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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.05.2018

Nette Geschichte mit ernstem Hintergrund

Liebe und der erste Blick
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Will ist von Geburt an blind und hat sein bisheriges Leben v.a. in einem Internat für Blinde verbracht. Jetzt will er endlich ein „normales“ Leben führen und geht auf eine öffentliche Schule. Doch direkt ...

Will ist von Geburt an blind und hat sein bisheriges Leben v.a. in einem Internat für Blinde verbracht. Jetzt will er endlich ein „normales“ Leben führen und geht auf eine öffentliche Schule. Doch direkt an Tag eins tappt er unbeabsichtigt in ein Fettnäpfchen und beschämt seine Mitschülerin Cecily. Trotz allem werden die beiden dicke Freunde. Als Will jedoch die Chance erhält, sein Augenlicht durch eine experimentelle OP zu erlangen, ändert sich plötzlich alles.

Ich bin eigentlich kein großer Jugendbuchleser und nur zufällig an dieses Buch geraten. Umso erstaunter war ich dann, dass mir die Geschichte recht gut gefallen hat. Eine kurzweilige Geschichte über einen sehr sympathischen Teenie, der als humorvoller Ich-Erzähler fungiert. Will mochte ich wirklich gerne, aber auch seine Freunde und speziell Cecily haben mir gut gefallen. Der Autor vermittelt auf sehr lockere Art erstaunlich viel Wissen zum Thema Sehen, Alltag als Blinder, operative Möglichkeiten etc. Die Handlung selbst ist etwas einfach gestrickt, hat aber trotzdem einige Highlights. Gerade Cecilys Art mit Will Behinderung umzugehen, hat mir sehr imponiert. Sie versucht ihm Kunst und Fotografie nahe zu bringen, erklärt ihm vieles auf derart einfache aber geniale Art, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass das für einen Sehbehinderten hilfreich ist. Manches ist sicherlich vereinfacht oder auch nicht ganz realistisch (warum ist Cecily beispielsweise der erste Mensch in 16 Jahren, der Will all das erklärt?), aber das war relativ gut zu verschmerzen. Der „dramatische“ Höhepunkt war mir etwas zu überzogen, passt aber für das Genre ganz gut. Insgesamt eine nette Geschichte, die unerwartet viel Tiefgang hat und mich gut unterhalten hat.

Veröffentlicht am 25.03.2018

Tolle Fortsetzung

Scythe – Der Zorn der Gerechten
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Nach dem letzten Konklave ist nichts mehr wie es mal war. Citra wird zu Scythe Anastasia und entwickelt gemeinsam mit ihrer Mentorin Marie ihren ganz eigenen Stil mit dem Nachlesen von Menschen umzugehen. ...

Nach dem letzten Konklave ist nichts mehr wie es mal war. Citra wird zu Scythe Anastasia und entwickelt gemeinsam mit ihrer Mentorin Marie ihren ganz eigenen Stil mit dem Nachlesen von Menschen umzugehen. Doch auch Rowan, einst ebenfalls Scythelehrling, geht weiterhin dem Nachlesen nach: als dunkler Rächer, als Wächter über fehlgeleitete Scythe. Denn innerhalb des Scythetum klafft eine große Lücke zwischen denen, die sich an althergebrachte Regeln und Gesetze halten und jenen, die diese Regeln beugen bis sie brechen.

Der erste Teil der Reihe hatte mir schon sehr gut gefallen und Teil zwei macht seinem Vorgänger alle Ehre. Ebenfalls wieder sehr ansprechend und flüssig erzählt, liest sich die Geschichte nicht nur sehr schnell sondern auch sehr spannend. Der Konflikt zwischen Alt und Neu führt zu einigen unvorhersehbaren Wendungen, die noch mehr an die Seiten fesseln. Auch das Konzept der zukünftigen Welt wird weiter ausgebaut und erleuchtet. Die Einblicke in das „Gehirn“ des Thunderheads, der leitenden künstlichen Intelligenz dieser Welt, waren aufschlussreich und haben zum Nachdenken angeregt. Ist in solch einer perfekten Welt wirklich alles perfekt? Und ist der Mensch überhaupt fähig, sich auf so eine Perfektion einzulassen? Mir haben die „Gedanken“ des Thunderhead auf jeden Fall sehr gut gefallen, sie geben zudem einen schönen Kontrast zu der rein menschlichen Handlung ab. Viele der Protagonisten kennt man aus Band 1, neue Figuren fügen sich hervorragend ins Gesamtkonzept ein und bringen frischen Wind in die Handlung. Das Ende habe ich leider als etwas trashig empfunden, da hätte der Autor sicherlich Besseres gekonnt. Doch das hat mir keinesfalls die vorherigen schönen Lesestunden madig gemacht und schickt mich auf jeden Fall mit einigen Fragenzeichen im Kopf in die Warteschleife zum dritten und letzten Band. Eine schöne Fortsetzung!

Veröffentlicht am 16.03.2018

Bewegend

Der Zopf
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In Indien kämpft die Unberührbare Smita dafür, dass ihre Tochter einmal ein besseres Leben führen kann. In Italien kämpft Giulia für das Überleben ihrer traditionsreichen Perückenfabrik. Und in Montreal ...

In Indien kämpft die Unberührbare Smita dafür, dass ihre Tochter einmal ein besseres Leben führen kann. In Italien kämpft Giulia für das Überleben ihrer traditionsreichen Perückenfabrik. Und in Montreal kämpft Sarah eigentlich vor Gericht für Gerechtigkeit; auf einmal jedoch um ihr Leben.

Laetitia Colombani ist für ihr Debüt bereits international gelobt worden und auch ich habe ihren Roman sehr gemocht. Sie flicht die drei Frauenschicksale sehr schön zu einer wunderbaren Geschichte, die einen berührt. Die Handlungsstränge um Smita und Sarah haben mir mehr zugesagt als der in Italien, sinnbildlich ist er aber ja auch das Bindeglied zwischen den anderen beiden und muss vielleicht einfach nicht so gehaltvoll sein. Die drei Frauen sind alle auf ihre Weise sehr stark, da immer jeweils aus ihrer Perspektive erzählt wird, kann man ihre Gedanken sehr gut nachvollziehen. Allen gemein ist auch der weitgehend einsame Kampf gegen widrige Umstände, die sich aus dem sozialen Gefüge ihrer jeweiligen Umgebung ergeben. Selbst im aufgeklärten Kanada zeigt Sarahs Schicksal, dass man auch als erfolgreiche und starke Frau schnell aufs Abstellgleis geschoben werden kann; und man sich dann am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen muss. Auf jeden Fall bietet „Der Zopf“ viel Stoff zum Nachdenken über die Stellung der Frauen in aller Welt. Ab und an schießt die Autorin etwas übers Ziel hinaus und lässt sich auf Klischees ein, doch dann besinnt sie sich wieder und man verzeiht den Ausrutscher schnell.
Colombani erzählt sehr mitfühlend und trotz des oft traurigen Stoffes wirkt ihre Geschichte nicht zu melodramatisch oder süßlich. Der mitunter poetische Ton hat es mir sehr angetan, sodass ich die kleinen Schwächen in der Handlung dann auch verschmerzen konnte und den Roman sehr genossen habe. Ein schönes Debüt, das Lust auf weitere Werke aus der Autorenfeder macht.

Veröffentlicht am 25.02.2018

Große Schriftsteller auf kriminalistischer Mission - lesenswert

Die Affäre Carambol (Goethe und Schiller ermitteln)
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Mysteriöses geschieht im Frankfurt von 1801: zwei Stadträte werden ermordet (?) aufgefunden, Depeschenreiter werden ausgeschickt (allerdings nicht von offizieller Stelle) und immer wieder hat man die drohende ...

Mysteriöses geschieht im Frankfurt von 1801: zwei Stadträte werden ermordet (?) aufgefunden, Depeschenreiter werden ausgeschickt (allerdings nicht von offizieller Stelle) und immer wieder hat man die drohende Besatzung durch Napoleon im Nacken. Eigentlich sind Goethe und Schiller nur zu einem Anstandsbesuch angereist, doch plötzlich finden sie sich mitten im Geschehen wieder.

Schon in „Durch Nacht und Wind“ hat das Ermittlerduo Goethe/Schiller gezeigt, dass sie weit mehr können als am heimischen Schreibtisch große Literatur hervorbringen. Ich kenne Band 1 nicht, man kann aber ohne Probleme mit der Carambolaffäre in die Reihe einsteigen. Die beiden Ermittler ähneln dem bewährten Holmes/Watson-Team: Goethe ist brillant, etwas unnahbar und geheimnisvoll. Schiller der brave Chronist der beiden, verheiratet und – naja nicht ganz so überschlau wie sein Kumpan. Als Team haben mir die beiden trotzdem gut gefallen. Ich hatte mir etwas mehr Verbindung zu ihrem historischen Vorbild erwartet, zwar wird immer wieder auf das literarische Werk der beiden angespielt, so ganz abgenommen habe ich es dem Autor dann doch wieder nicht. Nichtsdestotrotz ein schönes Duo, das gut durch die Geschichte führt. Die entwickelt sich zu einem ganz netten Krimi, der zwar nicht hochkarätig nervenaufreibend, aber durchgehend ganz spannend ist. Den historischen Kontext der Bedrohung durch Napoleon fand ich sehr ansprechend, Lehnberg hat da eine hübsche fiktive Story drumrum gebastelt. Erzählt ist das Ganze aus Schillers Sicht, er schreibt standesgemäß etwas altertümlich, was aber beim Lesen keinesfalls stört, sondern den Leser eher in die richtige Stimmung versetzt. Insgesamt liest sich die Geschichte sehr flüssig.
Mir hat „Die Affäre Carambol“ ganz gut gefallen und ich bin gespannt welche Fälle die beiden in Zukunft noch lösen werden.

Veröffentlicht am 11.02.2018

So mag selbst ich Coming-of-Age-Romane

Nackt über Berlin
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Der Teenie Jannik hat es nicht leicht im Leben. Mit einer moppeligen Statur gesegnet, wegen seiner Leidenschaft für klassische Musik belächelt, wird ihm dann auch noch klar, dass er für seinen besten Freund ...

Der Teenie Jannik hat es nicht leicht im Leben. Mit einer moppeligen Statur gesegnet, wegen seiner Leidenschaft für klassische Musik belächelt, wird ihm dann auch noch klar, dass er für seinen besten Freund Tai mehr als freundschaftliche Gefühle hegt. Doch diese Probleme rücken in den Hintergrund, als den beiden der Schulrektor – sagen wir mal in die Hände fällt. In seiner eigenen Wohnung gefangen, beginnt für ihn eine harte Zeit unter der Fuchtel der eigenen Schüler.

Axel Ranisch hat mich mit seinem Roman unglaublich gut unterhalten. Witzig, skurril, ein bisschen verrückt. Gefühlvoll, einfühlsam und unter die Haut gehend. Mir haben seine Figuren sehr gut gefallen, alle sind sehr menschlich geworden. Jannik als hauptsächlichem Erzähler kommt man natürlich am nächsten, man kann seine Gefühle und Probleme immer sehr gut nachvollziehen. Seine Liebe zur Musik wird wunderbar in die Handlung eingebettet und legt einen schönen Rahmen um das große Ganze. Tai ist etwas unnahbar, im Laufe der Geschichte wird auch klar warum. Auf der anderen Seite erfährt man auch immer wieder hautnah vom Rektor Lamprecht, bei dem nach und nach auch hinter die Fassade blicken darf. Die Figuren werden sehr schön entwickelt, sodass nicht nur der eigentliche Entführungsfall die Handlung bestimmt, sondern auch das eigene Fortkommen. Der Erzählstil hat mich ebenfalls sehr angesprochen, recht locker, aber mit dem richtigen Ernst sofern nötig. Unterm Strich war „Nackt über Berlin“ ein unterhaltsamer Roman mit Tiefgang, überraschenden Entwicklungen und viel Spaß. Ich habe ihn gerne gelesen.