Profilbild von Fornika

Fornika

Lesejury Star
offline

Fornika ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Fornika über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.02.2018

Courage all the time

Die amerikanische Prinzessin
0

„If one has the will and persistence, one can do things.“
Allene Tew hat ihr Durchsetzungsvermögen nicht von ungefähr, ihre Familie hat sich in guter alter Pioniermanier im amerikanischen Jamestown einen ...

„If one has the will and persistence, one can do things.“
Allene Tew hat ihr Durchsetzungsvermögen nicht von ungefähr, ihre Familie hat sich in guter alter Pioniermanier im amerikanischen Jamestown einen Namen gemacht. Von diesem kleinen Städtchen aus führt ihr Lebensweg nach New York, Paris und Nizza, in die High Society und zu enormem Reichtum. Annejet van der Zijl zeichnet diesen faszinierenden Lebensweg nach.
Eine wirklich beeindruckende Person, diese Allene. Auch wenn die Autorin hier ein nüchternes Sachbuch gewählt hat, um auf Allenes Spuren zu wandeln, so kann man sich doch erstaunlich gut in diese taffe Frau hineinversetzen. Wie das berühmte Stehaufmännchen kämpft sie sich nach Schicksalsschlägen und Ablehnung durchs Leben, macht zwei Weltkriege und harte Wirtschaftskrisen durch. Annejet van der Zijl erzählt sehr eingängig, gestört hat mich lediglich, dass englische Zitate sehr umständlich verbaut wurden: erst folgt das Zitat im Fließtext, auf dem Fuße die direkte deutsche Übersetzung, ebenfalls als Fließtext. Wer des Englischen mächtig ist, liest folglich ständig Wiederholungen, ich hätte Fußnoten wesentlich passender empfunden, weil der Lesefluss laufend künstlich unterbrochen wird. Ansonsten fand ich Zijls Stil aber wie gesagt sehr angenehm. Untermalt werden van der Zijls Ausführungen mit mehreren Fotos, die Allene selbst, ihre Gefährten und ihre Wohnorte zeigen; auch Zeitungsausschnitte, Karten und ein Stammbaum lassen den Leser in Allenes Zeit eintauchen.
Insgesamt ist „Die amerikanische Prinzessin“ ein gut gemachtes Sachbuch, das mir eine faszinierende Persönlichkeit auf unterhaltsame Weise näher gebracht hat.

Veröffentlicht am 03.02.2018

Lied der Weite

Lied der Weite
0

Bobby und Ike werden im kleinen Städtchen Holt faktisch von ihrem Vater alleine großgezogen; die Mutter hat die Familie quasi im Stich gelassen. Allein auf der Welt ist auch die schwangere 17-Jährige Victoria, ...

Bobby und Ike werden im kleinen Städtchen Holt faktisch von ihrem Vater alleine großgezogen; die Mutter hat die Familie quasi im Stich gelassen. Allein auf der Welt ist auch die schwangere 17-Jährige Victoria, die, verlassen vom Kindsvater, nun auch noch von der eigenen Mutter vor die Tür gesetzt wird. Über Umwege landet sie bei den McPherons, zwei eigenbrötlerischen Brüdern, die alleine auf ihrer Farm leben. Eine ungewöhnliche WG…

Kent Haruf hat mich mit seinem leisen, aber ausdrucksstarken Erzählstil gleich für sich und seine Figuren eingenommen. Er schildert das Landleben, gibt Einblicke in die Gemeinschaft von Holt, beschreibt die Beziehungen der Protagonisten, alles in einem ganz ruhigen Stil, der gerade dadurch so eindringlich wird. Oft schwingt ein trauriger Ton mit, manchmal sind die Tatsachen des Landlebens schonungslos beschrieben, trotzdem würde ich das Buch nicht als Trauerspiel ansehen.
Harufs Figuren haben mir unterm Strich alle gut gefallen, etwas mehr Tiefe hätten sie aber durchaus vertragen können. Die Jungs taten mir oft Leid, auch wenn sie mit ihrem Vater dann doch einen tollen Erziehungsberechtigten abbekommen haben; an manchen Stellen fand ich sie zu sehr als Gutmenschen dargestellt, so brave und artige 10-Jährige halte ich dann doch für unrealistisch. Gemocht habe ich auch die McPherons, die eine selbstlose Art an den Tag legen, wie sie sicherlich nicht selbstverständlich ist. Die Handlung entfaltet sich recht gemächlich, insgesamt passt sie sich dem ruhigen Ton an. Ein oder zwei Szenen sind dann aber doch sehr aufregend, was durch den Kontrast zur restlichen Handlung dann doch sehr ins Auge sticht.
Insgesamt hat mir Harufs Roman sehr gut gefallen, die wenigen Kritikpunkte sind zu verschmerzen. Jeder, der gerne ruhigere Romane liest, sollte sich ruhig mal hiermit befassen.

Veröffentlicht am 30.01.2018

Fail

Pussy
0

Urbs-Ludus wurde lange Zeit friedlich vom Großfürsten und seiner Frau regiert. Doch jetzt bahnt sich eine Revolte, ein Aufstand an. Das Volk ist unzufrieden, denn man möchte zwar exquisite Backwaren im ...

Urbs-Ludus wurde lange Zeit friedlich vom Großfürsten und seiner Frau regiert. Doch jetzt bahnt sich eine Revolte, ein Aufstand an. Das Volk ist unzufrieden, denn man möchte zwar exquisite Backwaren im Überfluss haben, aber die begabten Bäcker mögen doch bitte außerhalb der Republik bleiben. Der Zustrom dieser Ausländer wird immer mehr zum Problem. Die Hoffnung liegt auf Fracassus, dem Sohn des Großfürsten. Doch der lässt sich den ganzen Tag vom TV berieseln und vor die Tür hat er schon lange keinen Fuß mehr gesetzt; in die Schule schon gar nicht. Die Zukunft von Urbs-Ludus ist in ernster Gefahr…

Howard Jacobson hat mit seinen vorherigen Werken große und auch verdiente Aufmerksamkeit gewonnen. Für dieses Werk gewinnt er von mir keinen Blumentopf; noch nicht einmal einen alten, schäbigen. Ich hatte eine bissige, spritzige, schwarzhumorige Satire erwartet. Bekommen habe ich seitenweise Quatsch. Jacobson hat sich in der Klischeekiste bedient, schnell noch ein paar hervorstechende Eigenarten des aktuellen US-Präsidenten (twitteraffin, laut und blond) dazu gemischt und damit eine hahnebüchene und dazu noch langweilige Geschichte gebastelt. Nicht einmal sprachlich konnte ich irgendein gutes Haar an der Story finden. Am Witzigsten fand ich noch Cover und gelegentlich eingestreute Zeichnungen und selbst da kam ich kaum über ein müdes Lächeln hinaus. „Pussy“ ist bei mir komplett durchgefallen.

Veröffentlicht am 24.01.2018

Genialer Krimi mit echtem Hollywoodflair

Der Mann, der nicht mitspielt
0

Hardy Engel ist Schauspieler im Hollywood der Goldenen Zwanziger. Naja, meist eher Statist; eigentlich auch eher unerfolgreich. Vor dem Weltkrieg war er Polizist in Mannheim, und so ist die Idee schnell ...

Hardy Engel ist Schauspieler im Hollywood der Goldenen Zwanziger. Naja, meist eher Statist; eigentlich auch eher unerfolgreich. Vor dem Weltkrieg war er Polizist in Mannheim, und so ist die Idee schnell geboren, sich vorerst als Privatdetektiv zu versuchen bis die Karriere als Kinostar so richtig ins Rollen kommt. Schnell findet sich Hardy jedoch in einem Fall wieder, der die Welt der Filmstudios gehörig ins Wanken bringen könnte: Jungschauspielerin Virginia stirbt nach einer rauschenden Partynacht mit dem großen Komiker Fatty. Mithilfe der jungen Pepper steckt Hardy bald viel tiefer im Sumpf der Filmstudios als er sich jemals vorstellen konnte…

Christof Weigold hat hier einen genialen Krimi abgeliefert und ich freue mich jetzt schon auf die Fortsetzung. Das Setting im „alten“ Hollywood hat mir sehr gut gefallen, Weigold lässt sehr lebendige Bilder aus den Anfangstagen des großen Kinos entstehen. Immer wieder trifft man auf bekannte Namen und Filme, sodass ich schnell das eine oder andere im Internet nachlesen wollte. Der Blick hinter die Kulissen, auch in die deutsche Kolonie vor Ort war sehr aufschlussreich und interessant. Eine sehr gelungene Atmosphäre begleitet also diesen spannenden Krimi, bei dessen Lektüre ich mich nicht ein Sekündchen gelangweilt habe. Engel ist ein sympathischer Kerl und hat eine tolle Art sich in den Fall und in die Tiefen der Filmindustrie einzuarbeiten. Sein Sidekick Pepper gibt (ihrem Namen entsprechend) noch mehr Würze zu den Ermittlungen, die sich mit allerlei Wendungen und Überraschungen sehr fesselnd lesen lassen. Ein Krimi ganz nach meinem Geschmack also, der mich wirklich überzeugt hat. Band zwei darf gerne kommen!

Veröffentlicht am 22.01.2018

Intensiv und ehrlich

Was nie geschehen ist
0

„Uns würde nichts zustoßen – diese Gewissheit unserer Mutter begleitete uns auf Schritt und Tritt“ (S. 11)
Nadja Spiegelman ist die Tochter eines Pulitzerpreisträgers und der Art-Director des New Yorkers. ...

„Uns würde nichts zustoßen – diese Gewissheit unserer Mutter begleitete uns auf Schritt und Tritt“ (S. 11)
Nadja Spiegelman ist die Tochter eines Pulitzerpreisträgers und der Art-Director des New Yorkers. In ihrem unglaublich ehrlichen biografischen Roman fährt sie die Lebenslinien ihrer erfolgreichen Mutter und ihrer Großmutter nach. Die drei Frauen haben keine einfache Mutter-Tochter-Beziehung, Spiegelmans Erzählung ging mir oft unter die Haut. Ich konnte mich bis zum Schluss nicht darauf festlegen, ob ich die Beziehungen in dieser Familie eiskalt oder sehr liebevoll finden soll. Wahrscheinlich, weil die Wahrheit zwischen dem einen und anderen Extrem schwankt. Allen Frauen ist eine sehr bissige Seite zu eigen, grausame Wahrheiten werden laut ausgesprochen, manchmal wird erst recht auf einer persönlichen Schwäche herumgehackt. Es lastet großer Druck auf der Erzählerin, den sie ungefiltert an den Leser weitergibt. Aber auch die eigene Mutter hat keine einfache Kindheit gehabt und so ziehen sich die Schwierigkeiten wie ein roter Faden durch die Generationen. Andererseits steht jede Frau für ihre Kinder und Kindeskinder ein, kämpft für sie, beschützt sie; zeigt ihnen die Schönheiten dieser Welt.
In vielen sehr persönlichen und sehr offenen Gesprächen erfährt man nach und nach die Lebensgeschichte dreier sehr faszinierender Frauen, die einerseits sehr stark sind und andererseits doch ein Opfer ihrer Umgebung. Viele Situationen werden von den unterschiedlichen Personen verschieden beurteilt, sodass man auch darüber grübeln kann, welche Version der Wirklichkeit wohl am ehesten entspricht. Erinnerungen sind eben formbar. Die Autorin erzählt unglaublich intensiv, voller Emotion und dabei unglaublich fesselnd. Eine mitreißende, aber auch nachdenkliche Erzählung, quer durch die Generationen und über zwei Kontinente hinweg. Ich bin begeistert.