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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.01.2023

Weder Spannung noch Tiefgang

Happy New Year – Zwei Familien, ein Albtraum
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Auch wenn die Beschreibung und das Cover von Malin Stehns "Happy New Year" genauso gut einen Thriller ankündigen könnten, handelt es sich (wie vom Verlag aufs Cover gedruckt) um einen Roman mit weniger ...

Auch wenn die Beschreibung und das Cover von Malin Stehns "Happy New Year" genauso gut einen Thriller ankündigen könnten, handelt es sich (wie vom Verlag aufs Cover gedruckt) um einen Roman mit weniger Spannung als in einem Thriller. Die Geschichte wird im Wechsel von drei der erwachsenen Hauptfiguren erzählt, die mir durch ihr größtenteils selbstfixiertes Gejammer im Laufe des Buches immer unsympathischer wurden. Das ist an sich ok und ja auch durchaus ehrlicher und spannender, als wenn alle nur nett wären, aber irgendwann war es halt eintönig und die Figuren auch etwas nervig. Auch dadurch zieht sich die Geschichte bis zum etwas kruden Ende ziemlich in die Länge. Die Auflösung kommt dann aus dem Nichts, was ich immer enttäuschend finde, wenn man vorher miträtselt, und umfasst zudem sehr sehr dezente Andeutungen, ob nicht doch mehr dahinter steckt. Dieses Ende war das i-Tüpfelchen, dass mich das Buch ziemlich unzufrieden zurücklässt. Weder ist dieses Buch spannend, noch geht es tiefer auf die oberflächlich angerissenen Themen wie Drogenkonsum, Untreue etc. ein - von mir deshalb leider keine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 03.01.2023

Dorfgeschichte

Ginsterhöhe
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Ich war schon in Wollseifen in der Eifel und es ist tatsächlich ein Ort, der in Erinnerung bleibt. Bei meinem Besuch habe ich unweigerlich einiges über die Geschichte des Dorfes Wollseifen und auch über ...

Ich war schon in Wollseifen in der Eifel und es ist tatsächlich ein Ort, der in Erinnerung bleibt. Bei meinem Besuch habe ich unweigerlich einiges über die Geschichte des Dorfes Wollseifen und auch über Vogelsang gelernt und nun interessierte mich, wie diese bewegte Geschichte in Romanform umgesetzt wurde.
Die Handlung in "Ginsterhöhe" bildet in der ersten Hälfte wohl gut das Leben in einem durchschnittlichen Dorf ab Ende des Ersten Weltkriegs ab, hält sich aber mit der Zwischenkriegszeit zu lange auf, sodass der eigentlich interessante Zeitabschnitt in der Zeit während des Nationalsozialismus und nach dem Zweiten Weltkrieg dann zu kurz kommt. Die NS-Ordensburg in der Nachbarschaft spielt eine erstaunlich geringe Rolle und die Räumung des Dorfes nach dem Krieg wird nur sehr kurz abgehandelt. Bei beidem hätte ich mir mehr Tiefgang, mehr Konflikte und Spannungsfelder gewünscht. Stattdessen plätscherte das Geschehen im gesamten Buch vor sich hin, überraschte nie und berührte mich noch nicht mal in den eigentlich traurigeren Szenen. Die Figuren sind allesamt eindimensional und vielleicht deshalb blieben sie mir auch egal - mit niemandem habe ich wirklich mitgefühlt oder gar mitgefiebert.
Sprachlich ist das Buch sehr nüchtern. Mir war es sowohl in der Erzählweise als auch in der wörtlichen Rede an vielen Stellen zu hölzern.
Es ist kein wirklich schlechtes Buch, nutzt aber das Potential nicht aus und ist leider auch absolut kein mitreißender Schmöker.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.11.2022

Interessanter Ansatz ohne überzeugende Geschichte

Auf See
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Theresia Enzensberger entwirft in "Auf See" eine Zukunftsvision, von der man bis zum Schluss nicht genau weiß, wie dystopisch sie eigentlich ist. Deutschland (Europa? die Welt?) wurde von den Folgen des ...

Theresia Enzensberger entwirft in "Auf See" eine Zukunftsvision, von der man bis zum Schluss nicht genau weiß, wie dystopisch sie eigentlich ist. Deutschland (Europa? die Welt?) wurde von den Folgen des Klimawandels eingeholt, auch politisch und gesellschaftlich gab es negative Entwicklungen, die aber nur angedeutet werden und unscharf bleiben. Wenig überraschend, dass in diesen prekären Zeiten selbsternannte Heilsbringer, die neue Gesellschaftsformen propagieren, Zulauf gewinnen. Theresia Enzensberger stellt hier sowohl in Romanform fiktive, als auch in im gut lesbaren Sachbuchton verfassten Zwischenkapiteln reale Beispiele solcher utopischen Projekte (und deren Scheitern) vor. Das ist alles interessant und auch die Fokussierung auf den weiblichen Blickwinkel hat mir gefallen, aber ein Aha-Moment blieb aus. Manche Nebenfiguren tauchen auf und verschwinden wieder ohne dass ihre Geschichte auserzählt scheint. Die Geschichte insgesamt fließt ohne Überraschungen oder große Wendungen vor sich hin - das hatte ich anderes erwartet.
Die Unterteilung in sehr kurze Kapitel störte meinen Lesefluss, aber ansonsten sprachlich sehr gut lesbar.
Eine andere Dystopie mit interessanten Ansätzen, die mich aber nicht richtig überzeugen kann.

Veröffentlicht am 17.11.2022

Familiengeschichte

Dschinns
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Der Anfang von Fatma Aydemirs "Dschinns" liest sich wie ein Happy End: der anstehende Ruhestand, eine schöne Wohnung und die Aussicht auf Rückkehr in die Heimat. Der plötzliche Tod des Familienvaters Hüseyin ...

Der Anfang von Fatma Aydemirs "Dschinns" liest sich wie ein Happy End: der anstehende Ruhestand, eine schöne Wohnung und die Aussicht auf Rückkehr in die Heimat. Der plötzliche Tod des Familienvaters Hüseyin läutet das Bröckeln der Fassade ein - nach und nach ergibt sich eine tragische Familiengeschichte. Die Geschichte aus der ersten und zweiten Generation der 'Gastarbeiter' wird nacheinander, aber nicht chronologisch aus der Perspektive aller sechs Familienmitglieder erzählt. In den Leben der Eltern und ihrer vier größtenteils schon erwachsenen Kinder spiegeln sich die Themen Zerrissenheit zwischen den Kulturen, Emanzipation, Traditionen, Queerness, seinen eigenen Weg finden und gehen. Dieser Rundumschlag kratzt manchmal an der Grenze, bis zu der literarische Verdichtung glaubwürdig ist, passt aber insgesamt.
Bei der Sprache fühlte ich mich oft in einen Sog hineingezogen, musste mich bremsen, die Seiten nicht zu überfliegen. Dabei aber sehr gut und flüssig lesbar.
Mich hat das Buch berührt, mir migrantische Themen vor Augen geführt, die in meinem Alltag so nicht vorkommen.

Veröffentlicht am 29.10.2022

Schwache Geschichte – packende Atmosphäre

Unsre verschwundenen Herzen
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Ich war überrascht, dass Celeste Ngs neuster Roman "Unsre verschwundenen Herzen" diesmal nicht in der US-amerikanischen jüngeren Vergangenheit spielt, sondern eine Dystopie ist. In den hier beschriebenen ...

Ich war überrascht, dass Celeste Ngs neuster Roman "Unsre verschwundenen Herzen" diesmal nicht in der US-amerikanischen jüngeren Vergangenheit spielt, sondern eine Dystopie ist. In den hier beschriebenen USA herrscht ein totalitäres System, das das Gesetz PACT erlassen hat, welches die Bevölkerung auf Patriotismus einschwört. Hieraus resultiert ein Klima der Angst und weithin akzeptierter Rassismus. Celeste Ng setzt hier bei bereits realen Tatsachen an: verbreiteter Rassismus, zu häufige Wegnahme von Kindern aus Familien, Zensur in Bibliotheken etc. PACT scheint dadurch also gar nicht so weit weg, wie man zunächst denken könnte.
Beschrieben werden diese dystopischen USA anhand des Jungen Bird und seiner Mutter Margaret, die beide asiatisch-stämmig sind und (nicht nur deshalb) in Außenseiterrollen gedrängt werden. Die Geschichte der beiden ist berührend, aber leider auch ohne richtigen Handlungsbogen. Die Vergangenheit der beiden wird nach und nach solide aufgearbeitet, die Geschichte in der Gegenwart ist aber schwach und irgendwie bleibt bei mir die Frage, was die Autorin mir mit der Geschichte der beiden eigentlich sagen möchte. So bleibt sie Mittel zum Zweck, was schade ist.
Eine große Rolle spielen auch Bibliotheken bzw. Bibliothekarinnen. Das Bild, das hier von Bibliothekarinnen gezeichnet wird, ist zwar liebevoll heroisch, aber leider auch klischeehaft und romantisiert, weswegen ich mit dieser Darstellung etwas hadere.
Das Leben in einem totalitären System fand ich packend beschrieben – die eigentliche Geschichte konnte da aber leider nicht mithalten.