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Veröffentlicht am 24.10.2022

Ausflug in die Arktis – anders als gedacht

Ein Lied vom Ende der Welt
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Seit dem Tod ihres Zwillingsbruders Andy kommt Val nur mit Medikamenten über den Tag, hat Angststörungen, kann nicht mehr. Und doch traut sie sich nach einem Anruf von Andys Mentor in die Arktis. Dort ...

Seit dem Tod ihres Zwillingsbruders Andy kommt Val nur mit Medikamenten über den Tag, hat Angststörungen, kann nicht mehr. Und doch traut sie sich nach einem Anruf von Andys Mentor in die Arktis. Dort ist unweit einer Forschungsstation ein Mädchen gefunden worden, dessen Sprache sie als Linguistin entschlüsseln soll. Val macht sich auf in die Kälte und die Weite des ewigen Eises, dorthin wo ihr Bruder den Tod fand.
Ich kann ohne zu spoilern nicht richtig erklären, was mich am Inhalt gestört hat; gerade deswegen wäre es schön, wenn der Klappentext in dieser Hinsicht aufschlussreicher wäre, denn man bekommt definitiv ein anderes Buch als das, was man lesen wollte/erwartet hat. In meinem Fall hat diese Wendung mich leider nicht positiv überrascht, anderen Lesern mag das natürlich anders gehen. Sehr gut gefallen hat mir hingegen das Talent der Autorin die Arktis sehr authentisch zu beschreiben. Man sieht die majestätischen Eisberge vor sich, spürt die schreckliche Kälte, hört das Knacken des Eises, den stürmischen Wind. Auch Emotionen kann die Autorin sehr gut transportieren, die kleine Gruppe von Wissenschaftlern durchlebt von Liebe bis Hass quasi alles was die menschliche Bandbreite hergibt. Das wirkt trotzdem nicht überfrachtet, sondern eben sehr urtümlich und menschlich. Ich mochte auch Vals Umgang mit dem Mädchen Naaja; sie selbst hat keine Kinder und muss sich an das traumatisierte Mädchen erst herantasten. Das geschieht auf der sozialen, aber auch auf der sprachlichen Ebene. Die Hintergründe zum linguistischen Thema fließen hier mühelos ein, man lernt einiges über Sprachgestaltung, lebende und tote Sprachen.
Insgesamt muss man sich auf die unerwartete Wendung einlassen, dann bekommt man einen wirklich schön erzählten spannenden Roman aus der Eiseskälte. Mir wollte das leider nicht so recht gelingen, weswegen ich die Lektüre nicht uneingeschränkt weiterempfehlen kann.

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Veröffentlicht am 20.10.2022

Interessante und faszinierende Medizingeschichte

Der Horror der frühen Chirurgie
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Harold Gillies hatte eigentlich einen recht bequemen und einträglichen Medizinerposten inne, als ihm der erste Weltkrieg dazwischen kam. Trotzdem ist es kein Selbstläufer, dass er sich zu einem der wenigen ...

Harold Gillies hatte eigentlich einen recht bequemen und einträglichen Medizinerposten inne, als ihm der erste Weltkrieg dazwischen kam. Trotzdem ist es kein Selbstläufer, dass er sich zu einem der wenigen „Fachärzte“ für Gesichtsrekonstruktionen mauserte. Sein interdisziplinärer Ansatz sorgt dafür, dass Soldaten mit schrecklichen Gesichtsverletzungen nicht nur Schmerzen und weitere Leiden erspart, sondern auch ein würdevoller Weg zurück in die Gesellschaft ermöglicht wurde.
Die Autorin ist promovierte Medizinhistorikerin, also vom Fach. Trotzdem ist es sicherlich kein Einfaches OP-Methoden, plastische Techniken u.ä. so aufzubereiten, dass auch dem fachfremden Leser alles einleuchtet. Verletzungen sowie angewandte OP-Techniken werden sehr detailliert beschrieben, auch die Grausamkeiten des Stellungskrieges sind nicht geschönt. Diese Dinge nehmen mit den größten Teil des Buches ein, auch wenn Biografisches von Gillies und Kollegen definitiv nicht zu kurz kommt. Trotzdem sollte man als Leser jetzt nicht zu zart besaitet sein. Ich mochte schon den ersten Teil aus dieser Sachbuchreihe, und auch mit dem aktuellen wurde ich nicht enttäuscht (höchstens über den unnötig reißerischen Titel). Faszinierend was trotz widrigster Umstände möglich war (gemacht wurde), aber auch welche Leidensfähigkeit und welchen Willen die Patienten gezeigt haben. Unzählige OPs waren teilweise nötig, oft ohne ausreichende Anästhesie, ohne Antibiose; auch war mancher der Verletzten der erste seiner Art, sodass die Behandlungen oft nach dem Prinzip von trial and error behandelt wurden, auch wenn Gillies seine Methoden natürlich immer weiter verfeinerte. Ein starker Wille und Durchhaltevermögen war von Arzt und Patienten gefordert. Die Autorin findet einen guten Mittelweg zwischen der medizinischen Entwicklung einerseits, dem damaligen Tagesgeschehen sowie Gillies‘ persönlichem Leben. Ich fand es ein wenig schade, dass Zeichnungen und Fotos zwar geschildert, aber nicht abgedruckt worden sind; dies hat vielleicht rechtliche Gründe, der Übergang zum medizinischen Fachbuch wäre dann sicherlich auch schwammig, trotzdem hätte es den Inhalt des Buches abgerundet. Insgesamt bin ich von diesem Sachbuch jedoch sehr angetan und kann es quasi uneingeschränkt empfehlen.

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Veröffentlicht am 08.10.2022

Das Leuchten der Rentiere

Das Leuchten der Rentiere
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Schon mit 9 Jahren erfährt Elsa, dass die Rentierhaltung ihrer Familie nicht nur auf Freunde stößt. Ihr Rentier wird brutal ermordet. Elsa hat den Mörder gesehen, schweigt aber aus Angst. Denn die Sami ...

Schon mit 9 Jahren erfährt Elsa, dass die Rentierhaltung ihrer Familie nicht nur auf Freunde stößt. Ihr Rentier wird brutal ermordet. Elsa hat den Mörder gesehen, schweigt aber aus Angst. Denn die Sami haben einen schweren Stand, Anzeigen werden von der Polizei abgetan, in der Dorfgemeinschaft sind sie nicht immer gern gesehen. Auch Jahre später scheint sich an der Situation nichts zu ändern, doch Elsa ist jetzt zu einer willensstarken Frau erwachsen und kämpft für ihr kulturelles Erbe.
Die Autorin vermittelt mit ihrer Geschichte sehr gut, welche Vorurteile, welcher Hass gar den Sami oft im Alltag begegnet. Im Nachwort macht sie noch einmal deutlich, dass Elsas Geschichte zwar in ihrer Gesamtheit fiktiv, aber einiges davon von realen Ereignissen inspiriert ist. Erschreckend mit welcher Selbstverständlichkeit die Kultur der Samen zwar vermarktet, aber gleichzeitig auch verachtet wird. Einige geschilderte Szenen gingen mir wirklich unter die Haut. Auch die Liebe zu ihren Tieren wird sehr authentisch beschrieben, einerseits lebt man von den Rentieren, gleichzeitig sind sie für die Samen aber definitiv mehr als nur irgendein Stück Vieh, sondern Teil ihrer Kultur. Laestadius erzählt in einem sanften Ton, der trotzdem Wucht hat. Viele Begriffe aus der samischen Sprache werden verwendet, eine Auflistung im Anhang erleichtert das Verständnis. „Das Lächeln der Rentiere“ ermöglicht Einblicke, die einem als Außenstehenden sonst sicherlich verschlossen blieben, wirbt für Verständnis, räumt aber auch Fehler ein. Vor dieser Thematik entspinnt sich eine krimiähnliche Handlung, die relativ gut unterhält und den Leser etwas von der festgefahrenen Kluft zwischen den Ethnien ablenkt. Letztendlich bleibt der Eindruck zurück, dass hier noch ein gutes Stück Arbeit von allen Beteiligten nötig ist, um nicht nur ein Nebeneinander sondern ein Miteinander möglich zu machen. Die Autorin kann mit ihrem Roman vielleicht ein kleines Stückchen dazu beitragen.

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Veröffentlicht am 25.09.2022

Der 31te Juli

Die Mauersegler
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Mit seinen 55 Jahren beschließt Toni, dass bald Schluss sein soll. In genau einem Jahr, am 31. Juli, will er sich das Leben nehmen. Er wird nicht mehr gebraucht: Ehe geschieden, Sohn missraten, aber erwachsen, ...

Mit seinen 55 Jahren beschließt Toni, dass bald Schluss sein soll. In genau einem Jahr, am 31. Juli, will er sich das Leben nehmen. Er wird nicht mehr gebraucht: Ehe geschieden, Sohn missraten, aber erwachsen, vom Bruder entfremdet, der beste Freund zieht bei einem Selbstmordpakt gleich mit. Einzig was mit Hündin Pepa geschehen soll, scheint noch offen. Ansonsten hat Toni noch 365 Tage um Tagebuch zu schreiben, sein Leben zu reflektieren und seine Angelegenheiten zu regeln.
Toni ist ein Unsympath: er jammert, er meckert, er gibt sich oft wie ein nur nach Außen erwachsenes Kind. Seine Gedanken sind chauvinistisch bis frauenfeindlich, mal mehr, mal weniger. In Kombination mit seinem Freund Humpel steigert sich das Ganze gerne mal. Ich bin eigentlich nicht sehr empfindlich was solche Sprüche angeht, aber die zwei sind mir nun wirklich mehr als einmal gehörig auf die Nerven gegangen. Mit dieser Figur hat der Autor bei mir genau das erreicht, was er erreichen wollte: ich mochte Toni nicht. Leider ist das so gut gelungen, dass ich irgendwann auch keine große Lesefreude mehr an seinen Tagebuchergüssen hatte. 365 Tage sind lang, das spiegeln auch die 832 Seiten Romanhandlung wieder. Leider wirkt die Handlung dadurch auch mal langatmig, ab und an wiederholt Toni das ein oder andere Ereignis, vermutlich damit der Leser nicht den Überblick verliert. Ich fand diesen Kniff unnötig und war umso mehr gelangweilt. Neben Toni wirken sämtliche anderen Figuren wie kleine Nebenrollen, eben weil sich alles um den kleinen Möchtegernphilosoph dreht. Das ist schade, denn so lernt man sie nur sehr eingeschränkt kennen.
Sprachlich mochte ich den Roman dagegen sehr. Toni erzählt logischerweise aus der Ich-Perspektive, er drückt sich meist gewählt bis anspruchsvoll aus, trotzdem fand ich den Roman nicht überkünstelt. Die oft kurzen Tagebucheinträge sind nicht immer chronologisch, immer wieder gibt es Rückblenden oder Erinnerungen, hier ist also für Abwechslung gesorgt. Auch nach Ende der Lektüre bleibt mir Tonis Motivation für den Selbstmord irgendwie unklar, am ehesten glaube ich noch, dass er sich selbst am meisten satt hatte. Ich kann ihn da verstehen.

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Veröffentlicht am 14.09.2022

Der Sturm

Der Sturm
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Kiernan betritt nach Jahren wieder den heimatlichen tasmanischen Boden. Noch nicht ganz angekommen, ereignet sich ein Unglück: eine junge Frau wird tot am Strand aufgefunden. Unweit der Stelle, wo einst ...

Kiernan betritt nach Jahren wieder den heimatlichen tasmanischen Boden. Noch nicht ganz angekommen, ereignet sich ein Unglück: eine junge Frau wird tot am Strand aufgefunden. Unweit der Stelle, wo einst Kiernans Bruder in dem großen Sturm ertrank. Die Vergangenheit scheint sich zu wiederholen.
Ich war zu Beginn von der Geschichte wirklich angetan, aber mit der Zeit hat das doch leider nachgelassen. Die Handlung neigt etwas zu kleinen Wiederholungen (wie oft wird dieser dämliche Klippenweg hinauf- und hinuntergestiegen?), immer wieder wird auf denselben Schuldgefühlen herumgeritten, Gesprächsinhalte wiederholen sich… Das Fortkommen der Story war dementsprechend manchmal etwas zäh, erst in der zweiten Hälfte kommt etwas Schwung hinein. Tasmanien als Handlungsort klang erst einmal besonders und anders, letztendlich kommt davon aber überhaupt nicht so viel rüber; die Story hätte an so ziemlich jedem anderen Strand der Welt spielen können, ohne sich großartig zu ändern. Die Figuren hingegen haben mir sehr gut gefallen, bei einigen lässt sich hinter der äußeren Fassade Überraschendes entdecken. Kiernans Beziehungen zu den Inselbewohnern sind von dem Sturm auf vielfältige Weise geprägt, selbst das Verhältnis zu seiner Mutter. Je mehr zu den Ereignissen damals ans Licht kommt, umso mehr ändern sich auch diese Beziehungen, was sich sehr spannend liest. Auch der Stil der Autorin konnte mich wieder überzeugen, wie ich das von ihren vorherigen Büchern kenne. Letztendlich hat mich einfach die Umsetzung der Grundidee nicht wirklich abgeholt.

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