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Veröffentlicht am 16.04.2018

Früher war alles besser?

So enden wir
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In ihren 20ern waren sie ein gutes Team, beste Freunde, haben gemeinsam viel erlebt. Aurora, Antero, Emiliano und Duke. Dann sind sie erwachsen geworden und haben sich jahrelang aus den Augen verloren. ...

In ihren 20ern waren sie ein gutes Team, beste Freunde, haben gemeinsam viel erlebt. Aurora, Antero, Emiliano und Duke. Dann sind sie erwachsen geworden und haben sich jahrelang aus den Augen verloren. Bis Duke eines Abends beim Joggen erschossen wird und sich die verbliebenen Drei an seinem Grab wiederfinden. Man kommt ins Gespräch. Und ins Grübeln über die „gute, alte Zeit“.

Daniel Galeras Roman hat mich auf eine seltsame Art und Weise fasziniert. Einerseits mochte ich den Erzählstil des Autors, andererseits hat er auch oft eine sehr harte und z.T. bewusst abstoßende Art Dinge auszudrücken, was einen beim Lesen immer kurz innehalten lässt. Die Grundstimmung des Romans ist drückend und auch etwas traurig, weniger Dukes Tod geschuldet, sondern der Tatsache, dass die drei Freunde etwas unglücklich und auch einsam durchs Leben zu irren scheinen. Trotzdem fallen sie nicht gänzlich aus dem Rahmen, ich denke schon, dass sie in vielerlei Hinsicht Kinder ihrer Zeit sind. Der Autor nimmt sie als Beispiel um viele aktuelle Themen aufzugreifen; man hat 600 Freunde bei Facebook, aber keine echten zum Reden; das Internet vergisst nichts; als Frau hat man es in der akademischen Laufbahn nicht leicht, etc. Dass der Roman in Brasilien spielt, geht oft unter, nur ab und an kommt der Autor auf spezifische gesellschaftliche Gegebenheiten zu sprechen. Insgesamt ging er mir nicht tief genug, spricht zwar viele Themen an, streift sie dabei aber nur.
Die drei Protagonisten wechseln sich kapitelweise ab, sodass man jeden so nach und nach kennenlernen kann. Man erfährt viel über ihre Wünsche und Träume, merkt aber schnell, dass vieles davon gescheitert ist. Ich konnte alle drei nicht sonderlich gut leiden (muss man vielleicht auch gar nicht), fand ihre Geschichte aber trotzdem interessant und wollte auch wissen, ob es für sie ein Fünkchen Hoffnung am Horizont gibt.
„So enden wir“ ist ein Roman, der anders ist. Ein Roman, der durchaus Stoff zum Nachdenken liefert. Aber auch ein Roman, der sich für meinen Geschmack ruhig noch etwas mehr hätte trauen dürfen.

Veröffentlicht am 09.04.2018

Purer Lesegenuss

Die letzte Reise der Meerjungfrau
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„Sie denken an uns, selbst wenn wir weit weg sind. Sie bilden sich ein, uns zu sehen. Sie erzählen sich Geschichten über uns“.
Geschichten hat Jonah Hancock natürlich schon über Meerjungfrauen gehört. ...

„Sie denken an uns, selbst wenn wir weit weg sind. Sie bilden sich ein, uns zu sehen. Sie erzählen sich Geschichten über uns“.
Geschichten hat Jonah Hancock natürlich schon über Meerjungfrauen gehört. Umso größer die Überraschung, dass sein Handelsschiff mit einer echten Meerjungfrau von der großen Fahrt zurückkehrt. Während er noch darüber nachsinnt, wie er den Verlust der teuren Anschaffung auch nur ansatzweise bereinigen kann, steht auch die junge Angelica Neal vor Geldsorgen. Bisher hat sie ihr Leben als Liebchen eines reichen Mannes bestritten, nur hat der leider unlängst ins Gras gebissen.

Was habe ich diesen Roman genossen! Die junge Autorin hat mit ihrem Debut mein Leserherz gewonnen und das liegt nicht nur an der außergewöhnlichen Geschichte, sondern auch an ihrem Erzählstil. Das 18te Jahrhundert wird in kräftigsten Farben gemalt, die Beschreibungen geben ein dreidimensionales Bild ab und ich habe mich sehr schnell in Hancocks Büro heimisch gefühlt, in Angelicas Wohnung vom Obst genascht oder in Mrs. Chappells Bordell die Dekadenz bestaunt. Die Autorin lässt sich Zeit eine stabile Atmosphäre aufzubauen, so dass sich die Geschichte langsam und natürlich entwickeln kann. Ich brauche keine actionlastige Story, wer da einen anderen Geschmack hat, dem wird die letzte Reise der Meerjungfrau nicht stürmisch genug sein; für mich war das Tempo perfekt. Sehr gut gefallen haben mir auch die Charaktere, die bei weitem keine 08/15-Pappkameraden waren. Der Fokus liegt mal auf Jonah, mal auf Angelica, was Einblicke in zwei völlig unterschiedliche Lebensweisen jener Zeit bringt. Die beiden sind grundverschieden und gerade diese Gegensätze machen den Reiz aus (was Jonah manchmal an Energie fehlt, hat Angelica wiederum im Überfluss). Gemocht habe ich beide, auch wenn so jeder seine Fehlerchen hat. Aber nicht nur die Hauptfiguren, sondern auch kleine Nebendarsteller (ich liebe Hancocks Nichte Sukie) haben sich sehr gut ins Gesamtbild eingefügt, sodass die Geschichte sehr rund geworden ist. Die Meerjungfrau bleibt ein mysteriöses Kuriosum, und als Leser wird die eigene Fantasie immer wieder mit einem durchgehen. Obwohl oft in Geschichten thematisiert, hat die Autorin diesen Wesen doch noch ein neues Gesicht verpassen können. Die Handlung entwickelt sich unvorhersehbar, ist manchmal spannend, oft auf feine Art und Weise witzig und schlägt doch auch ernste Töne an. Rundum gelungen also.
Mir hat dieser Roman ausnehmend gut gefallen und ich bin sehr froh, dass die Autorin bei ihrer Tätigkeit im Britischen Museum über eine „echte“ Meerjungfrau gestolpert ist und so zu diesem Roman inspiriert wurde. Was hätten wir ansonsten für eine gute Story verpasst ; )

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.04.2018

Kleine Feuer überall

Kleine Feuer überall
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In Shaker Heights ist die Welt in Ordnung. In der ersten vollends geplanten Stadt sind nicht nur die Straßen wie sauber mit dem Lineal gezogen, sondern es herrscht überall Idylle, Freundlichkeit und Glück. ...

In Shaker Heights ist die Welt in Ordnung. In der ersten vollends geplanten Stadt sind nicht nur die Straßen wie sauber mit dem Lineal gezogen, sondern es herrscht überall Idylle, Freundlichkeit und Glück. Die Familien sind stabil, die Kinder allesamt schlau und ohne größere Probleme. So scheint es zumindest. Als die Familie Richardson ihr Heim abgebrannt vorfindet, löst sich schnell der glänzende Lack, der die Probleme bisher kaschiert hat.

Schon in „Was ich euch nicht erzählte“ hatte mich die Autorin mit ihrer Erzählkunst eingefangen, sodass ich mit entsprechend hohen Erwartungen ans neue Buch gegangen bin. Enttäuscht wurde ich nicht, wieder einmal hat mich Celeste Ng mit ihrem feinen, leisen Stil in ihren Bann gezogen. Sie versetzt den Leser in die idyllische Kleinstadt, die Dynamik der Gemeinde wird hervorragend aufgegriffen und schnell kann man sich als Leser in die verschiedenen Figuren einfühlen. Dass hier nicht alles Gold ist was glänzt, das hat man als Leser schnell begriffen, die Enthüllungen sind trotzdem bisweilen überraschend. Gerade das langsame Entwickeln der Handlung, gepaart mit intensiven Gefühlen und einer zunehmend Beklemmung, machten für mich den Reiz der Geschichte aus. Ng zeichnet ihre Figuren sehr menschlich, jeder wird sich in irgendeinem Protagonisten wiederfinden können. Man kann ihre Gedanken und Handlungen immer gut nachvollziehen, verstehen muss man ja nicht jeden. Die Autorin greift eine Vielzahl an gesellschaftlichen Themen auf, von Rassismus über kulturelle Unterschiede bis hin zu der Frage was eine gute Mutter/Familie ausmacht. Es werden oft beide Seiten beleuchtet, immer wird der Leser jedoch zum Nachdenken angeregt. An mancher Stelle hätte ich mir die Handlung etwas extremer gewünscht, dass die Protagonisten noch mehr wagen, noch mehr ihr wahres Ich zeigen. Doch unterm Strich hat mich „Kleine Feuer überall“ sehr angesprochen und ich habe es sehr gerne gelesen.

Veröffentlicht am 25.03.2018

Tolle Fortsetzung

Scythe – Der Zorn der Gerechten
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Nach dem letzten Konklave ist nichts mehr wie es mal war. Citra wird zu Scythe Anastasia und entwickelt gemeinsam mit ihrer Mentorin Marie ihren ganz eigenen Stil mit dem Nachlesen von Menschen umzugehen. ...

Nach dem letzten Konklave ist nichts mehr wie es mal war. Citra wird zu Scythe Anastasia und entwickelt gemeinsam mit ihrer Mentorin Marie ihren ganz eigenen Stil mit dem Nachlesen von Menschen umzugehen. Doch auch Rowan, einst ebenfalls Scythelehrling, geht weiterhin dem Nachlesen nach: als dunkler Rächer, als Wächter über fehlgeleitete Scythe. Denn innerhalb des Scythetum klafft eine große Lücke zwischen denen, die sich an althergebrachte Regeln und Gesetze halten und jenen, die diese Regeln beugen bis sie brechen.

Der erste Teil der Reihe hatte mir schon sehr gut gefallen und Teil zwei macht seinem Vorgänger alle Ehre. Ebenfalls wieder sehr ansprechend und flüssig erzählt, liest sich die Geschichte nicht nur sehr schnell sondern auch sehr spannend. Der Konflikt zwischen Alt und Neu führt zu einigen unvorhersehbaren Wendungen, die noch mehr an die Seiten fesseln. Auch das Konzept der zukünftigen Welt wird weiter ausgebaut und erleuchtet. Die Einblicke in das „Gehirn“ des Thunderheads, der leitenden künstlichen Intelligenz dieser Welt, waren aufschlussreich und haben zum Nachdenken angeregt. Ist in solch einer perfekten Welt wirklich alles perfekt? Und ist der Mensch überhaupt fähig, sich auf so eine Perfektion einzulassen? Mir haben die „Gedanken“ des Thunderhead auf jeden Fall sehr gut gefallen, sie geben zudem einen schönen Kontrast zu der rein menschlichen Handlung ab. Viele der Protagonisten kennt man aus Band 1, neue Figuren fügen sich hervorragend ins Gesamtkonzept ein und bringen frischen Wind in die Handlung. Das Ende habe ich leider als etwas trashig empfunden, da hätte der Autor sicherlich Besseres gekonnt. Doch das hat mir keinesfalls die vorherigen schönen Lesestunden madig gemacht und schickt mich auf jeden Fall mit einigen Fragenzeichen im Kopf in die Warteschleife zum dritten und letzten Band. Eine schöne Fortsetzung!

Veröffentlicht am 16.03.2018

Skandinavisches Viertel

Skandinavisches Viertel
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Einst ist Matthias Weber als Teenie durch die Straßen des Skandinavischen Viertels gestreift, diesem kleinen Ostberliner Viertel in Sichtnähe der Mauer. Auch als Erwachsener fühlt er sich dem Viertel verbunden, ...

Einst ist Matthias Weber als Teenie durch die Straßen des Skandinavischen Viertels gestreift, diesem kleinen Ostberliner Viertel in Sichtnähe der Mauer. Auch als Erwachsener fühlt er sich dem Viertel verbunden, arbeitet dort als Makler, wohnt in der Wohnung, die einst den Großeltern gehörte. Viel hat sich dort geändert, genau wie in Matthias‘ Familie.

Torsten Schulz springt in seinem Roman immer wieder zwischen Heute und den 70er Jahren hin und her. Trotzdem ergibt sich so ein flüssiges großes Ganzes, erst durch die Vergangenheit kann man das Heute der Weberfamilie und mit ihr Matthias verstehen. Bei den Webers gibt es viel Ungesagtes, Totschweigen scheint für die meisten Familienmitglieder immer die bevorzugte Verhaltensweise zu sein. Die Beziehungen untereinander kann man als Leser erst mit der Zeit durchschauen. Durch diese langsame Entfaltung entsteht auch eine Art Spannung, manchmal hätte ich mir jedoch etwas mehr Tempo gewünscht. Man kann gut nachvollziehen, warum Matthias heute so ist wie er eben ist, nach außen hin wirkt er sehr erfolgreich, nach einiger Zeit schleicht sich bei mir aber doch der Verdacht ein, dass er a) kein glücklicher Mensch ist und b) auch kein sehr erfolgreicher. Ich stand ihm die ganze Zeit sehr neutral gegenüber, wirklich nahe konnte ich dieser Hauptfigur nicht kommen. Leider versäumt es der Autor ein wenig, einem das von Matthias heißgeliebte Viertel etwas näher zu bringen, abgesehen von vielen Straßennamen hat sich bei mir kein Berlin-feeling eingestellt, weder fürs Skandinavische noch für sonst ein Viertel. Der Ton ist der Handlung angepasst, irgendwo zwischen verloren und etwas traurig bis hin zu erstaunlich heiterer Stimmung. So richtig hat mich das Buch nicht abgeholt, auch wenn ich einige Passagen sehr gerne gelesen habe.