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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.05.2017

Gudrun

Das Mädchen im Strom
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Im Mainz der 1920er Jahre erlebt die junge Jüdin Gudrun Samuel eine quasi unbeschwerte Jugend: die Familie ist wohlhabend, in Margot hat Gudrun eine beste Freundin gefunden, in Martin ihre erste Liebe. ...

Im Mainz der 1920er Jahre erlebt die junge Jüdin Gudrun Samuel eine quasi unbeschwerte Jugend: die Familie ist wohlhabend, in Margot hat Gudrun eine beste Freundin gefunden, in Martin ihre erste Liebe. Doch mit den Jahren wird die Bedrohung durch die Nationalsozialisten immer größer und Gudrun muss ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, will sie nicht untergehen.

Sabine Bode hat in diesem Buch eine wahre Lebensgeschichte zu einem Roman verarbeitet. Das Schicksal der „echten“ Gertrude Salomon steht aber stellvertretend für viele, sodass die Romanform dem Leser sicherlich mehr geben kann als es eine Biografie gekonnt hätte.
Mir fiel der Einstieg in die Geschichte nicht leicht, gerade zu Beginn war mir Gudrun unerträglich unsympathisch. Auch an den Erzählstil der Autorin musste ich mich erst gewöhnen, sodass sich echte Lesefreude erst nach einiger Zeit einstellte. Der Stil bleibt immer distanziert, große Emotionen darf man trotz des harten Stoffes nicht erwarten. Sehr ansprechend fand ich die eingestreuten Briefwechsel zwischen Gudrun und Margot, die zwar ähnliche Ausgangssituationen haben, denen das Leben aber völlig unterschiedlich mitspielt. Margot wandert im Schutz der Familie in die USA aus, während Gudrun sich alleine nach Shanghai durchschlägt. Eine sehr interessante Gegenüberstellung. Die Autorin vermittelt die Fakten sehr unaufdringlich, trotzdem merkt man schnell, dass in diesem Buch auch viel Recherche steckt. Die Handlung wirkt immer authentisch, auch wenn man als Leser manchmal nur den Kopf schütteln mag.
Insgesamt habe ich „Das Mädchen im Strom“ nach dem holprigen Start doch gerne gelesen; dranbleiben lohnt also.

Veröffentlicht am 22.05.2017

Zwei Schauerromane in düsterer Atmosphäre

Gespenstisches Island
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In diesem Ebook findet man zwei Bücher der isländischen Autorin Sigurdardottir: „Seelen im Eis“ und „Geisterfjord“. In Ersterem geht es um die düstere Vergangenheit eines Erziehungsheimes für straffällig ...

In diesem Ebook findet man zwei Bücher der isländischen Autorin Sigurdardottir: „Seelen im Eis“ und „Geisterfjord“. In Ersterem geht es um die düstere Vergangenheit eines Erziehungsheimes für straffällig gewordene Jugendliche, im zweiten Buch um ein altes, schicksalbehaftetes Haus an einem einsamen Fjord. Beiden gemein ist die Tatsache, dass es sich zwar minimal gruseln lässt, der große Schocker aber ausbleibt. Die Autorin schafft eine gute Atmosphäre, fängt die Kälte und Rauigkeit Islands sehr gut ein. Man greift als Leser automatisch nach der warmen Kuscheldecke ; ) Wirklich zum Nägelkauen gruselig sind die Geschichten jedoch nicht, es gibt kleine „Horror“-elemente, die allerdings nicht wirklich zum Fürchten sind, sodass der altmodische Begriff „Schauerroman“ dem Ganzen wahrscheinlich noch am ehesten gerecht wird.
Die Autorin entwirft recht ansprechende Charaktere, trifft jedoch nicht immer den Ton. Da kommt z.B. ein junges Mädchen durch seine Sprechweise viel zu erwachsen rüber usw. Diese kleinen Unstimmigkeiten stören nicht groß, fallen aber doch auf. Ebenso die nicht immer logischen Zusammenhänge. Trotzdem fühlte ich mich durch beide Romane ganz ordentlich unterhalten, denn die Autorin versteht es schon ihre Geschichten spannend zu erzählen. „Geisterfjord“ hat mir etwas besser gefallen, man kann aber durchaus beiden Geschichten mal eine Chance geben.

Veröffentlicht am 22.05.2017

Ein Kann, aber kein Muss

Sweetgirl
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Die 16jährige Percy ist eigentlich auf der Suche nach ihrer Mutter. Die findet sie jedoch nicht wie erwartet in der Drogenhöhle des verrückten Shelton, sondern ein Baby. Percy nimmt die vernachlässigte ...

Die 16jährige Percy ist eigentlich auf der Suche nach ihrer Mutter. Die findet sie jedoch nicht wie erwartet in der Drogenhöhle des verrückten Shelton, sondern ein Baby. Percy nimmt die vernachlässigte Kleine kurzerhand mit, um sie in die Obhut eines Krankenhauses zu geben. Doch Shelton ist von der Entführung gar nicht begeistert, und so muss Percy sich nicht nur durch den Schneesturm schlagen, sondern sich auch noch vor ihren Verfolgern hüten.

Travis Mulhauser hat mit seinem Debut die klassische Verfolgungsjagd wieder aufgegriffen. Die Geschichte weiß durchaus zu unterhalten, wirklich Neues hat sie leider nicht zu bieten. Percy ist eine Protagonistin, die zwar durch ihr jugendliches Alter hervorstechen sollte, über weite Teile gelingt es dem Autor aber leider nicht ihr Alter glaubhaft darzustellen. Sie hätte genausogut 30 sein können, das hätte an der Story nichts geändert. An sich war sie mir aber ganz sympathisch. Die Verfolgungsjagd durch die verschneiten Berge Michigans ist recht spannend, Percy muss sich nicht nur mit den Bösewichtern, sondern eben auch mit der Witterung herumschlagen, was der Autor authentisch wiedergibt. Mulhauser erzählt flüssig, hält einen ordentlichen Spannungsbogen und lässt ab und an etwas schwarzen Humor einfließen. Insgesamt ist „Sweetgirl“ angenehme Unterhaltung, ohne jedoch viel Neues zu bieten. Ein Kann, aber kein Muss.

Veröffentlicht am 21.05.2017

Sommerkind

Sommerkind
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Es gibt Winterkinder, und es gibt Sommerkinder. Winterkinder brechen in zugefrorene Seen und Teiche ein, ihr Gehirn kann dank des Kälteschocks jedoch mit weniger Sauerstoff auskommen und so stehen die ...

Es gibt Winterkinder, und es gibt Sommerkinder. Winterkinder brechen in zugefrorene Seen und Teiche ein, ihr Gehirn kann dank des Kälteschocks jedoch mit weniger Sauerstoff auskommen und so stehen die Chancen nach erfolgreicher Rettung etwas besser als die der Sommerkinder. Koljas Schwester Malu ist ein Sommerkind, halb ertrunken im heimischen Schwimmbad. Doch gerettet hat sie nicht Kolja, sondern Ragna. Die macht sich nach Jahrzehnten auf, um Kolja und Malu zu suchen. Denn die Erinnerung an das Sommerkind lässt sie nicht los.

Monika Held thematisiert in ihrem Roman das, was man landläufig als „Wachkoma“ bezeichnet. Sie beschäftigt sich mit den medizinischen Hintergründen, aber auch mit den Veränderungen im Familienleben, wenn ein Mitglied erkrankt. Die psychische Belastung gibt sie sehr authentisch wieder, auch die Tatsache, dass Menschen unterschiedlich mit dieser Belastung umgehen. Mir hat der Erzählstil der Autorin leider nicht so zugesagt, ihre Figuren wirkten auf mich nicht richtig greifbar und so habe ich der ernsten Thematik dann doch irgendwie leidenschaftslos gegenübergestanden. Weder Ragna, die als Ich-Erzählerin fungiert, noch Kolja sind mir wirklich nahe gekommen. Die Handlung entwickelt sich recht interessant, einige Längen haben sich aber leider doch eingeschlichen.
Ein Roman über Freundschaft und Liebe, Verantwortung, Trauer und Schuld; der mich dann aber leider doch nicht richtig erreicht hat.

Veröffentlicht am 18.05.2017

Zufälle gibt‘s

Dinge, die vom Himmel fallen
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Die 8-jährige Saara verliert ihre Mutter an einem strahlenden Frühsommertag; sie wird von einem Eisbrocken erschlagen, der sich von einem Flugzeug löste. Saara trauert, doch in ihrer Trauer fragt sie sich ...

Die 8-jährige Saara verliert ihre Mutter an einem strahlenden Frühsommertag; sie wird von einem Eisbrocken erschlagen, der sich von einem Flugzeug löste. Saara trauert, doch in ihrer Trauer fragt sie sich auch immer wieder: was sind Zufälle? Was wäre passiert, wenn ihre Mutter nur einen Meter weiter links gestanden hätte, wenn sie später in den Garten gegangen wäre oder es geregnet hätte? Auch Saaras Tante ringt mit dem Zufall, denn sie hat im Lotto gewonnen. Zweimal. Ein Fischer wird vom Blitz getroffen. Wieder. Und wieder. Und wieder…

Selja Ahava hat mit „Der Tag, an dem ein Wal durch London schwamm“ ein hervorragendes Debut abgeliefert. Für mich kommt ihr zweites Buch nicht an den Erstling heran, sie zeigt aber auch mit diesem Werk, dass sich nachdenklich und schräg nicht ausschließen müssen. Die Geschichte der kleinen Saara ist berührend und gefühlvoll geschrieben, trotzdem konnte ich mich nicht so richtig einfinden. Im Verlauf wechseln Perspektive und Stil, doch richtig gut hat mir eigentlich nur Saaras Sicht der Dinge gefallen. Die ist keine typische Achtjährige und hat mich manches Mal zum Schmunzeln gebracht. Ahava schlägt einen melancholischen Ton an, der überzeugt. Märchenhafte Elemente gesellen sich zu der schrägen, aber realistischen Geschichte; nicht immer klappt das Zusammenspiel. Zum Ende hin verliert die Story für mich immer mehr, sodass mein Fazit eher gemischt ausfällt. Ein Buch, das ein bisschen sperrig ist und bei mir leider nicht ins Schwarze getroffen hat.