Keine RomCom, aber ein Roman mit wichtigen Themen.
Wir treffen uns im nächsten Kapitel„𝐖𝐢𝐫 𝐭𝐫𝐞𝐟𝐟𝐞𝐧 𝐮𝐧𝐬 𝐢𝐦 𝐧𝐚𝐞𝐜𝐡𝐬𝐭𝐞𝐧 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥“ wird als RomCom vermarktet und schürt demnach entsprechende Erwartungen. Meiner Ansicht nach handelt es sich jedoch keineswegs um eine romantische Komödie, sondern ...
„𝐖𝐢𝐫 𝐭𝐫𝐞𝐟𝐟𝐞𝐧 𝐮𝐧𝐬 𝐢𝐦 𝐧𝐚𝐞𝐜𝐡𝐬𝐭𝐞𝐧 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥“ wird als RomCom vermarktet und schürt demnach entsprechende Erwartungen. Meiner Ansicht nach handelt es sich jedoch keineswegs um eine romantische Komödie, sondern um ein Buch mit allerhand sensiblen Themen und Problemen, die weder mit dem typisch humorvollen, ironischen Ton besprochen noch mit leichtem Geplänkel entschärft werden.
„𝗦𝗰𝗵𝘄𝗲𝗶𝗴𝗲𝗻 𝗶𝘀𝘁 𝗮𝘂𝗰𝗵 𝗲𝗶𝗻𝗲 𝗙𝗼𝗿𝗺 𝘃𝗼𝗻 𝗚𝗲𝘄𝗮𝗹𝘁.“
Auch die angepriesene Idee – zwei Menschen verlieben sich zufällig und aufgrund ihrer Leidenschaft zur Literatur ineinander – bekam nur einen geringen Raum. Aber von vorn:
Erin kündigt impulsiv und frustriert ihren Job und beschließt daraufhin, auch die restlichen Schubladen ihres Lebens auszumisten. In ihrer Euphorie landet versehentlich ein heißgeliebter Klassiker im Bücherschrank – zum Glück findet sie ihn ein paar Tage später dort wieder. Doch wurden ihre eigenen Anmerkungen kommentiert, mit Scharfsinn. Zudem lädt sie „Mystery-Man“ ein, sich in einem von ihm gewählten Buch erneut zu treffen…
Und so beginnt für beide eine Zeit, in der der Bücherschrank, längst verjähte Geschichten und die Worte eines Fremden zum Mittelpunkt werden. Eine Zeit, in der Erin und James voneinander lernen, umdenken, Entscheidungen hinterfragen und sich auf leise Art verlieben.
Doch die Realität holt sie viel zu schnell ein.
Tessa Bickers schrieb in einem modernen, klaren Stil und erzählt die Geschehnisse aus wechselnder Perspektive.
Dass Erin mit ihrer gegenwärtigen Situation, allgemeiner Unzufriedenheit und ihrer Vergangenheit kämpft, kristallisiert sich schnell heraus. Weder will sie ihrer Mutter noch dem Jungen verzeihen, der sie einst verraten hat; und auch ihre beste Freundin kann die gelernte Journalistin noch immer nicht loslassen, sitzt diese doch täglich auf einem Stuhl in Erins WG-Zimmer…
James, der vor Jahren seinen Traum von der Schriftstellerei verwarf, um nachweisliche Erfolge zu erzielen, konnte nie mit der Tragik, die seine Jugend brachte, abschließen: Mobbing, Schuldgefühle, der Verlust seiner ersten Liebe und der Tod von Bonnie sind immer präsent. Nicht hilfreich, dass die gesundheitliche Verfassung seiner Mutter und die Aufopferung seines Vaters noch immer die Gegenwart bestimmen und ihn sein Bruder mit all der Verantwortung alleine ließ. Um Sicherheit zu erlangen und den unkontrollierten Gedanken keinen Platz zu schaffen, gönnt sich James keine Pausen.
Erst der Zufallsfund im Bücherschrank lässt ihn und die„Kritzel-Queen“ innehalten. Für einen kurzen Moment.
In diesem Roman kommen etliche Themen zur Sprache, die nahegehen; Hintergründe werden aufgedeckt, Einblicke in entscheidende, vergangene Ereignisse gewährt, die Verständnis hervorrufen.
Dennoch wirkt es öfter, als würden die Protagonisten im Jetzt stets die Verantwortung von sich weisen, nicht für sich einstehen.
James, der alles verschluckt und erträgt, und Erin, selbstgerecht und zu Stolz, um zuzuhören. Im Verlauf lässt die Autorin zwar Raum für echte Gespräche und Veränderungen, für Wut, Enttäuschung und pures Vermissen, doch das eine oder andere Puzzleteil, um sämtliche Empfindungen nachvollziehen zu können, fehlt.
Durchweg schwang eine melancholische Note mit, Aussagen, die nachdenklich stimmen – „Wir treffen uns im nächsten Kapitel“ erzählt von Trauer, Schmerz und Verlust, psychischen Problemen und Mobbing. Von Vergebung und Vorverurteilung, (Zukunfts)Ängsten und der Hürde des Loslassens. Bickers spricht über die individuelle Definition von Erfolg und animiert dazu, eigene Träume zu verwirklichen, an sich selbst zu glauben. Freundschaft, Familie und Gedenken sind ein wichtiger Bestandteil dieser Geschichte. Wer auf eine greifbare Romanze verzichten kann, sollte einen Blick hinter das verträumte Cover und einen Schritt in diesen verheißungsvollen Bücherschrank wagen.
Anm.: Ich habe zusätzlich in das Hörbuch reingehört und war von der authentischen Art, wie Anna-Lena Zühlke emotionale Szenen und Gedanken vorgetragen hat, zu Tränen gerührt.