"Bald schon ist Weihnachtszeit, fröhliche Zeit..." Humbug!
Die silberne KöniginIch erinnere mich noch gut, wie ich mich als Kind in der Vorweihnachtszeit gefühlt habe. Ich war voller Euphorie, habe mit meiner Oma Weihnachtsplätzchen gebacken und Wunschzettel für den Weihnachtsmann ...
Ich erinnere mich noch gut, wie ich mich als Kind in der Vorweihnachtszeit gefühlt habe. Ich war voller Euphorie, habe mit meiner Oma Weihnachtsplätzchen gebacken und Wunschzettel für den Weihnachtsmann gebastelt. Meine Mom ist gerne am frühen Abend mit mir über den Weihnachtsmarkt gelaufen, wenn es bereits dunkel war und die Sternenlaterne am Nordturm der Johanneskirche leuchtete, wie eben jener Stern von Bethlehem. Es roch nach kandierten Früchten und gebrannten Mandeln, an einigen Ständen nach Räucherwerk und wenn dann endlich Heilig Abend war und ich meine Geschenke auspacken und damit spielen durfte, war ich ein glückliches Kind. Heute bin ich der Grinch oder Ebenezer Scrooge, nur das mich der Geist der Weihnacht nicht heimsuchen will. Nein, Weihnachten hat für mich nichts Schönes, Verklärtes mehr, sondern bedeutet nur Stress, Gedrängel und Geschiebe über den Weihnachtsmarkt, die Rennerei nach den Geschenken und wenn die Feiertage dann endlich angebrochen sind, das Aufteilen zwischen meiner Familie und der von meinem Freund. Ich sag es ja, Stress. Dabei will ich doch nur eine Charles Dickens - Weihnacht, eine Nussknacker und Mäusekönig - Weihnacht oder wenigstens durch die verschneite Plauener Altstadt spazieren (denn die erinnert mich stets an Dickens Christmas Carol), damit überhaupt ein wenig Stimmung aufkommt. Aber ach... sucht mich dieses Jahr vielleicht doch noch der Geist der Weihnacht heim? Ein Märchen hat sich still und heimlich seinen Weg durch die schlechte Stimmung gebahnt, die mich immer überfällt, wenn ich an Weihnachten denke.
Darum geht es:
"Silberglanz ist eine beschauliche Stadt in einer winterlichen Welt. Doch die Schönheit der von glitzerndem Schnee bedeckten Landschaft ist trügerisch. Seit Jahrzehnten ist das Land im ewigen Winter gefangen, es droht unter den Schneemassen zu ersticken. Alles ändert sich, als die 24-jährige Emma in die Chocolaterie von Madame Weltfremd kommt und diese ihr ein Märchen erzählt, das Märchen der silbernen Königin. Denn darin verborgen liegt die Wahrheit – über den Winterfluch, über den kaltherzigen König und über Emma selbst …"
Katharina Seck´s Roman hat mir ein Stück verklärte Winter-Weihnachtsromantik zurückgebracht. Nicht nur, dass dieses Märchen für Erwachsene in einem wunderbaren Stil geschrieben wurde, der den Leser einfängt, mitnimmt und nicht mehr loslässt, bis man den letzten Satz gelesen hat, nein, ich habe mir auch alle im Buch beschriebenen Orte bildlich vor mir gesehen und ich habe jetzt noch eine genaue Vorstellung von Madame Weltfremds Chocolaterie, wie sie aussieht, wie es dort riecht - nach Holzfeuer und heißer Schokolade (jedes mal, wenn mich die Geschichte in die Chocolaterie geschickt hat, hatte ich Heißhunger auf Schokolade) . Ich bin den ganzen langen, teilweise haarsträubenden und Weg mit der Hauptprotagonistin Emma gegangen, hatte ebenso kalt Füße wie sie, hab mir wegen des dreimal verfluchten Königs (Achtung, Insider-Wortspiel !) bald die Haare gerauft und ihm zum Ende hin geschworen, wenn ich jemals mit ihm unter einer Bettdecke liegen müsste, aus Rache für die Nerven, die er mir geraubt hat, meine Eiskalten Füße an die warmen Beine zu halten. Und ich liebe dieses Wintermärchen. Und ich habe mich beim Lesen auf eine gemütliche Récamière vor einen Kamin gewünscht, in eine warme, weiche Decke gekuschelt, eine Tasse heiße Schokolade, die auf einem Tischchen neben dem Sitzmöbel fröhlich vor sich hin dampft, während der Geruch von Weihrauch-Räucherkerzchen die Luft erfüllt.
Ich danke Bastei Lübbe, dass ich an dieser wunderbaren Leserunde zu "Die silberne Königin teilnehmen durfte. Jetzt bin ich ein Bisschen weniger grinchig.