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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.08.2021

Kein klassischer Krimi, trotzdem sehr lesenswert

1981
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Vor 20 Jahren hat Polizeikommissar Joaquin schon bange Tage ausstehen müssen, als sein Bruder bei den Unruhen ins Visier der Militärdiktatur geriet. Jetzt herrscht wieder Unsicherheit im Land, erneut droht ...

Vor 20 Jahren hat Polizeikommissar Joaquin schon bange Tage ausstehen müssen, als sein Bruder bei den Unruhen ins Visier der Militärdiktatur geriet. Jetzt herrscht wieder Unsicherheit im Land, erneut droht ein Ende der Demokratie. In diesen schwierigen Zeiten soll Joaquin, eigentlich schon reif für die Rente, den Mord einer Frau klären. Naja, oder zumindest so tun als ob er ermittelt, denn auch seine Vorgesetzten schieben lieber eine ruhige Kugel als sich ins Rampenlicht zu bringen und vielleicht den Falschen auf die Füße zu treten. Als die Stimmung im Land endgültig überzukochen droht, überdenkt auch Joaquin die eine oder andere Entscheidung.
Der Klappentext hat eine etwas andere Handlung vermuten lassen, trotzdem hat mir die Geschichte ganz gut gefallen. Die Geschehnisse von 1981 und der Gegenwart in 2001 nehmen etwa gleich viel Raum ein, spielen aber gut zusammen, sodass der rote Faden erhalten bleibt. Joaquin ist ein interessanter Charakter, sein unterschiedliches Denken und Handeln gestern und heute wird wertungsfrei gegenüber gestellt. Er versucht immer unterm Radar zu fliegen und konzentriert sich v.a. darauf dem eigenen Wertekodex gerecht zu werden, ohne zu sehr aufzufallen. Ein verständliches Handeln, das einen nachdenklich werden lässt. Immer wieder treten die Ermittlungen hinter dem aktuellen Geschehen oder Joaquins Vergangenheit zurück, es handelt sich also nicht um einen klassischen Krimi im eigentlichen Sinne. Ich fand diesen Ausflug in die jüngere argentinische Geschichte trotzdem sehr lesenswert, denn die Autorin baut eine eindrückliche, dabei oft bedrückende Atmosphäre auf, die einen ebenso wie die fesselnde Handlung wirklich gefangen nimmt.

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Veröffentlicht am 01.08.2021

Willkommen in Ede City

Wild Card
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Vor 15 Jahren ist Weston mit Hilfe seiner Tante aus Ede City, Alcacia nach London geflohen. Jetzt ist sie verstorben, und eigentlich wollte Weston nur zur Beerdigung für wenige Tage heimkehren. Doch ehe ...

Vor 15 Jahren ist Weston mit Hilfe seiner Tante aus Ede City, Alcacia nach London geflohen. Jetzt ist sie verstorben, und eigentlich wollte Weston nur zur Beerdigung für wenige Tage heimkehren. Doch ehe er es sich versieht, wird er von einem alten Peiniger für dessen Zwecke eingespannt. Schon in der Schule war Church ein echter Rowdy, und so ist es nicht verwunderlich, dass er auch als Erwachsener genau weiß wie er Weston nach seiner Pfeife tanzen lassen kann.
Thompsons Thriller spielt in dem fiktiven Staat Alcacia, der in Westafrika liegen soll. Willkür ist an der Tagesordnung, Korruption sowieso. Der Autor skizziert das alles ungeschönt und wie selbstverständlich; schnell wird dem Leser klar wie das Leben und das Miteinander dort funktionieren. Der Blick wirkt etwas einseitig, trotzdem glaube ich, dass mehr Wahrheit hinter dieser Darstellung steckt als man als Außenstehender wahrhaben möchte. Dementsprechend ist auch der Ton rauer, brutal wird es auch öfter mal, was vielleicht nicht jedem Leser gefällt, aber sehr authentisch wirkt. Weston mochte ich ganz gerne, er steckt in einer prekären Lage, die er mit Grips und Gewitztheit nicht lösen können wird. Er kann einem eigentlich nur Leid tun, trotzdem legt er noch einen gewissen Sinn für Galgenhumor an den Tag und einen starken Willen nicht aufzugeben. Die Zusammenhänge waren mir zwischenzeitlich etwas undurchsichtig, sodass ich irgendwo in der Mitte kurzzeitig den roten Faden verloren habe. Auch finde ich Westons Entscheidungen zum Ende hin nicht mehr ganz nachvollziehbar, selbst wenn sie den Grundstein für weitere Bände legen. Im Großen und Ganzen hat mir Wild Card gut gefallen, der sympathische Hauptdarsteller, der authentische Blick und ein toller Schreibstil haben über inhaltliche Ungereimtheiten hinweg getröstet. Den nächsten Band werde ich mir sicherlich vornehmen.

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Veröffentlicht am 28.07.2021

Starker Start, danach nur noch mittelmäßig

Die Verlorenen
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Vor 10 Jahren verschwand Jonahs Sohn spurlos, vor 10 Jahren hat Jonah zuletzt mit seinem besten Freund Gavin gesprochen. Doch eines Nachts braucht dieser Hilfe, und so eilt Jonah zum Treffpunkt am Londoner ...

Vor 10 Jahren verschwand Jonahs Sohn spurlos, vor 10 Jahren hat Jonah zuletzt mit seinem besten Freund Gavin gesprochen. Doch eines Nachts braucht dieser Hilfe, und so eilt Jonah zum Treffpunkt am Londoner Slaughter Quay. Doch dort findet er Gavin nur noch leblos vor; zusammen mit weiteren Leichen. Noch bevor Jonah sich genauer umsehen kann, wird er selbst zur Zielscheibe.

„Die Verlorenen“ ist der Auftaktband zu einer neuen Serie. Da mir die Hunterreihe vom selben Autor sehr gut gefallen hat, war ich hier natürlich mehr als gespannt. Ich mag Becketts Schreibstil, auch weiß er ganz genau wie sich eine düstere und dichte Atmosphäre aufbauen lässt. Das ist einer der ganz großen Pluspunkte dieses Buches. Auch Tempo und Spannungsbogen stimmen, ich fand die Handlung zu jedem Zeitpunkt sehr mitreißend. Inhaltlich hapert es aber ein bisschen, da ist man vom Autor doch Besseres gewohnt. Ein Beispiel: Jonah ist Polizist bei einer Eliteeinheit. Auch wenn er sicherlich in diesem Fall von den persönlichen Verwicklungen und Verletzungen beeinträchtigt wird, zeigt er doch erstaunlich wenig solides Basiswissen. Jeder Krimileser hätte z.T. Spuren besser gesichert, Schlüsse früher gezogen… ich konnte ihn als Ermittler nicht wirklich ernst nehmen. Das ist schade, denn Potential wäre definitiv da gewesen. Auch die Zusammenarbeit mit Kollegen vermisse ich, gerade weil er eben alleine oft so gar nicht weiterkommt. Das fand ich bis zum Schluss recht unlogisch. Überhaupt fällt ab und an die Logik hintenüber, die eine oder andere Wendung wirkt konstruiert. Der Plot an sich war wirklich vielversprechend, aber die Umsetzung und Jonahs Part im Besonderen wirken etwas unglücklich. So detailverliebt der Autor Szenen bauen kann, so hätte er auch seine Charaktere gestalten müssen, Hintergründe stärker ausarbeiten. So bleibt vieles nur an der Oberfläche, Zusammenhänge bleiben offen und so manche Frage unnötig ungeklärt. Ich fand den Thriller nicht ganz schlecht, aber Beckett hat ungewohnt viel Luft nach oben gelassen. Schade.

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Veröffentlicht am 21.07.2021

Kunst und Blut

Der Blutkünstler (Tom-Bachmann-Serie 1)
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Nach Jahren beim FBI wechselt Tom Bachmann zurück zum BKA. Gleich sein erster Fall verlangt dem genialen Profiler alles ab: ein brutaler Killer ermordet junge Frauen, um ihre Leichen anschließend kunstvoll ...

Nach Jahren beim FBI wechselt Tom Bachmann zurück zum BKA. Gleich sein erster Fall verlangt dem genialen Profiler alles ab: ein brutaler Killer ermordet junge Frauen, um ihre Leichen anschließend kunstvoll zu arrangieren. Der Künstler scheint gerade zur Hochform aufzulaufen, tauchen die Kunstwerke doch in immer kürzeren Abständen auf. Für Bachmann beginnt ein Spiel gegen die Zeit.

Tom Bachmann ist eine etwas schwierige Figur, angeblich ist er ein genialer Profiler, ein „Seelenleser“; so richtig kam seine Begabung aber bei mir nicht an. Er zieht Schlussfolgerungen aus dem Hut, ist oft schlauer als seine Kollegen, ohne dass man als Leser recht nachvollziehen kann, wie er zu seinen Erkenntnissen kommt; mich hat das nicht überzeugt. Auch seine unnahbare Art mochte ich nicht wirklich, die ständige Joggerei wurde mehr als einmal zu viel erwähnt. Tom und ich hatten wohl einfach keinen guten Start ; ) Bei mir drängte sich zudem immer wieder ein Vergleich zu Chris Carters Hunterreihe auf: die geschilderte Brutalität, die Schlaflosigkeit des Ermittlers, seine etwas distanzierte Art etc. Das muss nichts Schlechtes sein, trotzdem waren mir die Ähnlichkeiten zu groß, um richtig begeistert zu sein. Meyer kann schreiben, ich mochte seinen Stil. Kurze, temporeiche Kapitel passen zur Geschichte, gerade die Perspektive des Mörders sowie Ausflüge in Toms Kindheit fand ich gut ausgearbeitet. Das Ende kam mir wiederum zu abrupt, auch konnte es mich wie so einige andere Aspekte dieses Thrillers nicht restlos überzeugen. Insgesamt fand ich Bachmanns ersten Auftritt nicht schlecht, aber für die nächsten Bände würde ich mir doch eine Steigerung wünschen.

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Veröffentlicht am 11.07.2021

Spannender Ausflug auf den Wiener Zentralfriedhof

Das Buch des Totengräbers (Die Totengräber-Serie 1)
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Wien, 1893: Leo von Herzfeldt lässt sein Leben als angesehener Untersuchungsrichter in Graz zurück, um bei der Wiener Polizei quasi noch mal ganz unten anzufangen. Gleich bei seinem ersten Fall eckt er ...

Wien, 1893: Leo von Herzfeldt lässt sein Leben als angesehener Untersuchungsrichter in Graz zurück, um bei der Wiener Polizei quasi noch mal ganz unten anzufangen. Gleich bei seinem ersten Fall eckt er mit seinen modernen Methoden an, der Fall einer jungen Frau scheint für die Kollegen schnell gelöst. Unerwartete Schützenhilfe erhält Leo vom eigenbrötlerischen Totengräber Rothmayer, der seinen Wiener Zentralfriedhof sonst nur selten verlässt, zu diesem und weiteren Fällen aber doch einiges zu sagen hat.
Ich habe schon einige Bücher von diesem Autor gelesen, aber dieses zählt für mich zu seinen besten bisher. Zum einen ist die Stadt Wien in bunten Farben gezeichnet, alles wirkt sehr lebendig und echt. Zum anderen wird auch die Stimmung greifbar, der Aufbruch in ein neues Jahrhundert steht bevor, nicht jeder kann da Schritt halten. Der Mordfall entwickelt sich unerwartet und spannend, die Spuren führen bis in die angesehensten Wiener Kreise und man kann als Leser herrlich miträtseln und –fiebern.
Der heimliche Star des Buches ist für mich Totengräber Rothmayer, der so authentisch und lebendig wirkt, dass man am Schluss fast enttäuscht ist, weil es sich „nur“ um eine fiktive Figur handelt. Jedem Kapitel ist ein Zitat aus Rothmayers „Almanach für Totengräber“ vorangestellt, das zugleich kurios wie auch informativ ist. Ich hoffe sehr, dass Rothmayer auch in weiteren Bänden eine Rolle spielen wird, bisher mag ich ihn mehr als Leo. Dieser hat eine, wie er selbst gerne feststellt, schnöselige Art, trotzdem aber auch eine empathische Seite. Sein Interesse an der noch so neuen Kriminalistik gibt dem Leser einen guten Einblick in die Anfangszeit dieser Fachrichtung. Diese Mischung aus spannendem Kriminalfall, informativen Fakten zur Polizeiarbeit, Ausflug ins historische Wien und dem perfekten Zusammenspiel der so unterschiedlichen Charaktere ist für mich rundum gelungen. Ein toller Auftaktband, der mich die nächsten Bände sehr ungeduldig erwarten lässt.

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