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Fannie

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Veröffentlicht am 29.11.2023

Story: spannend - Umsetzung: mittelmäßig

Projekt 22
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Alice leidet unter Schizophrenie. Ihre Eltern, mit denen sie in einer schicken Villa in München-Grünwald lebt, lassen sie seit Jahren immer wieder in der „Anstalt“ behandeln, die von dem renommierten Pharma-Konzern ...

Alice leidet unter Schizophrenie. Ihre Eltern, mit denen sie in einer schicken Villa in München-Grünwald lebt, lassen sie seit Jahren immer wieder in der „Anstalt“ behandeln, die von dem renommierten Pharma-Konzern GP-Tech betrieben wird. Dort ist Alice nicht mehr als ein Versuchskaninchen. Ihr wird massive Gewalt angetan. Wenn sie zu Hause ist, wird sie auf Schritt und Tritt von den Schergen des Pharmakonzerns überwacht. Eines Tages gelingt Alice die Flucht vor ihren Peinigern – doch sie ahnt zu diesem Zeitpunkt nicht, welche tödliche Spirale sie damit in Gang setzt.

„Projekt 22“ von Alexa Linell ist am 25. Juli 2023 bei HarperCollins erschienen. Auf 336 Seiten wird der Leser zum Zeugen von Alice‘ Flucht vor ihren unbarmherzigen Verfolgern, die sie lediglich als „Projekt 22“ bezeichnen und das Ziel haben, sie möglichst schnell wieder einzufangen.

Diese Entmenschlichung der Patienten und die brutalen Methoden des Pharmakonzerns sorgen für eine Gänsehaut der unangenehmen Sorte. Alexa Linell beschreibt die Gewalt, die Alice und ihren Mitpatienten angetan wird, explizit. Der Umstand, dass Alice bei ihrer Flucht durch Deutschland ausgerechnet zwei Rettern in die Arme läuft, die bei GP-Techs Konkurrenzfirma TENEG angestellt sind, mag für den Plot unerlässlich sein, erscheint aber wenig reell. Fortan beginnt ein siebentägiger Kampf um Alice – die Guten gegen die Bösen. Dabei geht GP-Tech im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen. Kein Wunder, denn die Firma hat eine ganze Menge Geheimnisse, die besser unter Verschluss bleiben und die erst im Laufe des Buchs enthüllt werden.

Spannung herzustellen und Cliffhanger einzubauen, liegt Alexa Linell wirklich. Ihren Schreibstil kann man als leicht im positiven Sinne und flüssig bezeichnen. Die Figuren sind im Gegensatz dazu jedoch flach und wirken beliebig. Richtige Sympathie für irgendeine handelnde Person wollte bei mir nicht aufkommen.

Bei „Projekt 22“ hat mir außerdem ein wenig Atmosphäre gefehlt. Was meinen Lesefluss aber ins Stocken gebracht hat, waren die übermäßigen Exkurse in puncto Humangenetik, die – obwohl essenziell für die Geschichte – gern geringer hätten ausfallen dürfen.

Mein Fazit: Die Story an sich ist richtig gut durchdacht und spannend, wurde aber leider nur mittelmäßig umgesetzt.

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Veröffentlicht am 12.03.2023

Starker Nordic Noir, der zum Ende hin schwächelt

Moosgrab
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Ein zwölfjähriges Mädchen wird im schwedischen Trollhättan vermisst. Dabei handelt es sich um Mira, die Tochter der erfolgreichen True Crime-Schriftstellerin Kristina Stare. Doch während Mira verschwunden ...

Ein zwölfjähriges Mädchen wird im schwedischen Trollhättan vermisst. Dabei handelt es sich um Mira, die Tochter der erfolgreichen True Crime-Schriftstellerin Kristina Stare. Doch während Mira verschwunden bleibt, machen die Suchtrupps eine verstörende Entdeckung: An einem Baumstamm lehnt ein menschliches Skelett, das die leuchtend rote Jacke von Mira Stare trägt. Kristina und drei ihrer Schulfreunde werden von Geschehnissen eingeholt, die 25 Jahre zurückliegen und die sie alle seither mehr oder weniger erfolgreich verdrängt haben …

Das äußerst gelungene Cover von „Moosgrab“ verspricht mit seiner bewaldeten Düsternis einen echten Nordic Noir-Thriller. Es ist nach „Der Gräber“ bereits der zweite Stand-Alone aus der Feder des schwedischen Anwalts und Autors Fredrik P. Winter. „Moosgrab“ (Originaltitel: „Olycksfåglar“) ist am 24. Januar 2023 bei der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland erschienen.

Gleich zu Anfang wird der Leser gepackt, indem Winter sehr atmosphärisch die verzweifelte Suche nach der kleinen Mira beschreibt und man sich selbst inmitten des feuchtkalten Waldes wähnt. Diese lichtlose, trübe Stimmung liegt über dem gesamten Roman, in dem der Autor mit messerscharfem Blick das Innenleben der vier Hauptpersonen hinter deren zum Teil schillernden Fassade seziert. Fredrik P. Winters Personal in seinem Buch wirkt sehr lebendig. Er schont seine Charaktere nicht und deckt die Brüche in ihren Lebensläufen ungeschönt auf. Insofern ist „Moosgrab“ auch ein Psychogramm von vier ehemaligen Freunden, die allesamt mit den Dämonen der Vergangenheit kämpfen. Schuld und deren (Nicht-)Bewältigung ist das zentrale Thema dieser Geschichte.

In angenehm kurzen Kapiteln deutet der Autor die Geschehnisse von einst zunächst an, bevor er sie später enthüllt. „Moosgrab“ ist ein Thriller, bei dem man als Leser gerne dranbleibt und den man nur ungern aus der Hand legt.

Doch auf den letzten hundert Seiten fängt der Roman, der so stark begonnen hat, plötzlich an zu schwächeln. Die Charaktere werden unglaubhafter und die Auflösung des Falles erscheint mir persönlich zu konstruiert, zu bemüht. Das ist schade, denn „Moosgrab“ hat sehr viel Potenzial, das leider zum Ende hin verschenkt wurde.

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