Profilbild von Fornika

Fornika

Lesejury Star
offline

Fornika ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Fornika über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.04.2021

Erschreckend und abstoßend

Rattenkönig
0

Vanessa Frank muss in Stockholm den Mord an der jungen Emilie aufklären; schon wenige Spuren scheinen den Täter dingfest zu machen. Doch so einfach gestalten sich Mordermittlungen sonst nicht, und so stößt ...

Vanessa Frank muss in Stockholm den Mord an der jungen Emilie aufklären; schon wenige Spuren scheinen den Täter dingfest zu machen. Doch so einfach gestalten sich Mordermittlungen sonst nicht, und so stößt Vanessa auch nach kurzer Zeit auf Ungereimtheiten. Sollte hinter dem Mord noch etwas ganz anderes stecken?

Ich habe den Vorgänger „Feuerland“ nicht gelesen, und war vielleicht auch deswegen zu Beginn vom Cast etwas überfordert. Die wesentlichen Dinge bekommt man auch als Neuleser nachgereicht, trotzdem ist es sicherlich nicht verkehrt, wenn man zunächst den Vorgänger gelesen hat. Vanessa ist keine schlechte Hauptfigur, trotzdem wurde ich mit ihr bis zum Schluss nicht ganz warm. Dafür umso mehr mit ihrem Kollegen Ove, oder auch Nebenfiguren wie der jungen Celine. Engman arbeitet mit mehreren Handlungssträngen, bei denen man nicht sofort versteht wie sie überhaupt zusammenlaufen können. Doch das Gesamtpaket überzeugt und alles wird schlüssig geklärt. Der Erzählstil wirkt etwas nordisch-nüchtern, trotzdem wirkt das Geschehen keinesfalls distanziert. Engman baut große Spannung auf, sein dargestelltes Szenario wirkt glaubhaft und dadurch noch erschreckender, oft sogar brutal. Jedem neuen Abschnitt sind Zitate vorangestellt, die zunehmend verstörend sind. Ich hatte mir vom Nachwort erhofft die Quelle zu erfahren, bin mir aber nach der Lektüre sehr sicher, dass es sich um echte Zitate aus den entsprechenden Gruppierungen handelt. Der Autor rückt hier eine Community in den Fokus, über die man bestenfalls den Kopf schütteln kann, der dort propagierte Hass ist ekelerregend und beängstigend, da leider real. Sicherlich keine schlechte Idee diese dem breiteren Publikum bekannt zu machen, sodass die Wachsamkeit für dieses Thema erhöht ist.
Insgesamt ist „Rattenkönig“ ein gut gemachter, brutaler Thriller, der eine Gefahr in den Fokus rückt, von der viele nicht einmal gehört haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.03.2021

Die 49 Geheimnisse des Erwachsenwerdens

Hard Land
0

Kind sein ist wie einen Ball hochwerfen. Erwachsenwerden ist, wenn er wieder herunterfällt.
Im Sommer `85 muss Sam dem drohenden Ferienaufenthalt bei seinen verhassten Cousins entfliehen und nimmt kurzerhand ...

Kind sein ist wie einen Ball hochwerfen. Erwachsenwerden ist, wenn er wieder herunterfällt.
Im Sommer `85 muss Sam dem drohenden Ferienaufenthalt bei seinen verhassten Cousins entfliehen und nimmt kurzerhand einen Aushilfsjob im heimischen Kino an. Das soll in wenigen Monaten schließen, die verbliebenen Angestellten ziehen weiter aufs College, alles fühlt sich ein wenig nach Abschied an. Zudem lebt Sam mit der ständigen Angst um seine Mutter, die vor Jahren an Krebs erkrankt ist. Doch dann wendet sich für ihn das Blatt, und der Sommer wird für ihn einer der prägendsten seines Lebens.
Hard Land hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt und dabei schnurstracks in die 80er katapultiert. Filme, Musik, Lebensgefühl, in vielen Kleinigkeiten macht der Autor das Jahrzehnt erlebbar. Sams Geschichte hätte auch in jedem anderen Jahr funktioniert, aber ich hatte bei diesem Ausflug in die 80er besonders Spaß. Die Erzählung ist sehr lebendig, und hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Das Städtchen Grady ist nach der Schließung einer großen Fabrik am Scheideweg, noch ist nicht klar, ob die Stadt eine Zukunft hat. Das ist eine schöne Parallele zu Sams Leben. Der macht im Laufe der Handlung eine ziemliche Veränderung durch, von Anfang an ist er aber sehr reflektiert, was mir an ihm sehr gut gefallen hat. Mit seinen neuen Freunden muss man erst warm werden, doch dann schließt man sie auch ins Herz. Ich fand es ein wenig schade, dass Kirstie etwas klischeehaft daherkommt, die zwei Jungs sind handfester konstruiert. Auch die ein oder andere Nebenfigur (z.B. der Schulschläger) wirken etwas platt, doch insgesamt sind die Bewohner Gradys doch ganz gut gelungen. Der Erzählstil hat mir sehr gut gefallen, Wells erzählt auf berührende, empathische Weise von Sams Sommer. Immer wieder bereichern Wortneuschöpfungen oder das von Sam zu interpretierende, titelgebende Gedicht die Geschichte. Stilistisch hat für mich alles gestimmt. Ich fand das Ende etwas zu sehr auf Happy End getrimmt, ansonsten hat mich Wells‘ Geschichte aber ganz großartig unterhalten. Coming-of-Age-Geschichten gibt es zu Hauf, aber diese hat dem Genre noch etwas Neues abtrotzen können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.03.2021

Meinem Leserherz auf den Leib geschneidert

Der gekaufte Tod
0

Vor einem Jahr hat August in seiner Heimatstadt Detroit alle Zelte abgebrochen, um mit seinem neu gewonnen Reichtum die Welt zu sehen und alles hinter sich zu lassen. Jetzt ist er zurück, doch noch bevor ...

Vor einem Jahr hat August in seiner Heimatstadt Detroit alle Zelte abgebrochen, um mit seinem neu gewonnen Reichtum die Welt zu sehen und alles hinter sich zu lassen. Jetzt ist er zurück, doch noch bevor er sich wieder eingerichtet hat, holt ihn die Vergangenheit ein. Nicht nur ist quasi der gesamte Polizeiapparat schlecht auf ihn zu sprechen, sondern eine alte Bekannte begeht zudem Selbstmord, kurz nachdem sie August um Hilfe bat. Der ist jetzt erst recht skeptisch, und so kämpft er nicht nur gegen den Verfall seines Viertels, sondern auch für die lückenlose Aufklärung ihres Todes.
Stephen Mack Jones hat mich mit seinem Krimidebüt umgehauen, alles, aber auch wirklich alles war wie perfekt auf mich und meinen Lesegeschmack zugeschnitten. Angefangen mit August Snow, der als Hauptfigur sicherlich nicht aus der 08/15-Kiste gezogen wurde. Halb Afroamerikaner – halb Mexikaner, aufgewachsen in Mexicantown, einem eher ärmlicheren Stadtteil Detroits, das prägt. August hat zwar ein liebevolles Elternhaus, aber er ist auch ein Kind seines sozialen Umfelds, das merkt man in seiner grundsätzlichen Einstellung, aber auch in vielen Kleinigkeiten. Anhand seines Beispiels thematisiert der Autor viele heiße Eisen wie Rassismus, Korruption und die Annahme, dass Recht und Gerechtigkeit eben doch nicht immer identisch sind. Ich mochte Augusts freche, aber kluge Art von Anfang an. Detroit als Handlungsort ist ebenfalls gut gewählt, der Verfall der Autostadt spiegelt sich in allen Schichten des Romans wieder. Die Handlung entwickelt sich rasant und brutal, Jones‘ Stil ist schnell und trotzdem nicht leichtlebig. Er legt mit „Der gekaufte Tod“ einen wirklich packenden Krimi vor, der mich die Übersetzung der nächsten Snowfälle kaum erwarten lässt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.03.2021

Coins, coins, coins

Montecrypto
0

Gregory „Holly“ Hollister ist ein Kryptowährungsfan der ersten Stunde, seine Bezahlapp Juno legt Millionen um. Logisch, dass sein Vermögen v.a. in digitaler Währung angelegt ist. Blöd nur, dass nach seinem ...

Gregory „Holly“ Hollister ist ein Kryptowährungsfan der ersten Stunde, seine Bezahlapp Juno legt Millionen um. Logisch, dass sein Vermögen v.a. in digitaler Währung angelegt ist. Blöd nur, dass nach seinem plötzlichen Tod niemand drankommt. Seine Schwester beauftragt Ex- Broker Ed Dante mit den Nachforschungen, nicht zuletzt deswegen, weil das genaue Ausmaß des Vermögens gar nicht bekannt ist.
Ich bin ein Nocoiner, hatte also vor der Lektüre quasi kein Wissen über die Materie. Hillenbrand schafft den Spagat, genug zu erklären, sodass man der Handlung folgen kann, ohne eine komplizierte Abhandlung über den Handel mit Coins zu halten. Für mich hätte es durchaus noch mehr Hintergrundinfo sein dürfen, aber auch so bin ich schlauer als zuvor. Dante mochte ich sehr, auch wenn er sicherlich nicht der korrekteste Mensch der Welt ist. Er eckt schon mal an, hängt ein bisschen zu sehr im Cocktailglas (obwohl ich die Rezepte dazu sehr kurzweilig fand), lebt manchmal ein bisschen zu sehr in der Vergangenheit, aber hat auf jeden Fall einen guten Kern. Ich würde mich durchaus freuen, sollte er seine Detektivarbeit noch einmal anderweitig aufleben lassen. Auch der Stil hat mir gut gefallen, etwas flapsig, nicht zu technisch und dabei sehr flüssig zu lesen. Die Handlung ist immer wieder sehr temporeich, Spannung zum Nägelkauen kommt allerdings nicht auf. Vermisst habe ich sie nicht, weil mir die Geschichte auch so gut gefallen hat, allerdings erwartet man unter dem Label „Thriller“ dann doch etwas anderes. Das Ende kam etwas plötzlich, wenn auch nicht ganz unerwartet.
Insgesamt hat mir „Montecrypto“ eine Welt gezeigt, von der ich keine Ahnung hatte und mich dabei mit einer digitalen Schatzsuche sehr gut unterhalten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.03.2021

Coming-of-Age mit Tiefgang

Der Junge, der das Universum verschlang
0

Elis Kindheit und Jugend im Brisbane der `80er ist wirklich nicht einfach. Der Vater hat sich schon vor Jahren abgesetzt, die Mutter und ihr Lebensgefährte versinken in einem gefährlichen Dealermilieu. ...

Elis Kindheit und Jugend im Brisbane der `80er ist wirklich nicht einfach. Der Vater hat sich schon vor Jahren abgesetzt, die Mutter und ihr Lebensgefährte versinken in einem gefährlichen Dealermilieu. Wäre da nicht Elis schweigsamer Bruder Gus und ihr quasi-Kindermädchen Ex-Häftling Slim, auch Eli wäre schnell versumpft. Doch so schlagen sich die zwei Brüder durch, und werden schneller erwachsen als manch anderer.

Eli und Gus‘ Geschichte hat mich wirklich gepackt. Die beiden erfahren viel Schlechtes, wachsen in bestenfalls seltsamen Verhältnissen auf, und doch zeigen sie viel Empathie, Gerechtigkeitssinn und den festen Willen, das Richtige zu tun. Elis Figur steht klar im Vordergrund, nicht zuletzt deswegen, weil sein Bruder beharrlich seit Jahren schweigt. Die Beziehung der beiden ist sehr eng, mit kleinsten Gesten können sie sich verständigen, und doch hat Gus als der Ältere seine Geheimnisse. Der Alltag hat für die beiden einige Fallstricke bereit, immer wieder gibt es Rückschläge, wenn es für die Brüder gerade einen Hauch von besser zu laufen scheint. Wie sie, v.a. Eli danach immer noch weitermachen können, mit Witz und Verstand, fand ich sehr beeindruckend. Slim, der ja nun wahrlich kein Paradebeispiel ist, kann Eli trotzdem mit seinen subtilen Ratschlägen und der Tatsache, dass er einfach für ihn da ist, aus so mancher Klemme helfen. Ich mochte Slim sehr, und fand ihn für die Handlung sehr bereichernd. Der Roman wird von Figuren dominiert, die nicht aus der 08/15-Trickkiste stammen, was die Geschichte erst recht interessant macht. Auch der Stil ist nicht von der Stange, wer geradlinige Erzählungen mag, wird sich hier sicherlich schwer tun. Ich mochte die Ausschweifungen sehr, und war auch vom Erzählstil an die Seiten gefesselt. Dalton hat in diesem Roman seine eigene Kindheit und Jugend verarbeitet, was diesen Roman noch wertvoller und interessanter machte. Ich mochte ihn sehr.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere