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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.12.2023

Als Kind in der DDR

Ein Halstuch voller Lügen
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Als die 12-jährige Susanne 1984 mit Mutter und Bruder von Thüringen nach Berlin zieht, heißt es erstmal Wohnung besetzen und Freunde finden. Bevor sie Vertrauen fassen kann, kommen auch ein paar Notlügen ...

Als die 12-jährige Susanne 1984 mit Mutter und Bruder von Thüringen nach Berlin zieht, heißt es erstmal Wohnung besetzen und Freunde finden. Bevor sie Vertrauen fassen kann, kommen auch ein paar Notlügen über ihre Lippen.
„Ein Halstuch voller Lügen“ ist ein Kinderbuch, geschrieben von Annette Herzog und illustriert von Maja Bohn, die das Leben in der DDR kennen und sowohl verständlich als auch authentisch darstellen. So gehört es zum Alltag eines Kindes, an Pionierveranstaltungen teilzunehmen oder Altstoffe zu sammeln. Verweise auf das vorherrschende System werden dezent eingesetzt oder kindgerecht erklärt. „Siehst du, Sanne, man darf nicht aufgeben. Das ist das Gute in diesem Land: Man freut sich über jede Kleinigkeit.“
Neben der Vermittlung der Werte von Freundschaft und Zusammenhalt ist die Ansiedlung der Handlung in der DDR besonders erwähnenswert, da sich das Buch gut eignet, Kindern quasi nebenbei die Geschichte unseres Landes zu erzählen. Für mich als Erwachsene hatte die Lektüre den Effekt einer Zeitreise, die manches Detail sogar mit einem Bild wieder in Erinnerung gerufen hat.

Veröffentlicht am 18.12.2023

Fehler im System

Glitsch
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Léon begibt sich mit seiner Freundin auf eine Kreuzfahrt. Als Kathrin verschwindet, häufen sich seltsame Ereignisse, die den Protagonisten während seiner Suche nach ihr beschäftigen.
Die Zeit, in der ...

Léon begibt sich mit seiner Freundin auf eine Kreuzfahrt. Als Kathrin verschwindet, häufen sich seltsame Ereignisse, die den Protagonisten während seiner Suche nach ihr beschäftigen.
Die Zeit, in der diese Geschichte angesiedelt ist, liegt wohl ein paar Jahre in der Zukunft, denn die Figuren sind sich der Zerstörung des Klimas bewusst, zu den Mahlzeiten wird zuvor Tierisches als Analog-Variante gereicht. Die detailreiche Darstellung lässt das Schiffsleben lebendig erscheinen; der Blick hinter die Kulissen offenbart ein fragwürdiges Mehrklassensystem, das Gäste jeglicher Couleur anziehen soll.
Mir gefällt, mit welchen sprachlichen Bildern der Autor Atmosphäre erzeugt. „Entweder hing alles zusammen wie die Bestandteile einer perfekt schnurrenden Maschine - oder die Welt zerfiel in lauter disparate Einzelteile, in Zahnräder, die nicht ineinandergriffen, einen widersprüchlichen Programmiercode, der immer dieselbe Schlaufen erzeugte.“
Das entstandene Rätsel zog mich in seinen Bann und hat mich mitfiebern lassen. Gerade die Analogie zu einem Fehler in einem Computerspiel hätte verschiedene Auflösungen zugelassen. Doch an diesem Punkt wurden meine Erwartungen nicht erfüllt, das Ende war für mich unbefriedigend.

Veröffentlicht am 16.12.2023

Winterliche Ausflüge

Reisehandbuch Deutschland im Winter - Reiseführer
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„Der Winter möchte uns einladen: auf fantastische Ausflüge und zu einzigartigen Events. … Wir sollten ihm folgen, um Deutschland von einer ganz besonderen Seite kennenzulernen.“ Ein Reiseführer für den ...

„Der Winter möchte uns einladen: auf fantastische Ausflüge und zu einzigartigen Events. … Wir sollten ihm folgen, um Deutschland von einer ganz besonderen Seite kennenzulernen.“ Ein Reiseführer für den Winter bietet neben zu erwartenden Aktivitäten, wie Skilanglauf oder Weihnachtsmarktbesuch, immer auch eine Option, ins Warme auszuweichen, wie mit dem Besuch einer besonderen Therme.
Dieser versammelt die Geheimtipps von Menschen, die sich in den verschiedenen Gegenden Deutschlands auskennen und meist auch anderswo darüber schreiben. Anders als bei typischen Reiseführern, wo ein Ort von A bis Z abgeschritten wird, finden sich hier eher Impulse dafür, die Augen für die Schönheiten der Jahreszeit zu öffnen. Natürlich muss ich mich nicht gleich auf den ersten Vorschlag des Anbadens im Meer am Neujahrstag einlassen, aber den Strandspaziergang abseits der Saison stelle ich mir durchaus idyllisch vor.
Für mich war die Lektüre wertvoll, einerseits, weil die Texte sehr persönlich und ansprechend geschrieben waren, andererseits, weil ich mir durch die besonderen Beobachtungen bereits vom Sessel aus etwas von der winterlichen Schönheit vorstellen kann und Lust auf eigene Erkundungen bekommen habe.

Veröffentlicht am 10.12.2023

Die Faszination der Bücher

Die Bibliothek im Nebel
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1917 flieht der Bibliothekar Artur aus Russland nach Leipzig. 1928 findet das Mädchen Liette an der Côte d‘Azur im Hotel ihrer Familie die Besitztümer russischer Gäste der Vergangenheit. 1957 wird der ...

1917 flieht der Bibliothekar Artur aus Russland nach Leipzig. 1928 findet das Mädchen Liette an der Côte d‘Azur im Hotel ihrer Familie die Besitztümer russischer Gäste der Vergangenheit. 1957 wird der Journalist Thomas mit der Suche nach der Russin Mara beauftragt.
Künstlerisch werden in diesem Roman die Geschichten der Orte und Figuren zu verschiedenen Zeiten miteinander verwoben. Gefahren lauern mal in politischen Umständen, wie der russischen Februarrevolution, oder in vertrauten Personen, die zu Morden fähig sind.
Auch wenn Bücher und Bibliotheken eine große Rolle spielen, haben Cover und Titel meine Erwartungen in die Irre geführt. „Da drinnen ist eine Bibliothek. In meiner Erinnerung ist sie voller Nebel, auch wenn die Luft draußen klar war.“
Statt um besagte Bibliothek ging es vielmehr um die Verstrickungen der Figuren, die Macht ausüben, gegeneinander kämpfen, sich verlieben und aus dem ein oder anderen Grund durch halb Europa reisen. Das ist spannend, herzerwärmend und manchmal auch ein bisschen mystisch - ein guter Schmöker für die kalte Jahreszeit.

Veröffentlicht am 03.12.2023

Vom Leben und Verlust

Die Schuhe meines Vaters
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Andreas Schäfer schreibt über seinen Vater, über ihre letzte Begegnung, dessen Leben und den Verlust, den er nach seinem Tod empfindet.
Der autobiografische Text ist in drei Teile eingeteilt. Zu Beginn ...

Andreas Schäfer schreibt über seinen Vater, über ihre letzte Begegnung, dessen Leben und den Verlust, den er nach seinem Tod empfindet.
Der autobiografische Text ist in drei Teile eingeteilt. Zu Beginn erleben wir die beiden gemeinsam, wie sie Rituale abspulen und über die bereits prekäre gesundheitliche Situation fast kein Wort verlieren. Schließlich landet der Vater im Krankenhaus, und der Sohn muss die schwere Entscheidung treffen, ob die Maschinen abgestellt werden sollen. Nach dem Tod setzt er sich mit dem Leben des Vaters auseinander, analytisch die Stationen abgehend, die ihn ausgemacht haben. Und schließlich begibt sich der Sohn selbst auf eine Reise, um auf den Spuren des Vaters zu wandeln.
„Kein Sohn will die Achtung vor dem eigenen Vater verlieren, und natürlich ist mit diesem Buch auch die sprachmagische Hoffnung verbunden, mithilfe neutraler Sätze die (falls noch vorhandenen) letzten Spuren der frühen Verächtlichkeit ihm gegenüber zu tilgen und ins rechte Sohnes-Verhältnis zurückzufinden.“ Im Vergleich mit anderen vergleichbaren Werken habe ich Schäfers Art eher als kühle, distanzierte Berichterstattung empfunden, die weniger seine Gefühle offenbart. Seine Sprache und Einteilung habe ich als ansprechend empfunden.