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Veröffentlicht am 18.04.2021

Tage im Juni

Die Toten vom Gare d’Austerlitz
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Der 14. Juni 1940 markiert für Inspektor Giral wie für alle anderen Franzosen einen Wendepunkt, denn Paris wird von den Nazis eingenommen. Dabei hätte Eddie genug zu tun, denn er muss den Mord an gleich ...

Der 14. Juni 1940 markiert für Inspektor Giral wie für alle anderen Franzosen einen Wendepunkt, denn Paris wird von den Nazis eingenommen. Dabei hätte Eddie genug zu tun, denn er muss den Mord an gleich vier Personen aufklären. Die Ermittlungen werden zusehends haarig, denn seine Autorität wird von den Besatzern beschnitten, Nachforschungen erschwert, sein Leben bedroht. Keine leichte Aufgabe, die da vor ihm liegt.
Lloyds Krimi spielt sich innerhalb weniger entscheidender Tage ab, er ist neben der fiktiven Kriminalhandlung auch ein gut recherchierter historischer Roman. Die Hintergründe dieser ersten Tage unter der Hakenkreuzfahne werden wie nebenbei von allen Seiten beleuchtet, die Auswirkungen sind sehr vielschichtig; der eine hängt sein Fähnchen in den Wind, der andere sieht trotz recht friedlicher Stimmung gar keinen Ausweg mehr. Die kleinen Einzelschicksale machen betroffen und nachdenklich. Der Autor erzählt sehr greifbar, die Dialoge sind sehr lebendig, und so wurde ich mit dem Geschehen schnell warm. Eddie ist eine tolle Hauptfigur, ich freue mich sehr, dass noch einige Bände mit ihm folgen sollen. Er ist einerseits eine starke Person, die für ihre Auffassung von Recht und Ordnung kämpft, dabei das eigene Wohlbefinden hintenan stellt; nicht jeder in seiner Position traut sich auch mal gegen den Willen der Besatzer zu arbeiten. Andererseits hat er in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs gekämpft, leidet noch immer unter Flashbacks und ist entsprechend verletzlich. Seine Mitstreiter bzw. Gegenspieler sind vielseitig und auch –schichtig, auch wenn ich die Entwicklungen rund um Auban etwas platt fand. Der Deutsche Hochstetten dagegen ist sehr undurchsichtig angelegt, was die Handlung natürlich doppelt spannend macht. Lloyds Krimi ist nicht immer hochspannend, zwischenzeitlich verzetteln sich die Ermittlungen zu sehr; trotzdem hat mir die Handlung sehr gut gefallen, weil für mich die Mischung aus Historie, Krimi und tollem Cast fast perfekt zusammenpasste.

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Veröffentlicht am 14.04.2021

Der Abstinent

Der Abstinent
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Im Jahr 1867 hat Ire O’Connor die prekäre Aufgabe in Manchester für die Polizei seine eigenen Landsleute zu bespitzeln. Der Unabhängigkeitskampf ist in vollem Gange, die Fronten verhärtet, die Methoden ...

Im Jahr 1867 hat Ire O’Connor die prekäre Aufgabe in Manchester für die Polizei seine eigenen Landsleute zu bespitzeln. Der Unabhängigkeitskampf ist in vollem Gange, die Fronten verhärtet, die Methoden beider Seiten brutal. So gerät O’Connor zusehends ins Visier der Freiheitskämpfer, während die eigenen Kollegen bei der Polizei ihn nicht ernst nehmen. Er steht buchstäblich im Kreuzfeuer.
Eine der großen Stärken des Autors liegt darin, eine zwingende, düstere, fast greifbare Stimmung zu erzeugen. Schon nach wenigen Sätzen ist man mittendrin in den Unruhen, streift mit James durch die aufgewühlte Stadt. Die Handlung baut auf historischen Gegebenheiten auf, für den Leser ist Fakt und Fiktion aber nicht mehr voneinander zu unterscheiden, weil alles sehr authentisch wirkt. Eigenes Hintergrundwissen zum irischen Freiheitskampf schadet nicht, ich hätte Einzelheiten ohne sicherlich nicht immer richtig einschätzen können, da McGuire nicht viel Hintergrundinfos liefert.
O’Connor und sein Widersacher Doyle waren für mich nicht so richtig greifbar, sie wirken als Figuren nicht ganz ausgereift. Sie verkörpern jeder für sich eine Seite der Medaille, aber wirken immer eher auf ihre Funktion für die Geschichte beschränkt und eben nicht richtig lebendig. McGuire kann Spannung aufbauen, lässt die Handlung aber auch schon mal etwas vor sich hindümpeln, was dann irgendwann auch die tolle Atmosphäre nicht mehr wettmachen konnte. Das Ende passt zur Stimmung, der Umbruch kurz zuvor war mir aber etwas zu abrupt, so richtig rund wirkt die Handlung für mich hier nicht mehr. Insgesamt mochte ich den Roman trotzdem, wobei für mich die erste Hälfte definitiv der stärkere Teil war und die Begeisterung so zum Ende einen kleinen Dämpfer bekam.

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Veröffentlicht am 11.04.2021

Erschreckend und abstoßend

Rattenkönig
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Vanessa Frank muss in Stockholm den Mord an der jungen Emilie aufklären; schon wenige Spuren scheinen den Täter dingfest zu machen. Doch so einfach gestalten sich Mordermittlungen sonst nicht, und so stößt ...

Vanessa Frank muss in Stockholm den Mord an der jungen Emilie aufklären; schon wenige Spuren scheinen den Täter dingfest zu machen. Doch so einfach gestalten sich Mordermittlungen sonst nicht, und so stößt Vanessa auch nach kurzer Zeit auf Ungereimtheiten. Sollte hinter dem Mord noch etwas ganz anderes stecken?

Ich habe den Vorgänger „Feuerland“ nicht gelesen, und war vielleicht auch deswegen zu Beginn vom Cast etwas überfordert. Die wesentlichen Dinge bekommt man auch als Neuleser nachgereicht, trotzdem ist es sicherlich nicht verkehrt, wenn man zunächst den Vorgänger gelesen hat. Vanessa ist keine schlechte Hauptfigur, trotzdem wurde ich mit ihr bis zum Schluss nicht ganz warm. Dafür umso mehr mit ihrem Kollegen Ove, oder auch Nebenfiguren wie der jungen Celine. Engman arbeitet mit mehreren Handlungssträngen, bei denen man nicht sofort versteht wie sie überhaupt zusammenlaufen können. Doch das Gesamtpaket überzeugt und alles wird schlüssig geklärt. Der Erzählstil wirkt etwas nordisch-nüchtern, trotzdem wirkt das Geschehen keinesfalls distanziert. Engman baut große Spannung auf, sein dargestelltes Szenario wirkt glaubhaft und dadurch noch erschreckender, oft sogar brutal. Jedem neuen Abschnitt sind Zitate vorangestellt, die zunehmend verstörend sind. Ich hatte mir vom Nachwort erhofft die Quelle zu erfahren, bin mir aber nach der Lektüre sehr sicher, dass es sich um echte Zitate aus den entsprechenden Gruppierungen handelt. Der Autor rückt hier eine Community in den Fokus, über die man bestenfalls den Kopf schütteln kann, der dort propagierte Hass ist ekelerregend und beängstigend, da leider real. Sicherlich keine schlechte Idee diese dem breiteren Publikum bekannt zu machen, sodass die Wachsamkeit für dieses Thema erhöht ist.
Insgesamt ist „Rattenkönig“ ein gut gemachter, brutaler Thriller, der eine Gefahr in den Fokus rückt, von der viele nicht einmal gehört haben.

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Veröffentlicht am 31.03.2021

Die 49 Geheimnisse des Erwachsenwerdens

Hard Land
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Kind sein ist wie einen Ball hochwerfen. Erwachsenwerden ist, wenn er wieder herunterfällt.
Im Sommer `85 muss Sam dem drohenden Ferienaufenthalt bei seinen verhassten Cousins entfliehen und nimmt kurzerhand ...

Kind sein ist wie einen Ball hochwerfen. Erwachsenwerden ist, wenn er wieder herunterfällt.
Im Sommer `85 muss Sam dem drohenden Ferienaufenthalt bei seinen verhassten Cousins entfliehen und nimmt kurzerhand einen Aushilfsjob im heimischen Kino an. Das soll in wenigen Monaten schließen, die verbliebenen Angestellten ziehen weiter aufs College, alles fühlt sich ein wenig nach Abschied an. Zudem lebt Sam mit der ständigen Angst um seine Mutter, die vor Jahren an Krebs erkrankt ist. Doch dann wendet sich für ihn das Blatt, und der Sommer wird für ihn einer der prägendsten seines Lebens.
Hard Land hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt und dabei schnurstracks in die 80er katapultiert. Filme, Musik, Lebensgefühl, in vielen Kleinigkeiten macht der Autor das Jahrzehnt erlebbar. Sams Geschichte hätte auch in jedem anderen Jahr funktioniert, aber ich hatte bei diesem Ausflug in die 80er besonders Spaß. Die Erzählung ist sehr lebendig, und hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Das Städtchen Grady ist nach der Schließung einer großen Fabrik am Scheideweg, noch ist nicht klar, ob die Stadt eine Zukunft hat. Das ist eine schöne Parallele zu Sams Leben. Der macht im Laufe der Handlung eine ziemliche Veränderung durch, von Anfang an ist er aber sehr reflektiert, was mir an ihm sehr gut gefallen hat. Mit seinen neuen Freunden muss man erst warm werden, doch dann schließt man sie auch ins Herz. Ich fand es ein wenig schade, dass Kirstie etwas klischeehaft daherkommt, die zwei Jungs sind handfester konstruiert. Auch die ein oder andere Nebenfigur (z.B. der Schulschläger) wirken etwas platt, doch insgesamt sind die Bewohner Gradys doch ganz gut gelungen. Der Erzählstil hat mir sehr gut gefallen, Wells erzählt auf berührende, empathische Weise von Sams Sommer. Immer wieder bereichern Wortneuschöpfungen oder das von Sam zu interpretierende, titelgebende Gedicht die Geschichte. Stilistisch hat für mich alles gestimmt. Ich fand das Ende etwas zu sehr auf Happy End getrimmt, ansonsten hat mich Wells‘ Geschichte aber ganz großartig unterhalten. Coming-of-Age-Geschichten gibt es zu Hauf, aber diese hat dem Genre noch etwas Neues abtrotzen können.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Meinem Leserherz auf den Leib geschneidert

Der gekaufte Tod
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Vor einem Jahr hat August in seiner Heimatstadt Detroit alle Zelte abgebrochen, um mit seinem neu gewonnen Reichtum die Welt zu sehen und alles hinter sich zu lassen. Jetzt ist er zurück, doch noch bevor ...

Vor einem Jahr hat August in seiner Heimatstadt Detroit alle Zelte abgebrochen, um mit seinem neu gewonnen Reichtum die Welt zu sehen und alles hinter sich zu lassen. Jetzt ist er zurück, doch noch bevor er sich wieder eingerichtet hat, holt ihn die Vergangenheit ein. Nicht nur ist quasi der gesamte Polizeiapparat schlecht auf ihn zu sprechen, sondern eine alte Bekannte begeht zudem Selbstmord, kurz nachdem sie August um Hilfe bat. Der ist jetzt erst recht skeptisch, und so kämpft er nicht nur gegen den Verfall seines Viertels, sondern auch für die lückenlose Aufklärung ihres Todes.
Stephen Mack Jones hat mich mit seinem Krimidebüt umgehauen, alles, aber auch wirklich alles war wie perfekt auf mich und meinen Lesegeschmack zugeschnitten. Angefangen mit August Snow, der als Hauptfigur sicherlich nicht aus der 08/15-Kiste gezogen wurde. Halb Afroamerikaner – halb Mexikaner, aufgewachsen in Mexicantown, einem eher ärmlicheren Stadtteil Detroits, das prägt. August hat zwar ein liebevolles Elternhaus, aber er ist auch ein Kind seines sozialen Umfelds, das merkt man in seiner grundsätzlichen Einstellung, aber auch in vielen Kleinigkeiten. Anhand seines Beispiels thematisiert der Autor viele heiße Eisen wie Rassismus, Korruption und die Annahme, dass Recht und Gerechtigkeit eben doch nicht immer identisch sind. Ich mochte Augusts freche, aber kluge Art von Anfang an. Detroit als Handlungsort ist ebenfalls gut gewählt, der Verfall der Autostadt spiegelt sich in allen Schichten des Romans wieder. Die Handlung entwickelt sich rasant und brutal, Jones‘ Stil ist schnell und trotzdem nicht leichtlebig. Er legt mit „Der gekaufte Tod“ einen wirklich packenden Krimi vor, der mich die Übersetzung der nächsten Snowfälle kaum erwarten lässt.

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