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Veröffentlicht am 15.09.2016

Bitte mehr davon Mr Callaghan!

Blutiger Winter
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Bischtek, Kirgisistan, tiefster Winter: der frisch verwitwete Akyl Borubaew ist Inspektor bei der Mordkommission. Er ermittelt um den unfassbar grausamen Mord an einer jungen Frau aufzuklären. Diese wurde ...

Bischtek, Kirgisistan, tiefster Winter: der frisch verwitwete Akyl Borubaew ist Inspektor bei der Mordkommission. Er ermittelt um den unfassbar grausamen Mord an einer jungen Frau aufzuklären. Diese wurde nicht nur brutal aufgeschlitzt, sondern ihr wurde zudem ein ungeborenes Kind in den Uterus gelegt. Doch in Kirgisistan mangelt es an allem und jedem und so werden die üblichen Ermittlungen durch mangelnde technische Ausrüstung erschwert; oder dadurch, dass Beweismaterial auf der Stelle „verschwindet“ um für ein paar Som verkauft zu werden; oder durch Akyls Vorgesetzte, die wie alle anderen auch genau wissen, dass man vor den Mächtigen im Land kuschen muss, weil man sonst gnadenlos untergeht.

Zu Kirgisistan wusste ich bisher wenig bis gar nichts, umso mehr war ich auf diesen für einen Thriller doch etwas ungewöhnlichen Schauplatz gespannt. Callaghan geht gut auf die Zustände im Land ein, das artet jedoch nie in eine Belehrung über gesellschaftliche bzw. politische Strukturen aus, sondern fügt sich sehr gut ins Gesamtbild, sodass der Fall doch immer im Vordergrund steht. Akyl selbst ist mir sehr sympathisch, einerseits fühlt man mit ihm mit, hat er doch gerade die Liebe seines Lebens verloren. Andererseits merkt man schnell, dass auch Akyl kein Engel ist, im harten Alltag seines Jobs kommt man einfach nicht weiter, wenn man sich immer an die Spielregeln hält. Da wird bestochen und gedroht, Gefallen werden eingefordert und so manch zwielichtiger Geselle für die Ermittlungen eingespannt. Und doch weiß man instinktiv Akyls Weg ist der einzig mögliche um wenigstens ein bisschen Gerechtigkeit zu erfahren; gerade sein herrlich schwarzer Galgenhumor nimmt dem Geschehen öfter auch mal die Schärfe.

Callaghans Art zu erzählen finde ich klasse. Er nimmt nie ein Blatt vor den Mund, teilweise ist der Ton sehr rau und derb (empfindlichere Leser seien hiermit gewarnt), dann hält er wieder kurz inne und zeigt sich dem Leser von seiner feinfühligen, poetischen Seite. Diese Mischung hat mir extrem gut gefallen und passt hervorragend zu der dichten, drückenden Atmosphäre, die er gekonnt aufbaut.

Minimal gestört hat mich die ständige und allgegenwärtige Erwähnung von Akyls Frau. Verständlich, da er sich ja noch in der Trauerphase befinden soll, trotzdem sehr penetrant und manchmal nervig. Auch die Auflösung gegen Ende hätte für meinen Geschmack einen Ticken ausführlicher sein können, denn der Fall ist doch vielschichtiger als er zunächst vermuten lässt.

Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, an sich ist „Blutiger Winter“ sehr gut gelungen und ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Fall mit Akyl.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Heinrich mir graut's vor dir

Als Gott schlief
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Wien, 2011: Jutta Stern hat vor einigen Monaten ihren Mann verloren und kann das kaum verkraften. Trotzdem muss sie ihre Trauer zurückstecken und in einem grausigen Mordfall ermitteln. Ausgerechnet in ...

Wien, 2011: Jutta Stern hat vor einigen Monaten ihren Mann verloren und kann das kaum verkraften. Trotzdem muss sie ihre Trauer zurückstecken und in einem grausigen Mordfall ermitteln. Ausgerechnet in der Osterwoche wird ein Weihbischof grausam gefoltert und anschließend ermordet. Noch bevor ihr Kollege Tom Neumann aus Quantico anreisen kann, liegt schon die nächste Leiche in der Pathologie. Diesmal ein Pfarrer. Wo findet sich da der Zusammenhang?

Jennifer B. Wind hat sich für ihr Thrillerdebut nun wirklich kein leichtes Thema ausgesucht. Im Gegenteil, der Leser kann nur erahnen welche Abgründe sich da bei der Recherche aufgetan haben. Da erfreulicherweise auf dem Klappentext nicht genau verraten wird worum es geht (Lob an den Verlag: ich hasse Klappentexte, die sich als Inhaltszusammenfassung des Buches verstehen), bleibe ich hier bewusst schwammig. Nur so viel: dem Leser wird der Atem stocken. Und das nicht wie bei anderen Thrillern aufgrund der schön-schaurigen Atmosphäre einer fiktiven Geschichte, die einem Autorenhirn entsprungen ist. Sondern wegen der Tatsachen, der unfassbaren Gräueltaten, der abartigen Unmenschlichkeit, die Ursprung dieser fiktiven Geschichte sind. Zartbesaitete Leser seien also hiermit gewarnt.

Dieses Buch liest sich seltsamerweise trotz seines ernsten Hintergrunds leicht und flüssig, ich hatte es ruckzuck ausgelesen. Die Autorin versteht es sehr gut, die Story am Laufen zu halten und Spannung aufzubauen. Selbst bei beklemmenden und grausigen Szenen findet sie das richtige Maß, es wird nichts beschönigt, aber auch nichts sensationslüstern ausgewalzt. Diese Gratwanderung ist wirklich sehr gut gelungen.

Die Charaktere, die das Buch bevölkern, haben mir im Großen und Ganzen gut gefallen, bis auf eine Ausnahme. Die Figur Tom Neumann ist der Autorin leider nicht gelungen, denn dieser ist so wahnsinnig perfekt, geradezu wie aus dem Männerkatalog entsprungen. Gutaussehend. Hyperintelligent. Supercharmant. Bibliophil. Klavierspieler. Ein liebevoller Freund. Und aus irgendeinem Grund scheint es extrem wichtig (weil außergewöhnlich?) zu sein, dass er fähig ist seine Wohnung zu putzen. Ach ja, er hat ein BlackBerry. Ein BlackBerry, ein BlackBerryeinBlackberryeinblackb… Dieses Wort hatte ich fast so schnell satt wie er darauf tippen kann.

Es sind nur Kleinigkeiten, die mich gestört haben, die dann aber in der Summe doch zum Punktabzug geführt haben; eine Mutter, die alles über die Krankheiten ihres Sohnes weiß, dann aber nachfragen muss ob das wirklich Laktose-Intoleranz heißt, so als ob sie dieses (nun wirklich nicht allzu seltene) Wort im Leben noch nie gehört hat. Eine Person schüttelt ihre ach so schwere Tablettensucht so schnell ab, dass sich Leute, die tatsächlich mit dieser Krankheit kämpfen eigentlich nur veräppelt fühlen können. Es ist bei vielen Büchern nicht ungewöhnlich, dass der Leser auch mal schneller schaltet als die Ermittler, hier wurde das aber an einer Stelle auf die Spitze getrieben und das wirkte dann schnell lächerlich; dass noch nicht mal der superschlaue Tom kapieren soll wie der Hase läuft, das habe ich der Autorin nicht abgekauft. Gerade gegen Ende des Buches wurde zudem das natürliche Tempo unnötig gedrosselt, zusätzliche mühsam hinzukonstruierte Dramen waren mir zu abgeschmackt und haben das Geschehen unnötig aufgebauscht. Im Hinblick auf die nächsten Bände gab es so einige lose Fäden, auch hier wäre weniger mehr gewesen. Nicht jeder Leser lässt sich gerne bei so vielem auf die nächsten Bände vertrösten. Ich zum Beispiel ; )

Insgesamt will ich gar nicht so viel meckern, sondern nur klar machen wo es noch gehakt hat und warum trotz des sehr harten und berührenden Themas keine volle Punktzahl bei rumgekommen ist. Wenn ich in entsprechenden Bücherforen richtig aufgepasst habe, dann sind weitere Bücher mit dem Ermittlerpärchen geplant. Da muss ich ehrlich sagen: bitte nicht; außer Saubermann Tom stirbt möglichst bald den Heldentod. Ansonsten warte ich lieber auf ein Buch ohne die beiden, denn spannend war das Buch allemal und schreiben kann die Autorin auch. Sehr gut sogar.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mittelmäßige Thrillerkost

Der Augenjäger
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Alina Gregoriev, ihres Zeichens Medium, wird von der Polizei um Mithilfe gebeten. Der Augenjäger geht um. Er entführt Frauen, entfernt ihnen die Augenlider, vergewaltigt und quält sie um sie dann wieder ...

Alina Gregoriev, ihres Zeichens Medium, wird von der Polizei um Mithilfe gebeten. Der Augenjäger geht um. Er entführt Frauen, entfernt ihnen die Augenlider, vergewaltigt und quält sie um sie dann wieder freizulassen. Ein Verdächtiger sitzt schon in Untersuchungshaft, doch ihm kann nichts nachgewiesen werden, weil die Hauptzeugin nicht mehr aussagen will bzw. kann. Alina soll nun mit ihren medialen Fähigkeiten Licht ins Dunkel bringen.

Mit diesem Buch knüpft Fitzek fast nahtlos an die Handlung von „Der Augensammler“ an und ich möchte hier auch sofort dem Vorwort widersprechen. Es gibt so viele Anspielungen und Verknüpfungen zum vorherigen Buch, dass ich es sehr wohl für zwingend halte, das vorher gelesen zu haben. Auch wenn der Autor das im Vorwort anders zu sehen scheint ; )

Mir hat dieser zweite Band etwas besser gefallen, doch auch hier tun sich meiner Meinung nach doch einige Mängel auf. So mancher medizinische Fakt hätte noch mal ordentlich recherchiert gehört, wer macht sich bei massivem Blutverlust schon Sorgen, dass er stattdessen an einer Sepsis sterben könnte? Innerhalb der nächsten Minuten wohlgemerkt. Eine Figur ist wochenlang in jeglicher Hinsicht total kaputt und kann nach spontaner Wunderheilung quasi problemlos wieder auf Verbrecherjagd gehen. Auch mit Alina hatte ich so meine Probleme, schon allein deswegen, weil ich mich mit dem „Funktionsprinzip“ ihrer Visionen immer noch nicht anfreunden kann. Realistisch ist an diesem Buch also fast nichts. Es mag am persönlichen Lesegeschmack liegen ob man über sowas hinwegsehen kann, mir liegen spontane Wunderheilungen einfach gar nicht.

Ich hatte oft das Gefühl, dass dem Leser durch allgegenwärtige Cliffhanger, Andeutungen was noch alles passieren sollte (ohne Ausnahme Schreckliches natürlich) u.ä. quasi per Holzhammermethode die Spannung eingeprügelt werden sollte. Bei mir wollte das nicht so recht gelingen, ich fand das Buch zwar flüssig zu lesen, aber große Spannung kam nicht auf. Trotz der Tatsache, dass ein unrealistischer Twist den nächsten zu jagen scheint. Insgesamt habe ich immer das Gefühl, dass es mir eine Prise zu viel war: zu viel Mystik, zu viel Drama, zu viele Cliffhanger, zu viele Twists, zu vieles an den Haaren herbeigezogen… Dafür blieb mir dann die Charakterentwicklung auf der Strecke und auch die aus dem ersten Band rübergerettete Rahmenhandlung war einfach nicht für meinen Geschmack gemacht. Für mich wäre weniger definitiv mehr gewesen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Reise mit dem gestohlenem Wohnmobil

Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek
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Bobby Nusku hat es nicht einfach. Seine Mutter hat ihn und den saufenden Vater alleine gelassen, in der Schule wird Bobby gemobbt und auch sein einziger Freund Sonny kann ihm nur bedingt helfen. Seine ...

Bobby Nusku hat es nicht einfach. Seine Mutter hat ihn und den saufenden Vater alleine gelassen, in der Schule wird Bobby gemobbt und auch sein einziger Freund Sonny kann ihm nur bedingt helfen. Seine Tage verbringt er damit sich vor dem Vater und dessen neuer Flamme zu verstecken und sein zurückgezogenes Leben für die Mutter zu dokumentieren. Eines Tages trifft Bobby das Mädchen Rosa, deren Mutter Val den örtlichen Bücherbus putzt. Die drei verbindet bald eine wunderbare Freundschaft, die schnell seltsame Blüten treibt.

Dieses Buch hat mich überrascht, berührt, erheitert und großartig unterhalten. Bobbys Geschichte ist sehr traurig und anrührend, sein Charakter nicht so schnell zu durchschauen. Zunächst wirkt er einfach nur seltsam, ein Nerd der seine Tage damit verbringt Haare seiner Mutter zu archivieren? Freak. Doch schnell wächst er dem Leser ans Herz und man kann z.T. nur fassungslos zusehen wie er mit seiner Einsamkeit umgeht und dabei auch mal über die Stränge schlägt. Auch Val und Rosa sind sehr gut gelungen, auch wenn man beim Verhalten der Mutter manchmal eine Augenbraue hochziehen möchte, weil sie doch sehr unreif handelt.

Es ist schade, dass die Bücher im Bücherbus keine große Rolle spielen. Die Protagonisten lesen sich zwar fleißig durch die Regale und ab und an wird mal in einem Nebensatz erwähnt welches Buch gerade aktuell ist, trotzdem hatte ich doch etwas mehr erwartet. Im Endeffekt hätte es auch „Die Reise mit dem gestohlenen Wohnmobil“ heißen können. Aber das verzeiht man dem Autor schnell, denn die Story entwickelt sich so skurril und irrwitzig, dass man nichts vermisst. David Whitehouse hat eine tolle Art zu erzählen, die Story wirkt manchmal regelrecht märchenhaft ohne dabei ins Kitschige abzudriften und hält immer mal wieder inne um die Kleinigkeiten des Lebens zu betrachten.

Fazit: eine sehr schöne Geschichte, auch ohne große Bezüge zur Literatur.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Hotelleben

Hotel Alpha
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„Finde heraus, was die Leute wünschen. Erfülle ihre Wünsche. Dazu ist das Alpha da.“ (S. 26)

So lautet Howard Yorks Maxime, nach der seine Mitarbeiter im 5-Sterne-Hotel Alpha arbeiten. Graham ist einer ...

„Finde heraus, was die Leute wünschen. Erfülle ihre Wünsche. Dazu ist das Alpha da.“ (S. 26)

So lautet Howard Yorks Maxime, nach der seine Mitarbeiter im 5-Sterne-Hotel Alpha arbeiten. Graham ist einer der ersten, der in diesem Londoner Hotel seine berufliche Heimat als Concierge findet. Doch auch der kleine Junge Chas strandet nach dem Tod seiner Mutter im Alpha.

Über mehrere Jahrzehnte hinweg erstreckt sich die Handlung. Kleine und große Dramen spielen sich im Alpha ab, aktuelle Ereignisse werfen ihre Schatten, Leben werden gelebt, die Zeit wandelt sich. Doch das Alpha bleibt einem Fels in der Brandung gleich bestehen und mit ihm seine liebenswerte „Stammbesetzung“. Watson erzählt in einem ruhigen Ton, eher bruchstückhaft ergeben einzelne Episoden das große Ganze. Die Geschichte wird abwechselnd aus zwei Perspektiven (Graham & Chas) erzählt, die sich recht gut ergänzen. Insgesamt liegt der Fokus jedoch vor allem auf der Charakterentwicklung dieser Personen. Grahams Charakter hat mir sehr gut gefallen: ein sehr höflicher und zuvorkommender Mensch, der in seiner Arbeit völlig aufgeht, ja geradezu nur für seine Arbeit zu leben scheint. Doch zwischendurch lässt er hinter die eigene Fassade blicken und da sieht es doch manchmal etwas anders aus als erwartet. Mich hat er oft an den Butler aus „Was vom Tage übrig blieb“ erinnert. Chas blieb mir die meiste Zeit doch eher fremd, er lebt ein relativ realitätsfernes Leben und das habe ich dem Autor einfach nicht so recht abkaufen können. Howard ist da der krasse Gegenpol, ein extrovertierter Lebemann, der so dem Alpha seinen ganz besonderen Stempel aufdrückt.

Der vermeintlich große und dramatische Höhepunkt der Geschichte war für mich dann doch eher unbedeutend, sodass die Handlung für mich gegen Ende etwas dahinplätscherte. Im Großen und Ganzen fühlte ich mich aber trotzdem immer gut unterhalten. Ergänzend zum Roman veröffentlicht Watson weitere Kurzgeschichten rund um das Alpha unter www.hotelalphastories.de, einige davon sind als Appetithäppchen am Ende des Buches abgedruckt.