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Veröffentlicht am 07.11.2018

Befreit von Unfreiheit

Befreit
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Diese autobiographische Erzählung der Anfang dreißigjährigen Tara Westover öffnet die Türen einer Familienwelt in einer ländlichen Idylle von Idaho in Amerika. Tara ist eines der jüngeren Kinder der Familie. ...

Diese autobiographische Erzählung der Anfang dreißigjährigen Tara Westover öffnet die Türen einer Familienwelt in einer ländlichen Idylle von Idaho in Amerika. Tara ist eines der jüngeren Kinder der Familie. Sie hat noch mehrere Brüder und Schwestern. Das Familienoberhaupt - der Vater – verschließt sich der Welt eines typischen Familienmenschen, indem er weder einer Arbeit in einem Unternehmen oder einer Institution nachgeht, der den zivilen Rechten und Pflichten beiwohnt sowie der restlichen Familie den Zugang zu Bildung und Aktivitäten versagt. Der Vater baut sein Leben und das seiner Familie auf einen Grundstein auf, so dass sie Jahrzehnte als Selbstversorger, Selbstheiler und Selfmade Erzeuger leben. Diese Familie gehört der religiösen Religionsgemeinschaft der Mormonen an. Vater und Mutter leben im tiefen Glauben an Gott und seine Offenbarungen, und lehren diese Lebensphilosophie ihren Kindern. Die Kinder genießen nicht das Privileg, eine öffentliche Schule oder Universität zu besuchen; erst später schaffen es neben Tara und zwei ihrer Brüder, sich weiterbilden zu können, und schließen höhere Bildungsabschlüsse ab.
Tara Westover erzählt ihre Lebensgeschichte von ihrem fünften Lebensjahr an. Ihre Kindheit und Jugend ist dadurch geprägt, dass sie zu Hause gemeinsam mit ihren Geschwistern von ihren Eltern unterrichtet wurde. Später half sie mit ihren Brüdern auf dem väterlichen Schrottplatz. Ihre Eltern konnten ihr viel Wissen dadurch beibringen, indem sie das praktische und alltägliche Wissen weitergaben. Bestimmte Bücher durften gelesen, darunter auch die biblische Texte. Bücher und andere soziale Artefakte wie Kleidung, Schminke und Musik galten als das Böse. Diese Dinge sollten nach Ansicht der Eltern den Menschen zu einem bösen Menschen verändern. Tara litt besonders darunter, denn sie war die einzige Tochter, die versuchte, sich neue Bildungsoptionen anzueignen und andere Lebensdinge kennenzulernen. Ihr Leben war zu Hause in Idaho wurde zu einem Spagat zwischen Unterwürfigkeit in der Familie und dem eigenem Durchsetzungsvermögen außerhalb der Familie, später auch bei ihren Eltern. Für Tara waren diese Jahre bis zum Ende ihrer zwanziger Jahre ein Lernprozess. Ein Prozess zur Selbstständigkeit, ihren Selbstwert sowie Selbstbewusstsein zu finden.
Diese (Lebens-)Geschichte in dem Buch zeigt auf, wie wichtig es ist, sich nicht manipulieren zu lassen und unterdrückt zu werden, sondern seinen eigenen Weg findet, wenn auch dieser manchmal kleine, manchmal große Steine im Weg liegen hat. Das Leben von Tara ist nicht insoweit nicht bedauernswert wie sie aufgewachsen ist, umso großartiger ist es, was sie aus ihrem Leben gemacht hat. Eine lesenswerte Lektüre, um sein eigenes Leben wertzuschätzen.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Familien und Freunde finden sich neu

Wo mein Herz dich findet
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In einem kleinen Ort in Irland lebt die Familie Connelly auf ihrem Anwesen Kerryhead Castle. Die Familie von Susan und Ian Connelly hatten einmal drei Kinder – Patrick, Isabel und Cara. Isabel kam bei ...

In einem kleinen Ort in Irland lebt die Familie Connelly auf ihrem Anwesen Kerryhead Castle. Die Familie von Susan und Ian Connelly hatten einmal drei Kinder – Patrick, Isabel und Cara. Isabel kam bei einem tragischen Ereignis ums Leben. Cara lebt mittlerweile in Cork außerhalb von Kerryhead, und reist nach einiger Zeit einmal wieder nach Hause. Bevor sie dort ankommt, muss sie einen Zwangsstopp einlegen aufgrund einer Autopanne. An einem Waldstück steht eine einsame Hütte. Dort lebt seit einigen Tagen Liam O’Bryne. Liam hilft Cara, damit sie mit ihrem Auto weiter fahren kann. Liam wirkt distanziert und kühl auf Cara, was sie wiederum neugierig macht. Als Cara auf Kerryhead ankommt, sind ihr Bruder und ihre zukünftige Schwägerin Jessica mitten in Hochzeitsvorbereitungen. Plötzlich taucht Caras Freundin Amy nach fast sechs Jahren wieder in dem Ort auf. Mit Amy ist Charlie, ihr fünfjähriger Sohn, den sie die ganzen Jahre allein groß gezogen hat. Anfangs hüllt sich Amy in Schweigen, was den Vater des Sohnes angeht. Ebenso weiß Cara nicht, wer Liam wirklich ist, bis Patrick seine Schwester mit Liam in einer eindeutigen Szene an der Hütte am Wald trifft.
Kathryn Taylor gelang es bei dieser Geschichte wieder einmal die Leserin in den Bann zu ziehen, was ihr gut gelingt durch ihren Erzählstil und spannungsgeladen Momenten bei manchen Szenen. Emotionen fehlen genauso wenig wie landschaftliche Szenen, in die die Geschichte eingebettet ist. Cara wurde zum Stadtmensch, womit sie anscheinend sehr glücklich ist. Amy dagegen vermisst mittlerweile das Landleben, und ihr Sohn braucht sogar die Landluft, weil er aufgrund des Stadtlebens erkrankt ist. So kommen die beiden Freundinnen wieder zusammen, als sie in Kerryhead Castle eintreffen. Beide Frauen werden mit Geheimnissen konfrontiert, entweder trägt eine von ihnen ein Geheimnis, oder sie werden mit einem Geheimnis überrascht. Sie erleben eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Denn die beiden männlichen Figuren Patrick und Liam tragen zu den Geheimnissen bei, entweder selbst, oder weil sie ebenfalls damit überrascht werden. Verzwickte Momente bringen Gefühlchaos und reißen alte Wunden auf, die bereits geschlossen waren. Diese Abwechslung von Emotionen von wütend und enttäuscht über traurig sowie romantisch und leidenschaftlich bis familiär liebevoll setzt die Autorin ein Potpourri zusammen, das bei der Leserschaft für eine gute Unterhaltung sorgt. Jede Figur überzeugt mit ihren jeweiligen Charakteren, was somit die Geschichte authentisch wirken lässt.
Dieser Liebesroman ist der zweite, den ich von Kathryn Taylor gelesen habe. Bei dieser Autorin ist mir zum ersten Mal in diesem Genre bewusst aufgefallen, dass sie ihrem Erzählstil und der gewissen Spannung beim Lesen treu geblieben ist.

Veröffentlicht am 22.10.2018

Fulminanter Abschlussband einer Trilogie

Der Kratzer
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Christine Lenève und Tobias Dom jagen eine Person, die sich der „Kratzer“ nennt, weil diese Person weiblichen Opfern Wörter in deren Oberschenkel ritzt. Tobias Dom – mittlerweile von seiner ehemaligen ...

Christine Lenève und Tobias Dom jagen eine Person, die sich der „Kratzer“ nennt, weil diese Person weiblichen Opfern Wörter in deren Oberschenkel ritzt. Tobias Dom – mittlerweile von seiner ehemaligen Frau Jasmin geschieden – trägt das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter Emma. Als Jasmin zum Opfer des Täters wird und Tochter Emma in Gefahr gerät, muss Tobias Dom handeln. Eigentlich haben sich Tobias, der als Kommissar in Berlin arbeitet, und die Journalistin Christine Lenève beim letzten Fall ziemlich gestritten, so dass sie sich lieber aus den Weg gehen wollen in Zukunft. Tobias als betroffener Angehöriger ist einerseits befangen, und Christine möchte andererseits Tobias helfen, um Emma zu retten. So müssen Christine und Tobias den alten Fall des Kratzers aufrollen. Denn vor gut sieben Jahren konnte der Kratzer Tobias entwischen. Jasmin ist seither das siebte Opfer. Es soll kein achtes Opfer geben. Deshalb müssen Christine und Tobias schnell handeln, um die Absichten des Kratzers zu entschlüsseln.
Oliver Ménard erzählt im letzten dritten Band seiner Trilogie mit den beiden Hauptfiguren Christine Lenève und Tobias Dom einen spannenden und psychologischen Abschluss. Zunächst ist zu erwähnen, dass der Täter mehr im Mittelpunkt steht als die Opfer. Jasmin und Emma spielen Randfiguren. Dafür tragen die Bezugspersonen des Täters umso mehr Bedeutung. Denn der Täter war vor gut sieben Jahren psychologisch vorbelastet. Tobias und Christine stellen sich immer wieder die Frage, warum der Täter die Frauen geritzt und ausbluten lassen hat. Was bedeuten die Botschaften, die er hinterlässt. Das Leben des Täters müssen Christine und Tobias von hinten aufrollen, und finden dabei erstaunliche Hinweise. Christine spiegelt eine toughe und emotionale Frau wider. Als Journalistin geht sie professionell vor, als zukünftige Ehefrau wirkt sie eher sensibel und nachdenklich. Tobias stellt eher den besorgten Vater dar, der um das Leben seiner Tochter kämpft. Seine Rolle als Kommissar und Vater verwischt sich diesmal. Oliver Ménard ist es gelungen, das Duo konstant authentisch darzustellen, indem die Charaktere stabil und nachvollziehbar blieben. Ebenso konnte man sich gut in die Umgebungen der Handlungsorte hineinversetzen, wobei man als Leserin nicht unbedingt an jedem dieser Handlungsorte sein möchte wie zum Beispiel ein ehemaliger russischer unterirdischer Bunker mitten im Wald mitten im Winter.
Der Abschluss der Trilogie gefiel mir ebenso gut wir die beiden Vorgängerbände „Federspiel“ und „Das Hospital“. Im letzten Band laufen die Fäden der beiden vorherigen Bücher zusammen. Psychologische Spielchen des Autors und seine Figuren überzeugen, sodass man durchweg spannend unterhalten wird.

Veröffentlicht am 22.10.2018

Schicksalsjahre dreier Frauen

Alligatoren
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Von drei Frauen in drei unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten in Amerika des 20. Jahrhunderts, als Afroamerikaner noch Bedienstete in den bürgerlichen Familien waren, handelt dieser Roman. Gertrude ...

Von drei Frauen in drei unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten in Amerika des 20. Jahrhunderts, als Afroamerikaner noch Bedienstete in den bürgerlichen Familien waren, handelt dieser Roman. Gertrude Pardee lebt mit ihrem Mann Alvin in einer kinderreichen Familie auf dem Land. Sie haben nicht viel Geld, nur harte Arbeit mit Hilfe der Kinder halten sie über Wasser. Annie Coles ist eine bürgerliche Ehefrau eines amerikanischen Industriellen, die für die Bewohner im Umfeld Arbeit bieten. Die beiden haben zwei Söhne, wobei ein Sohn in den Augen des Vaters ein Versager ist. Mutter und Sohn verbünden sich, als sie eine neue Existenz aufbauen wollen. In dieser neuen Aufgabe geht der Sohn regelrecht auf. Oretta Bootles ist eine verheiratete Afroamerikanerin, die seit vielen Jahren bei der Familie Coles arbeitet. Schon ihre Mutter arbeitete bei den Coles. Alle drei Frauen stehen in Verbindung mit einander, vor allem durch Arbeit, aber auch Schicksalsmomente bringen die Frauen zusammen. Gertrude sorgt von einem Augenblick auf den anderen für eine Wendung in ihrem Leben, die sich auf die ganze Familie auswirken wird.
Deb Spera beschreibt in ihrem Roman drei unterschiedliche Frauencharaktere, die in Reichtum und minderwertige Armut leben. Oretta stellt eine Figur dar, die die Vermittlerin zwischen Reichtum und Armut ist. Sie kennt beide Seiten als Angestellte in einer Industriellenfamilie, aber auch die Kehrseite der Sklaverei, die ihre Familie erleben musste in der Vergangenheit. Gertrude will nicht länger unter ihrem brutalen Mann leiden, und sorgt dafür, dass er eben nicht mehr der brutale cholerische Ehemann ist. Nicht nur finanziell, sondern auch emotional bricht für Gertrude eine Welt zusammen. Annie plagen Gewissensbisse, wenn sie an die Erziehung ihrer Söhne denkt, aber auch sie ist nicht befreit von Problemen. Trotz konventioneller Unterschiede der drei Frauen, gelingt es der Autorin, eine solidarische Zugehörigkeit zu schaffen, indem die Schicksale die Frauen zusammengebracht haben. Sie helfen sich gegenseitig, weil ihre Männer, bis auf den Ehemann von Oretta, ein dominantes Leben führen, in dem die Frauen zurück stecken müssen. Man erlebt die Frauen beim Lesen sehr nah, weil aus deren jeweiligen Perspektiven erzählt wird. So wirken sie authentischer und lebendiger.
Diese Geschichte erzählt einen ernsten Hintergrund aus einer Zeit, die man vor Jahrzehnten in den Südstaaten Amerikas stattgefunden haben könnte. Frauenunterdrückung in reichen und armen Familien, die eine klare Rollenverteilung darstellen. Eine berührende Geschichte über Frauen, die sich durch ihr Leben kämpfen. Mein persönliches Lesehighlight im Herbst 2018.

Veröffentlicht am 21.08.2018

Fesselnder Thriller

Die letzte Terroristin
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Morde von hochrangigen Persönlichkeiten in deutschen Großstädten befassen den BKA-Ermittler Andreas Kawert, seinen Vorgesetzten Jacobi und die Kollegen und Kolleginnen Stetner, Maria Burckhardt und Iris ...

Morde von hochrangigen Persönlichkeiten in deutschen Großstädten befassen den BKA-Ermittler Andreas Kawert, seinen Vorgesetzten Jacobi und die Kollegen und Kolleginnen Stetner, Maria Burckhardt und Iris Kawert - letztere seine Noch-Ehefrau – nach der Wende in den 1990er Jahren. Der V-Mann Gereon wird auf RAF-Terroristen angesetzt, um deren Aktivitäten zu beobachten. Allerdings will Gereon nach einigen Jahren plötzlich aufhören, als V-Mann zu arbeiten. Bevor Gereon seine letzten Informationen an Andreas Kawert weitergeben kann, finden die Beamten ihn ermordet auf. Vier RAF-Terroristen, darunter zwei Frauen und zwei Männer, geraten ins Visier des BKAs. Lars und Matthias agieren im Hintergrund, dagegen handeln Bettina und Sandra an vorderer Front der Aktivitäten. Sandra war früher mit der Tochter des Top Managers Hans-Georg Dahlmann befreundet. Dahlmann wurde nach der Wende zum Chef der Treuhand in Berlin. Die RAF fädelt die Kontakte ein, so dass Sandra als Dahlmanns Assistentin eingestellt wird. Als Dahlmann dahinter kommt, welche Wahrheit hinter der Treuhand und deren Aktivitäten stecken, macht Dahlmann sich mehr als nur einen Feind. Die RAF will Dahlmann töten, weil er aus deren Sicht die Figur des deutschen Imperialismus darstellt. Als Dahlmann in seinem Haus im Beisein seiner Familie getötet wird, begehen Sandra und Bettina die Flucht, denn sie wissen, dass sie ihn nicht getötet haben.
André Georgi geht in die Vergangenheit der deutschen Geschichte zurück. Der Mauerfall, die Treuhandgesellschaft und die 3. Generation der Roten Armee Fraktion spielen in diesem Thriller einen zentralen historischen Hintergrund. Drei Gruppierungen werden zum Mittelpunkt in diesem Thriller: die RAF, die Angehörigen der Treuhand und die deutsche Bundesregierung in Vertretung des BKA. Der Autor verstrickt die Geschichte der RAF mit der Geschichte der Treuhand, indem er in die Vergangenheit der DDR, der Stasi Aktivitäten und deren Funktionäre zurückgeht. Er bringt die Hintergründe der RAF Aktivitäten zusammen, wobei man feststellt, dass er diese Aspekte sehr nah an der Realität erzählt. Genauso zeigt der Autor Einblicke in die Arbeit des BKA und der GSG 9, die nach dem Deutschen Herbst 1977 gegründet wurde. Die Figuren wirken authentisch, aber die Atmosphäre eher bedrückend, weil diese von Flucht, Angst und Gefahr geprägt ist. Jäger und Gejagte stehen sich gegenüber, und letztendlich geht es darum, wer gewinnt und wer verliert. Frauen wirken in ihren Handlungen dominant und provokativ. Männerfiguren stellen eher typische Männerrollen dar, die entweder als Marionette oder Machtspieler agieren. In dem Moment, als es in die Tiefen der RAF und des BKA bei der Erzählung geht, entwickelt sich die Geschichte zu einem fesselnden Thriller.
Anfangs empfand ich den Thriller eher als historischen Roman des 20. Jahrhunderts. Aber ich denke, dass dieser Einstieg in die Geschichte des Thrillers nötig gewesen ist, um die historischen Zusammenhänge verstehen zu können. Für mich stellt diese Geschichte einen fesselnden (Polit-)Thriller dar, der Einblicke in die damalige Zeit gegeben hat.