Den Kuss nicht wert.
Kissing Chloe Brown (Brown Sisters 1)Über chronische Krankheiten wird in der Literatur selten geschrieben, zumindest bei großen Verlagen, über Rassismus schon mehr. Da die Geschichte viel versprach, forderte ich es an. Letztlich ist es eine ...
Über chronische Krankheiten wird in der Literatur selten geschrieben, zumindest bei großen Verlagen, über Rassismus schon mehr. Da die Geschichte viel versprach, forderte ich es an. Letztlich ist es eine "normale" Liebesgeschichte, bei dem die Krankheit eine Rolle spielt, das Körperliche aber nochmehr. "Sie schreibt Sexy Diverse Romances, weil sie findet, dass auch Minderheiten und Randgruppen ehrlich und positiv dargestellt werden sollten.", notiert die Autorinnen-Beschreibung - "sexy" nimmt viel Raum im Buch ein.
Worum geht es?
Chloe Brown leidet unter Fibromyalgie, einer Störung des Schmerzverarbeitung, die sich u.a. in Schmerzen und Erschöpfung äußert. Nachdem sie fast von einem Auto überfahren wurde, beschließt sie ihr Leben zu ändern: Sie zieht von zuhause aus und erstellt eine Liste mit Dingen, die sie endlich erledigen will. Gut, dass Hausmeister Redford ebenfalls Probleme hat, die man gemeinsam lösen kann.
Charaktere
Chloe ist eine junge Frau, die als Webdesignerin arbeitet, aber infolge ihrer Krankheit kaum Freunde hat. Ihr wichtigster Halt sind ihre Schwester und ihre Großmutter. Chloe wird von Red als arrogant wahrgenommen, was ich nicht so empfand. Ganz im Gegenteil: Sie ist witzig, selbstironisch, manchmal etwas melodramatisch, aber auch jemand, der andere schwer an sich heranlässt. Sie hat eine deutliche Stimme als Figur. Ihre Hautfarbe spielt keine Rolle, ihre Kurven werden erwähnt, aber ohne das Cover hätte ich übersehen, dass sie vermutlich "schwarz" ist. Ich fand das gut!
Red ist Maler, traut sich aber infolge einer negativen Beziehung nicht weiter zu malen. Stattdessen jobbt er als Hausmeister in Chloes Haus. Red kam mir sehr blass vor, es gibt nur eine große Szene, in denen man ihn ein Bild malen sieht, ansonsten zeichnet er sich dadurch aus, dass er mürrisch durch die Geschichte läuft. Und dass er Chloes Körper mag. Sehr.
Die Dramaturgie
Unsere Helden müssen die typischen Hürden einer Liebesgeschichte überwinden: Sympathie zueinander aufbauen, die Probleme beider lösen - Chloes Angst vor dem Leben, Reds Angst vor einer erneuten schlechten Beziehung - und ins Happy End fahren.
Ich hatte erwartet, dass die Krankheit dem Buch Spannung gibt, aber das war nicht so. Ganz im Gegenteil: Man hätte das weglassen können. Einerseits ist das gut, weil es zeigt, dass auch Menschen mit Behinderungen "normal" leben können, "normal" fühlen und "normale" Liebesbeziehungen haben. Andererseits hatte ich gehofft, dass die Autoren abseits der Klischees schreibt.
Themen
Die Krankheit: Das Buch baut die Krankheit am Anfang stark, später weniger, aber noch spürbar ein. Vor allem geht es um die Symptome und die soziale Isolation, die aus einer solchen Krankheit entsteht. Ähnlich wie bei psychosomatischen Beschwerden wird Erkrankten vorgeworfen, sie würden nur simulieren. Ich finde es wichtig, dass wir solchen Krankheiten die Vorurteile nehmen. Allerdings scheint Chloes Krankheit wie weggeblasen, als sie mit Red schläft. Sie taucht am Ende wieder auf, aber in den Liebespassagen sehr wenig. Ich finde das realistisch, weil Liebe ablenkt und Glückshormone Symptome lindern können. Allerdings kann auch Liebe nicht alles retten. Nicht erwähnt wird, wie es (auf Dauer) ist, mit jemandem zusammen zu leben, der chronisch krank ist. Red kümmert sich gern um sie, vielleicht, weil er sie liebt und eine Aufgabe hat. Allerdings kann die Krankheit des Partners auch belastend sein, wenn man Veranstaltungen nicht gemeinsam besuchen kann, weil er/sie/es einen Schub hat. Oder Facharzttermine den Plan durcheinander werfen. Vor allem ist es die Angst, die man mit-trägt - die Angst, dass es schlimmer wird oder nie weggeht. Die Machtlosigkeit nichts tun zu können, außer der Fels in der Brandung zu sein. Dass der Roman darauf überhaupt nicht eingeht, das ärgert mich.
Ein großes Problem hatte ich mit Chloes Wunschliste, denn diese ist dank Red nur noch körperlich präsent: Chloe muss ihre Ängste nicht bewältigen, denn Red erledigt das. Prägnant war für mich, dass sie campen fahren wollte - aber da Red mitfährt und sie mit Sex ablenkt, gehen ihr all die Erlebnisse, die Erfolge verloren. Sie muss nicht ängstlich in einem Zelt liegen oder den Betreiber um Hilfe bitten, sie muss sich nicht der Tatsache stellen, dass sie weg von ihrem Zuhause ist und am fremden Ort mit ihrer Krankheit klarkommen muss. Sie kämpft nicht, sie hat ja Red. Und was sagt das über den Partner aus, wenn er einem nicht zutraut, dass man alleine loszieht, auch wenn man Angst hat?
Toxische Beziehungen: Red hatte vor Chloe eine Beziehung zu einem reichen It-Girl, das ihn als Schmuckstück betrachtet hat und förderte, bis er sich trennte. Aus Rache sabotierte sie seine Karriere und redete ihm ein, alles sei seine Schuld, er sie nicht gut genug. Sie hat ihn geschickt manipuliert, was ich nachvollziehen konnte. Ich habe mich aber immer wieder gefragt, warum Red das mitgemacht hat. Ich denke, dass liegt weniger daran, dass er ein Mann ist als daran, dass er als Figur nicht stimmig ist. Red sagt immer wieder, dass er gelitten hat und die Vorurteile und Verlustängste führen zum Konflikt mit Chloe. Aber es kommt nicht bei mir an, weil Red wenig Initiative zeigt.
Die Erotik
Der Roman kommt schnell auf den Punkt, schon nach ca. 20 Seiten gibt es erste erotische Andeutungen, auf S. 76 von 344 ergießt sich Red in seinen Arbeitsoverall - nach 25 % des Textes. Die restlichen Szenen sind explizit, aber nicht besonders, auch wenn die Orte wechseln. Die Figuren reduzieren sich auf ihre Äußerlichkeiten, immerhin erwähnt Red ihre Schlüsselbeine und er mag ihren Duft. An Klischeeworten wird ebenfalls nicht gespart. Letztlich sind die Szenen austauschbar.
Schreibstil
Die Figuren haben ihren eigenen Stil, Chloe aber mehr als Red. Beide Stile sind jedoch eher erzählend als fühlend und holpern für mich.
Fazit
Aus "Kissing Chloe Brown" hätte etwas Tolles werden können, aber letztlich haben wir einen klischeehaften Liebesroman mit dem Thema der Krankheit. Zuviele Dinge wurden zurechtgebogen, die Figuren sind nicht nahbar, vor allem Red. Für mich nicht rund.