Nicht ganz rund
Let’s Talk About Sex, HabibiAuf dieses Buch hatte ich mich sehr gefreut. Weniger wegen des tollen, bunten Covers als wegen der Thematik. Menschen des nordafrikanischen Kulturraums sind in meiner Umwelt vorhanden, aber ich weiß sehr ...
Auf dieses Buch hatte ich mich sehr gefreut. Weniger wegen des tollen, bunten Covers als wegen der Thematik. Menschen des nordafrikanischen Kulturraums sind in meiner Umwelt vorhanden, aber ich weiß sehr wenig über diesen Aspekt ihres Lebens. Daher wollte ich durch das Schlüsselloch gucken und neues Wissen gewinnen.
Leider schafft das das Buch nur teilweise. Es hat einige Vorurteile aufgebrochen, aber kann sich nicht entscheiden, ob es Sachbuch, Essayband oder Autobiografie sein will.
Worum geht es?
Der Text schildert im ersten Teil die Jugend des Autors und seine ersten Berührungspunkte mit Liebe und Körperlichkeiten. Später wird er allgemeiner, spricht über das Kopftuch und die Kölner Silvesternacht, später über Vorurteile gegenüber Nafris und Doppelmoral. Ohnehin ein Thema, das sich durch das ganze Buch zieht.
Meine Meinung
Das Buch war nicht leicht für mich, weil der Schwerpunkt wechselt. Während anfangs die Kindheit und Jugend des Autors wichtig ist, schweift er später ab. Manchmal kommt er noch auf Erinnerungen zurück, aber es fühlte sich an, als sei der Faden plötzlich abgerissen. Dem jungen "Mohamad" war ich so nah, über den erwachsenen, seine Einstellungen zur Liebe und wie er die kulturellen Kontraste empfindet, erfahre ich wenig. Stattdessen wird das Buch etwas nachdenklicher, fast essayhaft.
Außerdem hätte ich mir mehr Fakten gewünscht. Ich hatte gehofft, dass ich am Ende ein Gefühl bekommen habe, wie das Thema in Nordafrika betrachtet wird. Vielleicht wäre es besser gewesen, ein paar allgemeine Fakten zum Kulturraum zu nennen, auch in Bezug auf Sex. Mehr Geschichten zu erzählen. Der Autor beschränkt sich auf einige persönliche Anekdoten. Ich verstehe, dass es schwer ist, Statistiken zum Thema zu bekommen, aber es war nicht so rund. Oft verweist der Autor auch auf andere seiner Bücher. Ich hatte das Gefühl, dass er sich nicht zu sehr wiederholen wollte.
Problematisch fand ich auch, dass einige Begriffe gar nicht oder später erklärt werden. "Nafri" kommt nach 17 % vor, aufgelöst wird es aber erst nach der Hälfte. Was "Salafismus" als Glaubensrichtung ausmacht, habe ich ebenfalls weiter hinten im Buch erfahren, obwohl das Wort anfangs vorkommt. Hier wären Fußnoten oder ein Glossar gut gewesen.
Und obwohl Frauen im Buch eine Rolle spielen und z.B. der Schwester und der Mutter des Autors einige Geschichten gewidmet werden, habe ich am Ende eine weibliche Perspektive vermisst. Ich hatte das Gefühl, dass es oft um Männer geht.
Allerdings gibt es auch einige Erzählungen, die mir positiv im Gedächtnis geblieben sind: Die Atmosphäre in Meknes, in dem der Autor prägende Jahre verbracht hat. Die Betrachung des Kopftuchs, seine Ursprünge und Bedeutung auch als Zeichen des Standes. Die Gedanken zur Polygamie und dass sie nur dann funktioniert, wenn alle Frauen gleich behandelt werden und versorgt sind. Wie unterschiedlich das Thema behandelt wird, z.B. wenn es um Kondome geht.
Fazit
Letztlich war das Buch eine tolle Perlenkette an Geschichten und Gedanken, aber das ergab am Ende kein stimmiges Bild, sondern eine Sammlung, die nicht ganz zusammenpasste.