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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.11.2017

Toll geschrieben und gelesen

The Girls
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Es passiert nicht viel in diesem Buch - das könnte langweilig oder anstrengend sein. Nicht so hier: die überschaubare (und ehrlich gesagt auch vorhersehbare) Handlung, vor allem aber die Gedanken der Ich-Erzählerin ...

Es passiert nicht viel in diesem Buch - das könnte langweilig oder anstrengend sein. Nicht so hier: die überschaubare (und ehrlich gesagt auch vorhersehbare) Handlung, vor allem aber die Gedanken der Ich-Erzählerin als Teenager und als ältere Frau und die Charakterisierung der anderen Protagonisten sind von Emma Cline einfühlsam und außergewöhnlich beschrieben und von Suzanne von Borsody gut gelesen. So ergibt sich ein durchaus hörenswertes, intelligentes (Hör-)Buch für Hörer/Leser, die gerne auch auf die Feinheiten und Zwischentöne achten.

Veröffentlicht am 03.11.2017

Poetische und philosophische Japan-Reise

Die Kieferninseln
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Ein deutscher Hochschuldozent reist spontan nach Japan, wo er durch Zufall einen Studenten trifft, der Selbstmord begehen möchte. In der Folge treten die beiden gemeinsam eine Reise durch Japan an.
Eine ...

Ein deutscher Hochschuldozent reist spontan nach Japan, wo er durch Zufall einen Studenten trifft, der Selbstmord begehen möchte. In der Folge treten die beiden gemeinsam eine Reise durch Japan an.
Eine spannungsgeladene Handlung bietet das Buch nicht - eher stehen die Eindrücke und Gedanken der Langnase Gilbert im Land des Lächelns im Vordergrund. Dabei wird er dem Leser gegenüber zumeist recht allwissend und abgeklärt (für mich auch deswegen unsympathisch) dargestellt, obwohl Japan nach eigener Aussage nie von größerem Interesse (zumindest als Reiseziel) für ihn war. Einerseits erfrischend, mit ihm den Kulturschock Japan nicht so oberflächlich und offensichtlich wie in anderen Büchern zu erleben, andererseits doch auch erstaunlich, wie leicht er auf Anhieb die japanischen Eigenheiten und gesellschaftlichen Regeln versteht - vielleicht manchmal auch etwas unglaubwürdig. Dass er dabei immer etwas außerhalb steht und Land und Leute als Außenstehender beobachtet, ist wiederum realistisch. Insgesamt finde ich die Beschreibung Japan dann aber doch klug.

Zwischendurch dann philosophische Betrachtungen von Flora, Fauna, dem Leben ansich und Lyrik - Bezüge zu den japanischen Dichtern Saigyō und Bashō. Für mich etwas viel, anderen Lesern wird das aber bestimmt gerade gefallen.

Es ist eine seltsame, nicht leicht eingängliche Geschichte. Irgendwie passt diese ungewohnte, fremde Erzählart dann aber doch gut zu Japan! Es lohnt, sich offen auf diesen schmalen Erzählband einzulassen.

Veröffentlicht am 01.11.2017

Anders als erwartet

Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt
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Der Titel und das Cover haben mich gleich angesprochen. Ich erwartete eine etwas abgefahrene, osteuropäische Geschichte. Daran dass der Autor schon seit seiner Jugend in den USA lebt, soll das auch nicht ...

Der Titel und das Cover haben mich gleich angesprochen. Ich erwartete eine etwas abgefahrene, osteuropäische Geschichte. Daran dass der Autor schon seit seiner Jugend in den USA lebt, soll das auch nicht unbedingt scheitern. Es fing auch vielversprechend an: eine ganz schön absurde Geschichte, die in einer sehr nahen Zukunft angesiedelt ist. Tschechien schickt das erste Mal ein Raumschiff los, besetzt mit nur einem Astronauten. Klar, dass der irgendwann spinnt.

Es war aber selten witzig und auch nicht so absurd, locker und abgefahren, wie ich erwartet (gehofft?) hatte. Das Buch von Jaroslav Kalfař ist oft eher nachdenklich und arbeitet zudem die böhmisch-tschechische Geschichte auf: von Jan Hus über die Wende bis zur Jetzt-Zeit. Der Ich-Erzähler arbeitet in der Einsamkeit des Weltalls seine persönliche (Familien-)Geschichte - wenn nicht sogar die jüngere Geschichte seines ganzen Landes - auf. Das ist zwar interessant, wirkt auf mich aber manchmal etwas lang und schwermütig. Verpackt ist das vom Autor (und Übersetzerin) aber in eine flüssige, gut zu lesende Sprache.

Das Buch war nicht schlecht (keinesfalls!), aber ich hatte etwas anderes erwartet und vielleicht auch deshalb hatte das Buch für mich zwischendurch Längen.
Wenn man sich nicht auf eine phantastievolle Raumfahrtgeschichte einstellt, sondern auf eine Aufarbeitung der neueren tschechischen Geschichte, wird man gut und durchaus ungewöhnlich unterhalten.

Veröffentlicht am 27.10.2017

"Und immer wieder sind es dieselben Lieder ..."

Die Toten Hosen - Bis Zum Bitteren Ende- inklusive „Laune der Natur“
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Das Buch umfasst wirklich alle (ALLE!) Songtexte der Hosen - auch z.B. eher unbekannte B-Seiten. Inhaltlich will ich die Texte hier gar nicht weiter bewerten - ich denke, die Zielgruppe weiß, was sie erwartet. ...

Das Buch umfasst wirklich alle (ALLE!) Songtexte der Hosen - auch z.B. eher unbekannte B-Seiten. Inhaltlich will ich die Texte hier gar nicht weiter bewerten - ich denke, die Zielgruppe weiß, was sie erwartet. Es gibt halt sehr gute und auch ein paar schwächere Texte.
Hier sind sie alphabetisch sortiert gesammelt - leider mit Berücksichtigung von der-die-das: das finde ich nicht ganz glücklich, aber nun gut.

Über dem Text stehen für die Musiker, die die Lieder gerne auch nachspielen möchten, jeweils die Akkorde.

Kleiner Wermutstropfen: das sehr kleine Schriftbild. Ich bin kein Experte für Gitarrespielen am Lagerfeuer, aber das stelle ich mir mit diesem Buch recht schwierig vor. Aber natürlich muss man als Hersteller mit den Komponenten Format, Seitenumfang, Inhalt und Schriftgröße jonglieren - anders als mit dieser Umsetzung wäre es wohl nicht möglich gewesen, das Buch halbwegs handlich zu gestalten.

Veröffentlicht am 23.10.2017

Vielschichtiges Debüt

Außer sich
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Viele sehen bei "Außer sich" die Transgender-Thematik im Vordergrund. Für mich ist aber die sowjetisch-jüdische Familiengeschichte, die über vier Generationen hinweg erzählt wird und einen Hauptteil des ...

Viele sehen bei "Außer sich" die Transgender-Thematik im Vordergrund. Für mich ist aber die sowjetisch-jüdische Familiengeschichte, die über vier Generationen hinweg erzählt wird und einen Hauptteil des Romans ausmacht, fast noch interessanter.

Ali(ssa), die einen ähnlichen biografischen Hintergrund wie die Autorin Sasha Marianna Salzmann hat, ist auf der Suche: vordergründig nach dem verschwundenen Zwillingsbruder, im Grunde aber auch nach der eigenen Identität. Das umfasst nicht nur die geschlechtliche Identität, sondern auch den familiären und kulturellen Hintergrund.

Die Geschichte des ersten Teils (ca. Zweidrittel des Buchs) springt zwischen den Zeiten und Personen hin und her ... ebenso in der Erzählperspektive: ist die Geschichte vorwiegend in der dritten Person verfasst, gibt es doch auch Abschnitte, die von einem Ich-Erzähler erzählt werden. Der zweite Teil des Buches konzentriert sich dann auf die Zeit von Ali und Anton in Istanbul: eine rastlose Suche in einem Land im Umbruch. Die Familiengeschichte Alis, ihre Transgender-Identität, das Leben in der Sowjetunion, das Leben als Migrant in Deutschland und die aktuellen Entwicklungen in der Türkei - hieraus ergibt sich ein thematisch vielfältiger Roman.

Erzählt wird das auch sprachlich außergewöhnlich, in einer oft ganz eigenen Grammatik. Teils abenteuerliche Schachtelsätze und immer wieder eingestreute kyrillisch geschriebene russische Worte und Sätze mögen auf den ersten Blick abschrecken - für mich war es aber ein besonderes Leseerlebnis. Bitte nicht irritiert sein, sondern sich einfach darauf einlassen!

Insgesamt ein beeindruckendes, aktuelles Roman-Debüt! Leseempfehlung!