Persönliche Geschichte eines Gesinnungswandels
Für euch würde ich kämpfenArtur Weigandt hat eine interessante Lebensgeschichte: geboren in Kasachstan, ist er im Alter von einem Jahr mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, ist hier in die Schule gegangen, wurde als "Russe" ...
Artur Weigandt hat eine interessante Lebensgeschichte: geboren in Kasachstan, ist er im Alter von einem Jahr mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, ist hier in die Schule gegangen, wurde als "Russe" (obwohl er mit seinen russlanddeutschen, kasachischen, ukrainischen und belarussischen Wurzeln genau genommen keiner ist) ausgegrenzt und verprügelt, legte das Abitur ab und fand sich auf der Universität von anderen jungen Menschen umgeben, für die Pazifismus das höchste Ziel war - so wie auch für ihn zu dieser Zeit. Gewalt, auch zur Selbstverteidigung, sah er als Relikt der Vergangenheit an, und führte gemeinsam mit anderen jungen Menschen engagierte theoretische Debatten über Pazifismus.
Bis der Ukrainekrieg und insbesondere seine Entscheidung, an der ukrainischen Front freiwillig als Dolmetscher tätig zu werden, und all das, was er dabei erlebt hat, zu einem Umdenken führten, sodass er heute sagt, er finde es wichtig, als Land wehrfähig zu sein und als Einzelperson sich für das eigene Land einzusetzen, denn ansonsten sei unser aller Frieden gefährdet, denn Aggressoren würden sich durch eine pazifistische Haltung des Gegenübers nicht beschwichtigen lassen.
Es ist ein sehr persönliches Buch, eine Geschichte eines Menschen, der uns mit auf seine Reise in die Ukraine nimmt, zu Gesprächen mit Menschen, die verzweifelt darum kämpfen, dass ihre Heimat und die ihrer Kinder nicht von einem als unterdrückerisch wahrgenommenen Regime übernommen wird. Der Ton ist sehr entschieden, aufrüttelnd bis anklagend, der Autor meint, viele von uns in Westeuropa würden es uns mit der Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine sehr bequem machen. Und neben der moralischen Verpflichtung, für ein anderes europäisches Land einzustehen, wären wir dadurch auch selbst gefährdet, denn in Russland gäbe es schon lange Vorbereitungen auf Angriffe auch auf weitere europäische Länder und selbst Raketenangriffe auf Berlin seien etwas, das dort immer wieder als Drohszenario erwähnt werde.
In einem kurzen fiktiven Exkurs ins Jahr 2033 zeichnet der Autor auch ein sehr erschreckendes Szenario von einem Deutschland, das nicht wehrfähig genug war und nun unter russischer Herrschaft ist.
Man muss dem Autor nicht in jedem einzelnen Punkt zustimmen, um seine Erfahrungen interessant zum Reflektieren des eigenen Standpunktes zu finden.
Das Buch ist eine interessante Perspektive eines Menschen, der den Ukrainekrieg miterlebt hat und aus dieser Perspektive zum Beispiel folgendes sagt: "Wehrhaftigkeit beginnt nicht an der Grenze. Sie beginnt in uns. In der Entscheidung, nicht zu schweigen, wenn Unrecht geschieht. Nicht zu erstarren, wenn andere kämpfen. Nicht zu delegieren, was wir selbst tun könnten - auch wenn es nur die Verteilung einer Packung Orangen ist." (S. 88)