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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.04.2022

Ein Buch wie eine Diagnose

Ein Stern macht noch keinen Himmel
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Dieses Buch hat mich – auch wegen des Fehlens einer Triggerwarnung – völlig getäuscht (Achtung: Nicht enttäuscht, sondern getäuscht!):

Das Cover kommt fröhlich bunt daher, ein lustiger Titel und ein Klappentext, ...

Dieses Buch hat mich – auch wegen des Fehlens einer Triggerwarnung – völlig getäuscht (Achtung: Nicht enttäuscht, sondern getäuscht!):

Das Cover kommt fröhlich bunt daher, ein lustiger Titel und ein Klappentext, der auf eine lustige Landärztin in der schwäbischen Provinz hinweist. Genau so beginnt auch der Roman, in dessen Mittelpunkt die patente Ärztin Janne Helmkamp steht. Es entfaltet sich eine charmante Geschichte rund um das Team und die Patienten ihrer Landarztpraxis mit viel authentischem schwäbischem Gebabbel und Gebruddel. Dazu kommt eine hinreißende Lovestory mit dem liebenswerten und einzigartigen Leon Bloomdale, dem charmantesten Engländer seit James Bond. Wobei er eindeutig die Lizenz zum Viel-Unsinn-Reden hat. Soweit so gut. Sogar sehr gut.

Doch plötzlich gerät die ganze Erzählung genauso wie Jannes Leben völlig aus den Fugen. Und hier kommen wir zu der fehlenden Triggerwarnung, denn es sind nicht etwa lediglich ein paar literarische Komplikationen, die der Heldin in den Weg gelegt werden. Nein, wir sprechen hier über schwerwiegende psychische Erkrankungen, schwerst traumatisierte Kinder, hilflose Angehörige. Das ist schon heftig und komplex, von der Autorin jedoch hervorragend und realistisch geschildert in all seiner Eindringlichkeit und Schwere. Im Zentrum der Aufarbeitung steht Jannes Mutter mit einer bipolaren Störung und manisch-depressiven Phasen, die sehr realitätsnah dargestellt werden. Die Autorin hat äußerst gründlich recherchiert und lässt den Leser an Jannes Hilflosigkeit ganz nah teilhaben. Während die Erinnerungen an schlimmste Erlebnisse in der Kindheit wieder an die Oberfläche drängen, beginnt sich die ansonsten so gefestigte Janne nämlich völlig aufzulösen und droht sich zu verlieren.

So gesehen ist dieser Roman selbst wie eine manisch-depressive Diagnose mit seinem heiter leichten Beginn und dem völlig zerstörenden Fortschreiten, ehe sich am Ende so etwas wie Versöhnung einstellt. Eine sehr intensive Geschichte. Genau genommen hätte man daraus sogar zwei großartige Bücher machen können, einen liebenswert-lustigen Landarztroman und ein ernstes Psychodrama. Aber gerade der Kniff, beides in einem Buch zu vereinen, macht die Diagnose in ihren gegensätzlichen Zuständen erst völlig anschaulich und erlebbar. Ich bleibe aber dabei: Eine Triggerwarnung wäre sinnvoll gewesen.

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Veröffentlicht am 13.04.2022

Ein Elefant im Buchladen

Der große Fehler
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Ich gebe es offen zu – nach den ersten paar Seiten dieses Romans habe ich mich ernsthaft gefragt, ob nicht dessen Lektüre ein „großer Fehler“ sei?

Ein Lesefluss wollte sich zunächst so gar nicht einstellen. ...

Ich gebe es offen zu – nach den ersten paar Seiten dieses Romans habe ich mich ernsthaft gefragt, ob nicht dessen Lektüre ein „großer Fehler“ sei?

Ein Lesefluss wollte sich zunächst so gar nicht einstellen. Eher fühlte es sich an wie ein mühsamer Kletterweg über einen Berg voller im Weg stehender Wörter und Sätze. Wer sich jedoch über den anstrengenden Anstieg hinweggequält hat, wird mit einem ganz außergewöhnlichen Roman belohnt. Erzählt wird die Geschichte von Andrew Haswell Green, dem Erbauer u.a. des Central Parks in New York. Die Story steigt ein am Tag seiner Ermordung im Jahr 1903 und erzählt dann abwechselnd von der Aufklärung des Mordes und in Rückblenden Andrew H. Greens Leben. Geschildert wird nicht nur dessen Kindheit in einfachen Verhältnissen auf einer Farm, sondern auch sein frühes Scheitern in New York, die Flucht nach Trinidad und die fulminante Rückkehr als nach außen hin selbstbewusster Mann, der Zeit seines Lebens unter seiner unterdrückten Homosexualität zu leiden hat.

Die Geschichte spielt grob in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und Autor Jonathan Lee passt seine Sprache perfekt dieser Zeit an. Da erwarten den Leser schwurbelnde Aufzählungen, es wird sich in epischer Breite über Nebenhandlungen ergossen und der Autor beweist seine unbändige Freude an scheinbar endlosen Sätzen und detaillierten Beschreibungen nebensächlicher Kleinigkeiten. Die dichterisch angereicherte Sprache dient der Schaffung einer historischen Atmosphäre und lässt das Zeitgeschehen auferstehen. Der Leser erfährt dabei interessante Hintergründe zur Geschichte New Yorks und speziell zur Entstehung des Central Parks.

Fazit: Ein intensiver Lesegenuss, der jedoch nicht über inhaltliche Schwächen hinwegtäuschen kann, wenn etwa nicht alle Handlungsstränge konsequent zu Ende geführt werden.

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Veröffentlicht am 11.04.2022

Packender und vielschichtiger Justizthriller

Verweigerung
6

Ein aufsehenerregender Mordprozess ohne Leiche, ein Angeklagter, 12 Geschworene und am Ende ein Freispruch.

10 Jahre danach ist der Fall um die verschwundene Jessica Silver so rätselhaft wie am ersten ...

Ein aufsehenerregender Mordprozess ohne Leiche, ein Angeklagter, 12 Geschworene und am Ende ein Freispruch.

10 Jahre danach ist der Fall um die verschwundene Jessica Silver so rätselhaft wie am ersten Tag. Ein Wiedersehen aller Geschworenen soll Licht in die Sache bringen, doch stattdessen wird dadurch eine Lawine von Ereignissen in Gang gesetzt. Die alles entscheidende Frage ist: Wird diese Lawine ins Verderben reißen oder wird dadurch die Wahrheit zu Tage befördert?

Der Roman erzählt abwechselnd in Rückblenden vom damaligen Prozess gegen Bobby Nock und von den aktuellen Entwicklungen. Im Mittelpunkt des Geschehens steht Maya Seale. Seinerzeit die einzige Geschworene, die an die Unschuld von Bobby Nock glaubte und es dank ihrer Hartnäckigkeit schaffte, nacheinander alle Geschworenen auf ihre Seite zu ziehen. Heute ist Maya selbst Anwältin und droht sich nun im Strudel der sich überschlagenden Ereignisse zu verlieren.

Ein Schwerpunkt, der die Erzählung wie einen roten Faden durchzieht, liegt auf dem Thema Rassismus, der in der Story aus mehreren Perspektiven und in vielerlei Nuancen beleuchtet wird. Oft ist es kein offener Rassismus, sondern unterschwellige Annahmen und Unterstellungen, was es für die Betroffenen noch schwieriger macht, sich dagegen zu wehren. Die Charaktere sind vielschichtig gestaltet. Durch den Aufbau mit den Rückblenden wird ein Geschworener nach dem anderen mit Tiefe und Leben gefüllt und gleichzeitig die Geschichte erhellt.

Ein wahnsinnig spannender und clever konstruierter Thriller, der den Leser bis zuletzt völlig im Unklaren lässt, wem und was er glauben kann, ehe ein spektakuläres Ende ihn atemlos zurücklässt – und mit erheblichen Zweifeln am amerikanischen Rechtssystem bzw. am Modell der Geschworenen.

Absolute Leseempfehlung für diesen raffinierten Justizthriller voller Hochspannung!

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Veröffentlicht am 07.04.2022

Ein Karussell der Konflikte

Liebesheirat
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Der romantische Titel der „Liebesheirat“ täuscht. In diesem Roman wird aufeinandergeprallt: Nicht nur der klassische „culture clash“, nein auch die sozialen Schichten kollidieren, die Religionen prallen ...

Der romantische Titel der „Liebesheirat“ täuscht. In diesem Roman wird aufeinandergeprallt: Nicht nur der klassische „culture clash“, nein auch die sozialen Schichten kollidieren, die Religionen prallen aufeinander, Familienmitglieder krachen zusammen, und auch bei der Arbeit knallt es.

Dabei beginnt alles so kontrolliert und scheinbar harmonisch. Die muslimische Ärztin Yasmin Ghorami und ihre indischstämmigen Eltern brechen auf zu einem Kennenlernen mit Joe, dem Verlobten von Yasmin, und dessen Mutter Harriet, einer emanzipierten Feministin.

Der rund 600 Seiten starke Roman stellt das Leben ausnahmslos aller Beteiligten grundlegend auf den Kopf, schüttelt es wie eine Flasche Sekt, in der sich der Druck bedrohlich aufbaut. In epischer Breite widmet er sich einem wahren Karussell von Konflikten und den zahlreichen unterschiedlichsten Charakteren, die diese Geschichte mit reichlich Leben füllen. Weil sämtliche Figuren der Geschichte teils dramatische Veränderungen durchlaufen, droht einen die ausufernde Üppigkeit beinahe zu erschlagen, doch die angenehm kurzen Kapitel erleichtern die Lektüre ungemein. Leider sind einige Charaktere doch eher stereotyp besetzt. Wie aufgrund der Konstellation zu erwarten war, spielt das Thema Rassismus eine große Rolle im gesamten Geschehen und wird regelrecht ad absurdum geführt, wenn der Rassist sein Opfer bezichtigt, ihn des Rassismus beschuldigt zu haben, wie es Yasmin bei der Arbeit widerfährt. Oder wie es in einem Gespräch von Yasmin und Joe prägnant auf den Punkt gebracht wird: „Jemanden als Rassisten zu bezeichnen ist schlimmer als ein Rassist zu sein?“ – „Lass es mich so sagen: Man kommt mit dem einen eher durch als mit dem anderen.“

Das Ende konnte mich leider nur bedingt überzeugen, das erinnerte mich nach den epischen Beziehungsgeflechten, tief verankerten gesellschaftlichen Problematiken und angerissenen Konflikten dann doch plötzlich ein wenig an eine Seifenoper.

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Veröffentlicht am 03.04.2022

Regeln sind da, um gebrochen zu werden!

Four Houses of Oxford, Band 1: Brich die Regeln (Epische Romantasy für alle Fans des TikTok-Trends Dark Academia)
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„Four Houses of Oxford“ sorgte schon bei seiner Veröffentlichung für viel Aufsehen und ich muss sagen – believe the hype!!!

Harper kommt an die University of Oxford, um Jura zu studieren, und wird von ...

„Four Houses of Oxford“ sorgte schon bei seiner Veröffentlichung für viel Aufsehen und ich muss sagen – believe the hype!!!

Harper kommt an die University of Oxford, um Jura zu studieren, und wird von der Studentenvereinigung der Diamonds eingeladen. Diese gehört neben den Spades, den Cross und den Hearts zu den „Vier Farben“ - geheimnisvollen Vereinigungen, um die sich viele Gerüchte ranken. Schnell muss Harper feststellen, dass die Wahrheit alle Vorstellungen übersteigt und es für sie kein Zurück mehr gibt. Nicht nur sie selbst schwebt bald in großer Gefahr, sondern auch ihre beste Freundin Cece und Finley, der Junge der ihr vor zwei Jahren das Herz gebrochen hat.

Der New Adult-Roman beschränkt sich nicht auf eine University-Romance, sondern überrascht mit einer spannungsreichen und geheimnisvollen Story, in der nicht nur die rätselhaften „Vier Farben“ eine große Rolle spielen, sondern auch die unbekannte Herkunft von Harper, die bei Pflegefamilien aufgewachsen ist. Und natürlich Harper und Finley!

Freundschaft und Feindschaft, Vertrauen und Verrat, Gefühle und Geheimnisse – die Geschichte bebt förmlich vor Spannung. Dazu kommt mit Harper eine einfach nur coole Heldin daher mit Ecken und Kanten und dem Mut sich zu widersetzen: Regeln sind schließlich da, um gebrochen zu werden.

Die Story endet mit einem heftigen Cliffhanger und es wird echt hart, die Wartezeit auf Band 2 zu überstehen!

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