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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.08.2021

Die Stimme der Stadt

Träume und Kulissen
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Im Sommer 1936 herrscht im kroatischen Split noch eine gewisse Leichtigkeit vor, während sich anderswo in Europa bereits der nächste Krieg abzeichnet. Mitten im Schmelztiegel derer, die die Stadt bevölkern, ...

Im Sommer 1936 herrscht im kroatischen Split noch eine gewisse Leichtigkeit vor, während sich anderswo in Europa bereits der nächste Krieg abzeichnet. Mitten im Schmelztiegel derer, die die Stadt bevölkern, versucht ein Ermittler, ein Verbrechen aufzuklären.
Dieser Roman lässt sich in keine Schublade stecken. Er ist nur nebenher ein Kriminalroman, vielmehr schildert er, was die Menschen bewegt - von Sorglosigkeit bis zu Vorurteilen. Er vermittelt atmosphärisch das Gewusel der Stadt, in der selbige ihre eigene Stimme erhält. “Selbst die Kollonaden, Torbögen, Steinplatten, Fensterläden und Gemäuer, die ansonsten alles hörten und alles sahen, waren eingenickt.”
Auch ohne mit der Stadt oder ihrer Geschichte vertraut zu sein, hat das Buch einen Sog auf mich ausgeübt. Es ist ernst und humorvoll zugleich, sowohl anspruchsvoll als auch ungewöhnlich, noch dazu sprachlich ein Genuss. So muss ein gutes Buch sein!

Veröffentlicht am 22.08.2021

Familientragödie

Die Überlebenden
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Drei Brüder kehren an das Haus am See zurück, in dem sie ihre Kindheit verbracht haben, weil ihre Mutter gestorben ist. Eine Familientragödie drängt sich durch ihr Schweigen an die Oberfläche. „Es ist, ...

Drei Brüder kehren an das Haus am See zurück, in dem sie ihre Kindheit verbracht haben, weil ihre Mutter gestorben ist. Eine Familientragödie drängt sich durch ihr Schweigen an die Oberfläche. „Es ist, als würde ein Teil von mir sagen, dass ich zu Hause bin. Und ein anderer Teil brüllt: Lauf weg!“
Die Handlung wird in zwei Zeitebenen erzählt, die sich - eine vorwärts, eine rückwärts - aufeinander zubewegen. Wir lernen die Familie in kleinen Episoden kennen, die zwischen Harmonie und Grausamkeit schwanken.
Ich weiß die besondere Machart zu schätzen, konnte die Sprache aber weniger als erwartet genießen. Zudem wirkte so mancher Erzählstrang auf mich verwirrend, was das Eintauchen in die Geschichte erschwerte; auch die Charaktere blieben mir relativ fremd. Dadurch wurde mein Lesevergnügen etwas getrübt.

Veröffentlicht am 17.08.2021

Von Affen und Menschen

Erste Person Singular
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“Erste Person Singular” steht stellvertretend für eine Sammlung von acht Kurzgeschichten Haruki Murakamis, die sich unterschiedlichsten Themen widmen. Mal ruft eine Frau beim Sex den Namen eines anderen ...

“Erste Person Singular” steht stellvertretend für eine Sammlung von acht Kurzgeschichten Haruki Murakamis, die sich unterschiedlichsten Themen widmen. Mal ruft eine Frau beim Sex den Namen eines anderen Mannes (als des aktuellen Liebhabers), mal schreibt jemand eine fiktive Plattenkritik, und einem sprechenden Affen begegnen wir auch.
Letzterer ist noch der originellste Zug des Autors; darüber hinaus bleibt nicht viel Bemerkenswertes hängen. “Kafka am Strand” ganz positiv im Kopf, hatte ich mehr erwartet und war somit vom belanglos erscheinenden Dahingeplätscher der Handlungen enttäuscht. Da konnte auch die professionelle Sprechstimme von Frank Arnold nicht viel rausreißen.

Veröffentlicht am 16.08.2021

Karrierechancenverbesserungsbericht

Vita-Tuning
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Nach 25 Semestern an einer Uni erlernt der Ich-Erzähler die Kunst der Selbstvermarktung - frei nach dem Motto „vom grauen Mäuschen ohne Ziel zur Rampensau mit viel Profil“. Gemeinsam mit Kumpel Karl quält ...

Nach 25 Semestern an einer Uni erlernt der Ich-Erzähler die Kunst der Selbstvermarktung - frei nach dem Motto „vom grauen Mäuschen ohne Ziel zur Rampensau mit viel Profil“. Gemeinsam mit Kumpel Karl quält er sich durch die Kurse des Arbeitsamts, und eigentlich finden sie das alles nur doof.
Ähnlich ging es mir beim Lesen dieses Karrierechancenverbesserungsberichts, denn den beiden Sprücheklopfern konnte ich nur wenig abgewinnen. „Ich merkte gleich, Satire ist dann am schmerzhaftesten, wenn sie gar keine ist.“ Der Autor ist auf der Kabarett-Bühne gelandet; womöglich funktioniert das Programm auf der Bühne besser als im Buch.

Veröffentlicht am 07.08.2021

Unwiederbringlichkeit

Niemehrzeit
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Christian Dittloff erzählt von dem Jahr, in dem in kurzer Folge sein Vater und seine Mutter starben.
Dies tut er nicht nur mit großer Offenheit und ohne Scham, seine Tränen und seinen Schmerz zu zeigen. ...

Christian Dittloff erzählt von dem Jahr, in dem in kurzer Folge sein Vater und seine Mutter starben.
Dies tut er nicht nur mit großer Offenheit und ohne Scham, seine Tränen und seinen Schmerz zu zeigen. Auch stilistisch ist das abwechslungsreich mit Notizen, Listen oder Wortspielereien gespickt. Er schreibt virtuos und mit feinfühliger Beobachtungsgabe, hat die Leben seiner Eltern recherchiert und noch einmal abgelaufen, um sie in diesem Buch festzuhalten, reflektiert seine eigenen Reaktionen und Worte.
“Niemehrzeit” hat mich beeindruckt und berührt; und trotz des bedrückenden Themas enthält es Leichtigkeit und Lichtblicke auf das Überwinden der Trauer. “Wenn die Schwere kurz verschwindet, sind wir unendlich leicht und fliegen zusammen hoch, wie von einem Trampolin in die Luft geschleudert, und dann können wir über die Mauern blicken, die uns sonst umgeben.”