Nicht noch ein ...
Was zu dir gehörtMelancholie, ein Expant in Sofia, Homosexualität als Konflikt - das versprach der Klappentext. Und inhaltlich hat er recht. Aber das Gefühl ist ein anderes - statt eines wirklichen Konflikts haben wir ...
Melancholie, ein Expant in Sofia, Homosexualität als Konflikt - das versprach der Klappentext. Und inhaltlich hat er recht. Aber das Gefühl ist ein anderes - statt eines wirklichen Konflikts haben wir einen Ich-Erzähler, der in ständiger Selbst-Beobachtung umhergeschubst wird und dessen Entscheidung am Schluss nicht kräftig wirkt. Eine Figur, eine Thematik, die ich bereits in vielen Büchern erlebt habe.
Worum geht es`
Der Text schildert die zweijährige Beziehung zwischen dem Ich-Erzähler und dem Stricher Mitko. Der Ich-Erzähler ist fasziniert von Mitko, gibt ihm stetig Geld für Körperliches und für das Gefühl der Geborgenheit. Mitko "revanchiert" sich, indem er ungefragt Computer benutzt, sogar in Anwesenheit des Ich-Erzählers mit anderen "Freunden" chattet und sich damit rechtfertigt, dass er ihn hätte nochmehr ausnutzen können. Im Laufe der zwei Jahre versucht der Ich-Erzähler sich zu lösen, schafft das aber nur mäßig.
Meine Gedanken
Was mir von diesem Buch im Gedächtnis bleiben wird, ist die Schuld. Der Ich-Erzähler wurde von seinem Vater abgelehnt, als dieser herausfand, dass er schwul ist. Auch zu seiner Mutter ist das Verhältnis angespannt. Mit seinen Halbschwestern kann er seinen Groll teilen, aber er kommt nicht darüber hinweg. Durch dieses Schuldgefühl geht er nur lose Verbindungen ein - und gibt sich wieder die Schuld dafür. Im letzten Drittel berichtet Ich von einem Boyfriend, doch dieser wirkt auf mich wie ein Mensch, der unseren Erzähler in die "richtige" Richtung schubst - und dieser macht, wie ihm gehießen, weil er denkt, dass das das Leben ist, wie es sein sollte. Ich habe nicht das Gefühl, dass er damit glücklich wird.
"Und nicht zuletzt bleibt über die ganze Lektüre hinweg das schale Gefühl, dass es ein Kinderspiel für den Ich-Erzähler von „Was zu dir gehört“ wäre, sich seiner Situation zu entziehen.", schreibt Andreas Platthaus in der FAZ (23.02.2018) - ich habe das ähnlich empfunden. Ich habe mich 170 Seiten lang gefragt, wann der Ich-Erzähler des Selbstmitleides überdrüssig ist. Aber ich habe keine Antwort gefunden. Andererseits ist es leichter, wenn man selbst NICHT in dieser Situation steckt.
Man begleitet eine Figur, die unaufhörlich auf den Abgrund zuläuft. [Spoiler] Auch wenn sie am Ende vor dem Abgrund stoppt, schlägt sie keine andere Richtung ein. Die Abkehr von Mitko ist für mich nicht nachvollziehbar.
Gut am Buch fand ich, dass es eine klare Dramaturgie hat - Mitko spielt von Anfang bis Ende eine große Rolle, im letzten Viertel gibt es eine Parallelfigur zu Mitko, die dem Ich-Erzähler neue Erkenntnisse entlockt. Ab diesem Punkt betrachtet Ich die Beziehung differenzierter, das Buch wird vielschichtiger.
Auch die Schildung von Sofia gefiel mir gut! Der Wechsel zwischen sozialistischen Hochhäusern und Natur war passend und kontrastiert die innerlichen Betrachtungen.
Die bulgarischen Sätze, die die Sprachbarriere veranschaulichen, sind so eingebaut, dass sie den Leser nicht stören.
Probleme könnte manchen Lesern bereiten, dass die Dialoge nicht mit Anführungszeichen abgegrenzt sind.
Es gibt im Buch eine Mastrubations-Szene, ansonsten keine expliziten Darstellungen.
Die Sprache ist etwas schwingend, poetisch, füllend, aber nicht aufdringlich. Ich fand das positiv eindrücklich.
Fazit
Das Buch wirkt sehr gefühlvoll, intim. Aber das ständige Selbst-Betrachten führt dazu, dass die Handlung auf der Stelle tritt. Ich denke, dass es Lesern, die sich gern mit-verlieren, die Beschreibungen auf sich wirken lassen, Spaß haben werden.
Für mich ist es eine typische Figur, eine typische Situation und daher nichts Neues.
Das Buch ist keine verschwendete Zeit, aber es hat mich nur wenig bewegt.