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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.11.2018

Weder Fisch noch Fleisch

Die Richterin und die Tote vom Pont du Gard
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Auf die Untersuchungsrichterin Mathilde wird ein Anschlag verübt. Vom Krankenbett aus nimmt sie die Ermittlungen auf.
Eine weitere Rolle spielt der Reisebuchautor Martin, der neben regionalen Besonderheiten ...

Auf die Untersuchungsrichterin Mathilde wird ein Anschlag verübt. Vom Krankenbett aus nimmt sie die Ermittlungen auf.
Eine weitere Rolle spielt der Reisebuchautor Martin, der neben regionalen Besonderheiten etwas über einen Unfall seiner Großeltern herauszufinden versucht. Schließlich verstricken sich die Handlungsstränge um die Ermittlungen im Umfeld eines Pädophilen-Rings mit aktuellen Morden in Mathildes Dorf und der Vergangenheit.
Bei mir entstand der Eindruck, dass es der Autorin ähnlich ging wie ihrer Romanfigur Martin, der „einfach zu viel in diesen Reiseführer packen wollte“. Die Beschreibungen französischer Landstriche wirken aufgesetzt, statt die Handlung zu ergänzen. Der Anschlag, der die Hauptfigur hätte erschüttern müssen, wird kaum mehr erwähnt; stattdessen wird ein Fremder ohne jeglichen Argwohn ihr neuer Vertrauter. Die persönlichen Beziehungen der unzähligen Dorfbewohner sind so präsent, dass die Lösung des Kriminalfalls darüber in den Hintergrund gerät. Somit kann ich diesen Roman weder dem Krimiliebhaber noch dem Frankreichfan empfehlen.

Veröffentlicht am 11.11.2018

Verzerrte Wahrnehmung

Der Vogelgott
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Vier Mitglieder einer Familie kommen mit dem Mythos vom Vogelgott in Kontakt und drohen, darüber ihren Verstand zu verlieren.
Und so fragt sich mancheiner: „Wozu sind wir hier? Welche Rolle spielen wir ...

Vier Mitglieder einer Familie kommen mit dem Mythos vom Vogelgott in Kontakt und drohen, darüber ihren Verstand zu verlieren.
Und so fragt sich mancheiner: „Wozu sind wir hier? Welche Rolle spielen wir in diesem barbarischen Stück, das von den Vogelmännern ersonnen wurde?“. Die Wesen, halb Mensch, halb Vogel, erscheinen den Protagonisten auf unterschiedliche Weise, in Aufzeichnungen, Visionen, Erinnerungen und beeinflussen ihre Wahrnehmung der Realität.
Das Buch liest sich mit einer Mischung aus Faszination für das Übernatürliche und Verwirrung. Ähnlich muss es den Figuren ergangen sein, die ihre Selbstbestimmung verlieren, eine Besessenheit erfahren und nicht mal mehr sich selbst trauen können.
Die Idee zu diesem Roman ist außergewöhnlich, die Sprache ausgefeilt. Und doch bleibt bei mir eine gewisse Unzufriedenheit übrig über das Fragmentarische, die geringe Verknüpfung der Einzelschicksale, den ausbleibenden Aha-Effekt, so als sei ich selber in den Bann des Vogelgotts geraten, der mich daran hindert, alle Informationen ausreichend zu deuten.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Glücklichlesen

Hygge, Lykke und Lagom
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Was können wir von den Skandinaviern übers Glücklichsein lernen? Dänemark, Norwegen und Schweden ist jeweils ein Teil dieses Buchs gewidmet, der das Wesen derer Einwohner beschreibt und ihre Weisheiten, ...

Was können wir von den Skandinaviern übers Glücklichsein lernen? Dänemark, Norwegen und Schweden ist jeweils ein Teil dieses Buchs gewidmet, der das Wesen derer Einwohner beschreibt und ihre Weisheiten, Rezepte und Bastelanleitungen (vom Windspiel bis zum Iglu) weitergibt.
Aus dem Dänischen kommen die Konzepte von Lykke (Glück) und Hygge (Gemütlichkeit), aus dem Schwedischen Lagom (Mittelmaß). Um gesellschaftliche Errungenschaften können wir diese Länder zunächst nur beneiden. „Seit 2004 können die schwedischen Bürger ihre Steuererklärung per SMS abwickeln.“ Doch in vielen Dingen können wir uns auch etwas abgucken, und sei es schon einmal eine Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu suchen. Für die Gestaltung der letzteren bietet das Buch zahlreiche Ideen, die ansprechend (mit Fotos und Zeichnungen) präsentiert werden. Und auch wenn wir nicht über Nacht alle Glücksempfehlungen umsetzen, einen Faktor zum Glücklichsein erfüllen wir schon: Wir lesen.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Flüchtige Kunst

Flucht über den Brenner
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In Verona gibt es einen Kunstraub; in Bayern werden Flüchtlingsschlepper aus dem Verkehr gezogen. Wie dies zusammenhängt, ergründen die Kommissare Fontanaro und Breitwieser in ihrem dritten grenzüberschreitenden ...

In Verona gibt es einen Kunstraub; in Bayern werden Flüchtlingsschlepper aus dem Verkehr gezogen. Wie dies zusammenhängt, ergründen die Kommissare Fontanaro und Breitwieser in ihrem dritten grenzüberschreitenden Fall.
Mit der Flüchtlingskrise hat die Autorin ein aktuelles Thema in den bayrisch-italienischen Krimi eingebunden, zu dem man in beiden Ländern unterschiedliche Meinungen hat. Trotz aller Dramatik führt dies aber durchaus zu witzigen Szenen. „Deine Schwiegermutter kocht in einer Turnhalle Tomatensauce in einem Zehnlitertopf und Spaghetti bis zum Abwinken.“
Neben den bekannten Ermittlern werden neue Figuren eingeführt, die noch Entwicklungspotenzial für Folgebände bieten. Ansonsten gibt es die fallspezifischen Verdächtigen unter den offensichtlich Kriminellen und den Reichen und Schönen. Schade fand ich, dass die Kommissare diesmal wenig interagierten, eher nebeneinanderher ihre Pläne verfolgten. Und so kam der freundschaftliche neben dem kulinarischen Teil (früher gingen sie zur Erholung essen oder zumindest einen Kaffee trinken) in meinen Augen zu kurz, was zulasten des Charmes der Reihe ging.

Veröffentlicht am 02.11.2018

Schmelztiegel der Kulturen

Piccola Sicilia
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Moritz wird als Kameramann für Propagandafilme im Zweiten Weltkrieg nach Tunesien geschickt, wo sein Schicksal seinen Lauf nimmt.
Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt. In der Gegenwart versucht Moritz‘ ...

Moritz wird als Kameramann für Propagandafilme im Zweiten Weltkrieg nach Tunesien geschickt, wo sein Schicksal seinen Lauf nimmt.
Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt. In der Gegenwart versucht Moritz‘ Enkelin, die Umstände zum Verbleib ihres Großvaters herauszufinden. Der Großteil der Handlung spielt jedoch in Kriegszeiten in Tunis, einem Schmelztiegel der Kulturen. Und so spielt Identität eine zentrale Rolle. „Ein paar Minuten, nachdem wir auf die Welt kommen, geben sie uns einen Namen, eine Nationalität und eine Religion. Und dann verbringen wir den Rest unseres Lebens damit, etwas zu sein, das wir nie gewählt haben.“
Tunesien ist ein exotischer Kriegsschauplatz, der abwechselnd von verschiedenen Mächten besetzt wird. Vor diesem Hintergrund erleben wir, wie eine jüdische Familie lebt, kämpft und liebt. Das ist gut erzählt (mit tollen sprachlichen Bildern) und mitreißend. Problematisch an „Piccola Sicilia“ sind lediglich die Längen, die mich das Buch immer wieder aus der Hand legen ließen. Im Kopf bleibt es mir allemal.