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Veröffentlicht am 18.03.2020

Der etwas andere Priester

Priest of Bones
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Tomas ist zwar Priester, aber deswegen noch lange kein Chorknabe. Er hat im Krieg gekämpft, und versucht nun nach seiner Heimkehr seinen Besitz wiederzubekommen. Gemeinsam mit seinem Bruder und den anderen ...

Tomas ist zwar Priester, aber deswegen noch lange kein Chorknabe. Er hat im Krieg gekämpft, und versucht nun nach seiner Heimkehr seinen Besitz wiederzubekommen. Gemeinsam mit seinem Bruder und den anderen Pietyboys stellt er sich den übrigen Banden der Stadt im Kampf um Gasthäuser, Bordelle und Wettstuben.
„Priest of bones“ ist der erste Band einer Fantasyserie, die düster und rau daherkommt, aber trotzdem großen Spaß macht. Die Sprache ist oft deftig, das muss man schon abkönnen; ich fand es aber sehr passend. Die Beteiligten führen ein raues Leben und sind wirklich nicht zimperlich, da muss die Sprache auch entsprechend sein. Auch sonst fand ich den Erzählstil wirklich gut, Mclean hat mit Tomas einen tollen Erzähler gefunden. Den mochte ich sehr schnell, er ist gewitzt, durchsetzungsfähig, manchmal auch hart, hat aber im Kern ein gutes Herz; einen gesunden Humor hat er obendrein. Auch seine Mitstreiter, sei es Bloody Anne oder Ailsa sind gut ausgearbeitet und geben der Geschichte Ecken und Kanten. Prinzipiell fand ich die Handlung wirklich gut, Tomas hat mich schnell für sich eingenommen, und ich habe seine Abenteuer gespannt verfolgt. Leider trat die Handlung zwischenzeitlich doch etwas auf der Stelle, was der Begeisterung einen kleinen Dämpfer verpasst hat. Zudem war in diesem Fantasyroman bisher nur wenig Magie zu finden, da hatte ich eigentlich mit mehr gerechnet. Trotzdem gefallen mir die Pietyboys sehr, sodass ich nächsten Band bestimmt lesen werde.

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Veröffentlicht am 11.03.2020

Jessup

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass
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Der Teenager Jessup führt ein geradezu vorbildliches Leben: in der Schule ist er mit der Beste, er spielt erfolgreich Football, unterstützt seine Mutter bei der Erziehung seiner kleinen Schwester, ist ...

Der Teenager Jessup führt ein geradezu vorbildliches Leben: in der Schule ist er mit der Beste, er spielt erfolgreich Football, unterstützt seine Mutter bei der Erziehung seiner kleinen Schwester, ist immer höflich, zuvorkommend und handelt immer überlegt. Doch trotzdem steht er unter Beobachtung, denn sein Stiefvater und sein älterer Bruder sitzen wegen Mordes an zwei Afroamerikanern im Gefängnis; beide sind Mitglied der Heiligen Kirche des Weißen Amerikas, in der nicht nur das Evangelium, sondern v.a. auch der Rassismus gepredigt wird. Jessup will damit nichts zu tun haben, wird aber trotzdem immer wieder in den Strudel des Hasses hineingezogen.

Zentner wurde durch einen rassistisch motivierten Anschlag auf sein Elternhaus zu diesem Roman inspiriert, man merkt dem Buch durchaus an, dass etwas Persönliches dahintersteckt. Trotzdem wirkt das Geschehen immer wieder sehr distanziert, ich musste mich erst ein wenig einlesen. Seitenweises Nacherzählen eines Footballspiels hat den Einstieg zusätzlich erschwert. Der Erzählstil per se ist relativ leicht, der Autor verwendet einfache Sätze, sodass sicherlich auch jüngere Leser angesprochen werden. Das fand ich sehr gut, handelt es sich doch um ein wichtiges Thema, das hier von allen Seiten beleuchtet wird. Zentner zeigt hier, dass es viele Facetten gibt, und gerade diese Punkte regen zum Nachdenken an. Jessups Stiefvater ist ein Vorzeigevater, würde er nicht seine rassistische Gesinnung pflegen. Auf der anderen Seite tauchen mehrere Afroamerikaner auf, die sich mitnichten vorbildlich verhalten. Idioten gibt es eben bei jeglicher Herkunft bzw. Gesinnung, und gerade das führt der Autor sehr gekonnt vor. Auch mit vielen Vorurteilen räumt Zentner auf, führt an Jessup vor, wie schwer man es hat, wenn man einmal in einer Schublade feststeckt. Überhaupt kann der einem nur leidtun, denn er kämpft auf verlorenem Posten, ist aber trotzdem nicht bereit aufzugeben. Das Buch macht trotzdem auch Hoffnung, immer wieder taucht der sprichwörtliche Streifen am Horizont auf. Mit dem Schluss der Geschichte war ich dann nicht ganz so zufrieden, wirkte vorher alles sehr realistisch, ging da dann wohl doch die schriftstellerische Fantasie etwas durch. Trotzdem habe ich den Roman ganz gerne gelesen, und will ihn gerade jüngeren Lesern ans Herz legen.

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Veröffentlicht am 01.03.2020

Pauls Rückkehr

Der rote Judas
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„Ja, er war wieder Polizist, es stimmte wirklich. Er war tatsächlich zurück in der Wächterburg.“
Paul ist im Großen Krieg in Gefangenschaft geraten, und kommt erst im Jahr 1920 zurück in die Leipziger ...

„Ja, er war wieder Polizist, es stimmte wirklich. Er war tatsächlich zurück in der Wächterburg.“
Paul ist im Großen Krieg in Gefangenschaft geraten, und kommt erst im Jahr 1920 zurück in die Leipziger Heimat. Zum Glück kann er zurück in seinen alten Beruf, in der Wächterburg sind gute Ermittler Mangelware. Noch während Paul mit seiner Kriegsneurose, aber auch mit der Rückkehr in den Alltag kämpft, geschieht ein bestialischer Mord. Paul wird direkt gefordert. Über seine Grenzen hinaus?
„Der rote Judas“ ist ein spannender Krimi vor historischem Hintergrund, gleichzeitig aber auch eine Gesellschaftsstudie über die 20er Jahre. Paul Stainer ist ein sympathischer Kerl, der aber auch sein Päckchen zu tragen hat. Das belastet seine Arbeit, trotzdem hat er sein kriminalistisches Feingespür nicht verloren. Ich mochte ihn sehr gerne, und hoffe, dass es bald noch weitere Geschichten über ihn gibt. Man wandert an seiner Seite durch Leipzigs Straßen, alles wird genau beschrieben und man merkt die Recherchearbeit, die in diesem Krimi steckt. Auch der Zeitgeist wird gut wiedergegeben. Die Schrecken des Krieges stecken noch vielen in den Knochen, der „Schandfriede“ von Versailles sorgt für Unmut und schon jetzt sind einige Stimmen zu hören, die dem Aufstieg der Nationalsozialisten den Weg ebnen. Alles wirkt sehr echt und authentisch, was für mich bei historischen Romanen sehr wichtig ist. Die Handlung entwickelt sich langsam, trotzdem baut sich große Spannung auf. Keine ganz leichte Gratwanderung, doch der Autor meistert sie gefühlt spielend. Anfangs wirkt der Fall recht unübersichtlich, doch wird alles zu einem logischen Ende zusammengeführt, sodass keine großen Fragen offen bleiben. Der Erzählstil ist sicherlich nicht jedermanns Sache, doch ich fand ihn passend gewählt. Nicht zu leicht, schließlich geht es um Mord, Totschlag und eine beklemmende Grundstimmung in der Bevölkerung, aber trotzdem ansprechend zu lesen. Ein rundum gelungener Krimi, der Lust auf Pauls nächste Fälle macht.

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Veröffentlicht am 25.02.2020

Monolog einer alten Dame

Rote Kreuze
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In Alexanders neuer Wohnung gibt es noch nicht einmal Möbel, da wird er schon von seiner 90jährigen Nachbarin zugequatscht. Tatjana leidet an Demenz und will noch schnell ihre Lebensgeschichte erzählen; ...

In Alexanders neuer Wohnung gibt es noch nicht einmal Möbel, da wird er schon von seiner 90jährigen Nachbarin zugequatscht. Tatjana leidet an Demenz und will noch schnell ihre Lebensgeschichte erzählen; bevor sie die vergisst. Sascha ist zunächst genervt, doch bald hat er die alte Dame ins Herz geschlossen.
Filipenkos Roman liest sich wie ein kurzer Abriss der jüngeren russischen Geschichte. Trotz der geschilderten Gräuel und Ungerechtigkeiten liest sich der Roman ganz angenehm, vielleicht auch, weil Tatjana alles mit dem Abstand der Jahrzehnte berichtet. Sie hat viel erlebt, und noch viel mehr erleiden müssen. Ihr Schicksal zeigt die ganze Idiotie des Systems und steht beispielhaft für viele. Trotzdem werden viele Aspekte bloß angerissen, da hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht. Alexander dagegen ist ein sehr blasser Zuhörer, sein „Schicksal“ wirkt extrem unrealistisch und effektheischend. Ich hätte mir den Roman sehr viel besser als z.B. Tagebuch von Tatjana vorstellen können, Sascha gnadenlos rausgekürzt. Die Rahmenhandlung empfand ich als unnötig. Der Erzählstil gefiel mir nicht immer, einerseits lässt sich das Buch gut lesen, andererseits fehlten mir Emotionen, gerade die Willkür des Systems hätten Wut, Ohnmacht… irgendetwas auslösen sollen. Die eingestreuten Dokumente wirken (sind?) sehr authentisch, z.T. aber in epischer Breite vorhanden. Briefwechsel werden zu sehr ausgewalzt und bremsen die Geschichte aus, auch wenn sie natürlich zeigen sollen wie zermürbend Tatjanas Arbeit oft war. Das ändert nichts daran, dass so die Handlung zusätzlich an Schwung verliert.
Ich fand den Roman nicht ganz schlecht, hätte mir aber die Aufarbeitung dieses sensiblen Themas doch anders vorstellen können.

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Veröffentlicht am 23.02.2020

Josef

Der Empfänger
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Josef Klein ist vor Jahren in New York gelandet, hielt sich eigentlich immer für einen unpolitischen Menschen. Doch mit einem erstarkenden Hitler an Deutschlands Spitze, kann kein Deutscher mehr unpolitisch ...

Josef Klein ist vor Jahren in New York gelandet, hielt sich eigentlich immer für einen unpolitischen Menschen. Doch mit einem erstarkenden Hitler an Deutschlands Spitze, kann kein Deutscher mehr unpolitisch sein. Josefs Hobby, das Amateurfunken, führt dann auch dazu, dass er sich schnell auf der Seite der Nazis wiederfindet, die in den USA Spionage betreiben. Ungewollt wird er immer tiefer in ihre Kreise gezogen.

Lenze setzt den Schwerpunkt ihres Romans auf die Spionage der Nazis im Ausland. Das Netzwerk ist großflächig, nicht sonderlich gut versteckt und funktioniert ausgezeichnet. Auch wegen Personen wie Josef Klein, die zwar politisch nicht hinter der Ideologie stehen, aber gleichzeitig auch nicht so recht aufbegehren oder Annäherungsversuche abwehren. Überhaupt wirkt Klein in seinem ganzen Tun sehr passiv, eigene Meinung hat er anscheinend auch keine. Seine Figur ist durch und durch blass, sei es in seiner New Yorker Zeit, sei es in den Erzählsträngen zu späterer Zeit. Dabei ist sein Leben sehr spannend, die Verwicklungen mit FBI und der deutschen Abwehr unter Canaris hätten einen packenden Roman erzeugen können. Aber alles bleibt distanziert, emotionslos und eher nüchtern. Selbst ein Sachbuch über dasselbe Thema hätte sich wahrscheinlich interessanter gelesen, denn die Autorin lässt zwar viele historische Aspekte einfließen, reißt aber alles zu kurz an um ausgiebige Hintergründe zu liefern. Mir was das alles zu wenig; zu wenig Fiktion für einen schönen histor. Roman, zu wenig Hintergrundinfo für einen Erkenntnisgewinn, zu wenig Spannung für einen Krimi mit histor. Setting. „Der Empfänger“ ist nicht Fisch, nicht Fleisch, überzeugt zwar mit seinem Erzählstil, aber aus der Lebensgeschichte von Josef Klein hätte man sicherlich mehr machen können.

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