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Fannie

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Veröffentlicht am 20.05.2021

Ungeschönte Fortsetzung der Autobiografie eines männlichen Opfers von häuslicher Gewalt

Weg ins Leben
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Das stereotype Bild von Gewalt in der Partnerschaft zeigt eine dem Mann körperlich unterlegene Frau, die den Attacken des Partners wehrlos ausgesetzt ist. Dass sich eine solche Gewalt sehr wohl auch von ...

Das stereotype Bild von Gewalt in der Partnerschaft zeigt eine dem Mann körperlich unterlegene Frau, die den Attacken des Partners wehrlos ausgesetzt ist. Dass sich eine solche Gewalt sehr wohl auch von einer Frau ausgehend gegen den Mann richten kann, mutet für manche Menschen seltsam an. Und doch: Diese Form der Gewalt gegen Männer gibt es - allerdings meist verborgen hinter einer unüberwindbaren Mauer aus Scham.

Der unter dem Pseudonym Tami Weissenberg publizierende Autor aus Sachsen hat in seinem ersten Buch "Darjeeling Pur" mit bedrückender Intensität die sich sukzessive aufbauenden Gewaltexzesse durch seine damalige Ehefrau geschildert. Unglaublich, aber wahr: Die namentlich nicht genannte, zierliche Frau drangsalierte einen beruflich erfolgreichen, hundert Kilo schweren und fast zwei Meter großen Mann, der sich niemals wehrte oder gar zurückschlug.

Im zweiten Band seines autobiografischen Berichts, der den Titel "Weg ins Leben" trägt und am 30. März 2021 in der Edition Outbird erschienen ist, beschreibt Tami Weissenberg, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass er in den Teufelskreis der Abhängigkeit von seiner Frau geriet. Eine Abhängigkeit, die er fast mit seinem Leben bezahlt hätte. Es ist schmerzlich, aber unverzichtbar, vor der Lektüre von "Weg ins Leben" zuerst "Darjeeling Pur" zu lesen.

In sachlich-nüchternem Ton reißt der Autor in seinem aktuellen Buch die Fassade der vermeintlichen Bilderbuchfamilie ein, die mit mondänem Haus, großem Garten und teuren Autos Nachbarn und Bekannte zu beeindrucken wusste. Mit psychologischer Scharfsinnigkeit zeichnet er den Worst Case nach, der seinen Anfang nahm, als er und seine Exfrau sich kennenlernten: Sie weckte in ihm den Beschützerinstinkt, er, unerfahren in Partnerschaftsdingen, gab nach und nach sein eigenständiges Leben für sie auf und fand sich schließlich in seinem eigenen Albtraum wieder.

Wie weit er gegangen ist, welche Grenzen und Gesetze er überschritten hat, nur um seine damalige Frau ruhigzustellen, schildert Tami Weissenberg mit ehrlicher Reue, ohne sich dabei selbst in Schutz zu nehmen. Er steht zu seinen Fehlern und seinen Worten merkt man an, dass er heute, mit einigen Jahren Abstand zum Erlebten, und nach vielen Stunden Psychotherapie, geläutert und befreit ist.

Klipp und klar formuliert er, dass er weder Rache an seiner Exfrau üben möchte noch mit den Erlösen aus den Buchverkäufen reich werden will. Denn Letztere fließen ausschließlich in den von ihm gegründeten Weissenberg e. V. - Männernetzwerk Plauen. Der Verein betreibt eine von staatlicher Seite mitfinanzierte Schutzwohnung für von häuslicher Gewalt betroffene Männer und verfügt über ein kompetentes Netzwerk zur Beratung der Opfer.

Inzwischen ist Tami Weissenberg viel herumgekommen, war in Presse, Funk und Fernsehen vertreten. Er erzählt seine Geschichte nicht, um Mitleid oder Ruhm zu erhaschen. Tami Weissenberg ist ein unglaublich engagierter Kämpfer. Im Anhang des Buchs zeugen Presseartikel und Fotos von seinen zahlreichen Auftritten, in deren Rahmen er dem Thema Gewalt gegen Männer ein Gesicht gibt - sein Gesicht.

So ist aus etwas Furchtbarem dennoch etwas Gutes erwachsen. Doch bis dahin war es ein steiniger, schmerzhafter und langer Weg, an dem Tami Weissenberg den Leser offen und ehrlich teilhaben lässt. Er hat viel über sich selbst gelernt. Mit Fleiß und Hingabe hat er ehrenamtlich ein Hilfsprojekt initiiert, das es damals, als er selbst Gewaltopfer war, nicht gab. Und das Wichtigste: Er ist endlich glücklich.

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Veröffentlicht am 29.04.2021

Mitreißender Familienroman vor der Kulisse von fünfzig Jahren deutscher Geschichte

Geteilte Träume
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Wink des Schicksals oder reiner Zufall? Die Abiturientin Ingke wird Hals über Kopf damit konfrontiert, dass sie nicht das leibliche Kind ihrer Eltern ist, sondern als Baby adoptiert wurde. Daraufhin steht ...

Wink des Schicksals oder reiner Zufall? Die Abiturientin Ingke wird Hals über Kopf damit konfrontiert, dass sie nicht das leibliche Kind ihrer Eltern ist, sondern als Baby adoptiert wurde. Daraufhin steht ihre Welt Kopf. Alles, woran sie geglaubt hatte, stimmt plötzlich nicht mehr. Sie entschließt sich, ihre leibliche Mutter ausfindig zu machen und ihre wahre Geschichte und die ihrer Familie zu ergründen.

Ulla Mothes‘ Roman „Geteilte Träume“ ist am 26.02.2021 bei Lübbe erschienen. Der Untertitel „Eine deutsche Familiengeschichte“ greift dabei fast ein wenig zu kurz, denn der Roman ist beinah schon ein Epos, das einen Zeitraum von etwa fünfzig Jahren umspannt. Da ist es gut und hilfreich, auf den letzten beiden Buchseiten mithilfe eines Stammbaums die Übersicht über die handelnden Personen bewahren zu können.

Mit bildreicher Sprache versetzt Ulla Mothes ihre Leserschaft mühelos in die einzelnen Zeitepochen zurück – anschaulich lässt sie die Nachkriegsjahre in der DDR ebenso lebendig werden wie den Mauerbau 1961 und schließlich die Wende. Und die Autorin ist eine, die mitreden kann – besonders, was das Leben in der DDR in den Achtzigern angeht. Sie selbst stellte einen Ausreiseantrag und verließ den Arbeiter- und Bauernstaat im Jahr 1986. Nur wenige Jahre danach, nämlich 1992, tauchen wir in „Geteilte Träume“ in die Romanhandlung ein. Abgewickelte Betriebe, menschenleere Dörfer, düstere Zukunftsprognosen: keine guten Ausgangsbedingungen für einen jungen Menschen. Und schon gar nicht, wenn man noch dazu von heute auf morgen erfährt, dass die eigene Familiengeschichte auf Lug und Trug basiert. So geht es Ingke, der Hauptperson. Während der ganzen 447 Buchseiten, über die sich dieser Roman erstreckt, wurde ich mit Ingke nicht richtig warm. Hauptsächlich würde ich sie mit den Eigenschaften kühl, fordernd und distanziert beschreiben. Sicher, dass sie trotzig reagiert, fast schon Hass empfindet, ist bei der Tragweite einer solchen Offenbarung wie der eigenen Adoption nachvollziehbar, aber aus Ingke wird für mich persönlich einfach kein sympathischer Charakter. Doch vielleicht war genau das die Intention der Autorin – um zu verhindern, dass aus einem ernsthaften Familienroman eine rührselige, mitleidheischende Story wird.

Ich muss Ulla Mothes Respekt zollen – zum einen, weil sie eine runde, in sich stimmige Erzählung mit Tiefgang geschaffen hat, für die es angesichts der vielen handelnden Personen und der unzähligen kleinen wie großen Erinnerungen sicherlich eine ganze Menge Disziplin beim Plotten braucht. Andererseits, weil man der Geschichte die unbändige Leidenschaft anmerkt, mit der die Autorin sie erzählt. Und es gibt wirklich keine einzige Stelle, an der sich die Geschichte zieht oder man anderweitige Ermüdungserscheinungen spürt.

Ulla Mothes hat mit „Geteilte Träume“ ein mitreißendes Stück deutscher Geschichte Revue passieren lassen, das hervorragend unterhält und lange nachhallt.

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Veröffentlicht am 14.12.2020

Aufwühlender Roman mit eindringlicher Mahnung

Trümmermädchen
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Anna ist noch ein kleines Mädchen, als ihre Freundin Ruth mitsamt ihrer Familie von heute auf morgen plötzlich verschwindet, ihr geliebter Onkel Matthias zum Kriegsdienst eingezogen wird und sich ihre ...

Anna ist noch ein kleines Mädchen, als ihre Freundin Ruth mitsamt ihrer Familie von heute auf morgen plötzlich verschwindet, ihr geliebter Onkel Matthias zum Kriegsdienst eingezogen wird und sich ihre Heimatstadt Köln mehr und mehr in eine Trümmerwüste verwandelt.

Sie wächst bei ihrer Tante Marie auf und ist von jüngster Kindheit an ein Leben voller Entbehrungen gewöhnt. Hunger, Kälte, Verlust und Mangel sind ihr nur allzu vertraut. Doch aus dem Mädchen wird eine junge Frau, die sich entschlossen gegen die Widrigkeiten des Krieges stemmt, um für die zu sorgen, die ihr am Herzen liegen: ihre Familie und ihre Freunde.

Einfühlsam erzählt Lilly Bernstein in ihrem 512-seitigen Roman „Trümmermädchen – Annas Traum vom Glück“ eine Geschichte, die die Jahre 1941 bis 1947 umspannt. Der unglaublich bildhaften Sprache der Autorin und Journalistin, deren bürgerlicher Name Lioba Werrelmann lautet, ist es zu verdanken, dass man das zerbombte Köln klar vor sich sieht. Mit der Veröffentlichung ist für Lilly Bernstein ein Traum in Erfüllung gegangen und es sei ihr bisher persönlichster Roman, heißt es. Und tatsächlich lässt dieses Buch unschwer erkennen, wie viel Herzblut darin steckt.

Mit großer Liebe zum Detail hat die Autorin an ihren Figuren gefeilt und einen Plot erarbeitet, der manche Überraschungen bereithält – das gilt für die guten ebenso wie für die schlechten.

Die Not, die die Menschen damals litten und die Umstände, unter denen sie leben mussten, sprengen heute jegliche Vorstellungskraft. Aus diesem Grund ist Lilly Bernsteins Buch mehr als ein Roman, sondern zeitgleich eine Mahnung, wie dankbar wir heute für alle Annehmlichkeiten des Alltags, volle Supermarktregale und ein gemütliches Zuhause sein müssen.

Dank vieler Gespräche mit Zeitzeugen und umfangreicher Recherchen gelingt es Lilly Bernstein in ihrem Buch mühelos, die unvorstellbaren Lebensbedingungen von damals in Worte zu fassen und für ihre Leserschaft regelrecht erlebbar zu machen.

„Trümmermädchen“ ist außerdem ein Buch, das Mut macht, denn was Anna und ihre Familie leisten, ist unvorstellbar. Ja, sie hadern, sie sind erschöpft, doch sie kämpfen entschlossen für ihren Traum. Ohne ein paar für meinen Geschmack zu glückliche Zufälle ließe sich der allerdings nicht realisieren.

Dennoch ist „Trümmermädchen“ ein bildgewaltiger Roman, der mit Anna über eine gleichermaßen sympathische wie starke Protagonistin verfügt, die stellvertretend für eine ganze Generation steht, die sich mit bewundernswerter Tatkraft nach dem Krieg dem Wiederaufbau eines ganzen Landes gewidmet hat.

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