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Veröffentlicht am 30.08.2022

Home sweet home

Wieder zu Hause!
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Inhalt:

Der letzte Stein war gesetzt, die letzte Blume gepflanzt. Das Haus zitterte vor freudiger Erwartung auf den Einzug seiner Familie.

Jahre vergehen, in denen das Haus sich über die kleinen Kinderfüße ...

Inhalt:

Der letzte Stein war gesetzt, die letzte Blume gepflanzt. Das Haus zitterte vor freudiger Erwartung auf den Einzug seiner Familie.

Jahre vergehen, in denen das Haus sich über die kleinen Kinderfüße freut, die über den Boden tapsen, in denen der Duft von Frischgebackenem durch die Räume zieht, in denen Musik ertönt, Partys gefeiert und gemütlich beisammen vor dem Fernseher gesessen wird. Das Haus erlebt mit seiner Familie zauberhafte Momente, von denen es jeden einzelnen genießt.

Doch die Kinder werden älter, das Trippeln der Füße wird zum Stampfen. Die Familie wächst und es kommt der Tag, an dem plötzlich die Räume ausgekehrt werden. Es verschwinden Einrichtungsgegenstände und die Familie steht von einem Tag auf den anderen mit gepackten Kisten in der Haustür.

Das Haus ist verwirrt und irgendwann muss es feststellen, dass die Familie, die sich stets um seinen Zustand gekümmert hat, die so viel Wärme und Liebe mitbrachte, plötzlich verschwunden ist und wohl nie wiederkommen wird.

Nach und nach blättert der Putz von der Fassade ab. Die Fenster verdrecken, das Unkraut schießt aus dem Boden. Das Haus ist traurig. Es fühlt sich verlassen und einsam. Es verkommt.

Doch irgendwann stehen neue Menschen vor dem Gartenzaun, die das Haus besichtigen wollen. Das Haus jedoch weiß nicht, ob es überhaupt wieder Vertrauen aufbauen kann. Es wehrt sich mit allen Mitteln gegen die Eindringlinge. Wird es je wieder in Menschen Vertrauen fassen?


Meinung:

Ein Zuhause bietet in den meisten Fällen Sicherheit und Geborgenheit. Es ist ein Rückzugsort, wenn man sich vom wirren Alltag abgrenzen möchte. Hier sammelt man Erinnerungen, hier schreibt man seine Geschichte. Das Zuhause ist der Ort, an dem die Familie zusammenkommt. Eine Heimat, in deren Wänden man streitet, sich versöhnt, sich liebt, Geheimnisse teilt und Pläne schmiedet.

Diese Stimmung, dieses Gefühl von Geborgenheit, fängt die Autorin Colleen Rowan Kosinski in Zusammenarbeit mit Valerie Docampo, die das Buch mit detaillierten Zeichnungen und warmen Farben illustriert hat, auf jeder Seite ein.

Sie berichtet aus der Sicht des Hauses, das einerseits als stiller Beobachter die Momente sammelt, die sich in seinen Wänden abspielen. Zugleich zeigt es aber auch eine große Dankbarkeit gegenüber den Menschen, die eine symbiotischen Einheit mit ihm bilden. Die seine Wände streichen, die Fenster putzen, den Garten pflegen.

Colleen Rowan Kosinski berichtet davon, wie Rillen in den Türrahmen des Hauses geritzt werden, um die Größe der Kinder festzuhalten. Sie erzählt, wie der Duft von Frischgebackenem durch die Zimmer weht und wie jeder Tag, jeder Moment mit der Familie, das Haus mit Freude erfüllt. Es steckt eine tiefe Wärme und Herzlichkeit in dieser Geschichte, die den Leser auf jeder Seite die Liebe vermittelt, die das Haus für seine Bewohner verspürt.

Doch dann kommt der Umschwung. Die Familie verlässt das Haus. Einsamkeit wird spürbar, die Schattenseiten der Liebe, Alleinsein, Verlassenwerden.

Colleen Rowan Kosinski greift mit dem Verlauf ihrer Geschichte sehr wichtige Themen auf. Denn das Haus muss zwar eine schwere Zeit überstehen. Eine Zeit, in der es zu verkommen droht, in der es die Hoffnung verliert und in der es aufgibt. Aber dann kommen neue Menschen. Zwei Männer, die sich nicht um die knarzenden Bretter, um die tropfenden Wasserhähne und die Sprünge in den Wänden scheren. Als gleichsam traumatisierter Einzelgänger stemmt sich das Haus gegen die neuen Bewohner. Die Männer ignorieren das Zetern und Motzen des Hauses. Sie kümmern sich um das Haus. Die Übertragung ihrer Initiativkraft führt zu einer Reanimation des Hauses.

Die Geschichte, die die Autorin aus der Perspektive des Hauses erzählt, geht ans Herz. Sie ist gefüllt mit ausreichend Resilienz für alle Unbill dieser Welt. Sie wärmt und sie spendet Hoffnung. Darauf, dass selbst die schlimmsten Momente vorbeigehen.

Fazit:

Colleen Rowan Kosinski erzählt mit Unterstützung atmosphärischer Farbzeichnungen der Illustratorin Valeria Docampo eine herzerwärmende Geschichte über Behaustsein und dessen Gefährdung.

Der Subtext transportiert manch wertvolle Botschaft. Trotz aller erlittener Unbill muss das Haus seinen Frieden machen und sich an dem Schönen freuen, das es erlebt hat und noch erleben wird.

Das Ganze ist dabei herzerwärmend und berührend erzählt, so dass man eigentlich nirgendwo anders leben möchte als in diesem einen Haus.

Für mich eine absolute Leseempfehlung, die ich großen und kleinen Lesern ans Herz legen möchte.

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Veröffentlicht am 23.08.2022

Eine Geschichte über ein Tabuthema

Point of View
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Inhalt:

Als Lucas eines Morgens nach dem Aufwachen zum Handy greift und dieses nicht mehr funktioniert, gerät er in Panik. Der Laptop zeigt nur noch ein blinkendes Fragezeichen an. Beide Geräte sind, ...

Inhalt:

Als Lucas eines Morgens nach dem Aufwachen zum Handy greift und dieses nicht mehr funktioniert, gerät er in Panik. Der Laptop zeigt nur noch ein blinkendes Fragezeichen an. Beide Geräte sind, das wird Lucas schnell klar, von einem Virus befallen. Warum, das kann er sich erklären.

Als Lucas Vater von den funktionsunfähigen Geräten erfährt, lässt er nicht lange mit sich handeln. Handy und Laptop soll sich sein Kollege Jérôme anschauen. Sébastien arbeitet in einer Computerfirma, dort hat man Ahnung. Das Problem wird vermutlich schnell gelöst sein.

Durch das,was Sébastien jedoch kurze Zeit später erfährt, droht er vollends den Boden unter den Füßen zu verlieren. Jérôme zeigt ihm ein Foto seines Sohnes, das diesen vollkommen rasiert, mit Öl eingerieben abbildet. Ob Lucas Opfer eines Pädophilen geworden ist? Sébastien wird schnell von seinem Kollegen und langjährigem Freund beruhigt. Denn der zwar sorgfältig gelöschte, aber für Jérôme noch zugängliche Browserverlauf zeigt, dass Lucas alleine in einer Nacht über 140 Pornos angeschaut hat. Lucas ist pornosüchtig.

Lucas Zensuren sind unterdessen immer schlechter geworden. Die Lehrer berichten davon, dass er mitten im Unterricht einschläft. Er isst ungesund und zu viel, hat stark zugenommen und interessiert sich kaum noch für seine Körperhygiene. Er hat keine Freunde, sitzt nur noch zu Hause in seinem Zimmer und schläft zu wenig. Ist all dies seiner Pornosucht geschuldet? Sébastien scheut das Gespräch mit dem Sohn. Aber es scheint wohl unvermeidbar.



Meinung:

Patrick Bard spricht mit seinem Roman, „Point of View – Wenn du nicht wegschauen kannst“, kein leichtes Thema an, soviel steht fest. Völlig unverblümt, offen und unverstellt nähert sie sich Themen, die für die meisten mit Tabus behaftet sind. Lucas ist pornosüchtig. Mit elf Jahren hat er sich illegal Filme und Serien auf den PC geladen und ist dabei durch ein Pop-Up auf seinen ersten Pornofilm aufmerksam geworden. Vielleicht war es die Neugierde, die ihn weitergeführt hat. Mit vierzehn Jahren zeigt er bereits signifikantes Suchtverhalten.

Immer auf der Suche nach dem einen Mädchen mit dem bestimmten Merkmal, klickt er sich von einem Video zum nächsten. Er hat bereits tausende Pornos gesehen. Er kennt mittlerweile Praktiken, die er in seinem Alter nicht kennen sollte. Es gibt Filme zum Thema Cosplay, die ihn aktuell sehr beschäftigen. Da sieht man Wonder Woman, Vampire, Zombies oder Androide beim Akt. Es fallen Worte, die Lucas anfangs vielleicht noch nichts sagten. Also klickt er auf den Link.
Das zentrale eskalierende Moment in seiner Sucht. Das Buch nimmt sich das Recht, dabei auf Triggerwarnungen zu verzichten. Hier fragte ich mich, ob die Altersempfehlung, ab 14 Jahren, angemessen ist. Denn natürlich ist man auch als Leser/in neugierig. Wie schnell ist so ein Wort gegoogelt?

Jugendbücher sollen den Erfahrungshorizont der Gegenwart abbilden. Das tut Patrick Bard mit seinem Buch, das steht fest. Denn Lucas durchlebt seinen persönlichen Albtraum. Durch das Schauen von Pornofilmen findet er eine innere Sicherheit, eine Routine. Er kommt zur Ruhe. Ohne diese Filme findet er nicht mehr in den Schlaf. Ihm fehlt etwas. Er fühlt sich leer, einsam und unsicher. Der Autor stellt hier sehr gut dar, was eine Sucht bewirken kann. Daraus auszubrechen ist nicht einfach. Für Lucas ist das ein Ding der Unmöglichkeit.

Lucas benötigt die Hilfe seiner Eltern. Doch die Mutter leidet unter Depressionen und findet kaum Kraft den eigenen Alltag zu bewältigen. Der Vater ist resolut, er kämpft sich für seine Familie durch den Alltag. Das zusätzliche Problem ist eine Last für Sébastien. Ein Gespräch mit dem Sohn ist für ihn keine einfache Sache. Stellenweise greift Patrick Bard die Perspektive von Lucas Vater auf, was hilft, sich auch in dessen Perspektive zu versetzen. Sicher macht Sébastien auch Fehler, doch diese bleiben für den Leser nachvollziehbar.

Die Pornos prägen Lucas sexuelles Wissen, seine sexuelle Praxis und vor allem seine sexuelle Imagination. Sein erster Kontakt zu einem Mädchen verläuft nach dem game plan, den er durch die Videos vermittelt bekommen hat. Das mag auf den Leser schockierend und vielleicht auch kurzzeitig amüsant wirken. Lucas jedoch versteht die Welt nicht mehr. Er wird abgewiesen, ausgelacht und noch weiter ausgegrenzt. Und das ist vermutlich noch ein relativ harmloser Verlauf der Dinge, im Vergleich zu dem, was wohl passiert wäre, hätte das Mädchen, dem er ein Nacktfoto von sich schickt, dieses vielleicht noch im Internet geteilt.

Patrick Bard erzählt aber nicht nur von Lucas Sucht und den Auswirkungen dieser auf sein gesamtes Leben. Der Autor setzt zu dem Zeitpunkt an, in dem Lucas Suchtverhalten von seinen Eltern entdeckt wird. Psychologisch akkurat wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei Zeitsprünge und Perspektivwechsel die Spannung erhöhen.

Gelegentlich werden kurze Blicke in die Zukunft eingeworfen. Beispielsweise wie sich Sébastien vor einem Richter wiederfindet, der ihn damit konfrontiert, dass er nicht gleich einen Therapeuten aufgesucht hat. Das macht neugierig.

Patrick Bard berichtet bis zu dem Zeitpunkt, als Lucas Sucht ein Ende findet. Und das in einem Buch, das lediglich 224 Seiten umfasst. Die Erzähl-Dynamik ist also hoch. Manchmal ging es mir persönlich aber ein wenig zu schnell.



Fazit:

Patrick Bards Romane wurden mehrfach ausgezeichnet. Bereits auf den ersten Seiten von Point of View ahnt man warum. In diesem Buch geht es um einen Jungen, der auf einen Link klickt und nach und nach in die Pornosucht abgleitet. Es erzählt von der Erotisierung einer Kindheit. Von Gewalt- und Pornographie-Darstellungen, die Ängste auslösen und mittelfristig zu Abstumpfung und Empathieverlust führen.

Dass der Leser, auch wenn es sich um einen Roman handelt, viel über extreme Pornografie lernen kann, wird schnell klar. Es ist sicherlich immer ein Balanceakt bei solchen Büchern. Eine kleine Triggerwarnung wäre aber sicherlich angezeigt gewesen.

Dennoch ist dieses Buch eine Bereicherung im Bereich Jugendbuch, zumal Pornosucht noch immer zu den absoluten Tabuthemen gehört.

Das Buch ist sicherlich ein Instrument der Reflektion und der Erkenntnis. Junge Menschen sollten dabei aber begleitet werden.

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Veröffentlicht am 18.08.2022

Ein Mitmachbuch, das von der ersten, bis zur letzten Seite Spaß macht

Rille: Wann ist bald?
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Inhalt:

Was ist denn das?! - Rille staunt nicht schlecht, als er beim Mangosuchen ein riesiges buntes Ei findet. Nirgendwo ist eine Ei-Mama oder ein Ei-Papa zu sehen. Kurzerhand entscheidet sich Rille ...

Inhalt:

Was ist denn das?! - Rille staunt nicht schlecht, als er beim Mangosuchen ein riesiges buntes Ei findet. Nirgendwo ist eine Ei-Mama oder ein Ei-Papa zu sehen. Kurzerhand entscheidet sich Rille eine seiner Mangos zurückzulassen und dafür das Ei mit nach Hause zu nehmen. Dort warten auch schon seine Freunde.

Pepe, der blaue Papagei, ist sofort aus dem Häuschen: Rille hat scheinbar einen neuen Fußball mitgebracht und Tante Tate wittert ein leckeres Omelett in dem Mitbringsel. Doch Rille legt sofort schützend seine Arme um das Ei. Er sucht einen schönen, warmen und weichen Platz, an dem das Ei-Baby schlüpfen kann.

„Wann kommt denn endlich jemand aus dem Ei?“, fragt Rille, der schnell die Geduld verliert, ungeduldig. Tante Tatu erwidert aus ihrer Wurzelhöhle: „Bald!“

Doch wann ist bald? In seiner Ungeduld teilt sich etwas vom Zeiterleben des Wartenden mit. Umso mehr man grübelt, umso langsamer vergeht die Zeit.

Gemeinsam erfinden die Freunde Spiele zum Zeitvertreib, sie überlegen sich, ob man vielleicht durch Schütteln und Rütteln den Bewohner des Eis hervorlocken kann.



Meinung:

„Wie lange dauert's noch? Wann sind wir da?“ Diese Frage kennen vermutlich viele Eltern nur zu gut. Die Antwort, „bald“, ist da nicht immer zufriedenstellend. Das muss auch Rille feststellen, als er mit einem Ei zu seinen Dschungelfreunden nach Hause kommt und sehnsüchtig darauf wartet, dass ein Lebewesen daraus schlüpft.

Doch gemeinsam mit den Freunden, die ihm helfen, ein schönes, weiches Bett für das Ei zu finden, die mit ihm Spiele spielen und Lieder singen, um die Wartezeit zu überbrücken, und die auch überlegen, wie man das Prozedere vielleicht beschleunigen könnte, ist das Warten auf „bald“ irgendwie gar nicht mehr so schlimm.

Fee Krämer bringt ihren jungen Lesern und Leserinnen in ihrem neuesten Rillebuch bei, dass Warten auch etwas Schönes sein kann. Wer im Moment lebt, für den ist die Vergangenheit vorbei. Für den gibt es die Zukunft noch nicht. Wer im Moment lebt, genießt die Gegenwart.

Das Besondere an, „Wann ist bald? - Rille und die Geduld“, ist aber nicht nur der Lebensnutzen des Themas und die farbigen Illustrationen von Nikolai Renger, die zum Erkunden und Entdecken der vielen kleinen Details auf den Buchseiten einladen. Denn bei diesem Buch wird der Leser durch viele kleine Mitmachprojekte auch direkt mit ins Geschehen eingebunden. So kann man auf einer Seite gemeinsam mit Rille die Mangos suchen. Das Ei muss erst mal vom Sand befreit werden. Da muss man kräftig auf die Seite pusten! Magst du vorsichtig beim Ei anklopfen? Vielleicht meldet sich ja jemand aus dem Inneren? Um die Zeit zu vertreiben, kann man auch gemeinsam ein Lied singen.

Viele kleine, schöne Aufgaben enthält dieses Buch, die Rille, seinen Freunden und der kleinen Leserschaft helfen werden, die Wartezeit zu überbrücken. Bis dahin kann man ja auch schon ein wenig rätseln, welches Tier sich wohl hinter der Schale befindet!

Und für alle, die das Buch schon durchgelesen haben und für kommende Situationen ein paar Zeitvertreiber benötigen, gibt es im Anschluss noch einen QR-Code, der zur Vorlagenseite des Verlages führt. Hier gibt es viele schöne Ausmalbilder, einen Test, „wie geduldig bist du?“, ein Rezept für einen Orangentee für (Dschungel-)Freunde, Memorykarten zum Selbstausmalen u.v.m..
Alles soll helfen, dass bald alles seine Zeit hat und die Zeit schnell vergeht.



Fazit:

Die Autorin Fee Krämer schafft in Zusammenarbeit mit dem Illustrator Nikolai Renger erneut einen ganz zauberhaften Rille-Band, in dem Leser wieder tief in den Dschungel eintauchen und die Urwaldbewohner, die süßen Wasserschweine, den frechen blauen Papagei Pepe, den Jaguar Onza, das Gürteltier Tante Tatu u.v.m. wiedertreffen können.

„Wann ist bald? - Rille und die Geduld“ ist aber kein normales Dschungelabenteuer. Bei diesem Buch handelt es sich um ein Mitmachbuch, in dem interaktiv und kontextbezogen mitgerätselt, mitgeholfen und mitgesungen wird. Zwischen Kurzweil und Unterhaltung vergeht die Zeit wie im Fluge.

Spielend leicht vermittelt die Autorin ihre Botschaft an den Leser. Der Lebensnutzen, insbesondere auch für Kinder, liegt offen zu Tage. Wer warten kann, ist bekanntlich erfolgreicher. So kann der Marshmallow-Test ja bekanntlich schulische und soziale Fähigkeiten voraussagen.

Ein zauberhaftes Buch, das ich daher von ganzem Herzen an Eltern empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 09.08.2022

Eine berührende Geschichte

In unserem Universum sind wir unendlich
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Inhalt:


Ansels großer Traum wäre es gewesen, direkt nach dem Abitur ins Medizinstudium zu starten. Leider hatte das nicht geklappt und somit macht er das Beste aus der Situation und beginnt ein Praktikum ...

Inhalt:


Ansels großer Traum wäre es gewesen, direkt nach dem Abitur ins Medizinstudium zu starten. Leider hatte das nicht geklappt und somit macht er das Beste aus der Situation und beginnt ein Praktikum auf einer Intensivstation in einem Krankenhaus.

Als er auf Emil, einen Patienten trifft, markiert das für ihn eine persönliche Wasserscheide. Denn die beiden Jungen verstehen sich vom ersten Moment an. Emil berichtet Ansel von einem Paralleluniversum, in das man sich ganz schnell wegträumen kann. Es handle sich um einen paradiesischen Ort.

Doch bald schon muss Ansel feststellen, dass Emil nicht mehr lange zu leben hat. Die Metastasen in seinem Kopf breiten sich immer weiter aus. Eine Heilung ist nicht mehr möglich. Emil wird entlassen und für Ansel bricht eine kleine Welt zusammen.

Die beiden Jungen beschließen, sich privat weiter zu treffen. Sie kommen sich näher, und fassen an einem Nachmittag einen spontanen Entschluss. Emil wünscht sich nichts mehr, als noch einmal eine Reise zu machen. Über Paris nach Schottland. Spontan stellt Ansels Bruder den beiden seinen Van zur Verfügung. Ansel und Emil packen ihre Sachen und starten zu einer letzten gemeinsamen Reise.



Meinung:


Der Klappentext des Buches verriet bereits, dass diese Geschichte keine leichte sein würde. Emil ist an unheilbarem Hirnkrebs erkrankt. Der Roadtrip wird die letzte Reise sein, auf die er sich begeben wird. Das war mir beim Griff zum Buch bewusst. Ich erhoffte mir aber neben der Krankheitsgeschichte auch ein wenig angenehme Kurzweil einer Reise sowie einen Einblick in die Tiefen einer besonderen Freundschaft.

Leser, die mit der gleichen Erwartung an dieses Buch herangehen, muss ich vorwarnen. Dieses Buch legt seinen Fokus stark auf Emils Krankheitsverlauf. Die Autorin beschönigt nichts. Sie berichtet davon, wie Emil immer mehr abbaut, wie der Roadtrip sogar zu scheitern droht, weil der aggressive Krebs schnell voranschreitet. Nichtsdestotrotz gibt es hier aber auch positive Momente. Denn Sarah Sprinz zeigt, dass auch eine Odyssee, die von den meisten sicher nicht angetreten worden wäre, für Emil und Ansel eben doch genau das Richtige war.

Die Geschichte beginnt damit, dass sich Emil und Ansel im Krankenhaus auf der Intensivstation kennenlernen. Ansel ist jemand, der sein Handeln hinterfragt. Eigentlich eine sehr lobenswerte Eigenschaft, die jedoch auch mit Unsicherheit einhergeht. Auch ist er mit seiner derzeitigen Lebenssituation nicht unbedingt zufrieden. Er hätte gerne ein Medizinstudium absolviert, was jedoch nicht geklappt hat. Er wünscht sich mehr Nähe zu seinem Bruder, der ihm aber mit seiner freizügigen und lockeren Art viel zu fremd erscheint. Sein bester Freund steht nur in vertrauter Umgebung zu ihm. In der Öffentlichkeit schließt er sich den Lästereien über Ansel an, der angesichts seiner Homosexualität gerne zur Zielscheibe von Gleichaltrigen wird. Ansel gelingt es nicht, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen. Das ändert sich, als er Emil kennenlernt.

Denn Emil ist so ganz anders als Ansel. Trotz seiner aktuellen Lebenssituation (oder vielleicht auch gerade deswegen) beginnt er jeden Tag mit guter Laune. Er begegnet seinen Mitmenschen mit einer unglaublichen Geduld und Freundlichkeit.

Als Emil und Ansel aufeinandertreffen, prallen zwei Welten aufeinander, die sich jedoch vom ersten Moment an perfekt verstehen. Emil gelingt es, Ansel zu erreichen. Er hilft ihm dabei, die schönen Momente des Lebens zu erkennen und aus seiner Komfortzone auszubrechen. So stiftet er ihn z.B. zu einer Nachtwanderung im Krankenhaus an. Etwas, was vielleicht nicht verboten ist, aber Emil schon einiges an Mut abverlangt. Schließlich könnten Dritte die beiden erwischen und zur Rechenschaft ziehen.

Ansel hingegen weiß genau, wie man sich einem Patienten gegenüber in Krisensituationen zu verhalten hat. Er weiß welche Handgriffe erforderlich sind, wenn Emil zu krampfen beginnt, er weiß, wie er mit seinem Gegenüber sprechen muss, um Panikattacken in den Griff zu bekommen.

Die beiden sind komplementär angelegt und ergänzen sich perfekt.

Erst ab der Mitte des Buches beginnt der Roadtrip, den der Klappentext bereits ankündigt. Die Jungs beginnen die Reise ihres Lebens, die mit einigen schönen Momenten, aber auch einem riesigen Haufen Problemen behaftet ist. Immer wieder fordert Emils Körper Ruhe ein, er wird von Zusammenbrüchen, Schmerzen und Ängsten heimgesucht. Ansel gerät hier nicht selten an seine Grenzen. Und doch machen beide Jungen immer weiter.

Über allem liegt immer dieses düstere Gefühl, dieser dunkle Schatten des wachsenden Krebsgeschwüres, worin ein Stück weit natürlich auch die Moral der Geschichte liegt. Nämlich die, dass Zeit relativ ist. Vielleicht sind es manchmal nur ein paar Minuten, ein paar Stunden oder wenige Tage, die dir mit einem wichtigen Menschen vergönnt sind oder die dir besondere Erfahrungen und wichtige Momente bringen. Diese bleiben dir allerdings für die Ewigkeit.



Fazit:


Mit „In unserem Universum sind wir unendlich“ schreibt Sarah Sprinz eine sehr intensive Geschichte über zwei Menschen, denen nur noch wenige gemeinsame Tage miteinander verbleiben. Die Geschichte ist keine Variation des Feel-Good-Spiritualismus; oft vielmehr wie ein Schlag in die emotionale Magengrube.

Auf beeindruckend unaufdringliche Weise wirbt das Buch allerdings für Achtsamkeit. Sarah Sprinz zeigt, dass sich aus unser aller Endlichkeit ableitet, dass jeder Moment des Existierens als wertvoll zu erachten ist.

Das Buch ist traurig. Die Geschichte tut stellenweise weh. Doch zugleich hilft sie auch dabei einen Weg zu finden, wie man mit Verlust umgehen kann.

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Veröffentlicht am 03.08.2022

Eine sehr bewegende Geschichte

Mein letzter Livestream – und alle schauen zu
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Inhalt:

Butter war schon immer übergewichtig. Mittlerweile wiegt er 423 Pfund. In der Schule ist sein Gewicht der sprichwörtliche rosa Elefant im Raum. Butter spürt die Blicke, wenn er einen falschen ...

Inhalt:

Butter war schon immer übergewichtig. Mittlerweile wiegt er 423 Pfund. In der Schule ist sein Gewicht der sprichwörtliche rosa Elefant im Raum. Butter spürt die Blicke, wenn er einen falschen Schritt macht, wenn er nur den Mund öffnet, um irgendwas zu sagen. Ein kleiner Fehler und er steht im Mittelpunkt. Etwas, was Butter unbedingt vermeiden möchte. In der Mensa hat er seinen eigenen Tisch und seine eigene Bank, da die übrigen Stühle sein Körpergewicht nicht tragen. Hier sitzt er alleine. Ein Behindertenparkplatz soll ihm den Weg zur Schule möglichst angenehm machen. Denn längere Strecken zu laufen, stellt eine große körperliche Herausforderung für ihn da.

Nach der Schule ist Butters Leben ebenso trostlos. Seine Mutter gibt zwar ihr Bestes, um die Situation irgendwie im Griff zu behalten. Doch viel zu oft scheint sie überfordert. Schlimmer ist Butters Vater, der seinen Sohn aufgegeben hat und ihn mit Schweigen und missbilligenden Blicken straft. Und dann gibt es noch Butters Arzt, der mit Enthusiasmus an ihn glaubt, aber nicht in der Lage ist, dem Jungen Mut zu machen, da es scheinbar keinerlei Fortschritte auf der Waage zu geben scheint.

Es gibt nur eine Person, die Butter Trost spendet. Und das ist Anna. Das Mädchen aus der Schule, mit dem er Abends gerne chattet. Doch Anna weiß nicht, wer Butter wirklich ist. Sie hofft auf ein erstes Treffen mit dem Jungen ihrer Träume. Butter hingegen tut alles, um dieses zu vermeiden. Denn er weiß, wenn Anna wüsste, wer hinter seinem Pseudonym steckt, dann würde er die einzige Person verlieren, die ihm wirklich wichtig ist.

Das Leben ist für Butter ein wahrer Hindernislauf. Sein Alltag ist deprimierend, ja demütigend.

So geschieht es an einem Abend, mitten in der Nacht, als Butter einen folgenschweren Entschluss fasst. Nicht einmal eine Viertelstunde dauert es, bis er am Computer eine Website erstellt hat. Und diese trägt den Titel „ButtersLastMeal.com“. Butters Finger huschen über die Tastatur, während er die ersten Worte tippt. Er kündigt an, dass er am 31. Dezember auf dieser Seite einen Livestream zeigen wird. Einen Livestream, in dem er sich zu Tode essen wird.

Am nächsten Morgen, als Butter erwacht, erhofft er sich eine Veränderung. Diese beginnt auch schon am Frühstückstisch. Denn seit langem hat er keinen wirklichen Hunger.

Erst in der Schule wird klar, dass die E-Mail eine Wasserscheide war. Denn plötzlich wird er von den Mitschülern angesprochen. Sie gratulieren ihm, schenken ihm ihre Aufmerksamkeit. Plötzlich stehen sie ihm scheinbar positiv gegenüber. Sogar die Freunde von Butters ärgstem Feind wollen ihn plötzlich an ihrem Tisch sitzen haben und laden ihn zu einer gemeinsamen Veranstaltung ein.

Butter stellt fest, dass er über Nacht siebenundzwanzig Kommentare auf seiner Website erhalten hat. All diese Kommentare fordern ihn auf, sein Projekt fortzusetzen.

Allmählich merkt Butter, dass es nur einen Weg für ihn gibt: Sein Projekt durchzuziehen. Bis zum point of no return möchte er die neu gewonnene Aufmerksamkeit in vollen Zügen genießen.



Meinung:

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ ist die Neuauflage des Buches „Butter“, das auch verfilmt wurde. Ich habe zuvor weder das Buch gelesen, noch den Film gesehen.

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ ist kein leichtes Buch, das verrät bereits der Klappentext. Die Autorin Erin Jade Lange greift hier schwere Themen wie Binge Eating, Mobbing, Suizidgedanken, Bodyshaming und Sensationsgier auf. Auch, wenn das Buch nicht mit leicht zugänglichen Typisierungen zur Identifikation auffordert, so ging mir diese Geschichte nahe. Wer in seinem Leben Bezug zu den obengenannten Themen sieht, sollte sich überlegen, ob er zu dem Buch greift.

Erin Jade Lange erzählt in ihrem Buch von einem Jungen namens Butter, der Zeit seines Lebens mit Übergewicht zu kämpfen hatte. Butter hat mittlerweile die Hoffnung aufgegeben, jemals ein „normales“ Leben führen zu können. Zwar gibt es einige Menschen, die ihm positiv zugetan sind, jedoch hilft ihm das nicht über die Einsamkeit und über den Frust hinweg, dem er tagtäglich ausgesetzt ist.

Es gibt z.B. Tucker, diesen Jungen, der ebenfalls übergewichtig war und der mittlerweile durch harte Disziplin und Besuche in einem speziellen Camp für Übergewichtige abgenommen hat. Tucker spricht Butter gut zu. Er versucht ihn zu motivieren. Doch die Ziele, die Tucker erreicht hat, liegen für Butter einfach viel zu weit weg, um sie anzusteuern. Dann gibt es den Professor an der Schule, der Butters Leidenschaft fürs Saxophonspielen unterstützen und ihn fördern möchte. Doch Butter hat einfach zu viel Angst, dass seine Leidenschaft eine Konfrontation mit Publikum nicht überstehen würde. Und es gibt Anna, das Mädchen, mit dem Butter nächtelang chattet. Doch auch diese Beziehung ist mehr als fragil. Wüsste Anna, wer er wirklich ist, dann wäre, seiner Meinung nach, Schluss. Denn in der Schule würdigt sie ihn nicht eines Blickes.

An der Schule gibt es dann noch diese Gruppe von Jungs. Einer davon ist Butters größter Widersacher. Jeremy, der ihm einst seinen Spitznamen verpasst hat. Jeder von ihnen ist stets gewillt, sich über Butter lustig zu machen. Jeder von ihnen hofft darauf, dass etwas passiert, was ihr Leben aufregender machen würde. Kein Wunder, dass Butter ab dem Zeitpunkt, an dem er seine Website erstellt, ihre volle Aufmerksamkeit erhält.

Es ist schockierend zu beobachten, wie fragil Butters Leben doch ist. Der Junge, der eigentlich von seiner Statur her furchteinflößend wirken könnte, trägt ein sehr weiches und gutes Herz in der Brust. Butter weiß, dass zu hohes Gewicht nicht nur optische, sondern auch gesundheitliche Probleme mit sich bringt. So leidet er z.B. unter Diabetes. Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, ist sehr hoch. Hinzu kommt, dass seine Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt ist. Eine kleine Drehung, eine längere Wegstrecke zurücklegen - all das ist für Butter ein großes Problem. Und als wäre das nicht alles schon schlimm genug, ist er fest davon überzeugt, den Status als Paria der Schule übergewichtig nicht verlassen zu können.

Erin Jade Lange realistisches Werk offenbart das manchmal misanthropische Wesen junger Menschen. Denn ab dem Moment, in dem Butter einen folgenschweren Entschluss fasst, nämlich sein Leben zu beenden, erhält er endlich Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, nach der er sich lange gesehnt hat. Seine Mitschüler sehen ihn. Sie sind „nett“ zu ihm. Doch sie zeigen ihm auch bald, dass diese Nettigkeit eben auch ein Preisschild trägt. Denn Butter soll ihr Leben interessanter machen. Er soll ihnen die Langeweile nehmen, die sie im Leben empfinden und ihre Sensationsgier befriedigen.



Fazit:

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ eröffnet einen freien Blick auf die düstere Seele von manch jungem Menschen. Es ist die unglaublich bewegende Geschichte eines übergewichtigen Jungen, der, anstatt diesem Leben zu entkommen, eigentlich nur dazugehören will.

Erin Jade Lange bringt anrührend und unglaublich eindringlich menschliche Abgründe zum Ausdruck. Mobbing beginnt hier bereits im Elternhaus und geht in der Schule weiter. Wie ein Mensch einen sozialen Stempel verpasst bekommt, In-Group-Out-Group-Verhalten, psychische Gewalt und krankhafte Persönlichkeiten werden schonungslos analysiert.

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ ist als Schullektüre zu empfehlen.

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