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Veröffentlicht am 15.09.2021

Aus der Welt der skurrilen Nachrichten

The Stranger Times
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Hannah hat sich gerade von ihrem untreuen, aber reichen Ehemann getrennt. Auf eigenen Beinen stehen bedeutet aber auch, dass man einen Broterwerb braucht. Es verschlägt sie in die Redaktion der Stranger ...

Hannah hat sich gerade von ihrem untreuen, aber reichen Ehemann getrennt. Auf eigenen Beinen stehen bedeutet aber auch, dass man einen Broterwerb braucht. Es verschlägt sie in die Redaktion der Stranger Times, DER Wochenzeitung für die Spinner, Ufogläubigen, Hexen und andere schräge Typen. Neben wirklich besonderen Kollegen und einem cholerischen Chef merkt sie jedoch bald, dass nicht alle Nachrichten so unglaublich sind wie sie zunächst klingen.
Schräg, abgedreht und wirklich witzig ist dieser Auftaktband zur Trilogie über die Stranger Times. Die Figuren sind alles andere als von der Stange, und dieser Einfallsreichtum gefällt mir. Hannah ist eigentlich ein eher graues Mäuschen, sodass ihre Kollegen erst mal im krassen Gegensatz dazu stehen, allen voran natürlich der Chef. Seine Figur fand ich richtig gut gemacht, auch wenn er ein Ekel ist. Aber auch die Nachrichten selbst strotzen vor Witz und Fantasie, sie findet man immer mal wieder eingestreut in Form von Artikeln, welche das Geschehen auflockern. McDonnells Humor ist oft eher trocken, echt britisch eben; mir hat das sehr gut gefallen. Doch bei der Stranger Times wird es auch mal bitterernst, und dann zeigt sich was im Personal wirklich steckt. Man muss den übernatürlichen Einschlag schon mögen, bei mir hat die Idee aber ins Schwarze getroffen. Für den nächsten Band (den ich definitiv und unbedingt lesen muss) würde ich mir etwas mehr Sorgfalt im Lektorat wünschen, die ständigen Namensänderungen haben doch beim Lesen stocken lassen. Ansonsten habe ich an Hannah & Co wirklich nichts auszusetzen gehabt, und freue mich auf Neues aus der Redaktion.

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Veröffentlicht am 05.09.2021

Die Schuld der Paula Bloom

Ritchie Girl
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Halbamerikanerin Paula Bloom floh einst aus Nazideutschland in die USA, und wurde dort in der Army im Camp Ritchie ausgebildet. Jetzt kehrt sie in das kapitulierte Deutschland zurück, soll bei der Befragung ...

Halbamerikanerin Paula Bloom floh einst aus Nazideutschland in die USA, und wurde dort in der Army im Camp Ritchie ausgebildet. Jetzt kehrt sie in das kapitulierte Deutschland zurück, soll bei der Befragung eines vermeintlichen Spions helfen. Die Identität von „Sieben“ ist unklar, hat man den großen Spion festgesetzt oder doch nur einen Hochstapler? Während in Nürnberg der große Kriegsverbrecherprozess vorbereitet wird, versucht Paula Siebens, aber auch ihre ganz persönliche Vergangenheit aufzuarbeiten.
Pflügers Roman ist kein netter, seichter Roman über die Nachkriegszeit, sondern oft auch mal schwere Kost. Die Frage, wer sich etwas zuschulden hat kommen lassen, sei es als hochrangiger Funktionär in SS oder SA, oder als ganz normaler Bürger, der über das Verschwinden der Nachbarn hinweggesehen hat, tja diese Frage treibt Bloom und damit den Leser um. Paula ist eine wahnsinnig interessante Figur. Sie ist von Schuld und Hass zerfressen, ihr innerer moralischer Kompass durcheinander. Immer wieder hinterfragt sie sich selbst, ihr Handeln jetzt und vor Jahren, das ihrer Mitmenschen. Allzu schnell ist sie manchmal mit ihrem Urteil, geradezu selbstgerecht; das macht sie zutiefst menschlich, unvorstellbar wie man selbst in der entsprechenden Situation reagiert hätte. Ich fand auch das Zusammenspiel mit ihrem Freund Sam sehr gelungen, der sie immer wieder zu norden versucht. In Paulas Umfeld finden sich neben fiktiven Figuren immer wieder bekannte Persönlichkeiten: von Marlene Dietrich über Stan Lee bis hin zu Willy Brandt. Wie man auch dem Nachwort entnehmen kann, sind einige dieser Berühmtheiten wirklich im entsprechenden Umfeld zugange gewesen, bei anderen hatte ich mehr und mehr das Gefühl das der bekannte Name nur gefallen ist, damit er halt mal gefallen war. Kuriose Zufälle gibt es immer, aber hier wirkte es auf mich übertrieben gehäuft, weil jeder, aber auch wirklich jeder aufgeführt wurde. Der Handlung selbst lässt sich nicht immer ganz leicht folgen, auch aufgrund der vielen Beteiligten. Dranbleiben lohnt sich aber auf jeden Fall, denn der Leser bekommt einen vielschichtigen, hervorragend recherchierten Roman, der sich mit den Themen Schuld und Reue auf seine ganz spezielle Art und Weise auseinander setzt. Wer zeitgeschichtlich interessiert ist, sollte hier definitiv zugreifen.

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Veröffentlicht am 29.08.2021

Teuflisch

Der Tod und das dunkle Meer
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An Bord der Saardam geht der Teufel um, zumindest glauben das viele von Crew und Passagieren gleichermaßen. Dabei befindet sich auf ihr nicht nur kostbare Fracht und ein hochrangiger Würdenträger, sondern ...

An Bord der Saardam geht der Teufel um, zumindest glauben das viele von Crew und Passagieren gleichermaßen. Dabei befindet sich auf ihr nicht nur kostbare Fracht und ein hochrangiger Würdenträger, sondern auch noch Samuel Pipps, hochgelobter Detektiv, der jetzt trotzdem eingekerkert auf den Strang wartet. Er könnte das Rätsel um die höllischen Teufelsfratzen lösen, die überall auftauchen, doch er darf sein Gefängnis quasi nicht verlassen. Nun liegt es an seinem Assistent und Leibwächter Arent Hayes nicht nur Augen und Ohren offen zu halten, sondern auch das Rätsel zu lösen, bevor an Bord endgültig Panik und Chaos ausbrechen.
Turton hat einen unglaublich atmosphärischen historischen Roman geschaffen, einen Schauerroman, einen spannenden Krimi… so recht lässt sich die Geschichte in keine Schublade stecken. Ich mochte den Roman wirklich gerne, auch wenn die ganz, ganz große Begeisterung ausgeblieben ist. Turton nimmt seinen Leser mühelos mit auf sein (verfluchtes?) Schiff, bildgewaltig und sehr lebendig erzählt er vom Alltag. Man bekommt ein gutes Bild wie es wohl auf einem so großen Segelschiff zugegangen ist, inklusive sämtlicher Querelen und Machtstreitereien. Ausdrücklich weist der Autor im Nachwort darauf hin, dass er mitnichten sämtliche kleinsten Details historisch genau abbilden wollte, trotzdem bekommt man einen sehr guten Eindruck was es bedeutete monatelang und unter Einsatz seines Lebens auf den sieben Weltmeeren unterwegs zu sein.
Die Kombination von Pipps & Hayes hat vieles der typischen Holmes-Watson-Beziehung: der geniale, aber egozentrische Pipps löst mithilfe des gutmütigen Hayes knifflige Fälle, welche letzterer zur Unterhaltung der Allgemeinheit niederschreibt. Auch wenn es sich bei dieser Konstellation um ein bewährtes Rezept handelt, kann Turton den Figuren doch ein neues Gesicht geben und weiß damit zu punkten. Pipps ist keine sympathische Figur, Hayes dagegen sehr. Ich mochte seine Art von Anfang an, auch seine Entwicklung in der Geschichte ist sehr stimmig. Weitere Figuren in großen und kleinen Rollen sind vielgestaltig und interessant, viele verbergen zunächst ihr wahres Gesicht, was der Handlung zusätzlich Pepp gibt. Die ist spannend und wendungsreich, mal humorvoll, mal schaurig-brutal. Leider war ich von der Auflösung doch eher enttäuscht, was meiner Begeisterung einen Dämpfer verpasst hat. Trotzdem empfehle ich das Buch gerne weiter, da der Autor für mich vorher fast alles richtig gemacht hat.

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Veröffentlicht am 25.08.2021

Raffiniert

Der Kolibri
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Marco Carrera war als Kind lange der allerkleinste von allen, seitdem hängt ihm der Spitzname Kolibri nach. Jetzt als Erwachsener arbeitet er als Augenarzt in Florenz und staunt nicht schlecht, als statt ...

Marco Carrera war als Kind lange der allerkleinste von allen, seitdem hängt ihm der Spitzname Kolibri nach. Jetzt als Erwachsener arbeitet er als Augenarzt in Florenz und staunt nicht schlecht, als statt dem nächsten Patienten, der Psychoanalytiker seiner Frau vor der Tür steht. Diese wolle ihn verlassen, eröffnet er Marco. Der fühlt sich an andere dunkle Stunden seines Lebens erinnert und beginnt zurückzudenken.
Veronesis Roman ist raffiniert und verschachtelt erzählt, was ihn gleichzeitig faszinierend, aber eben manchmal auch etwas verwirrend macht. Briefe von und an Marco, Telefonate und Gedichte wechseln sich mit episodenhaften Szenen seines Lebens ab, alles chronologisch weitgehend ungeordnet. Man muss am Ball bleiben, um nicht den Überblick über die knapp 60 erzählten Jahre zu verlieren. Vieles klärt sich erst im Nachhinein, Charaktere lassen sich doppelt schwer einschätzen. Sätze, die sich über mehrere Seiten ziehen, machen es manchmal schwerer, aber auch deutlich interessanter. Veronesis Stil ist eigenwillig, aber sehr ansprechend und hat mich mehr als einmal überrascht.
Marco ist ein Allerweltstyp, der aber in seinem gutbürgerlichen Leben viel Pech gehabt hat. Zumindest wirkt es in der Summe der Dinge zunächst so, was dem Roman eine etwas depressive Grundstimmung gibt. Trotzdem gibt es auch Hoffnungsschimmer, und die liegen oft in der Familie. Familie ist das Grundthema dieses Romans, mal auf traurige oder beschämende Weise, mal auf skurrile und humorvolle. Ich mochte den Kolibri ganz gerne, auch wenn sich der Autor in der ein oder anderen Abschweifung verflattert hat.

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Veröffentlicht am 24.08.2021

Nette Familiensaga

Die Blankenburgs
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Der schwarze Freitag ändert im Hause Blankenburgs alles: ein Großteil des Vermögens hat sich mit dem Börsencrash in Luft aufgelöst, die beiden führenden Familienmitglieder wählen den Freitod. Zurück bleiben ...

Der schwarze Freitag ändert im Hause Blankenburgs alles: ein Großteil des Vermögens hat sich mit dem Börsencrash in Luft aufgelöst, die beiden führenden Familienmitglieder wählen den Freitod. Zurück bleiben die zerstrittenen Schwestern Elise und Ophélie, die beide mit den täglichen Geschäften der Firma wenig zu tun hatten; kurz gesagt, die traditionsreiche Porzellanmanufaktur steht vor dem Aus. Hilfe könnte die Manufaktur Löwenkind bieten, deren jüdische Inhaber allerdings immer mehr unter den Repressalien der Nazis zu leiden haben. Als dann noch ein verschollener Bruder und eine dominante Tante auftauchen, ist der Alltag in der gut situierten Familie endgültig zum Teufel.
Bergs Roman ist ein richtiger Schmöker, der sich leicht lesen lässt und trotzdem fesseln kann. Die Familie Blankenburg bietet reichlich z.T. verschrobene Persönlichkeiten, die in ihrem Miteinander unterhalten können. Gerade Tante Arabella nimmt nie ein Blatt vor den Mund, genau wie Tankred, der allein durch seine Person überall aneckt; sicherlich findet man ähnliche Figuren häufig in diesem Untergenre, trotzdem geht das bewährte Konzept auch in diesem Roman auf. Das zunehmend prekäre politische Klima wird greifbar dargestellt, auch die Motivation vieler früher Anhänger und Mitläufer authentisch wiedergegeben. So erhält die sonst eher seichte Familiensaga doch noch einiges an Tiefe. Ich mochte die Entstehungsgeschichte und auch den Alltag in der Manufaktur sehr, man erfährt Interessantes über dieses Metier. Leben und Alltag in Frankfurt hätten für mich etwas mehr herausgearbeitet sein dürfen, da hatte ich mir doch plastischere Bilder erhofft. Trotzdem ergibt die Geschichte ein rundes Bild, und auch die kleinen und große Problemchen der Blankenburgs haben mich letztendlich unterhalten und neugierig auf den nächsten Band gemacht.

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