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Fannie

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Veröffentlicht am 12.04.2024

Zwischen Tragik und Komik: Hundebesitzer Henk und ein ereignisreicher Samstag im Juli

Ein Tag und ein ganzes Leben
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Ein Samstag im Juli. Henk ist 56 Jahre alt, geschieden, Krankenpfleger auf der Intensivstation und er hat heute frei. So weit, so unspektakulär.

Doch Henk, der sein Leben mit Hund Schurk teilt, wird heute ...

Ein Samstag im Juli. Henk ist 56 Jahre alt, geschieden, Krankenpfleger auf der Intensivstation und er hat heute frei. So weit, so unspektakulär.

Doch Henk, der sein Leben mit Hund Schurk teilt, wird heute eine ganze Menge erleben – Schlechtes wie Schönes. Ein Tag, der so viel für ihn bereithält, dass es für ein ganzes Leben reichen könnte. Das ahnt Henk nur noch nicht, als er an diesem Morgen die Augen aufschlägt …

Sander Kollaards Roman „Ein Tag und ein ganzes Leben“ heißt im niederländischen Original „Uit het leven van een hond“ und erhielt vor vier Jahren den Libris-Literaturpreis, der als wichtigste literarische Auszeichnung der Niederlande gilt.

Entsprechend hoch waren meine Erwartungen und groß die Lust auf die Lektüre, auch vor dem Hintergrund, dass sich die Niederlande in diesem Jahr als Gastland der Leipziger Buchmesse präsentierten.

Sander Kollaard komprimiert ein ganzes Leben auf einen Tag und diesen wiederum auf 180 Seiten. Der Leser verbringt diesen Samstag an Henks Seite, von Anfang bis Ende, und erlebt die Aufs und Abs dieses Juli-Tages hautnah mit. Ganz bezaubernd ist dabei die Freundschaft mit seiner Teenie-Nichte Rosa, denn sie und Henk mögen einander sehr. Im Mittelpunkt steht aber die innige und zu Herzen gehende Beziehung zu seinem Hund Schurk, Henks Kooikerhondje, der schwer krank ist, wie sein Herrchen an diesem Tag leider erfahren wird.

Henk selbst ist sympathisch, eine Art Riesenbaby, dessen Gedanken niemals stillstehen. Er denkt und sinniert und fantasiert fortwährend in inneren Monologen. Das wird mit der Zeit ziemlich anstrengend, zumal sein Gedankenkarussell sich in fast schon kafkaesken Sätzen dreht, an deren Ende man nicht umhinkommt, den Anfang noch einmal zu lesen, um den Zusammenhang zu verstehen. Für meinen Geschmack philosophiert Henk zu viel. Und bei seinen Gedankensprüngen hinterherzukommen, ist gar nicht so leicht.

Nicht nur Henk, sondern alle Figuren in „Ein Tag und ein ganzes Leben“ wirken sehr lebendig und vor allem durch sein illustres Personal hält Sander Kollaard die Balance zwischen Tragik und Komik hervorragend.

Hauptdarsteller Henk befasst sich beim Philosophieren nicht mit Kleinigkeiten, sondern er widmet sich den ganz großen Fragen des Lebens – und das geht auch am Leser nicht spurlos vorbei. Dabei wagt Sander Kollaard einen Blick in die spätere Zukunft Henks – eine originelle Perspektive, die dem Leser tröstlich vor Augen führt, dass man auch schlimme Ereignisse überwinden wird. „Ein Tag und ein ganzes Leben“ verbreitet eine Art beruhigender Hoffnung und ist eine Ode an die Lebensfreude – und schon allein deshalb lohnt sich (trotz teils anstrengender Henk-Philosophie-Monologe) das Lesen dieses Buchs!

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Veröffentlicht am 04.04.2024

Zwischen Heimatliebe und Heimathass: Nachdenklicher Roman über ein Kind der Wende

Kosakenberg
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Kosakenberg – leider kein Name wie Donnerhall, sondern ein typisches Dorf in den Tiefen der brandenburgischen Provinz. Der Konsum hat seit Jahrzehnten zu, fast alle jungen Menschen sind in den Westen abgewandert.

Auch ...

Kosakenberg – leider kein Name wie Donnerhall, sondern ein typisches Dorf in den Tiefen der brandenburgischen Provinz. Der Konsum hat seit Jahrzehnten zu, fast alle jungen Menschen sind in den Westen abgewandert.

Auch Kathleen hat Kosakenberg verlassen. Sie ist nach London gegangen, um dort als Grafikerin für ein Einrichtungsmagazin zu arbeiten. Kathleen liebt die Großstadt und ist froh, dass sie den Absprung aus dem brandenburgischen Niemandsland geschafft hat. Doch bei ihren seltenen Fahrten in die Heimat kommt sie immer wieder mit ihrer Vergangenheit in Berührung: mit ihrer Familie, mit einstigen Freunden, vor allem aber mit der Kathleen, die sie früher einmal gewesen ist, bevor sie dem Dorf den Rücken gekehrt hat.

Autorin Sabine Rennefanz beschäftigt sich in „Kosakenberg“ mit der Frage, was genau Heimat ist und ob es möglich ist, sie abzustreifen, sie hinter sich zu lassen wie einen Lebensabschnitt, den man abgeschlossen zu haben meint.

In ihrem 222-seitigen Buch, das am 14. März 2024 im Aufbau Verlag erschienen ist, beschreibt Sabine Rennefanz mit messerscharfem Blick die innere Zerrissenheit ihrer hadernden Protagonistin Kathleen, die, gefangen zwischen der Sehnsucht nach der Heimat und dem Triumph des Weggangs, eine regelrechte Hassliebe zu ihrem einstigen Heimatort Kosakenberg entwickelt.

Mit klarer Sprache und authentischen Dialogen lässt Sabine Rennefanz ihre Leser über Jahrzehnte hinweg an der Entwicklung Kathleens teilhaben, die geprägt ist von Veränderungen und Verlusten. Dennoch strahlt die Figur der Kathleen eine gewisse Unnahbarkeit aus, wobei genau das vielleicht von der Autorin beabsichtigt ist, um die Kontraste zwischen denen, die geblieben sind, und Kathleen, die ihr Glück in der Ferne gemacht hat, darzustellen.

„Kosakenberg“ ist ein stilles Buch, in dem sich nicht temporeich Ereignis an Ereignis reiht, sondern das vielmehr das bewegte Innenleben Kathleens und den Wandel des Dorfes mitsamt seiner Bewohner in den Mittelpunkt rückt – und genau das macht es spannend!

Die zeitlebens problematische Mutter-Tochter-Beziehung sorgt für weiteres Konfliktpotenzial.

Mit wohldosierter Wehmut lässt Sabine Rennefanz ihre Hauptfigur schließlich als Mittvierzigerin Rückschau auf ihr Leben halten: Was wollte ich einst? Was habe ich erreicht? Was will ich noch? Das sind die Fragen, die Kathleen umtreiben.

Sabine Rennefanz ist mit „Kosakenberg“ ein nachdenklich stimmender Roman gelungen, der über eine bloße Familien- und Heimatgeschichte hinausgeht. Das Buch bietet eine glaubhafte Retrospektive auf das Dorfleben zu DDR-Zeiten und die nach der Wende einsetzende Landflucht gen Westen, die nicht ganz ohne gängige Klischees auskommt, aber durchweg für anregende Lektüre sorgt.

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Veröffentlicht am 19.03.2024

Unterhaltsamer und spannender als jede Geschichts-Doku

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
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Zu Professor Doktor Michael Tsokos fallen einem zuerst wahrscheinlich Fachbegriffe wie Leichenliegezeit, Totenstarre und Körperkerntemperatur ein – schließlich ist der 57-Jährige Deutschlands bekanntester ...

Zu Professor Doktor Michael Tsokos fallen einem zuerst wahrscheinlich Fachbegriffe wie Leichenliegezeit, Totenstarre und Körperkerntemperatur ein – schließlich ist der 57-Jährige Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner. Ein erfolgreicher Buchautor ist er noch dazu: Sowohl seine Sachbücher über den Tod als auch seine Thriller-Reihen verkaufen sich wie warme Semmeln.

Nun aber beschreitet der ehemalige Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Berliner Charité ganz neue literarische Wege – und zwar gemeinsam mit seiner Frau Anja. Sie wurde im sächsischen Oschatz geboren, er in Kiel. Irgendwie logisch, dass bei ihrem ersten Gemeinschaftsprojekt ein deutsch-deutscher Roman herauskam, der die jüngere Geschichte des einst geteilten Landes beleuchtet – und das nicht ohne das ein oder andere neckische Augenzwinkern.

„Heinz Labensky und seine Sicht auf die Dinge“ ist am 1. Februar 2024 bei Droemer Knaur erschienen. Protagonist und zugleich Titelgeber des Buches ist der leicht verschrobene Rentner Heinz Labensky, der in einem Feierabendheim in Erfurt ein tristes Leben führt. Doch eines Tages kommt Bewegung in sein gleichförmiges Dasein, nämlich, als ihn ein mysteriöser Brief erreicht, geschrieben von der Tochter seiner einstigen großen Liebe Rita. Letztere wiederum hat Labensky zu DDR-Zeiten aus den Augen verloren. Aber noch heute denkt er täglich an sie. Was wohl aus ihr geworden ist? Die Vermutungen der Tochter verheißen nichts Gutes. Also schnappt sich „Heinzi“ seine hellgraue Blousonjacke, steigt in einen Flixbus und begibt sich auf eine fantastische Reise in seine Vergangenheit.

Gleich vorweg: Das Ehepaar Tsokos erzählt in seinem ersten gemeinsamen Roman eine warmherzige und vor allem höchst unterhaltsame Geschichte. Es macht wirklich unglaublichen Spaß, dieses Buch zu lesen, denn Anja und Michael Tsokos bringen den unscheinbaren Pensionär gerne mitten in die Bredouille wahrer Begebenheiten aus der deutsch-deutschen Geschichte. Von der RAF über Hermann Göring bis hin zu Erich Mielke – sie alle haben ihren Platz in diesem Roman. Indem das Autorenpaar den Lebensweg eines ebenso fiktiven wie einfachen Mannes mit der tatsächlichen jüngeren Historie Deutschlands vereint, lässt es die Lektüre kurzweiliger und spannender als jede Geschichts-Doku werden.

Der spröde Heinz Labensky ist allerdings kein klassischer Publikumsliebling, den man gleich von Anfang an mag. Ganz behäbig schlurft er mit seiner Bundfaltenhose in das Herz der Leser. Und irgendwann stellt man beim Lesen fest, dass man heimlich, still und leise zum „Heinzi“-Fan mutiert ist.

Mich hat das Buch ein wenig an Fredrik Backmans Besteller „Ein Mann namens Ove“ erinnert. Wer Geschichten wie diese mag, wird „Heinz Labensky und seine Sicht auf die Dinge“ lieben.

Bleibt zu hoffen, dass Michael Tsokos und seine Frau Anja ihrem ersten gemeinsamen Buch-Projekt weitere folgen lassen. Mit „Heinz Labensky und seine Sicht auf die Dinge“ haben die beiden jedenfalls alles richtig gemacht.

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Veröffentlicht am 12.03.2024

Ehrlich, ungeschönt und authentisch: Der Mensch hinter dem „Tatort“-Kommissar

Der Lärm des Lebens
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Stellt Euch vor, Ihr sitzt in einer typischen Ruhrpott-Kneipe: Grauer Klinkerbau, die großen Fenster verhängt mit vergilbten Spitzengardinen. Es riecht nach kaltem Zigarettenrauch, der Tresen ist mit einer ...

Stellt Euch vor, Ihr sitzt in einer typischen Ruhrpott-Kneipe: Grauer Klinkerbau, die großen Fenster verhängt mit vergilbten Spitzengardinen. Es riecht nach kaltem Zigarettenrauch, der Tresen ist mit einer abgrundtief hässlichen Vase bestückt, in der angestaubte Kunstblumen ein tristes Dasein fristen. Das meistgehörte Wort ist „Hömma“ und Euch gegenüber beim Pils sitzt ein markiger Typ, der im melodischsten Ruhrpott-Slang lustige, aber auch tieftraurige Episoden aus seinem Leben erzählt. Genauso fühlt man sich als Leser von Jörg Hartmanns biografischem Buch „Der Lärm des Lebens“ (Erscheinungstermin: 12. März 2024) – und das soll ausnahmslos als Kompliment verstanden werden!

Der 1969 geborene Schauspieler, der den meisten Fernsehzuschauern durch seine Paraderolle Kommissar Faber im Dortmunder „Tatort“ bekannt sein dürfte, lädt die Leser auf 304 Seiten zu sehr persönlichen Einblicken in sein bewegtes Leben ein. Es wird niemals öde, ihm dabei zuzuhören – und ich schwöre, ich hatte von Anfang bis Ende beim Lesen Jörg Hartmanns Stimme im Kopf!

Ratsam ist es, sich bei der Lektüre gleich ein paar Klebezettel in greifbare Nähe zu legen, denn so viele geistreiche Gedanken und (auch ungeschönte) Wahrheiten säumen dieses Buch, die es wert sind, nicht nur gelesen, sondern auch bedacht zu werden.

Jörg Hartmann schildert in äußerst authentischem Ton seine Anfänge als ambitionierter Schauspielstudent, nimmt uns mit zurück in seine Kindheit im beschaulichen Herdecke, erzählt von zerplatzten und wahrgewordenen Träumen und spannt den Bogen bis in die Ödnis des Corona-Lockdowns, der für ihn als Schauspieler auch durchaus die Chance zur Neuausrichtung bot.

Das zentrale Thema des Buchs ist der Tod seines Vaters. Jörg Hartmann streift die raue Faber-Schale ab und zeigt sich sehr verletzlich. Wer Details von rauschenden Filmpartys und Interna aus der Welt der Reichen und Schönen erwartet, ist bei „Der Lärm des Lebens“ (gottseidank) verkehrt, denn Jörg Hartmann ist ein durchweg sympathischer, einfacher Typ ohne jedwede Starallüren, der mit den großen und kleinen Sorgen des Familienalltags bestens vertraut ist. Fast schon beängstigend normal für einen Schauspieler seines Formats!

Bei aller Ernsthaftigkeit kommt aber der Humor nicht zu kurz. Der Mime nimmt sich auch gern mal selbst auf die Schippe, wenn er sich in Selbstgesprächen als „larmoyantes Arschloch“ bezeichnet.

Ich hing beim Lesen quasi an Jörg Hartmanns Lippen und habe dieses biografische Stück Literatur innerhalb kürzester Zeit verschlungen. Wenn man dann das Buch zuklappt, das imaginäre Pilsglas leer ist, und die Wirtin der eingangs erwähnten fiktiven Ruhrpottkneipe das Licht löscht, dann meint man, in Jörg Hartmann einen echten Kumpel gefunden zu haben. „Und das is hier bei uns im Ruhrpott viel mehr als Freunde.“ (Zitat von Seite 25)

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Veröffentlicht am 19.02.2024

Einzigartiges Buch über die faszinierende Welt des Gartens

Ein Garten offenbart sich
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Katrin de Vries lebt in Ostfriesland – in einem Haus, zu dem ein großer Garten gehört. Zu Anfang vertritt die Autorin die landläufige Meinung, dass Rasen kurz gemäht werden und der Garten stets aufgeräumt ...

Katrin de Vries lebt in Ostfriesland – in einem Haus, zu dem ein großer Garten gehört. Zu Anfang vertritt die Autorin die landläufige Meinung, dass Rasen kurz gemäht werden und der Garten stets aufgeräumt sein muss. Ihre beiden Söhne öffnen ihr jedoch mehr und mehr die Augen für die Abläufe der Natur und darüber, wie in ihrem Ökosystem Garten ganz ohne ihr Zutun eins ins andere greift. Zu Beginn tut sie sich schwer, ihre eingebläuten Überzeugungen abzulegen, doch mit den Jahren öffnet sich ihr Blick für das große Ganze – und daran lässt sie ihre Leserinnen und Leser auf beeindruckende Weise teilhaben.

Zugegeben, ich wusste nicht so recht, was mich in dem Buch „Ein Garten offenbart sich – Erzählung von einem anderen Leben“ von Katrin de Vries erwarten würde. Ein klassischer Gartenratgeber? Ein Leitfaden zum unkontrollierten Verwildern-Lassen eines Gartens? Oder gar der mit erhobenem Zeigefinger dargebotene Bericht einer Öko-Aktivistin? Ich ließ mich überraschen – und ich wurde überrascht, aber durchweg angenehm.

Autorin Katrin de Vries erzählt in wunderbarer Art und Weise viel von früher, als die Beziehung der Menschen zur Natur noch eine ganz andere war als heute. Damals, als Ackerbau und Viehzucht zur Selbstversorgung notwendig waren, weil eben nicht alles stets und ständig im Supermarkt um die Ecke zur Verfügung stand. Und so taucht man ein in eine andere Welt, ja, in das im Untertitel zitierte andere Leben, in dem die alltäglichen Verrichtungen, die uns heute Waschmaschine, Geschirrspüler und Co. abnehmen, noch reichlich mühselig waren, und es noch kein Wasserklosett gab.

Sie beschreibt, wie sehr sich die Gärten immer mehr von Nutz- zu Zierflächen verwandelt haben – und hält ihrer Leserschaft – allerdings ganz ohne erhobenen Zeigefinger – den Spiegel vor: Muss man einen Rasen mähen, weil ansonsten die Nachbarn schief gucken oder tut man der Natur damit etwas Gutes? Katrin de Vries lädt ihre Leser auf äußerst angenehme Art dazu ein, ihre eigenen Überzeugungen zu hinterfragen und das ständige Bewerten sein zu lassen. Stattdessen rät sie, lieber genau hinzuschauen. Und tatsächlich: Wie gleichgültig bin ich bisher an Straßenbäumen vorbeigegangen? Seitdem ich „Ein Garten offenbart sich – Erzählung von einem anderen Leben“ gelesen habe, nehme ich mir die Zeit, genauer hinzuschauen, ja, überhaupt bewusst hinzuschauen.

Obwohl Katrin de Vries‘ Buch kein Sachbuch über Ökosysteme ist, erklärt sie anschaulich, wie faszinierend die Natur selbst im Kleinen, mitunter für das menschliche Auge unsichtbar, ist. Auch hier kommt der Untertitel „Erzählung von einem anderen Leben“ zum Tragen.

Wenn man sich die beeindruckenden Abläufe und Beziehungen in der Natur vergegenwärtigt, wird man als Gartenbesitzer regelrecht demütig, weil man sich bisher immer ganz selbstverständlich herausgenommen hat, alles zu kontrollieren und zu bestimmen. Aber die Natur einfach mal machen lassen – das kann man durchaus ausprobieren. Da aber auch ich – wie wahrscheinlich die meisten – nicht so leicht aus meiner Haut kann, werde ich den größten Teil des Rasens natürlich mähen. Aber in einer Ecke meines Gartens darf ab dem kommenden Frühjahr wachsen, was immer da wachsen möchte – und dafür wünsche ich mir Katrin de Vries‘ kindliche Neugier und ihre Begeisterungsfähigkeit.

Zwei Dinge gefallen mir an „Ein Garten offenbart sich – Erzählung von einem anderen Leben“ ganz besonders: Das ist zunächst die einzigartige Erzählstimme der Autorin. Beim Lesen dieses Buches hat mich eine innere Ruhe überkommen, die ich noch nie zuvor in meinem nun doch schon recht langen Leser-Leben gespürt habe. Man hört Katrin de Vries unglaublich gerne zu.

Zum anderen finde ich es beeindruckend, dass die Autorin niemals oberlehrerhaft daherkommt, sondern dem Leser stets auf Augenhöhe Möglichkeiten aufzeigt, anstatt belehrend zu wirken.

Katrin de Vries ist mit ihrem Buch ein außergewöhnlicher Mix gelungen, in dem sie das Beste aus Garten-Sachbuch, historischer Erzählung und Achtsamkeitsratgeber vereint. Nein, eigentlich wird dem Buch diese Beschreibung nicht gerecht. Also am besten loslesen und erleben. Es lohnt sich!

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