Wünsche, Glück und große Verantwortung
Gwendys WunschkastenRichard Farris bezeichnet sich selbst als Wanderer. Mit kecker Melone auf dem Kopf, tingelt er, adrett gekleidet, durch ganz Amerika und beobachtet die Menschen. Hin und wieder wecken bestimmte Personen ...
Richard Farris bezeichnet sich selbst als Wanderer. Mit kecker Melone auf dem Kopf, tingelt er, adrett gekleidet, durch ganz Amerika und beobachtet die Menschen. Hin und wieder wecken bestimmte Personen sein Interesse. Eine von ihnen ist die zwölfjährige Gwendy Peterson. Als er sie zum ersten Mal anspricht, ist sie zunächst vorsichtig. Natürlich weiß das Mädchen, dass sie nicht mit Fremden sprechen und schon gar keine Geschenke entgegennehmen soll. Als Farris ihr jedoch ein Kästchen aus braunem Holz überreicht, überwiegt die Faszination. Sie ist eine Auserwählte und es hat den Anschein, als gehöre es tatsächlich ihr. Mit diversen Hebeln und Tasten ausgestattet, erfüllt der Kasten seinem Besitzer alle Wünsche – von Schokolade über Silbermünzen und allerlei mehr. Gwendy versteckt ihren Wunschkasten erst in einem Hohlraum des Wurzelwerks einer alten Eiche im Garten, später hinter einem Ziegelstein des Keller-Gemäuers oder im Kleiderschrank. Mit dem Besitz des Kästchens geht große Verantwortung einher. Er ist ein Geheimnis und Neugier sowie Zwang, die Tasten zu drücken, sind nicht zu unterschätzen. Jahre vergehen, bis Gwendy große Schuld auf sich lädt …
GWENDYS WUNSCHKASTEN bewirkt in zweiunddreißig Kapiteln über rund zehn Jahre augenscheinlich eine Menge Gutes. Das Mädchen entwickelt eine starke Persönlichkeit, bekommt Bestnoten in der Schule und erntet viel Lob und Anerkennung. Ihr Umfeld profitiert ebenso vom Glück wie sie selbst. Dennoch fragt sich Gwendy, genau wie die Leserschaft, was sich schlussendlich hinter den bunten Tasten des Kästchens verbirgt. Hell- und dunkelgrün, orange und gelb, blau und violett – eine jede gilt für einen bestimmten Kontinent. Die schwarze Taste steht für das große Ganze und die rote Taste für einzelne Wünsche in beliebiger Anzahl. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Hauptfigur die Entscheidung trifft, eine von ihnen zu betätigen. Natürlich nicht ohne Folgen!
Die Erzählung von STEPHEN KING und RICHARD CHIZMAR bewegt sich in einem ruhigen Rahmen, ohne bahnbrechende Actionelemente oder übertrieben arges Blutvergießen. Das Grauen schwingt zwischen den Zeilen und betrifft vielmehr die Fragestellung „Was wäre, wenn …?“ Für Spannung ist dennoch gesorgt, weiß man nie, wann eine Taste betätigt wird, welche Wirkung dies hat und ob Gwendy den Kasten vielleicht früher oder später wieder abgeben muss. Eine ganze Reihe Eventualitäten! Der Abschluss der Novelle ist recht gefällig, stimmt dennoch nachdenklich.
GWENDYS WUNSCHKASTEN erscheint als handliches Hardcover im Heyne Verlag.
Die Aufmachung ist optisch wie haptisch ein Traum: Mit Holzprägung samt Furchen, wirkt das Buch selbst wie ein kleines Kästchen. Naschereien und Münzen in Spotlack, haben ebenfalls spürbare Höhen und Tiefen. Wirklich toll gemacht!
Fazit:
GWENDYS WUNSCHKASTEN ist kein Horror im üblichen Sinne, jedoch eine absolut lesenswerte Novelle mit Tiefgang. STEPHEN KING und RICHARD CHIZMAR funktionierten gut als Team – Idee und Umsetzung sind zweifelsohne gelungen.