Profilbild von FrauLieschen02

FrauLieschen02

Lesejury Star
offline

FrauLieschen02 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit FrauLieschen02 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.07.2017

Eine amerikanische Familie bringt sich in Verruf

Shutter Man
1

In der Stadt Philadelphia existiert das Distrikt Devil’s Pocket, das seinem Namen alle Ehre gibt, wenn man die Familie Farren seit drei Generationen in diesem Distrikt verfolgt. Bereits die Großeltern ...

In der Stadt Philadelphia existiert das Distrikt Devil’s Pocket, das seinem Namen alle Ehre gibt, wenn man die Familie Farren seit drei Generationen in diesem Distrikt verfolgt. Bereits die Großeltern Liam und Máire Farren gelten zwar als tüchtig, aber vor allem Liam weist kriminelle Energie auf. Auch deren Söhne und Enkelsöhne können sich nicht davon freisprechen. Auf der einen Seite ist Michael Farren für sein Leben bestraft, weil er durch ein Ereignis sein Augenlicht verlor. Und Liam und Máire müssen in frühen Jahren einen ihrer Söhne zu Grabe tragen. Dennoch wird dieser Familie in der Vergangenheit in den 1970er Jahren ein Mord angehängt. Die Familie Farren gerät in der Gegenwart wieder in Verruf, weil eine Familie und zwei weitere Personen zu tödlichen Opfern werden. Der Mord von damals ist bis in die Gegenwart nicht aufgeklärt. In den aktuellen Fällen gerät die Familie Farren wieder ins Visier der Polizei, diesmal mit den beiden Ermittlern Jessica Balzano und Kevin Byrne. Byrne wuchs in Devil’s Pocket auf, und kennt die Familie Farren recht gut. Inwieweit weiß Byrne etwas über den Mord von damals? Ein Verwirrspiel von Ungereimtheiten nimmt seinen Lauf.
Der amerikanische Autor Richard Montanari schrieb zuvor Bücher über den Ermittler Kevin Byrne, die mir bisher unbekannt waren. Ebenso war mir bisher der Autor unbekannt. Montanari schuf eine komplexe Geschichte über eine Stadt, in der eine Familie vor Jahrzehnten sehr auffällig gewesen, dann war die Familie ein paar Jahre weniger auffällig bis zu dem Tag als Sean und Michael – auch Billy der Wolf – ins Gerede kommen aufgrund einer Mordserie. Billy scheint das schwarze Schaf in der Familie zu sein, wogegen seine Großmutter Máire die Familie versucht zusammenzuhalten. Die Opfer geraten im Laufe der Geschichte in den Hintergrund, und die Familie Farren und die damaligen wie heutigen Ereignisse bekommen bei den Ermittlungen mehr Gewicht. Das Ermittlerduo Jessica Balzano und Kevin Byrne sind ein sympathisches Gespann, denen man gerne bei der Arbeit über die Schulter schaut. Am Rande der Geschichte erzählt der Autor auch aus dem Privatleben der Ermittler, wobei Kevins Tochter und sein Vater ebenso sympathisch dargestellt werden. Ebenso lernt man bei diesem Krimi etwas dazu, wenn man vorher noch nie etwas über ein Sartor-Quadrat gehört hat. Es hat auf jeden Fall Recherche Bedarf nach sich gezogen.
Da diese Geschichte als Thriller deklariert wurde, würde ich meiner Meinung nach eher von einem Zwitter ausgehen – nämlich ein Kriminalroman mit Thriller Elementen. Auf jeden Fall eine spannende Geschichte, die für Überraschungen sorgt bis zum Ende. Man wird vom Autor nicht enttäuscht zurückgelassen. Man muss nicht unbedingt die Vorgänger Bände gelesen haben, um diesen Krimi lesen zu müssen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Figuren
  • Handlung
  • Spannung
Veröffentlicht am 05.07.2017

Briefe bringen emotionales Chaos

Der Brief
0

Die beiden Mittdreißiger Marie und Johanna leben gemeinsam in einer Beziehung in Hamburg. Marie arbeitet als Journalistin und Johanna als erfolgreiche Architektin. Marie kommt ursprünglich aus einem kleinen ...

Die beiden Mittdreißiger Marie und Johanna leben gemeinsam in einer Beziehung in Hamburg. Marie arbeitet als Journalistin und Johanna als erfolgreiche Architektin. Marie kommt ursprünglich aus einem kleinen niedersächsischen Dorf, wo ihre Eltern noch leben. Eines Tages erhält Marie einen Brief von ihrer ehemaligen Schulfreundin Christine. Komisch an dem Brief ist, dass dieser Brief an Marie adressiert ist, aber nicht an ihre Hamburger Wohungsadresse, sondern an eine Pariser Adresse. Marie wohnt aber nicht in Paris, und hat dort auch keine Zweitwohnung. Ihr ehemaliger Studienfreund André lebt seit einigen Jahren in Paris. Marie nimmt Kontakt zu Christine auf, die sich diesen Brief ebenfalls nicht erklären kann. Als Marie und ihre Lebensgefährtin Johanna nicht weiterkommen, was es mit dem Brief auf sich hat, reist Marie nach Paris. Dort trifft sie André wieder, der sie bei der Recherche unterstützt. Mittlerweile tauchen auch bei Christine Briefe auf, die Marie angeblich geschrieben haben soll. In dem Brief ist unter anderem die Rede von einem Victor, den Marie bald heiraten wird. Marie kannte bisher keinen Victor. Als sie in Paris plötzlich tatsächlich einen Victor trifft, versteht Marie die Welt nicht mehr. Christine und Marie kämpfen gegen die Widrigkeiten. Wer nun die Wahrheit erzählt, und wer hinter den Briefen steckt, bleibt lange ein Rätsel.
Caroline Hagebölling veröffentlichte mit dieser emotionalen und spannenden Geschichte dreier Frauen sowie den Männern Victor und André ihren Debütroman. Durch die Unklarheiten der Briefe, die sich Marie und Christine nicht erklären können, baut die Autorin Spannung in den Roman auf. Zwischen Marie und Johanna besteht eine harmonische Beziehung trotz der schwierigen Umstände, mit denen die beiden Frauen konfrontiert werden. Die Briefe wecken Spekulationen beim Lesen, aber auch in der Geschichte selbst, denn die Marie und Christine können sich die Inhalte der Briefe nicht erklären. Beide geraten für sich in Misstrauen. Unterstützung erhält Marie in der ganzen Zeit von Johanna, ihren Eltern und von André. Christine wirkt dagegen eher einsam und hilflos, weil sich zwischendurch ihre familiäre Situation mit weiteren Überraschungen konfrontiert wird. Aufgrund des Mysteriums der Umstände und Briefe ist die Geschichte unterhaltsam, die teilweise kleine Effekte eines Dramas aufweisen. Das Ende der Geschichte hinterlässt allerdings Fragen, die offen bleiben.
Bis auf das für mich unklare Ende des Romans und eines einschneidenden Ereignisses bei Marie, das mir zu aufgesetzt und zu viel der überschlagenden Ereignisse darstellt, gefiel mir der Roman seht gut. Ich denke, dass die Autorin mit dem Ende des Romans zum Nachdenken anregen wollte, was eigentlich im Leben zählt. Die Umsetzung fand ich nicht hundertprozentig gelungen.

Veröffentlicht am 05.07.2017

Unterhaltsame Erzählung über Bienen und ihr Leben

Die Geschichte der Bienen
0

Die Geschichte der Bienen vereint drei parallel erzählte Geschichten, die jeweils im 19., 21. und im zukünftigen 21. Jahrhundert erzählt wird. Die jeweiligen Geschichten werden von drei Protagonisten erzählt: ...

Die Geschichte der Bienen vereint drei parallel erzählte Geschichten, die jeweils im 19., 21. und im zukünftigen 21. Jahrhundert erzählt wird. Die jeweiligen Geschichten werden von drei Protagonisten erzählt: Tao – eine chinesische Frau im zukünftigen 21. Jahrhundert, William – ein Engländer im 19. Jahrhundert und George – ein amerikanischer Farmer und Imker. Tao ist verheiratet und ist Mutter eines dreijährigen Jungen. William ist Familienvater von einem Sohn und sechs Töchtern sowie Ehemann von Thilda. George lebt im amerikanischen Ohio auf einer Farm mit seiner Frau Emma und seinem fast volljährigen Sohn Tom. George verdient sein Geld mit seinen Bienen, die er gegen Geld an andere Farmer weitergibt, damit die Bienen ertragreichen Honig produzieren. William erforscht Bienenstöcke beziehungsweise den ersten Bienenkorb Mitte des 19. Jahrhunderts. Allerdings muss William wochenlang das Bett hüten aufgrund einer ernsthaften Erkrankung. Existenznöte plagen den Familienvater, wobei er unter Druck gerät, endlich die passende Erfindung für Honigbienen zu schaffen. Tao und ihr Mann Kuan unternehmen mit ihrem Sohn Wei-Wen einen Tagesausflug. Wie-Wen verschwindet plötzlich. Nach einer Suchaktion findet Kuan seinen Sohn apathisch an einem Waldrand. Wei-Wen muss in ein Krankenhaus gebracht werden. Allerdings bekommen Tao und Kuan keine Informationen, was Wie-Wen hat, und wo er ist. Tao begibt sich auf eine Reise, um ihren Sohn zu finden.
Die norwegische Autorin Maja Lunde schuf einen lesenswerten und teilweise historischen Roman mit wissenschaftlichen Elementen. Alle drei Geschichten werden im Wechsel aus der Ich-Perspektive erzählt. Taos Geschichte wird in der Zukunft erzählt, wobei diese Erzählung Elemente eines Science-Fiction-Romans anhand der Lebensumstände aufweist. Williams Geschichte erzählt die Verhältnisse des 19. Jahrhunderts, als die Naturwissenschaft ihre Hoch-Phase hatte. Hier merkt man, wie abhängig die damaligen Wissenschaften und Forschungen von der eigenen Existenz hatten. Aber auch die Gegenwart von Georges Leben und seiner Familie drohen zu scheitern. Alle drei Geschichten verbinden die Geschichte und Entwicklung der Honigbienen. Welche Voraussetzungen Bienen erfüllen müssen beziehungsweise welches Umfeld für Bienen nützlich sind, damit sie Honig produzieren können, sind in diesem Roman auschlaggebend. Anhand der ausführlich erzählten Geschichten merkt man, dass die Autorin viel über Bienen und deren Geschichte sowie der Imkerei recherchiert hat. Am Ende führen die Geschichten zueinander, und bilden einen Sinn. Diese Erzählweise ist außergewöhnlich, wenn man vor Augen hält, dass es hier um die Entwicklung eines kleinen Tiers geht, das schon lange der Wissenschaft verschrieben ist. Keine trockene naturwissenschaftliche Lektüre erwartet einen, sondern eine wunderbare spannende und unterhaltsame Lektüre, die einen anregt, was es bedeutet, die Natur zu genießen und sie für die Zukunft zu schützen. Lehrreich ist der Roman ebenso.
Wer mehr über Bienen und deren Entwicklung auf unterhaltsame Weise lesen möchte, kann ich diesen Roman nur ans Herz legen. Man wird nicht enttäuscht. Denn die Figuren spielen ebenso eine bedeutsame Rolle wie die Bienen. Mensch und Natur vereint.

Veröffentlicht am 03.06.2017

Nahegehender Island-Thriller

DNA
0

Die kleine siebenjährige Margrét muss miterleben wie ihre Mutter Elísa im eigenen Schlafzimmer zu Tode gefoltert wird. Margréts Brüder können durch das Kinderzimmerfenster fliehen. Eine Nachbarin findet ...

Die kleine siebenjährige Margrét muss miterleben wie ihre Mutter Elísa im eigenen Schlafzimmer zu Tode gefoltert wird. Margréts Brüder können durch das Kinderzimmerfenster fliehen. Eine Nachbarin findet die Brüder morgens in der Früh vor dem Haus. Daraufhin stellt sich heraus, was wirklich passiert ist. Während Elísa umgebracht wurde, befand sich der Familienvater Sigvaldi auf einer Dienstreise im Ausland. Die Psychologinnen Silja und Freyja kümmern sich nach der schrecklichen Tat um Margrét, die traumatisiert ist. Freyja kümmert sich die folgenden Tage weiterhin um Margrét mit der Unterstützung des Polizeikommissars Huldar. Die Experten diskutieren, ob Margrét in einem Kinderhaus besser aufgehoben wäre als im Elternhaus. Die Großeltern sind dagegen, solange der Familienvater noch nicht zu Hause ist. Es stellt sich heraus, dass Margrét nicht nach Hause will. Somit wird entschlossen, dass Margrét bei Freyja zu Hause einzieht. Und dann wird die nächste Frau tot aufgefunden. Sie wurde auf derselben Art und Weise umgebracht wie Elísa. Und dann werden Zahlencodes bei Elísa gefunden. Diese Codes finden auch andere Personen. Was will der Serienmörder mit den Codes aussagen?
Yrsa Sigurdardóttir erzählt in ihrem Thriller ungeschönt die brutale Vorgehensweise eines Serienmörders. Die Abgrenzung zwischen der kindlichen Psyche und der Erwachsenenpsyche kann man gut erkennen. Margrét als Zeugin wirkt authentisch, die man beschützen möchte. Da in diesem Thriller parallel das Leben der Brüder Karl und Arnar erzählt wird, kommt dadurch Spannung in die Geschichte, weil man erfahren möchte wie nun die Brüder – gerade Karl, der mit seiner Art wie ein Außenseiter wirkt, was wiederum manchmal Eigenschaften von Tätern ist – mit dem Tod der Frauen im Zusammenhang stehen. Sigvaldi, die Großeltern und Margréts Brüder wirken eher als Randfiguren. Besonders interessant sind die Figuren Freyja und Huldar, weil man sie in ihrer dienstlichen und privaten Rolle beobachten kann. Man kann so viel verraten, dass sie beiden sich privat schon einmal begegnet sind, bevor Elísa umgebracht wurde.
Dieser Thriller zieht einen in Bann. Wer gerne nordische Krimis oder Thrillers liest, wird mit dem Auftakt-Thriller von Yrsa Sigurdardóttir um die Figuren Freyja und Huldar gut unterhalten. Es ist kein blutiger, aber ein emotional grausam erzählter Thriller. Die Thrillerleserschaft kommt auf ihre Kosten. Man kann hoffen, dass der zweite Fall für Freyja und Huldar genauso gut wird. Denn Psychologin und Kommissar sind ein gutes Gespann für gute Thriller.

Veröffentlicht am 03.06.2017

Verstörende Vergangenheitsgeschichte

The Girls
0

Evie Boyd ist noch ein Teenager und gerade einmal vierzehn Jahre alt. Ihre Eltern trennen sich. Evies Vater lebt mit der wesentlich jüngeren Tamar zusammen. Ihre Mutter lebt aktuell mit Frank zusammen. ...

Evie Boyd ist noch ein Teenager und gerade einmal vierzehn Jahre alt. Ihre Eltern trennen sich. Evies Vater lebt mit der wesentlich jüngeren Tamar zusammen. Ihre Mutter lebt aktuell mit Frank zusammen. Und dann ist Evie mit ihrer Mitschülerin Connie befreundet. Man könnte im ersten Augenblick denken, es ist eine durchschnittliche amerikanische Familie. Nein, es ist Sommer im Jahr 1969. Das Jahr des Sex, Drugs and Rock’n Roll. Evie lebt bei ihrer Mutter, fühlt sich bei immer weniger wohl seitdem Frank mit ihnen in einem Haus zusammenleben. Durch Zufall trifft sie Suzanne beim Einkaufen. Suzanne wirkt anders als Evies Mutter oder andere Frauen. Evie fasziniert diese Frau. Durch eine Art Mutprobe gelingt es Evie Anschluss an Suzanne und den anderen Frauen zu bekommen, mit denen Suzanne draußen auf einer Ranch lebt. Außerdem lebt dort noch Russel, dem das Haus gehört und wechselnde Sexualkontakte mit den dort lebenden Frauen hat. Das Leben wirkt spartanisch, dennoch fühlt sich Evie dort hingezogen. Endlich wird Evie wahrgenommen, was sie im Elternhaus vermisst. Aber diese Erfahrungen auf der Ranch bleiben nicht ohne Risiko.
Emma Cline gelingt es in ihrem ersten Roman eine Atmosphäre zu schaffen, die einer Vorstellung von Leben in den 1960er Jahren gleichen, wenn man sie nicht selbst erlebt hat. Die Menschen damals, die in den Tag hineingelebt haben, und deren Tagesrythmus aus Schlafen, Drogenkonsum und Gelegenheitsaufgaben bestand, bekommen hier diesen sogenannten Hippie-Touch. Bei dieser Geschichte stellt man sich häufig das Leben in Sekten vor, bei denen ein charismatischer Anführer – hier Russel – den Alltag dirigiert. Berauscht von unterschiedlichen Drogen können diese Menschen keinen Alltag wie andere Menschen, die ihrer Arbeit und Privatleben mit Familie nachgehen. Suzanne und die anderen Frauen spiegeln diese Lebenskultur wider. Evie scheint die pubertierende Tochter zu sein, die zu Hause rebelliert und auf der Ranch von Russel Anerkennung bekommt. Evies Mutter mit wechselnden Partnern ist nicht gerade das passende Vorbild für Evie. Ihr Vater lebt mit einer wesentlich jüngeren Frau zusammen. Tamar versucht zumindest sich in Evie hineinzuversetzen. Diese Geschichte wird aber nicht nur aus dem Jahr 1969 erzählt, sondern auch aus der Gegenwart. Denn Jahre später wirken die Ereignisse auf der Ranch noch nach.
Dieser Roman wirkt teilweise verstörend, weil man sich ein Leben, das von von-der-Hand-in-den-Mund-leben, Dreck, Drogen und sexuellen Praktiken geprägt ist, nicht vorstellen kann. Aber das wiederum die Genialität der Autorin, dass sie die Leserschaft dazu bringt, wütend oder traurig über die Lebensumstände der Figuren in diesem Roman zu sein. Manchmal scheinen die Szenen grenzwärtig, denn juristisch gesehen kann man von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen ausgehen. Da ich den Roman vor einigen Monaten im Original gelesen habe, fand ich die deutsche Übersetzung milder und nachvollziehbarer als in der Originalverfassung, die wesentlich härter wirkte.