle Erziehungsform ihrer Mutter, die die Heranwachsende verängstigt hat, stark eingeschüchtert.

Ich konnte Evies Gedanken und ihren Drang die Welt erkunden, nur zu gut verstehen. Bei der erstbesten Situation kommen ihr die Worte ihrer Mutter wieder in den Sinn: Alle Männer sind schlecht, sie werden dir Böses antun. Evie, der Elternhaus und Erziehung immer noch in den Knochen stecken, weiß, dass sie diese Warnungen in den Wind schlagen muss, wenn sie ihre Ängste und dieses allgegenwärtige Gefühl des Unbehagens hinter sich lassen will.
Umso schockierender wirkt es, dass gerade dieses Mädchen auch schon bei Beginn ihrer Reise auf Hunter stößt. Einen dieser Männer, vor dem ihre Mutter sie stets gewarnt hat.

Evie gerät von einer Gefangenschaft in die nächste. Sowas haben LeserInnen schon oft gelesen und gesehen, doch das erscheint nur auf den ersten Blick so. Denn Hunter ist kein Bad Boy, vielmehr wird er anfangs als ein gefährlicher Psychopath charakterisiert.
Beim ersten Zusammentreffen wirkt Hunters Blick kalt, sein Handeln rau und im weiteren Verlauf brutal. Sein Versprechen ist eindeutig: Du gehörst mir. Du kannst dich wehren, dann wird es schmerzhaft für dich werden oder du kannst dich fügen und dann wird es nicht so schlimm werden.

Im weiteren Verlauf der Geschichte wird Evies Willen gebrochen. Es folgen Darstellungen von sexueller Gewalt, eine Geschichte emotionaler Abhängigkeiten und von Grenzüberschreitungen.

Da Evie zuvor nie individuelle Freiheit kennengelernt hatte, findet sie in der Dialektik von neuen Möglichkeiten und Unterwerfung aber auch zu einer gewissen Freiheit. Sie findet etwas, was ihr nur Hunter geben kann. Am Ende sieht sie sogar die Niagarafälle.
Die Opposition von Gut und Böse muss dabei neu gedacht werden. Gezeigt werden dunkle und helle Sphären im Menschen, kaum erklärbare Ambivalenzen und Berührungspunkte zwischen Gut und Böse.

Vielleicht mag Hunters Verhalten auf den ersten Seiten verstörend und brutal wirken, doch sind Charakter und Konfliktführung im Laufe des Buches zu verstehen.



Fazit:

Fernweh eignet sich nicht für feingeistige und zartbesaitete Gemüter, denn die Brutalität an Körper und Seele spielt eine ganz zentrale Rolle. Lichtblick ist mit welch bemerkenswerter Präzision ein Schlaglicht auf Beziehungsmuster und Familienabhängigkeiten, auf das Beschwören von Freiheit und Liebe geworfen wird.

Beide Charaktere, Evie und auch Hunter mussten in ihrem Leben Schlimmes erfahren. Beide gehen völlig unterschiedlich mit der Bewältigung der Vergangenheit um. Evie ist eine Frau, die durch die fortgesetzten Vergewaltigungen ihres Entführer gebrochen wurde, nur um sich danach gleichsam neu zu erfinden. Ob dies eine realistische Version ist, will ich mal dahingestellt lassen.

Fernweh wirkt noch lange nach. Darüber sollte man sich vor dem Lesen bewusst sein.



Buchzitate:

Nicht jeder, der wandert, ist verloren. Ich wusste es und glaubte es, aber in diesem Moment, als meine Mutter schluchzend Obszönitäten ausstieß, während ich in meinem zehn Jahre alten Honda davonfuhr, fühlte ich mich sehr allein und ein klein bisschen verloren.

Veröffentlicht am 25.07.2018

Für jüngere Leser/innen

Prinzessin undercover – Geheimnisse
0

Inhalt:

Lottie und Ellie sind grundverschieden. Während die eine in einem kleinen Zimmer auf dem Dachboden ihrer Stiefmutter über einer stillgelegten Bäckerei lebt, zelebriert die andere als Prinzessin ...

Inhalt:

Lottie und Ellie sind grundverschieden. Während die eine in einem kleinen Zimmer auf dem Dachboden ihrer Stiefmutter über einer stillgelegten Bäckerei lebt, zelebriert die andere als Prinzessin ihr Leben in einem Schloss. Doch beide Mädchen haben einen Traum: Sie wollen auf das Internat in Rosewood gehen. Lottie hat bereits ihre Koffer gepackt, doch Ellie muss erst noch ihre Eltern überzeugen, denn diese halten eine gewöhnliche Schule für viel zu gefährlich für die zukünftige Prinzessin. Irgendwann willigen sie jedoch ein. Ellies Identität muss aber auf jeden Fall geheim bleiben.

Der Zufall will es, dass sich genau diese beiden Mädchen ein Zimmer teilen müssen. Lottie, die Ordnung gewohnt ist, gerät schon bald an ihre Grenzen, denn Ellie, die das genaue Gegenteil von ihr darstellt, teilt ihre Vorliebe für Ordnung und Sauberkeit nicht und sorgt mit ihrer unangepassten Art für Trubel.

Das Chaos ist perfekt, als die neue Mitschüler ein Gerücht zuhören bekommen: Eine Prinzessin befindet sich auf der Schule! Bald sind sie sich einig: Es kann niemand anders sein als Lottie. Die Indizien sprechen ganz klar für das Mädchen, das so ein hübsches Kleid hat und die Farbe Rosa über alles liebt. Lottie überlegt das Missverständnis aufzuklären, doch das ist nicht so einfach und eigentlich ist doch gerade ihr größter Traum in Erfüllung gegangen.

Als sich dann die Ereignisse überschlagen und plötzlich sogar Drohungen ausgesprochen werden, ist es dann eh zu spät. Lottie kann ihre neue Rolle nicht mehr ablegen, denn alle sind davon überzeugt, dass sie die berühmte Prinzessin von Maradova ist, deren Gesicht bislang vor der Öffentlichkeit streng geheim gehalten wurde.



Schreibstil:

Als ich Prinzessin undercover in den Händen hielt, war ich begeistert von der Aufmachung und von dem Klappentext, der eine Geschichte versprach, in der eine Verwechslung dafür sorgt, dass eine Prinzessin und ein ganz normales Mädchen ihre Rollen tauschen würden. Eine spannende Geschichte mit einigen Gefahrensituationen sollte mich hier erwarten.

Erzählt wird die Handlung von Lottie, einem Mädchen, welches aus einfachen Verhältnissen kommt und sich nichts mehr wünscht, als eine Prinzessin zu sein. Abends trägt sie ein Disney Prinzessinnen Nachthemd und erinnert sich an ihre Mutter, die ihr einst eine Krone geschenkt hatte. In schwierigen Situationen sagt Lottie sich die Worte auf, die ihre Mutter ihr eingeflüstert hatte: „Sei freundlich, sei mutig und gib niemals auf.“ Dieses Mantra wird sie auch dringend benötigen, denn mit Ellie bekommt Lottie eine Zimmernachbarin zugeteilt, die sie bald an ihre Grenzen treibt. Die Mädchen sind grundverschieden und wenn sie sich nicht gegenseitig das Leben zur Hölle machen wollen, dann müssen sie sich irgendwie zusammenraufen.

Doch Ellie wird nicht Lotties einziges Problem bleiben, denn das Gerücht, dass an der Schule eine Prinzessin untergekommen ist, sorgt bald für eine Verwechslung der besonderen Art. Bald schon nimmt Lottie teils freiwillig, teils unfreiwillig eine Rolle ein, die sie schon immer gerne ausgefüllt hätte. Denn sie wird für die Prinzessin von Maradova gehalten. Ein Traum wird wahr. Bald schon muss Lottie jedoch am eigenen Leib erfahren, dass ihre neue Identität auch Nachteile hat. Keiner glaubt ihr nun noch, dass sie in Wahrheit jemand anderes ist und mal ehrlich: Wer heißt in Wirklichkeit schon Lottie Pumpkin?

Erste Drohungen sorgen dafür, dass Lottie es mit der Angst bekommt. Sie muss lernen mutig zu sein. Doch bald schon erhält sie Unterstützung und findet Freunde.

Der Spannungsbogen wird für den Leser durch das ganze Buch gehalten. Jüngere Leser/innen kommen bei diesem Buch gewiss auf ihre Kosten. Kleine Rätsel, eine erste zaghafte Schwärmerei und das Thema Prinzessin sein, werden in dieser Geschichte behandelt.
Für ältere Leser/innen, wie mich, ist der Lauf der Dinge oft zu vorhersehbar. Der Verlag empfiehlt diese Geschichte an eine Leserschaft ab 12 Jahren. Ich halte diese Altersangabe für nachvollziehbar, zumal das Ende für ganz junge Leser auch ein wenig zu gruselig daherkommt.



Fazit:

Prinzessin undercover ist eine Geschichte, die für Leser/innen im Alter von ca. 12 Jahren perfekt geeignet ist. Der Traum, endlich einmal in die Rolle einer Prinzessin zu schlüpfen, wird hier zur Realität. Auch an Spannung fehlt es dem Buch nicht, jedoch bleibt diese auf einem für die Zielgruppe angemessenem Niveau. Mit Lottie findet die Autorin eine sehr sympathische Protagonistin, die anfangs oft an der Grenze zur nervlichen Überforderung steht. Doch Lottie ist stark. Sie wird lernen mutig zu sein. Und sie ist nicht alleine, denn sie findet neue Freunde, die ihr helfen werden, dieses Abenteuer zu bestehen.



Buchzitate:

Wenn du dein Leben für einen anderen Menschen lebst, findest du Kräfte in dir, die du niemals für möglich gehalten hättest.

Veröffentlicht am 23.07.2018

Fett Kohle

Fett Kohle
0


Inhalt:

Niklas sitzt in seinem Zimmer und versucht den Streit mit seinem Stiefvater und seiner Mutter zu vergessen, als vor dem Fenster ein lautes Hupen ertönt. Genervt und neugierig schaut er hinaus ...


Inhalt:

Niklas sitzt in seinem Zimmer und versucht den Streit mit seinem Stiefvater und seiner Mutter zu vergessen, als vor dem Fenster ein lautes Hupen ertönt. Genervt und neugierig schaut er hinaus auf den Hinterhof und entdeckt gerade noch so einen Lieferwagen, dessen Fahrer das Fenster herunterkurbelt und eine Tasche in einen Container wirft.

In dieser Tasche, so stellt Niklas kurz darauf fest, befindet sich ein riesen Haufen Geld. Niklas hat sofort einige Ideen, was er mit dem Geld machen könnte. Doch erstmal muss er die Beute verstecken, denn die Gangster sind ihm bereits auf der Spur. Niklas bester Freund Felix steht sofort mit Rat und Tat zur Seite. Gemeinsam überlegen sie sich ein Versteck. Nun heißt es nur noch die Verfolger abzulenken. Denn nicht nur die Gangster, auch die Polizei und die Gang aus der Schule haben die beiden Jungs im Visier. Ein Abenteuer der besonderen Art beginnt.



Schreibstil:

Niklas lebt in einem Berliner Kiez. Zu Hause auf dem familiären Sofa findet er morgens seine Mutter und seinen Stiefvater Kaminski vor. Beide beziehen Hartz IV und schimpfen des Öfteren lautstark. Viel zu oft ist es Niklas, der die Wut, gerade von Kaminski auf sich zieht. Nie macht er etwas richtig. Dabei lastet einiges an Verantwortung auf den Schultern des Jungen. Morgens bringt er die kleineren Geschwister in den Kindergarten, nachmittags geht er für die Familie in dem Supermarkt um die Ecke einkaufen.

Die Verkäuferin mit den kaputten Brillengläsern reagiert gelassen, wenn Niklas mal wieder Bier aufs Fließband stellt und die Bitte äußert, dass sie beim Verkauf doch eine Ausnahme machen soll, da Kaminski durchdrehen wird, wenn er ohne den Alkohol zurückkommt.

Dass dann plötzlich durch einen Zufall eine Tasche mit Geld direkt in den Container vor Niklas Fenster geworfen wird, ist ein glücklicher Zufall. Das Geld eröffnet Möglichkeiten. Niklas könnte seinen richtigen Vater auf Mallorca besuchen, er könnte den Geschwistern ein schönes Geschenk mitbringen. Doch dazu müssen erstmal die Verfolger abgeschüttelt werden.

Der Plot dieser Geschichte bietet eine Menge Potential für eine spannende und actiongeladene Geschichte. Dorit Linke gelingt es, diese Möglichkeiten auszuschöpfen. Nur manchmal ist der Fortgang der Geschichte zu unrealistisch, und die Protagonisten sind ein wenig zu selbstsicher. Ein kleiner Junge würde vielleicht so mutig sein wie Niklas, doch wenn er es mit richtigen „Gangstern“ zu tun bekommen würde, würde alles gewiss nicht ganz so glimpflich ausgehen. Von diesem Gedanken machte ich mich aber frei, da dieser Roman sich an Leser/innen der Altersstufe zwischen 10 und 12 Jahren richtet. Diese Zielgruppe wird hier, da bin ich mir ziemlich sicher, absolut auf ihre Kosten kommen.

Niklas und Felix Schule wird hauptsächlich von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund besucht. Auf der Straße hat Murat das Sagen. Jeder wünscht sich eine Freundschaftsanfrage von ihm auf Facebook und jeder hat Respekt vor seiner Gang. Die Autorin passt ihre Dialoge und auch die Geschichte einem gängigen Klischee an. Niklas, Felix und Murat wollen cool sein. Sie wollen als Helden aus dieser Geschichte hervorgehen und passen auch ihre Wortwahl dementsprechend an. Gerade diese Dialoge prägen den temperament- und humorvoll erzählten Roman.



Fazit:

In „Fett Kohle“ geht es um Niklas, einem Jungen aus einem Berliner Kiez. Als plötzlich eine Tasche mit Geld in seinem Vorgarten landet, beginnt für Niklas ein großes Abenteuer. Doch Gangster, die Polizei und Murats Gang sind ihm bereits auf den Fersen.

Die Autorin geizt nicht gerade mit klischeehaften Charakterisierungen. Kreative Figuren, Prekarianer, Multikulti, Kiez-Milieu und humorvolle Dialoge sorgen aber für ein Abenteuer der besonderen Art. In diesem Buch kommen jüngere Leser voll auf ihre Kosten.



Buchzitate:

„Du sagst mir jetzt sofort, was los ist. Was hast du ausgefressen?“ „Überhaupt nichts“, rief ich und schob den Teller von mir weg. So war das immer. Sogar wenn ich verprügelt wurde, war ich daran schuld!

Veröffentlicht am 18.07.2018

Eine Geschichte übers "Anderssein"

Mein Weg aus unsichtbarer Tinte
0



Inhalt:

Beatrix weiß sehr genau, wie schnell man diese eine Person, die einem so wichtig ist und der man alles anvertrauen konnte, von einem Tag auf den anderen verlieren kann. Seit ihrer Rückkehr aus ...



Inhalt:

Beatrix weiß sehr genau, wie schnell man diese eine Person, die einem so wichtig ist und der man alles anvertrauen konnte, von einem Tag auf den anderen verlieren kann. Seit ihrer Rückkehr aus dem Urlaub ist zwischen Beatrix und ihrer besten Freundin irgendwie nichts mehr wie vorher. Die beiden haben sich auseinandergelebt. Auch die eigenen Eltern haben ständig nur ihre jeweiligen Kunstprojekte im Kopf.
Trost findet Beatrix in ihrer Kunst. Sie verwendet dazu die Form des Haikus, der traditionellen japanischen Gedichtform aus siebzehn Silben. Kurze Gedichte, in denen Worte nicht verschwendet werden, in denen alles genau an seinem richtigen Platz sitzt. Diese Haikus schreibt Beatrix mit Geheimtinte auf kleine Zettel und versteckt sie in einem kleinen Schlitz einer Mauer. Jeden Tag schaut sie nach, ob jemand ihre Worte gefunden hat und plötzlich erhält sie sogar eine Antwort.
Als wenn das nicht schon aufregend genug wäre, spricht sie in der Schule auch noch Mrs. Rod, die Bibliothekarin und Leiterin der Broadside Readaktion an. Mrs. Rod möchte Beatrix unbedingt in ihrem Kurs haben. Beatrix sagt zu und lernt plötzlich eine Menge netter Menschen kennen. Bald schon muss sie sich fragen, ob einer davon nicht sogar derjenige sein könnte, der ihre Briefe beantwortet hat. Aber spielt das überhaupt noch eine Rolle, wenn man plötzlich eine Mission hat? Nämlich die, ein geheimes Labyrinth zu entdecken?



Wichtigste Charaktere:

Beatrix lebt in einem Künstlerhaushalt. Ihre Mutter malt Bilder mit nacktem Blau, ihr Vater zeichnet Comics und ist sehr oft auf Conventions unterwegs. Sie selbst liebt Haikus und schöne Musik.

Will führt ein Leben in Listen. Er mag es nicht, wenn sich etwas grundlegend verändert. Er kennt den Unterschied zwischen Labyrinthen und Irrgärten und möchte nichts lieber als einmal im Leben das unter Verschluss gehaltene Leland-Labyrinth erkunden.

Briggs trägt sein Herz auf der Zunge. Er kann Beatrix Gedichte zitieren und er hat dieses unglaublich süße und einnehmende Lächeln.

S war Beatrix beste Freundin. Doch nun hängt sie nur noch mit A, L und L herum.



Schreibstil:

Beatrix war schon immer etwas Besonderes. Aufgewachsen in einem Haushalt, in dem jeden Tag gezeichnet wird und in dem es okay ist, wenn man sich mal eine Auszeit von der Schule gönnt, weil jeder Mensch einfach mal ab und an einen Seelentag braucht, scheint es nicht verwunderlich, dass das Mädchen manchmal etwas ziellos wirkt. Halt findet Beatrix in dem Schreiben von Haikus.
Die Gedanken, die Beatrix hat, schreibt sie auf kleine Zettelchen und verbirgt diese gleich in zweifacher Weise. Sie schreibt ihre Worte mit einer Geheimtinte, die man nur lesen kann, wenn man ein Streichholz unter das Blatt Papier hält. Schließlich steckt sie die Zettel in den Spalt des „Portals“ einer Mauer, die auf ihrem Weg zwischen der Schule und ihrem Zuhause befindet. Eigentlich wünscht sich Beatrix nichts mehr, als dass diese Gedanken gelesen werden, doch andererseits hat sie auch Angst davor. Als sie eines Tages eine Antwort auf einem ihrer Briefe findet, freut sie sich dennoch sehr.

Aber auch in der Schule passiert einiges. Nach der Einladung von Mrs. Rod in die Broadside Redaktion muss Beatrix feststellen, dass sie mit ihrer Art von Anderssein gar nicht so alleine ist. Diese kleine Gemeinschaft hält zusammen und irgendwie sind alle große Fans von Beatrix Gedichten, die sie damals geschrieben hat und die ihren Haikus nur noch entfernt ähneln.

Hatte ich über die ersten Seiten des Buches vielleicht ein wenig Schwierigkeiten in die Geschichte hineinzufinden, weil der Rote Faden nicht so recht erkennbar war, gelang es mir nach dem ersten Drittel so richtig in die Geschichte einzutauchen. Mit Beatrix lernt der Leser eine Protagonistin kennen, die anders ist. Sie versteckt ihre Gefühle und ihre Gedanken hinter einer Mauer und versucht sich anzupassen. Dabei steckt sie voller außergewöhlicher Ideen und hat ein großes Herz. Erst durch die Crew der Broadside Redaktion gelingt es Beatrix ihr wahres „Ich“ zu zeigen. Hier trifft sie auf Mitschüler, die sie nehmen, wie sie ist und die ebenfalls ein wenig anders sind. So begegnet man hier zum Beispiel Briggs, der versprochen hat, mit Will „Freundschaft zu schließen“ und somit ein wenig auf den Jungen aufzupassen, der sein Leben in Listen lebt und sehr strukturiert denkt. Oder Jaime, der besten Freundin von Briggs, die immer gute Laune hat und gerne Beatrix Freundin wäre.

Die Spannung zieht dieses Buch aus der Frage, wer wohl der anonyme Briefeschreiber ist, der Beatrix auf ihre Haikus im Portal geantwortet hat. Beatrix lässt sich im Verlauf dieser Geschichte jedoch auch auf ein Abenteuer ein, welches schon im Vorfeld ein paar Gefahren offenbart und gut durchdacht sein will. Natürlich möchte man auch wissen, ob Beatrix die Freundschaft zu S wieder kitten kann und welcher Name überhaupt hinter diesem ominösen Buchstaben steckt. Aber vielleicht wird Beatrix ja auch andere Freunde finden und an ihren Erlebnissen wachsen? All das werdet ihr erfahren, wenn ihr "Mein Weg aus unsichtbarer Tinte" lest.

Ein schönes Special, das die Autorin ihren Leser/innen bietet und das ich euch auch an dieser Stelle nicht verheimlichen möchte, ist die Playlist am Ende des Romans. Hier finden sich viele schöne Songs, die in Beatrix auf ihrem Weg begleiten. Ein kleines Stichwort hinter jedem Lied verrät, an welcher Stelle ihr es am besten hören solltet.



Fazit:

In „Mein Weg aus unsichtbarer Tinte“ geht es um Kunst und um Freundschaft. Es ist die Rede von Figuren, die sich wünschen, aus der Alltagsbanalität auszubrechen, da sie alle auf irgendeine Weise etwas Besonderes sind. Es geht um Haikus, Seelentage und Hymnen, die man braucht, um glücklich zu sein. Wer sich darauf einlassen kann, wird dieses Buch mit großem persönlichen Gewinn lesen. Es entwickelt sich eine zauberhafte Geschichte, die einen nicht so schnell wieder loslassen wird.

Ich empfehle dieses Buch an jüngere und ältere Leser/innen, die gerne ein Abenteuer der besonderen Art erleben möchten. An diejenigen unter euch, die Labyrinthe schon immer lieber mochten als Irrgärten und an Menschen, die schon immer etwas anders waren.



Buchzitate:

… manche Ideen sind vielleicht besser als andere, aber sie sind alle Teil deiner inneren Entwicklung. Ob gut oder schlecht, sie machen dich zu dem Menschen, der du bist, und helfen dir, zu dem zu werden, der du mal sein wirst.

Veröffentlicht am 29.06.2018

Der letzte Liebesbrief

Der letzte Liebesbrief
0

Inhalt:

Es beginnt mit dem Fund eines versteckten Liebesbriefes, der an Nells Tante adressiert ist. Nell ist sich sicher, dass Tante Bernadette, die die Vergangenheit oft zu verdrängen versucht, nichts ...

Inhalt:

Es beginnt mit dem Fund eines versteckten Liebesbriefes, der an Nells Tante adressiert ist. Nell ist sich sicher, dass Tante Bernadette, die die Vergangenheit oft zu verdrängen versucht, nichts weiter von den Briefen wissen möchte. So begibt sich das Mädchen selbst auf die Suche. Erst, wenn das Geheimnis um den geheimen Liebhaber aufgelöst ist, möchte Nell ihre Tante zur Rede stellen. Der erste Brief enthält neben liebevollen Worten ein Versprechen: Es soll weitere Briefe geben, die nach und nach immer mehr von dem erzählen, was dem Absender auf dem Herzen lag. Die beiliegenden Koordinaten in dem Umschlag führen zum nächsten Ort und somit peu à peu zu einem weiteren Puzzleteil aus dem Leben der Tante.



Erweiterter Inhalt und eigene Meinung:

Mit dem Fund des ersten Liebesbriefes begibt sich Nell in ein altes verlassenes Herrenhaus. Hier wirkt alles etwas gruselig und geheimnisvoll. Die Schönheit der Vergangenheit spiegelt sich aber in den alten Räumen wieder. Nicht nur der ominöse Briefschreiber fühlte sich von dieser Location angezogen, denn Nell stolpert bei ihrer Suche mitten in ein Fotoshooting.
Der Fotograf stellt sich bald als Sam vor. Ein junger talentierter Mann, der jedoch seit geraumer Zeit nicht mehr mit seiner Arbeit zufrieden ist. Irgendwie fehlt den Bildern das gewisse Etwas. Als Nell von ihrer Suche nach einem Brief berichtet, erklärt Sam, dass er genau diesen Brief gefunden habe. Er führt Nell zu dem Fundort. Bald schon beschließen beide zusammenzuarbeiten. Denn Sam erhofft sich, von diesem vielversprechendem Abenteuer seine Inspiration wiederzufinden und Nell kann ein wenig Hilfe sehr gut gebrauchen.

Mit Nell führt die Autorin einen Charakter in die Geschichte ein, der innerlich zerrissen ist. Sie hat mit ihrer eigenen Vergangenheit, die durch den Tod beider Elternteile überschattet ist, abgeschlossen. Sie hat sich mit der Narbe, die ihr die Mutter einst zugefügt hat und die einmal quer über Nells Gesicht verläuft, abgefunden. Nell ist nicht hübsch. Das weiß sie nur zu genau. Durch die entstellende Narbe ist sie eine typische Außenseiterfigur. Die Wut auf die eigene Mutter sitzt tief.

Nell fällt es schwer andere Menschen näher an sich heranzulassen. Das muss auch Sam spüren, der in dem Mädchen eine Schönheit entdeckt, die diese selbst nicht sehen kann. Doch auch Sam hat sein Päckchen zu tragen. Seine eigene Familie bedeutet ihm viel. Mit der großen Liebe hat er schlechte Erfahrungen machen müssen. Seine Inspiration, sein Lebensglück, man könnte auch sagen seine Muse, ist ihm verloren gegangen.

Zwar kommen sich Nell und Sam näher, doch ist ihre Beziehung in besonderem Maße von der Vergangenheit belastet.

Der Anfang des Buches gestaltete sich für mich schwierig. Ich versuchte die Geschichte zu greifen und hatte irgendwie das Gefühl nicht wirklich anzukommen. Das lag vermutlich an den miteinander verflochtenen Zeitebenen und Handlungssträngen. Der Plot wirkte anfangs überladen und die Handlung bisweilen uneingeführt.
Etwa ab der Hälfte des Buches gelang es mir dann, Zugang zu der Geschichte zu finden. Ich begriff, dass es hier nicht allein um Bernadettes Geschichte, sondern um viel mehr gehen sollte.



Fazit:

„Der letzte Liebesbrief“ ist eine Geschichte, die sich nicht der Bedienung der Lesererwartungen verschreibt. Wenn sich der Leser "in seinen Erwartungen bestätigt fühlt", wird er durch eine überraschende Wendung in den Erzählungen wieder wachgerüttelt.
Die Handlungsstränge werden geschickt zusammengeführt und in einem überraschenden Plot vereinigt.
Nach und nach fügt sich im Laufe des Romans ein Puzzleteil ans andere und es entsteht das Bild einer zerrütteten Familie. Kontrastiert wird das Bild mit der Beschreibung des bürgerlichen Traums vom Familienglück und heiler Welt. Der Roman zeigt ein breites Spektrum an Lebenswirklichkeiten und führt diese zusammen. Dies macht seinen Reiz aus.



Buchzitate:

„Was für ein Code?“, fragte Nell auch sofort. „Den für Urban Explorer. Take nothinig but photos, leave nothing but footprints“, sagte Sam ganz automatisch.