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Veröffentlicht am 22.01.2022

Nett, aber ungut gelesen

If you believe
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Ich habe das Buch angefordert, weil ich die Songs des Sängers kannte und er mir immer sympatisch war. Diese Sympatie hat nach dem Lesen nicht abgenommen, aber das Buch war eher spaßig und nicht so tief, ...

Ich habe das Buch angefordert, weil ich die Songs des Sängers kannte und er mir immer sympatisch war. Diese Sympatie hat nach dem Lesen nicht abgenommen, aber das Buch war eher spaßig und nicht so tief, wie ich gehofft hatte.

Ich habe die Hörbuch-Fassung genutzt.

Worum geht es?

Das Buch beschreibt den Lebensweg Saschas, jedoch nicht streng chronologisch, sondern nach Themen geordnet z.B. Party, Frauen usw. Dabei bleibt es aber überwiegend chronologisch, was ich gut finde.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Das Buch hatte eine positive Stimmung, weil auch Sascha ein positiver Mensch ist. Ich fand es total interessant, etwas über seine Kindheit und die ersten Jahre mit seinen Bands zu hören. Ich spürte, dass er dafür gebrannt hat und das wertschätzt. Die Entstehung Dick Braves war spannend.

An manchen Stellen habe ich den kleinen Sascha bildlich vor mir gehabt, der sein Leben bisher sehr genossen hat. Der aber auch diszipliniert war.

Die Einblicke ins Showbiz kannte ich stellenweise, aber es war nochmal schockierend, das zu hören. Weil man als Konsument leicht vergisst, wie stressig es ist, wenn man vier Jahre lang unterwegs ist und keine wirkliche Pause hat. Weil man Erwartungen erfüllen will. Es war gut zu lesen, dass Sascha nie an den Punkt kommen will, an dem das Publikum merkt, dass es nur sein Job ist.

Umso frustrierter war ich, dass das Buch doch an der Oberfläche bleibt. Sein Burn-out wird in ein paar Sätzen abgehandelt, tiefe Einblicke in den Songwriting-Prozess gibt es nicht und irgenwie wirkt das Buch ein bisschen zurechtgestutzt. Natürlich achtet Sascha auf seine Außenwirkung und das verstehe ich. Aber ich hatte am Ende nicht das Gefühl, dass mir dieser Mensch etwas Neues erzählt hat, das mich weiterbringt.

Die Stimme

Das war meine erste Hörbuch-Biografie und gleichzeitig die erste, die der Autor selbst eingelesen hat. Hätte er es lieber gelassen. Sascha hört sich nicht natürlich an, sondern als hätte man ihn in einen Stil gepresst, der nicht zu ihm gehört. Er wirkt immer sehr kontrolliert locker, verkrampft und manche Satzenden taten mir in den Ohren weh. Es gibt mir wenigen Stellen, an denen er natürlich wirkt.

Fazit

Sascha scheint ein toller Typ zu sein und ich weiß jetzt, dass hinter dem Pop-Sänger merkt Persönlichkeit steckt. Aber überwältigend war es auch nicht.

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Veröffentlicht am 07.11.2021

Und er fährt ... und fährt ... und fährt

Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen
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Ich hatte oft Bücher der Gebrauchsanleitungs-Reihe gesehen, diesmal habe ich eines über Netgalley gelesen. Leider ist das Buch völlig anders, als ich es erwartet habe. Als leidenschaftliche:r Gelegenheits-Bahnfahrer:in ...


Ich hatte oft Bücher der Gebrauchsanleitungs-Reihe gesehen, diesmal habe ich eines über Netgalley gelesen. Leider ist das Buch völlig anders, als ich es erwartet habe. Als leidenschaftliche:r Gelegenheits-Bahnfahrer:in hatte ich auf eine leichte Lektüre gehofft. Aber das Buch ist ein Informationsgewitter, bei dem ich oft wünschte, es wäre vorbei - und trotzdem weiterlesen musste, weil es irgendwie faszinierend war. Die Leidenschaft für's Zugreisen kommt rüber, aber es gab keinen roten Faden, eher mehrere Fäden.

Worum geht es?

Um Züge. Brückeliebhaber, Tunnelfans, Städte, Strecken, Espresso, Bier, allgemein Essen. Es geht um Menschen. Und Landschaften.

Die Mehrzahl der Reisen spielt sich im Gebiet Tschechien, Polen & Slowakei ab, teilweise Österreich, seltener Nordeuropa, manchmal Italien und Deutschland.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Ich mochte den Text selten. Das Buch ist grob in Reisen gegliedert, aber innerhalb der Strecken springt der Autor zu verschiedenen Orten, Personen, Geschichten. Bevor man sich eine Anekdote reingefunden hat, ist er bereits bei der nächsten. Als einzige Konstante gibt es Zugführer, denen er öfters begegnet.

Das Buch macht Lust auf's Zugfahren und lässt einen vergessen, dass es nicht so einfach ist, wie es klingt - es erfordet Geld und Planung und idealerweise Sprachkenntnisse. Dennoch klingen die Strecken sehr schön.

Eine "Gebrauchsanweisung" ist es nicht, weil es nicht anfängerfreundlich ist. Es wirkt eher, als würde der Autor mit seinen Zugfreunden plaudern und jemand hätte das aufgezeichnet.

Fazit

Für eine lange Zugfahrt ganz nett, aber inmitten all der Infos geht das Flair verloren.

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Veröffentlicht am 24.10.2021

Struktur gut, Inhalt mau

Bock
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Da meine Erfahrungen mit dem Vorgänger „Sie hat Bock“ eher mäßig waren, hatte ich nicht vor, das Buch zu lesen. Bis ich auf Social Media darauf stieß und die zahlreichen Kommentare, die es auslöste. Glücklicherweise ...

Da meine Erfahrungen mit dem Vorgänger „Sie hat Bock“ eher mäßig waren, hatte ich nicht vor, das Buch zu lesen. Bis ich auf Social Media darauf stieß und die zahlreichen Kommentare, die es auslöste. Glücklicherweise hatte Netgalley den Text im Programm.


Worum geht es?


Das Leben eines Mannes, vom Kreissaal bis zur Urne. Fokussiert auf seine Sexualität. Angesprochen werden u.a. Beziehungen, der Stellenwert von Sexualität in verschiedenen Lebensphasen, Verhütung usw.


Wie hat mir das Buch gefallen?


Zu sagen, dass eine Frau sich anmaßt, über Männer zu schreiben und dass das nicht funktionieren könne, das wäre zu einfach. Das Problem ist aus meiner Sicht: Zeit.


„Bock“ hat sich das hohe Ziel gesetzt, das Narrativ des Mannes zu hinterfragen. Das bedingt aber, dass 90 % des Buches aus genau jenem Narrativ bestehen – des taffen Kerles, der seine Persönlichkeit durch seine Sexualität definiert, von dem ständigen Konkurrenzkampf mit seinen Leidensgenossen ausgelaugt ist und an Grenzen stößt, wenn er seine vermeintliche Stärke aufgeben möchte. Ich habe schon einige Bücher zum Thema gelesen und nur wenig Neues erfahren. Paradox ist, dass Lewina auch einige „Standardwerke“ zitiert, aber außen vor lässt, dass dort auch von matriachalen Strukturen in bestimmten sozialen Gruppen die Rede
ist.


Ich fand es sehr schade, dass der (heterosexuelle, weiße) „Mann“ wieder zum „Opfer“ stilisiert wird. Männer leiden von der Geburt bis zum Ende darunter, dass an sie hohe Maßstäbe angelegt und dass sie missverstanden werden. Aber Lewina erzählt nicht, was das mit den Geschlechtern macht. Wenn sich das Rollenbild des Mannes verändert, dann bricht das auch die Erwartungen „der Frau“ auf, die davon
ausgeht, dass das Männchen immer „will“. Weil sie ihren Wert aus ihrer Bereitschaft für Sex beziehen. Das abzulehnen, das überträgt Partnerinnen die Aufgabe, Verantwortung für den Mann zu tragen, von dem man erwartete, dass er seine Probleme selbst löst. So etwas kann die Beziehung verändern. Es bedeutet auch für Frauen, dass sie sich aus ihrer passiven Rolle herausbewegen und Forderungen stellen können. Oder dass Männer fordern, sie als gleichwertig zu betrachten.

Die Autorei begnügt sich an vielen Stellen damit, Bekanntes nachzuerzählen und ihre Gesprächspartner reden zu lassen. Eine Schlussfolgerung, eigene Gedanken, die liest man selten.


Dem gegenüber stellt sie Zitate von Männern, mit denen die gesprochen hat – und die ich sehr interessant finde z.B. zur Frage, wie Männer gemeinsam ihre Sexualität entdecken, ohne sich als homosexuell zu empfinden. Warum manche Männer ins Zölibat gehen. Und warum Männer über Vergewaltigungen durch Frauen eher mit Männern reden sollten als mit
Frauen. Das sind Aspekte, die man hätte hinterfragen können. Beispielsweise erklärt der Pfarrer, dass Masturbation für ihn nur Treibbefriedigung ist – andererseits hinterfragt er, warum ihn das nicht emotional erfüllt. Ich hätte dazu gern mehr gelesen. Auch die Idee, dass
Männer Schutzräume brauchen, weil man untereinander nur selten darüber redet, wenn eine Frau Grenzen überschritten hat, diese wird oft nur belächelt. Weil erwartet wird, dass es Männern leicht fallen würde, ihre „Privilegien“ abzugeben. Auch hier hätte ich gern erfahren, warum Frauen keine sinnvollen Gesprächspartner sein können. Warum es eine Kultur
braucht, in der der Mann jenseits des gesellschaftlichen Drucks existieren kann.


Einen weiteren spannenden Aspekt fand ich am Ende, als es um Sexualität im Alter geht. Angesprochen wird u.a. dass es Kinder schwer fällt, ihre Eltern außerhalb der Eltern-Rolle zu sehen, ihnen eine Sexualität zuzugestehen und zu akzeptieren, dass sie verfallen. Dass Sexualität bei älteren Menschen vorhanden und gut für die Psyche ist, aber gewährleistet
sein muss, dass alles hygienisch abläuft und in gegenseitigem Einverständnis. Dass es manchmal nur Hautkontakt braucht, damit es ihnen besser geht.


Für mich waren das Glanzmomente des Buches, die aber rar gesäht waren.


Probleme


Zwischen „Sie hat Bock“ und „Bock“ liegen zwei Jahre und eine Pandemie. Während als Basis für das weiblichen Pendant die Kolumnen der Autorin dienten, hat sie hier zahlreiche Gespräche mit Männern geführt. Allerdings wollten nicht alle Gesprächspartner ihre Meinung, auch nicht anonym, in einem Buch lesen. Hinzu kommt, dass manche Dinge lieber persönlich erzählt werden als digital über Zoom oder Telefon – was in einer Pandemie nicht einfach ist. Zu manchen Aspekten wurden kaum Studien durchgeführt, weil man das Thema nicht gern behandelt.


Ich denke, der Text hätte besser werden können, wenn man ihm mehr Zeit gegeben hätte. Wenn man mehr recherchiert und journalistische Maßstäbe angelegt hätte.


Außerdem fehlt die Stimme der Autorin. „Sie hat Bock“ hat mich mit seinen persönlichen Erzählungen fasziniert, bei „Bock“ fehlt das oft.


Immerhin wird mit Doppelpunkten gegendert. Mir fiel das jedoch nur an wenigen Stellen ins Auge, ich hatte nicht das Gefühl, dass das durchgängig eingesetzt wird.


Fazit


Als gebundene Fassung zahlt man für 224 Seiten 20 EUR, als E-Book 16 EUR. Gemessen an dem, was ich gelernt und gefühlt habe, ist das zuviel Geld für zuwenig Stoff. Die gleiche Menge Info hätte ich auch bekommen, wenn ich ein paar Männer-Podcasts gehört oder mir Reviews einer Reality-TV angeguckt hätte. Für mich ein Text mit ein paar spannenden Aspekten, aber keine Empfehlung.

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Veröffentlicht am 11.10.2021

Gut komponiert, aber gewollt

Wir für uns
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Ich hatte das Buch angefordert, weil die Protagonistinnen älter sind und ich mir eine erwachsene Geschichte erhofft habe. Letztlich ist der Text eine tolle Empowerment-Geschichte, die typische Liebesroman-Klischees ...

Ich hatte das Buch angefordert, weil die Protagonistinnen älter sind und ich mir eine erwachsene Geschichte erhofft habe. Letztlich ist der Text eine tolle Empowerment-Geschichte, die typische Liebesroman-Klischees vermeidet. Allerdings hat er ähnliche Schwächen.

Rezi enthält Spoiler.

Worum geht es?

Josie ist schwanger - von Bengt, der seine Frau nicht verlassen will und sie vor die Wahl stellt - entweder sie treibt ab oder er beendet die Beziehung. Kathie wiederum ist kürzlich Witwe geworden und steht nun vor der Frage, ob sie ihren Laden, den sie wegen ihres Mannes aufgab, wieder eröffnen soll. Und auch mit Sohn Max gibt es Probleme.

Themen

Alter: Josie und Kathie merken, dass es ihnen noch gut geht, aber ungewiss ist, ob es so bleibt. Sie vergleichen sich z.B. mit einer älteren Freundin, die dement in einem Pflegeheim sitzt. Es ist ein Bereich, der immer mitschwingt, aber nur wenig ausgeführt wird. Kathie hat keine körperlichen Probleme, Josie keine Midlife-Crisis - ohnehin scheint sie mit ihrem Beruf zufrieden. Ich fand die Figuren in diesem Punkt zu sehr fokussiert auf ihre Probleme. Der Charakter ist verloren gegangen. Z.B. zählt Josie gern, aber sie hat keine weiteren Macken und man sieht nicht, was das in ihr auslöst. Es muss keine Zwangsstörung sein, aber meistens ist das eine Technik, um Anspannung loszulassen.

Homosexualität: Kathis Sohn offenbahrt sich als schwul und sie hat große Probleme damit. Sie gibt sich die Schuld und hofft bei jeder Frau, dass sich ihr Sohn "umentscheidet" Der Prozess zieht sich im Buch lange hin und ich empfand das als schmerzhaft - aber real. Leider wird nicht klar, wie Kathie lernt, das zu akzeptieren. Irgendwann nähern sich beide wieder an. Ich fand das sehr schade, weil es ein Prozess ist, der von beiden Seiten ein Umstellen, Hinterfragen bedeutet. Ich habe gehofft, dass das Buch den Lesern in diesem Punkt Lösungsmöglichkeiten aufzeigt.

Down-Syndrom: Dieses Thema ist so zentral, dass die Autorin sogar im Nachwort darauf eingeht. Es gibt ein junges Mädchen, das das Down-Syndrom hat - was mir nicht aufgefallen ist. Außerdem fragt sich Josie, ob sie den Test machen soll, mit dem sie herausfindet, ob ihr Kind eine Behinderung hat. Und eine weitere Figur hat einen Berührungspunkt. Ich fand das Thema gut aufgelöst und versöhnlich zuende gebracht. Und die Autorin bemüht sich, sowohl die positiven wie negativen Seiten zu zeigen. Trotzdem wirkt es ein bisschen zu durchdacht, zu erklärt.

Mütter: Sowohl Josie als auch Kathie haben Probleme mit ihren (Ersatz-)Müttern. Kathie wuchs bei ihren Großeltern auf, wurde von der Oma geschlagen und hatte zum Opa den größten Bezug. Sie spürt, dass sie diese Härte, die Kälte, auch als Erwachsene mit-nimmt und daher Probleme hat, Verständnis für ihren Sohn zu zeigen. Josies Mutter verdrängt das Familiengeheimnis, obwohl es sie belastet. Daher ist Josies Bezugsperson ihr Bruder. Beide Frauen schaffen es nicht, sich von ihren Müttern zu lösen. Ganz im Gegenteil: Im flotten Ende nähern sich Josie und ihre Mutter an. Ich fand das nicht gut nachvollziehbar, weil sich eine Bindung, die über Jahrzehnte gelitten hat, nicht mit ein paar Gesprächen bereinigen lässt.

Männer: Die ersten beiden Jahren mit Bengt empfand Josie als schön, die folgenden sieben nicht. Auch, weil Bengt weniger Zeit für sie hat. Ich fand das bedrückend, weil Josie viel Zeit für eine Beziehung aufgewendet hat, die nur 1/7 einer Woche stattfand. Sie hätte einen Partner finden können, fühlte sich aber durch die Affäre gebunden. Ich mochte, dass das so betont wurde, weil es ein Aspekt ist, der selten behandelt wird. Kathie redet über ihren verstorbenen Mann wenig, es kommt mir vor, als ob sie die Beziehung verdrängt bzw. sich nicht damit auseinandersetzen will. Prägnant für Werner war, dass er immer gegen den Laden war, aber Geld beiseite geschafft hat. Und dass der Sohn auf der Seite des Vaters stand, weil seine Mutter gearbeitet hat. Die beiden scheinen nebeneinander gelebt zu haben und ich frage mich, ob Kathie sich von ihrem Großvater und dessen Traum lösen konnte. Kathie und Josie hängen an Männern, die sie nicht halten - einer will nicht, der andere kann nicht (mehr). Vielleicht fehlte beiden Frauen eine Vaterfigur, die ihnen Halt gab.

Fazit

"Wir für uns" ist ein unaufgeregter Frauen-Roman mit einer starken Botschaft. Einige Themen, besonders das Down-Syndrom, fand ich zu gewollt dargestellt, auch wenn es wichtig ist, dass das in der Belletristik stattfindet, damit "Behinderungen" normal werden. Die Autorin hat beide Frauen gut nebeneinander montiert und ich konnte mit beiden mitfühlen. Letztlich ein Roman mit ein paar prägnanten Momenten, das aber nur mäßig in Erinnerung bleibt.

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Veröffentlicht am 04.09.2021

Der lange Weg der Traurigkeit

Der Panzer des Hummers
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Ich hatte das Buch angefordert, weil ich mich in eine Familiengeschichte stürzen wollte, die spannend ist und Konflikte untereinander erzählt. Leider war das Buch eher atmosphärisch, ausführlich, künstlerisch. ...

Ich hatte das Buch angefordert, weil ich mich in eine Familiengeschichte stürzen wollte, die spannend ist und Konflikte untereinander erzählt. Leider war das Buch eher atmosphärisch, ausführlich, künstlerisch. Es zeigt Momentaufnahmen, in denen Konflikte teilweise gelöst werden, aber wirklich thematisiert werden sie auch nicht. Ich habe mich lange gefragt, wann es zu Ende ist, und am Ende habe ich mich gewundert, dass es plötzlich zuende ist.

Besonders deprimiert hat mich, dass alle Figuren Probleme haben, diese aber nicht ansprechen, sondern auf der Stelle treten. Sie sich aber einreden, dass sie zufrieden sind.

Rezi enthält Spoiler

Worum geht es?

Charlotte, die Mutter der drei Geschwister, schwebt in einer Zwischenwelt, weil sie nicht Abschied nehmen kann. Während sie über ihr Leben und mit ihrem ebenfalls toten Mann redet, zeigt uns der Text das Schicksal der drei Kinder: Niels, der den wenigsten Raum einnimmt, schlägt sich als Plakatierer durch und kümmert sich um seinen depressiven Mitbewohner. Sidsel hat ein Kind von ihrem Professor, sagt ihm das aber nicht, und sie hadert damit, dass sie sich gern beruflich verwirklichen will. Ea wiederum lebt mit ihrem Freund und dessen Tochter in San Francisco, kann aber die Mutter nicht loslassen. Sie besucht Beatrice, die ihre Tochter bei der Oma zurückließ, um mit ihrer Partnerin in San Francisco zu leben. Dort hat sie aber auch nach 10 Jahren noch keinen Anschluss gefunden und gibt sich dem Alkohol und der Verzweiflung hin. Und sie versucht, auf das Leben ihrer Tochter Einfluss zu nehmen. Die wiederum als ASMR-Künstlerin lebt - die Niels gern zum Einschlafen guckt.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Für mich hat der Text Eindruck hinterlassen, weil ich allen Figuren die Meinung sagen wollte. Und weil sie Probleme mit ihren Kindern haben. Sidsel und Beatrice haben ihren Töchtern die Väter verschwiegen. Niels lernt, wie stressig es sein kann, wenn man ein Kind ein paar Tage betreut. Ea hat ein gutes Verhältnis zu ihrer Stieftochter, möchte aber kein eigenen Kinder. Und Mutter Charlotte, zu der alle drei ein unterkühltes Verhältnis haben, hat in der Zwischenwelt nichts Wichtigeres zu tun, als sich in Metaphern zu verlieren.

Für mich war der Text nicht gut greifbar, die Passagen der Mutter habe ich überlesen. Eine schöne Pointe ist jedoch der Schluss, in der eine Familie durch einen Irrtum erschaffen wird. Während die Figuren im ganzen Buch einer Bindung hinterher laufen, die sie eher belastet als erfüllt, fragt man sich am Ende, ob ein familiäres Gefühl entstehen kann, wenn man es als solches definiert. Und ob das nicht besser ist.

Nicht glücklich war ich mit dem sehr langatmigen Schreibstil, den vielen Beschreibungen, dem Pendeln zwischen den Figuren, deren Geschichten sich ähneln.

Gut gefallen hat mir das Interview mit der Autorin. Es kann einem Leser die Freude am Deuten nehmen, weil es erklärt, was die Intention des Buches war. Für mich hat das aber vieles aufgelöst und ich fand das Interviev interessanter als den Text.

Fazit

Wer auf traurige Familiengeschichten und Metaphern steht, wer gern zwischen den Zeilen liest und sich in Beschreibungen und Vages fallen lässt, der wird hier seine Freude haben. Für mich war es nur mäßig gut.

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