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Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Aufpasser

Erlöse mich
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„Ich habe mich verliebt, und ich bin ihr gefolgt, mehr müsst ihr nicht wissen. (…) Ich bin ihr namenloser Streiter, ihr unbesungener Held und Dirigent ihrer Sinfonie. Ich bin der, der aufpasst.“

Marnella ...

„Ich habe mich verliebt, und ich bin ihr gefolgt, mehr müsst ihr nicht wissen. (…) Ich bin ihr namenloser Streiter, ihr unbesungener Held und Dirigent ihrer Sinfonie. Ich bin der, der aufpasst.“

Marnella Logan hat ein hartes Los getroffen. Seit mehr als einem Jahr ist ihr Mann Daniel spurlos verschwunden und sie sitzt mit zwei minderjährigen Kindern alleine da. Langsam gerät sie in echte Geldnöte, denn ihr Mann hat einige Spielschulden bei ein paar harten Jungs hinterlassen und die soll sie nun auftreiben. Doch bald ist Geld nicht mehr das einzige Problem, denn einer der Gangster wird tot aufgefunden und Marnie gerät unter Verdacht. Einziger Hoffnungsschimmer ist ihr Psychologe Joe O’Loughlin, der zusammen mit seinem guten Kumpel Vincent Ruiz Nachforschungen anstellt. Doch wie es scheint hat Marnie auch noch einen anderen Helfer. Oder er lässt ihr zumindest das angedeihen, was er unter Hilfe versteht…

Michael Robotham hat schon einige Geschichten um Joe und Vincent geschrieben, auch mit „Erlöse mich“ hat er mich wieder voll überzeugt. Gekonnt spinnt er ein Netz von wagen Andeutungen, Halbwahrheiten und Vermutungen, in dem sich der Leser sofort verfängt und bis zum Ende nicht mehr rauskommt. Wie alles zusammenhängt, wer die Finger im Spiel hatte und welche Rolle Marnie nun genau spielt, bleibt sehr lange im Dunklen. Man lässt sich von Robotham auf zahlreiche falsche Fährten locken, zieht falsche (oder doch richtige) Schlüsse und rätselt lange mit. Doch trotzdem bleiben die Charaktere nicht auf der Strecke, denn Robotham skizziert bekannte und unbekannte Gesichter sehr gut. Die Figur der Marnie ist ihm grandios gelungen, auf der eine Seite die verzweifelte Ehefrau, die sich einfach nur nach einer Nachricht von ihrem Mann sehnt, die nicht weiß wie sie morgen das Frühstück bezahlen soll. Auf der anderen Seite, die taffe Frau, die in jeden noch so sauren Apfel beißt um sich und ihre Kinder durchzubringen. Und dann gibt es noch… tja, wird nicht verraten. Lest selbst!

In letzter Zeit wird die Bezeichnung Pageturner ja geradezu inflationär gebraucht, hier ist sie jedoch mehr als angebracht. Durch die ständigen Neuentwicklungen und unerwarteten Wendungen ist man so im Lesefluss, dass man gar nicht so schnell lesen kann wie man umblättern will. Robothams Schreibstil und seine genialen Dialogen tun ihr Übriges dazu. Immer spannend, immer nervenaufreibend und manchmal regelrecht gruselig, wird nach der Auflösung am Schluss wohl jeder Leser mit einem unbehaglichen Gefühl auf dem Sofa zurückbleiben und mal einen vorsichtigen Blick über die Schulter werfen.

Fazit: ein ausgezeichneter Psychothriller, in dem der Autor dem Leser gekonnt den Kopf verwirbelt und für massig Gänsehaut sorgt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Reich des Teufelsfürsten

Das Reich des Teufelsfürsten
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„Während das Blut des Erschlagenen auf seine Stiefel tropfte, legte er den Kopf in den Nacken und lachte. (…) ‚Schafft die gefangenen Verräter her und pfählt sie einen nach dem anderen. (…) Die Stadt soll ...

„Während das Blut des Erschlagenen auf seine Stiefel tropfte, legte er den Kopf in den Nacken und lachte. (…) ‚Schafft die gefangenen Verräter her und pfählt sie einen nach dem anderen. (…) Die Stadt soll tagelang von Wehklagen erfüllt sein, damit niemals wieder jemand vergisst, was es bedeutet, sich gegen Vlad Draculea zu stellen!‘“ (S. 29)

1456 ist Vlad Woiwode der Walachai und zurück bei seiner Geliebten Zehra und seinem Sohn Carol. Dieser kennt seinen Vater bisher nur vom Hörensagen und kann sich ihm so gar nicht öffnen. Zudem hat sich Vlad langsam in den Mann verwandelt, der völlig zurecht als grausamer Pfähler im Gedächtnis geblieben ist.

Gleichzeitig sind in Ulm Sophia und Utz von Katzenstein in einer lieblosen Ehe gefangen. Der zermürbende Alltag wird auch durchs Sophias Vater Johannes erschwert.

Dieses Buch spielt etwa acht Jahre nach seinem Vorgänger „Der Teufelsfürst“ und knüpft an die meisten Handlungsstränge aus diesem an. Man sollte ihn also definitiv vorher gelesen haben. Auch dieses Buch besticht durch einen sehr angenehmen Schreibstil, die Seiten fliegen nur so dahin. Bei ihrer ausführlichen Recherche hat Stolzenburg kleine und große Anekdoten und Erzählungen über Vlad ausgegraben, die sich scheinbar mühelos mit den Lücken in seinem Lebenslauf verbinden lassen. Seine maßlose Grausamkeit wird an mehreren Beispielen deutlich, die in ihrer Beschreibung wohl eher nichts für den Leser mit schwachem Magen sind. Aber wieso sollte hier auch beschönigt werden, Vlad war nun mal ein kalter und grausamer Mann. Die Metamorphose vom halbwegs Vernünftigen mit einem Rest von Anstand und Mitgefühl hin zu dieser kalten Tötungsmaschine bleibt dem Leser leider verborgen. Denn zwischen den beiden Bänden liegen 8 Jahre und so lässt sich die Autorin die Gelegenheit entgehen diesen Übergang darzustellen. Ebenso fallen wichtige politische Entwicklungen in diese Zeit; zwar wird im Vorwort kurz darauf eingegangen, aber ich frage mich ehrlich, warum sie nicht ordentlich ausgearbeitet und dafür die Handlung in Ulm gekürzt wurde. So wurde vieles nur angerissen, sodass der große Zusammenhang schwierig wird. Leider kommen auch Erklärungen zum Konflikt mit Kronstadt oder über seinen Halbbruder zu kurz, auch die Rolle von Stefan wird nicht viel mehr als angedeutet. Gut ausgearbeitet ist der Konflikt mit Sultan Mehmed, da diesem Vlads Bruder Radu zur Seite steht. So ist eine Betrachtung des Geschehens von beiden Seiten möglich, was mir sehr gut gefallen hat. Die Handlung in der Walachai nimmt in diesem Buch also erfreulicherweise einen größeren Raum ein als es noch im Vorgängerband der Fall war. Trotzdem konzentriert sie sich weniger auf Vlad (immerhin die titelgebende Person), sondern oft auf seinen fiktiven Sohn Carol. Auch so bleibt dem Leser einiges verborgen, schließlich ist der Kleine nicht überall dabei und eigentlich wollte ich mit diesen Büchern ja Vlad näher kennen lernen, nicht die Gedanken seines 8jährigen Sprösslings. Zudem gerät dieser in eine Situation, die dem Leser ein Déjà-vu beschert und ihn als Figur etwas nutzlos erscheinen lässt.

Der Handlungsstrang um Utz und Sophia hat mir nicht gefallen, zum einen weil es wiederum keinerlei Bezug zur titelgebenden Figur gibt, zum anderen weil hier die Handlung doch recht dünn ist. Eheprobleme und ein blanker Schwiegervater sind mir an Inhalt zu wenig. Ich fand die Story um die beiden ziemlich langweilig. Der künstlich herbeigeführte Berührungspunkt mit dem Handlungsstrang um Vlad hat es für mich leider nicht herausgerissen, da es hier zwar einen interessanten Ansatz gab, der dann aber überhaupt nicht mehr weiterverfolgt wurde, sodass er mich als Leser etwas ratlos zurücklässt. Wie auch schon bei „Der Teufelsfürst“ finde ich das Ende etwas unbefriedigend; einige lose Fäden klären sich im Nachwort, aber mir hätte es wesentlich besser gefallen, wenn diese noch in die Geschichte selbst eingearbeitet worden wären.

Fazit: auch in diesem Buch wird mir viel zu viel Wert auf fiktive Personen gelegt, weswegen manche Episoden aus Vlads Leben nicht so ausgearbeitet werden wie ich es mir eigentlich gewünscht hätte. Insgesamt muss ich zu den zwei Büchern sagen, dass mir eine quasi restlose Streichung des Ulmer Handlungsstrangs einen sehr guten historischen Roman über Vlad beschert hätte. So waren mir viel zu viele Seiten mit für mich unnötiger Handlung gefüllt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Teufelsfürst oder Teil 4 der Ulm-Trilogie?!

Der Teufelsfürst
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Ulm 1447: Die Kaufmannsfamilie von Katzenstein trifft ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Der Familienvater stirbt, die Tochter Zehra wird wegen Hexerei und Mord an ihrem Vater verbannt und dann taucht ...

Ulm 1447: Die Kaufmannsfamilie von Katzenstein trifft ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Der Familienvater stirbt, die Tochter Zehra wird wegen Hexerei und Mord an ihrem Vater verbannt und dann taucht auch noch eine Urkunde auf, die den gesamten Besitz einem adeligen Zweig der Familie zuzusprechen scheint. Dieser Zweig sorgt für mächtig Ärger, ebenso wie der Graf von Helfenstein, der auch noch eine alte Rechnung zu begleichen hat.

Gleichzeitig wird in Edirne der junge Vlad Draculae zusammen mit seinem Bruder Radu am türkischen Hof als Geißel gehalten. Der Vlad, der später mal als „Der Pfähler“ in die Geschichte eingehen soll.

Ich will mal mit dem Positiven anfangen und das ist für mich u.a. der Schreibstil. Sehr flüssig und locker erzählt die Autorin ihre Geschichten, sodass man mühelos vorankommt. Die Kapitel sind allesamt mit Ort- und Zeitangabe versehen, man weiß also immer sofort in welchem Handlungsstrang man sich befindet. Personenverzeichnis, Karten und Nachwort sind ebenfalls vorhanden, sodass man für die Stories gut gerüstet ist. Warum also nur 2,5 Sterne? Ich will mal versuchen das zu erklären.

Der Schwerpunkt des Buches liegt eindeutig auf den Katzensteinern (die manchem schon aus der Ulm-Trilogie bekannt sein dürften); mir ist jedoch immer noch nicht klar, warum es „Der Teufelsfürst“ heißt, auf dem Cover ein Bild von Vlad und auch im Klappentext v.a. von Vlad die Rede ist. Wäre deutlich zu erkennen worum es in dem Buch wirklich geht, hätte ich andere Erwartungen gehabt und hätte das Buch wahrscheinlich sogar links liegen gelassen, weil mir Geschichten über Familienfehden etc. nun mal so gar nicht liegen. Nur um das mal an Zahlen zu verdeutlichen: auf knapp 240 Seiten geht es um die Katzensteiner, Vlad muss mit etwa 100 Seiten weniger auskommen. Über große Strecken (3/4 des Buches) hatte ich also das Gefühl alle paar Kapitel zwischen zwei unterschiedlichen Büchern zu wechseln. Der ulmer und der Handlungsstrang um Vlad hatten nämlich lange Zeit rein gar nichts miteinander zu tun, erst im allerletzten Moment werden sie zumindest teilweise zusammengeführt. Für mich ist „Der Teufelsfürst“ ehrlich gesagt nur ganz wenig von einer Themaverfehlung entfernt. Die Figuren blieben mir teilweise fremd und waren manchmal doch eher schwarz-weiß gehalten; die eine ist prinzipiell und in jeder Hinsicht böse, der andere nur hochnäsig, etc. Vlads Figur ist gut ausgearbeitet, gerade der innere Kampf zwischen Gut und Böse kommt sehr gut heraus; auch die Angst, die er um seinen Bruder ausstehen muss. Bei all den Grausamkeiten findet Stolzenburg doch das richtige Maß, unnötig und übertrieben grausame Beschreibungen findet man hier nicht. Auch etwas zartbesaitetere Leser können hier unbeschadet lesen. Zehra gefällt mir an sich gut, allerdings finde ich es etwas unglaubwürdig, dass sie sich kaum gegen ihr Schicksal wehrt. Auf ihre Gabe wird leider überhaupt nicht eingegangen. Was hat es damit auf sich? Sie sieht Farben um Personen (oder auch nicht). Aha, und weiter? Im Gespräch mit anderen Lesern erfuhr ich, dass es sich dabei wiederum um eine Eigenart handelt, auf die in der Ulm-Trilogie eingegangen wird. Wiederum also bekommt der Neu-Leser zu wenig Information um die Handlung richtig würdigen zu können. Das Ende des Buches kam dann viel zu schnell, hier überschlagen sich die Ereignisse, die Zeitabstände zwischen den Kapiteln werden größer und man kommt gar nicht dazu alles wahrzunehmen was hier auf kleinem Raum geschildert wird. Große Ereignisse im Leben der Familien werden gar nicht so gewürdigt, wie sie es verdient hätten.

Ich habe wirklich lange überlegt wie ich diese Rezension angehen und welche Punktzahl ich fürs Buch verteilen soll. Die Handlung um Vlad ist für mich bei 4 Sternen anzusiedeln, die ulmer Geschichte und was damit zusammenhängt leider nur bei 2. Da auf diesem Teil der Schwerpunkt liegt und mir zudem die Kombination der beiden Geschichten nach wie vor über weite Strecken unpassend erscheint, komme ich leider nur bei 2,5 raus.

Fazit: es ist toll, wenn Autoren auch etwas unkonventionellere Wege gehen um sich historischen Persönlichkeiten zu näheren. Bei mir ist diese Idee allerdings nach hinten losgegangen, denn es hat mich völlig auf dem falschen Fuß erwischt, dass in einem Buch über Vlad so wenig Vlad drin war.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Vielversprechendes Debut

Kolibri
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Anna Fekete tritt ihre neue Stelle bei der Kriminalpolizei an und wird ausgerechnet Esko als Partnerin zugeteilt. Der hat ein erhebliches Problem mit Annas ausländischer Herkunft, so wie er eigentlich ...

Anna Fekete tritt ihre neue Stelle bei der Kriminalpolizei an und wird ausgerechnet Esko als Partnerin zugeteilt. Der hat ein erhebliches Problem mit Annas ausländischer Herkunft, so wie er eigentlich mit allem und jedem ein Problem hat. Im Team müssen die beiden den Mord an einer jungen Joggerin aufklären, die erschossen aufgefunden wurde. Außerdem ist da noch die junge Muslima Bihar, die den Notruf gewählt hat, weil sie angeblich Todesangst hat. Die dann aber im Beisein der strengen Eltern nichts mehr davon wissen will und alles abstreitet. Was steckt dahinter?

Die finnische Autorin Kati Hiekkapelto braucht sich mit ihrem Debut „Kolibri“ nun wirklich nicht vor den Großen der Skandinavienliteratur zu verstecken. Düsterer und spannender Lesespaß, der sich aber auch ernsteren Themen widmet. Hiekkapelto hat das Thema Integration und Flüchtlingsproblematik gut angepackt, sowohl Anna als auch Bihar beleuchten dieses von verschiedenen Seiten. „Kolibri“ ist also nicht nur Thriller, sondern regt auch zum Nachdenken an, was mir gut gefallen hat. Trotzdem kommt die Spannung nicht zu kurz, allerdings sollte man das etwas gemächlichere Tempo der nordischen Thriller schon mögen. Man hetzt nicht atemlos durchs Geschehen, sondern hat Zeit die düstere und drückende Atmosphäre zu genießen. Hiekkapelto hat einen schönen Stil, der sich sehr flüssig lesen lässt. Da Anna ungarische Wurzeln hat, werden ihre Gespräche mit der Familie teilweise nicht übersetzt, was ich persönlich als störend empfunden habe. Ein Glossar oder auch übersetzende Fußnoten hätten hier definitiv nicht geschadet, schließlich schreibt man doch als Autor um vom Leser verstanden zu werden?

Die Charaktere sind der Autorin ordentlich gelungen, man kann sich gut in sie hineinversetzen. Einzig bei der Figur des Esko hat die Autorin meiner Meinung nach etwas dick aufgetragen: er ist ungepflegt, ein Säufer, rassistisch, homophob, kurz ein Arschloch in jeder Hinsicht, wird aber im Laufe des Buches geradezu mit der Brechstange verbogen. Das war mir zu unrealistisch. Ansonsten sind mir die Figuren doch ans Herz gewachsen und ich freue mich sehr, dass ein Folgeband schon in den Startlöchern steht.

Das Ende der Story hat mich dann nicht restlos überzeugt, es kam für mich doch überraschend und auch etwas übers Knie gebrochen daher; ansonsten war die Story aber sehr rund und war ratzfatz ausgelesen.

Fazit: ein guter, nordischer Thriller, der auch zum Nachdenken anregt und bei dem ich mich schon auf die Fortsetzung freue.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Aufstehen, wenn andere den Kopf einziehen

Der Hexenschöffe
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Rheinbach, 1636: Hermann Löher hat alles, was man sich so wünschen kann. Eine liebevolle Ehefrau, gelungene Kinder, ein gutgehendes Geschäft, den angesehenen Posten eines Schöffen. Doch Letzteres scheint ...

Rheinbach, 1636: Hermann Löher hat alles, was man sich so wünschen kann. Eine liebevolle Ehefrau, gelungene Kinder, ein gutgehendes Geschäft, den angesehenen Posten eines Schöffen. Doch Letzteres scheint ihn jetzt ganz tief runterzuziehen in den Sumpf aus Verleumdung, willkürlicher Anklage, grausamer Folter und Tod. Denn in Rheinbach werden wieder Hexen verbrannt. Und Löher kann nicht mehr einfach nur zusehen und den Kopf einziehen, auch wenn er damit sich selbst und seine Familie gefährdet.

Dieses Buch macht nachdenklich. Dieses Buch macht wütend. Dieses Buch macht betroffen. Dieses Buch macht aber auch große Lesefreude. Ich ziehe meinen Hut vor der Autorin, dass sie es geschafft hat, dieses Thema so gekonnt umzusetzen. Hermann Löher war eine reale Person, ein Großteil des Geschehens im Buch ist tatsächlich so passiert. Im hohen Alter hat er seine Erlebnisse in der Anklageschrift „Hochnötige Unterthanige Wemütige Klage Der Frommen Unschültigen“ verarbeitet, ein Werk, das auch heute noch nichts von seiner Eindringlichkeit verloren hat. Schier stellt jedem Kapitel einen kurzen Abschnitt aus dieser Schrift voran, sodass sich der Leser ein Bild von Löhers Werk machen kann. Auch sonst merkt man dem Buch jede Stunde der ausführlichen Recherche an, egal ob es sich um die Hexenprozesse selbst oder das Brauchtum aus der Rheinbacher Gegend handelt. Das macht das Buch so authentisch und lebensnah. Manchem Leser werden die Folterszenen und Verhöre zu grausam sein, denn die Autorin beschönigt nichts, aber auch gar nichts. So manches Detail des üblichen Prozederes war mir unbekannt und hat mich fassungslos und angewidert zurückgelassen. Aber genauso ist es hundertfach passiert, auch wenn man da heute nur noch den Kopf schütteln kann über so viel menschenverachtendes Tun.

Aber auch die fiktive Seite der Geschichte hat zum Mitfiebern eingeladen, denn das Leben der Familie Löher wird sehr bunt und realistisch geschildert. Die Charaktere, die dieses Buch bevölkern sind sehr gut gelungen. Ob es der reale Hexenkommissar Dr. Möden ist, der gerade durch seine absolut kalte und berechnende Art, die er hinter einem fiesen Lächeln versteckt, noch beängstigender wird. Oder die fiktive Figur der Margarete, die dem Leser langsam, aber sicher ans Herz wächst. Alle sind sehr plastisch gezeichnet und sorgen zusammen mit dem sehr flüssigen Erzählstil dafür, dass man das Buch erst zur Seite legen kann, wenn man die letzte Zeile gelesen hat.

Fazit: ein ausgezeichneter historischer Roman über die Hexenverbrennungen. Keine leichte Kost, aber absolut zu empfehlen.