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Veröffentlicht am 10.04.2023

Walisisch-englische Kabbeleien

Die letzte Party
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Eine Silvesterparty, die mit einem Toten endet. Ein See, durch den die Grenze zwischen England und Wales verläuft. Auf der englischen Seite das exklusives Bungalow-Ressort „The Shore“. Auf der anderen ...

Eine Silvesterparty, die mit einem Toten endet. Ein See, durch den die Grenze zwischen England und Wales verläuft. Auf der englischen Seite das exklusives Bungalow-Ressort „The Shore“. Auf der anderen Seite ein walisisches Dorf, dessen Bewohner alle etwas zu verbergen haben. Eine walisische Ermittlerin und ein englischer Detective. Und sehr viele dunkle Geheimnisse.

Dieser britische Krimi bringt alles mit, was es für einen klassischen Whodunit braucht: Ein großartiges Setting an der walisisch-englischen Grenze und einen abgegrenzten Kreis von möglichen Verdächtigen. Wobei sich in Agatha-Christie-hafter Manier rasch herausstellt, dass eigentlich nahezu alle Bewohner:innen von The Shore und des Dorfs ein Motiv hätten.

Mir gefiel besonders der schnoddrige Humor, den die walisische Ermittlerin Ffion mit ihren Sprüchen einbrachte. Die vielen Charaktere und Namen machten den Start in die Story ein klein wenig unübersichtlich, aber zum Glück enthält das Buch eine Übersichtskarte. Sehr schön herausgearbeitet war die Rivalität zwischen England und dem armen Anhängsel Wales. Auch der Konflikt um die walisische Sprache wird thematisiert; immerhin war diese einzigartige Sprache lange sogar verboten.

Zudem war die Story raffiniert aufgebaut. Einige Szenen wurden im Verlauf des Romans mehrfach wiederholt, wobei sie dann immer aus anderer Perspektive erzählt wurden und damit neue Erkenntnisse brachten. Das Mitraten bereitete bei diesem Buch großes Vergnügen, und ich kann stolz verkünden, dass ich den richtigen Riecher hatte und der Lösung auf die Spur gekommen bin.

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Veröffentlicht am 04.04.2023

Eine starke neue Erzählstimme

22 Bahnen
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Tildas Leben pendelt zwischen ihrem Job im Supermarkt, dem Mathematikstudium und ihrem Zuhause bei ihrer kleinen Schwester und alkoholkranken Mutter. Ach ja, und auch der Besuch im Schwimmbad ist ein elementarer ...

Tildas Leben pendelt zwischen ihrem Job im Supermarkt, dem Mathematikstudium und ihrem Zuhause bei ihrer kleinen Schwester und alkoholkranken Mutter. Ach ja, und auch der Besuch im Schwimmbad ist ein elementarer Bestandteil ihrer Abläufe, wenn sie jeden Abend genau 22 Bahnen schwimmt. Zumindest so lange bis Viktor auftaucht. Viktor, der ebenfalls genau 22 Bahnen schwimmt. Viktor bringt Tildas Leben aus dem Rhythmus: Nicht nur, dass sie von nun an 23 Bahnen schwimmt, nein, sie stellt sich endlich verdrängten Ereignissen aus der Vergangenheit und – was noch schwerer wiegt – der Frage nach der Zukunft.

Manchmal hört man eine Erzählstimme, und in seltenen, glücklichen Fällen fühlt man die Erzählstimme. So wie hier. Die Geschichte hat mich mit sich genommen, in einem ruhigen, unaufgeregten Erzählfluss durch diesen kurzen, aber intensiven Roman geführt. Auch die Handlung an sich überzeugt voll und ganz, geht beim Lesen unter die Haut und vermag es zu berühren. Aber am meisten überzeugt haben mich die Charaktere dieses Romans: Manche Charaktere wirken geschrieben, erschaffen, andere wiederum sind wie direkt aus dem Leben gegriffen. Dieses Gefühl hatte ich auf Anhieb bei Tilda. Aber auch ihre kleine Schwester ist hervorragend getroffen, die alkoholkranke Mutter ist erschütternd realistisch gezeichnet, und mit Viktor ist der Autorin ein faszinierender Charakter gelungen.

Der kleine Roman wirkt so schlicht und besitzt doch ungeahnte Tiefe. Ein gelungenes Debüt einer neuen starken Stimme, von der wir hoffentlich noch mehr hören werden!

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Leider nicht das Richtige für mich

Emerdale 2: One Side of the Light
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Dieses Buch und ich wurden einfach keine Freunde. Mich persönlich konnte diese Story leider nicht erreichen.

Während Band 1 „Two sides of the dark“ für meinen Geschmack zu gemächlich daherkam, bietet ...

Dieses Buch und ich wurden einfach keine Freunde. Mich persönlich konnte diese Story leider nicht erreichen.

Während Band 1 „Two sides of the dark“ für meinen Geschmack zu gemächlich daherkam, bietet die Fortsetzung „One side of the light“ nun jede Menge Tempo und Action. Allerdings leider zulasten der Logik. Gerne lasse ich mich von einer rasanten Handlung mitnehmen, und gerade bei einem Sci-Fi-Fantasy-Roman ermöglicht das Genre auch phantastische Entwicklungsmöglichkeiten und viele Freiheiten. Beim Lesen stolperte ich jedoch leider ständig über unlogische Zusammenhänge, fehlerhafte Kausalitäten. Teilweise widersprach sich die Geschichte selbst oder war realitätsfern – und ich spreche hier nicht vom Sci-Fi-Anteil. Mich persönlich hat das beim Lesen gestört. Ich wollte diese Geschichte so gerne mögen, aber sie hat mich leider einfach nicht „gecatcht“.

Ich möchte der Emerdale-Dilogie zur Ehrenrettung zugutehalten, dass ich vielleicht auch einfach die falsche Zielgruppe bin. Meine jüngste Teenie-Tochter hat beide Bücher gelesen und gemocht.

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Wenn sich Wut in Kunst verwandelt

Die Künstlerin der Frauen
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„Ich bin eine Frau, die aus unverbundenen Einzelteilen besteht. Ein Puzzle, in dem nichts zusammenpasst, ein Mosaik. Ich zerfalle.“

Niki de Saint Phalle - die Frau, die auf ihre Bilder schoss und diese ...

„Ich bin eine Frau, die aus unverbundenen Einzelteilen besteht. Ein Puzzle, in dem nichts zusammenpasst, ein Mosaik. Ich zerfalle.“

Niki de Saint Phalle - die Frau, die auf ihre Bilder schoss und diese mit Farbbeuteln zum Bluten brachte, die Erfinderin der Nanas, die geniale Partnerin von Jean Tinguely,… Aber wer war diese Frau? Was hat sie zu dieser wütenden, rebellischen, außergewöhnlichen Künstlerin gemacht?

Dieser Frage geht die Romanbiographie „Die Künstlerin der Frauen“ auf den Grund. Oft genug steht dieses Format für weichgespülte Erzählungen, doch dieses Buch bildet eine erfreuliche Ausnahme. Der Einstieg ist noch ein wenig holprig und enthält viele Zeitsprünge, doch dann taucht man beim Lesen immer tiefer in die Welt und die Persönlichkeit der Künstlerin ein. Es ist ein traumatisierendes Erlebnis im Alter von 11 Jahren, das die kleine Niki völlig aus der Bahn wirft. Sie rebelliert, fliegt von der Schule. Mit 18 brennt sie mit Harry Matthews durch. Immer wieder versucht sie sich auf dem Terrain der Kunst, doch die Ergebnisse stellen sie nicht zufrieden. Der Durchbruch kommt viele Jahre später, nachdem sich der Nebel ihrer Erinnerung nach einem Brief ihres Vaters gelüftet hat und das Trauma offenbart: Sie war im Alter von 11 Jahren von ihrem eigenen Vater missbraucht worden.

Nach einem Zusammenbruch und Klinikaufenthalt schafft sie es, die Wut und den Hass in ihrer Kunst zu verarbeiten und kreiert die Tirs, ihre Schießbilder. Doch das Schießen ist Erlösung und Fluch gleichermaßen, und schließlich kanalisiert sie ihre kreative Energie in den Nanas, diesen prächtigen Frauenfiguren.
Die Romanbiographie begleitet Niki de Saint Phalle über eine weite Strecke ihres Lebens, beleuchtet Hintergründe und erlaubt tiefe Einblicke in ihr Seelenleben und ihr einzigartiges Œvre. Klare Leseempfehlung für alle, die sich näher mit dem Menschen und der Künstlerin Niki de Saint Phalle auseinandersetzen möchten.

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Zart und schön wie ein Eisvogel

Der Ruf des Eisvogels
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Es ist nicht nur die Lebensgeschichte von Olga, die wir in diesem Roman begleiten, sondern auch ein Stück deutsche Geschichte. Der Roman setzt im Jahr 1991 ein, wenige Jahre nach der Wiedervereinigung, ...

Es ist nicht nur die Lebensgeschichte von Olga, die wir in diesem Roman begleiten, sondern auch ein Stück deutsche Geschichte. Der Roman setzt im Jahr 1991 ein, wenige Jahre nach der Wiedervereinigung, und Olga wird von ihrer Tochter und ihrer Enkelin als Überraschung zum 66. Geburtstag in die alte Heimat nach Ginsterburg in der Uckermark „entführt“. Ein Schock für Olga, die bisher ihre Vergangenheit unter Verschluss gehalten hatte und nun schlagartig damit konfrontiert wird. Und so erfahren wir von den Ereignissen, die Ende der 1930er Jahre ihren Anfang nahmen. Nein, eigentlich schon früher – mit Olgas tragischer Geburt, die zugleich den Tod ihrer Mutter bedeutete.

Der Roman ist hervorragend erzählt mit wunderbar ausgeformten Charakteren und es entsteht ein lebendiges Bild der damaligen Zeit. Die Entwicklungen von Familie/Freunden und Zeitgeschehen sind sehr geschickt verwoben und chronologisch raffiniert angeordnet. Die zahlreichen Zeitsprünge ergeben absolut Sinn und führen unweigerlich zum Höhepunkt der Erzählung hin; zahlreiche Hinweise und Andeutungen bereiten das Ende schon durch den ganzen Roman hindurch vor, so dass dieses absolut glaubwürdig erscheint.

Für mich entwickelte sich beim Lesen ein wahrer Sog, der mich das Buch kaum noch aus der Hand legen ließ, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es in der Gegenwartsebene von 1991 weitergeht bzw. wie es Olga in der Vergangenheit erging. Besonders die „Eisvogel-Stunden“ am frühen Morgen wärmten mir die Seele. Andere Vorkommnisse schnitten mir förmlich ins Herz, und einige grauenhafte Begebenheiten wie die russische Besatzung in Kühlungsborn brannten sich mir schmerzhaft ein. Dennoch habe ich diese Schilderungen nie als reißerisch empfunden. Im Buch heißt es lapidar und treffend: „Man begegnet in seinem Leben vielen Leuten, aber nur wenigen Menschen.“ Umso schöner, dass man in dieser wunderbaren Erzählung so viele Menschen treffen darf.

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