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Veröffentlicht am 06.11.2022

Göttererben und scharfe Nudeln

Spicy Noodles – Der Geschmack des Feuers
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Toma hat seine Uni-Bewerbungen in den Sand gesetzt und ist daraufhin bei seinen Eltern rausgeflogen. Seine einzige Zuflucht ist im Restaurant seines senilen, verschrobenen Großvaters. Denn verwirrt ist ...

Toma hat seine Uni-Bewerbungen in den Sand gesetzt und ist daraufhin bei seinen Eltern rausgeflogen. Seine einzige Zuflucht ist im Restaurant seines senilen, verschrobenen Großvaters. Denn verwirrt ist der alte Mann eindeutig, der darauf beharrt, von einem shintoistischen Feuergott abzustammen und seine Macht von ein paar Essstäbchen zu beziehen! Aber was stören Toma diese wirren Geschichten, wenigstens hat er nun wieder ein Dach über dem Kopf, einen Job und eine verdammt süße Stammkundin namens Akari. Als jedoch die besagten Essstäbchen gestohlen werden, überstürzen sich die Ereignisse, und Toma findet sich in einer Welt von Göttererben und geheimen Vereinigungen wieder, deren Regeln er nicht kennt.
Die Urban Fantasy nimmt sich sehr viel Zeit, die Geschichte zu entwickeln. Da es sich um Band 2 einer Trilogie handelt, ich aber Band 1 nicht gelesen hatte, waren einige Anspielungen und Bemerkungen erst zu verstehen, nachdem ich mich schlau gemacht habe, worum es in Band 1 ging. Daher wäre es wohl durchaus empfehlenswert, den Band nicht losgelöst, sondern die ganze Reihe zu lesen.

Was den Einstieg ebenfalls ein klein wenig mühselig macht, ist die Hartnäckigkeit, mit der Toma die Geschichten seines Großvaters Shiro abtut. Während man beim Lesen natürlich längst erkannt hat, dass die Legenden wahr sind, leugnet Toma dies beharrlich, wodurch die Geschichte anfangs leider auch nur schleppend vorankommt.

Dies ändert sich ab einem gewissen Punkt jedoch schlagartig, und dann kommt die Story plötzlich mächtig in Fahrt und zieht in ihren düsteren Bann. Da geht es mit großem Tempo spicy, actionreich, brutal und bedrohlich zur Sache! Detaillierte Kampfszenen lassen beim Lesen den Atem anhalten. Manche Szenen oder Figuren erinnern an Mangastyle, und auch dies trägt zur Schaffung dieser besonderen, düsteren Atmosphäre bei. Gemeinsam mit Toma und Akari springt man in diesen epischen Kampf der Göttererben, spürt die unsäglichen Schmerzen des Protagonisten, seine Verzweiflung und Hilflosigkeit. Wirklich fesselnd, und das feurig-düstere Cover ist dieser Geschichte absolut würdig!

Eine wirklich heiße Urban Fantasy, die ich Fantasy-Liebhabern absolut weiterempfehlen kann. Nur der recht behäbige und sehr lange Einstieg in die Story sorgt für einen Punkt Abzug.

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Veröffentlicht am 28.10.2022

Was bleibt

Café Leben
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Was bleibt vom eigenen Leben, wenn dieses zu Ende geht? Biographische Daten zu Werdegang und Familie? Glückliche Erinnerungen, die man bewahrt wissen möchte? Offene Fragen, die man geklärt haben möchte? ...

Was bleibt vom eigenen Leben, wenn dieses zu Ende geht? Biographische Daten zu Werdegang und Familie? Glückliche Erinnerungen, die man bewahrt wissen möchte? Offene Fragen, die man geklärt haben möchte? Die Idee eines Lebensbuchs führt die krebskranke alte Dame Annie ins Café Leben. Sie hat keine Nachkommen und Verwandten, möchte sich aber vor ihrem Ableben den Ballast von der Seele reden. Vielleicht hätte es auch funktioniert, ihre Version ihres Lebens zum Besten zu geben, wenn sie dort nicht auf die übereifrige Henrietta getroffen wäre. Diese vielfach gescheiterte junge Frau, die noch keinen Platz im Leben gefunden hat, entdeckt beim Zuhören ungeahnte detektivische Talente in sich und beginnt nachzuforschen.

Mich hat die Begegnung der beiden zunächst völlig fremden Frauen und ihr behutsames Vortasten und Annähern sehr berührt. Beim Lesen beginnt man immer mehr, hinter die Fassaden dieser beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Persönlichkeiten zu blicken. Nach und nach erkennt man den Menschen dahinter, entdeckt schwere Schuldgefühle und Einsamkeit.

Das Thema Sterben wird eher unaufgeregt behandelt, die Trauer ist ein Begleiter, nicht nur bei den Besuchern des Café Leben, auch bei den Angestellten. Ab einem gewissen Punkt rückt dann jedoch nicht nur die entstehende menschliche Verbindung zwischen Annie und Henrietta, sondern auch der Umgang mit dem Sterben und der Trauer ein wenig in den Hintergrund. Stattdessen wird der Fokus sehr auf die Enthüllung der Geheimnisse der Vergangenheit gelenkt. Auch dies eine überaus faszinierende und spannende Geschichte mit raffinierten Wendungen, aber ich persönlich hätte mir bei Lesen den Blick ein wenig mehr Tiefe im Blick auf das zwischenmenschliche Verhältnis der beiden Frauen, auf den Umgang mit dem bevorstehenden Tod gewünscht.

Dennoch eine klare Leseempfehlung für diesen Roman, weil die Charakterentwicklungen hervorragend herausgearbeitet wurden und der Weg der beiden Frauen aus ihrer Einsamkeit und aus ihren Schuldgefühlen so bewegend ist.

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Veröffentlicht am 06.10.2022

"Dein Mund hat meinen Lippen ihre Sünden geraubt"

Dunbridge Academy - Anyone
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Ein weiteres aufregendes Jahr an der Dunbridge Academy. Dies verspricht Mitternachtspartys, verbotenes Rausschleichen und natürlich ein Liebespaar im Mittelpunkt. Aber ist es dieses Mal wirklich ein Liebespaar? ...

Ein weiteres aufregendes Jahr an der Dunbridge Academy. Dies verspricht Mitternachtspartys, verbotenes Rausschleichen und natürlich ein Liebespaar im Mittelpunkt. Aber ist es dieses Mal wirklich ein Liebespaar? Denn schließlich sind Sinclair und Tori doch einfach nur beste Freunde, und wer ist eigentlich Charles? Für viel Aufregung sorgt auch die jährliche Theaterinszenierung von Romeo & Julia.

Natürlich bietet die Dunbridge Academy-Reihe jede Menge Internatsfeeling, Schulatmosphäre und Romantik. Gerade die Theaterproben erinnern wirklich schön an englische Internatsbücher oder -filme und verleihen der Geschichte eine ganz zauberhafte Atmosphäre. Was sie jedoch von Hanni und Nanni unterscheidet, ist der Tiefgang der Charaktere und die Ernsthaftigkeit ihrer Probleme. Hilflos muss Charles Sinclair mitansehen, wie seine beste Freundin Tori immer tiefer in den Sog einer toxischen Beziehung mit einem anderen gerät und ihm und der Freundesgruppe entgleitet. Das wäre schon schlimm genug, wenn er nur freundschaftliche Gefühle für sie hätte, aber da gibt es diese anderen Gefühle, die er seit Jahren zu unterdrücken versucht. Tori wiederum leidet sehr unter dieser unfreiwilligen Isolation, zumal sich in ihrem Zuhause schlimme Dinge zu wiederholen scheinen.

Die Charaktere sind hervorragend ausgearbeitet, die Probleme sehr nah an der Lebensrealität gestaltet. Mir gefallen besonders die feministischen Standpunkte, die klar vertreten werden. Dazu kommen tiefe Gefühle, Freundschaft, Romantik sowie die wunderbare Kulisse der Dunbridge Academy. Einziger Kritikpunkt für mich persönlich: Sarah Sprinz macht für meine Begriffe zu oft den „Erklär-Bär“, d.h. etwa das Phänomen der toxischen Beziehung wird ausführlich von allen Seiten und in allen Abgrenzungen beleuchtet, erläutert und bewertet. Dies mag für die jugendliche Zielgruppe durchaus hilfreich und angemessen sein, für mich persönlich war es ein wenig zu dozierend und nahm der Story die Natürlichkeit. Da darf die Autorin ihren Lesern gerne mehr Erkennen und Verstehen zutrauen.

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Veröffentlicht am 30.09.2022

Eine unbequeme Heldin

Ein Kind namens Hoffnung
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Selten ist es mir so schwergefallen, eine Rezension zu einem Buch zu verfassen. Ich habe lange überlegt, warum ich nicht einfach ohne Vorbehalte Begeisterung verspüren kann? Weil es ein gutes Buch ist, ...

Selten ist es mir so schwergefallen, eine Rezension zu einem Buch zu verfassen. Ich habe lange überlegt, warum ich nicht einfach ohne Vorbehalte Begeisterung verspüren kann? Weil es ein gutes Buch ist, ein wichtiges Buch, aber eben kein gefälliges Buch. Und das ist in Ordnung.

Es ist das Jahr 1938, und für die jüdische Familie Sternberg in Berlin endet der unerschütterliche Glaube, dass alles gut werden wird, abrupt an einem kalten Winterabend: Das Haus wird gestürmt, die Eltern werden als „Judenpack“ abgeführt, das Haus konfisziert. Der kleine Sohn der Sternbergs entgeht der Verhaftung nur haarscharf dank der Geistesgegenwart der Köchin und Hausangestellten Elly, die ihn als ihren Sohn ausgibt und mit ihm noch in dieser Nacht flüchtet. Es folgt die Geschichte ihrer Flucht unter höchsten Gefahren mit einem fremden jüdischen Kind. Bei Ellys Eltern im Pfarrhaus bei Bonn, ihrer ersten Anlaufstelle, sind sie jedenfalls nicht willkommen, und so setzt Elly ihre Flucht ziellos fort bis ihr von unerwarteter Seite Hilfe zu Teil wird, doch der harte Weg durch Krieg, Hunger und Not ist noch lange nicht zu Ende.

Der Roman bedient sich einer nüchternen Sprache, hüllt nichts in romantisierende oder verklärende Formulierungen, sondern zeigt den quälenden Hunger und das Leid schonungslos und schroff. Das liest sich nicht immer wirklich gefällig, man findet jedoch bald in den Klang der Erzählung hinein. Der Leidensweg von Elly und dem kleinen Leon Sternberg ist schmerzhaft anschaulich dargestellt, und wir verfolgen den erschütternden Weg der beiden 20 Jahre lang bis weit ins Jahr 1958. Geschichtlich wahnsinnig interessant, aufrüttelnd, schmerzhaft. Was eindeutig Unbehagen beim Lesen hervorruft, ist jedoch die Figur der Elly. Sie ist entgegen des Untertitels keine klassische Heldin. Sie ist zwar mutig, aber oft genug unsympathisch. Ihr Handeln konnte ich in weiten Teilen kaum nachvollziehen. So zeigt sie für Leon Sternberg eine fanatische Liebe, an ihre früheren Arbeitgeber Sara und Hanns Sternberg denkt sie mit verklärter Hingabe. Für andere Menschen, sogar die eigene Tochter, hat sie kein Herz. Ja, das konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen, und ja, das hat mich an Elly sehr gestört. Aber müssen Heldinnen in Romanen immer gefällig sein? Immer liebreizend, heldenhaft und sympathisch? Ich freue mich, dass die Autorin den Mut hatte, mit Elly einen unbequemen Charakter zu schaffen weitab aller Ideale, denn genau diese Fehler, Ecken und Kanten verleihen der Figur eine zutiefst menschliche Seite.

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Veröffentlicht am 12.09.2022

Aus dem Leben gefallen

Bullauge
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Bullauge – bereits der Titel mehrdeutig und ich hätte beinahe gesagt: augenzwinkernd, doch das mag im Falle von Kay Oleander nicht angebracht sein. Der hat nämlich im Dienst während eines Polizeieinsatzes ...

Bullauge – bereits der Titel mehrdeutig und ich hätte beinahe gesagt: augenzwinkernd, doch das mag im Falle von Kay Oleander nicht angebracht sein. Der hat nämlich im Dienst während eines Polizeieinsatzes sein linkes Auge durch einen Flaschenwurf verloren. Und damit den Halt und die Orientierung im Leben. Der Roman ist in zwei Teile aufgeteilt, und tatsächlich besteht der erste Teil (Achtung: Wortspiel!) augenscheinlich aus einem ziellosen Herumirren, völliger Orientierungslosigkeit oder wie Oleander von sich selbst sagt: „mein inneres Herumstreunern“. Dabei kann der Autor glänzen mit lakonischem Tonfall, Andeutungen zwischen den Zeilen und knochentrockenem Humor.

Gespräch über Decknamen:
„Und du?“
„Ich bin die Apo.“
„Außerparlamentarische Opposition? Perfekt.“
„Apothekerin.“

Herrlich. Die Dame aus diesem Gespräch, Silvia Glaser, reißt Oleander dann auch aus seiner Lethargie und seinem Taumel, indem sie ihm von einem möglicherweise bevorstehenden Anschlag berichtet. Silvia Glaser ist selbst ein Opfer, eine Versehrte, und nun beginnen die beiden im zweiten Teil des Romans mit ihren Nachforschungen in der rechten Szene: Kay Oleander, der in den Reihen der Polizei bereits als verkappter Linker gilt, weil er „Zeitungen und ab und zu einen Roman oder ein Sachbuch zu aktuellen Themen“ liest, und Silvia Glaser, die von konspirativen Treffen und Kontakten zur Szene zu berichten weiß. Die Handlung kehrt sich im zweiten Teil nun von innen nach außen.

Leseempfehlung für alle Freunde atmosphärischer Geschichten mit kritischen Tönen – Zwischentöne mag man sie nicht mehr nennen; es ist ein gestandener kritischer Chor.

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