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Veröffentlicht am 07.06.2020

Manchmal sind Autoren eben die besseren Geschichtslehrer

Das hungrige Krokodil
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Mit dem Prager Frühling und seinen Folgen habe ich mich, bevor ich "Das hungrige Krokodil" las, nie wirklich beschäftigt. Sicher, dieser war in unzähligen historischen Romanen, die ich las und die die ...

Mit dem Prager Frühling und seinen Folgen habe ich mich, bevor ich "Das hungrige Krokodil" las, nie wirklich beschäftigt. Sicher, dieser war in unzähligen historischen Romanen, die ich las und die die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts anhand einer schicksalhaften Familensaga erzählten, Thema, ich muss aber zugeben, dass mich die Geschichte nach 1961 noch nie wirklich vom Hocker gerissen hat. Woran es genau liegt, weiß ich nicht zu sagen. Vielleicht, weil wir im Geschichtsunterricht in der Mittelschule ausschließlich über die DDR gesprochen haben und meine Geschichtslehrerin das Thema gelangweilt und genervt herunterrasselte, was zur Folge hatte, dass ich regelmäßig im Unterricht entschlief. Vielleicht wurde der Prager Frühling auch thematisiert, aber ich habe es verpennt... Sei es drum.

Manchmal sind Bücher die besseren Geschichtslehrer. Oder die Autoren, die sie schreiben. Wie Sandra Brökel. Wenn Sandra Brökel eine Bedienungsanleitung für eine Bohrmaschine schreiben würde, würde ich sie lesen. Ihr Schreibstil fängt ihre Leser ein, nimmt sie mit auf die Reise und lässt sie nicht mehr los, bis man die letzte Seite gelesen hat. So auch beim Lesen ihres Buches "Das hungrige Krokodil".

"Das hungrige Krokodil" ist die Lebensgeschichte von Dr. Pavel Vodák, ein renommierter Kinderarzt und Psychiater. Man begleitet ihn durch seine Jugendzeit, als er die Besetzung seines Heimatland durch die Nationalsozialisten miterleben muss, als jungen Arzt, der sich um die befreiten KZ-Häftlinge von Theresienstadt kümmert und als Unterstützer der Reformpolitik, die den Sozialismus menschlicher gestalten sollte. Man erlebt Pavel aber auch als einen zutiefst entmutigten Mann, der nach der Niederschlagung des Prager Frühlings keine Zukunft mehr für sich und seine Familie in der Tschechoslowakei und keinen anderen Ausweg mehr sieht, als aus seinem Heimatland zu flüchten. Und man begleitet ihn auf seiner Flucht und fiebert mit, dass ihm diese gelingt.

Durch Sandra Brökels unvergleichlichen Schreibstil ist man nicht nur Leser der Geschichte, man wird zu Pavel und sieht seine und einen großen, wichtigen Teil der tscheschischen Geschichte durch seine Augen. Ein wunderbares, lesenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 01.06.2020

Kästner geht eigentlich immer!

Als ich ein kleiner Junge war
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Wir befinden uns immernoch in Dresden. Dieses Mal geht es in die Neustadt zu einem meiner Lieblingsautoren: Erich Kästner.

In "Als ich ein kleiner Junge war" schreibt Kästner autobiographisch von seiner ...

Wir befinden uns immernoch in Dresden. Dieses Mal geht es in die Neustadt zu einem meiner Lieblingsautoren: Erich Kästner.

In "Als ich ein kleiner Junge war" schreibt Kästner autobiographisch von seiner Kindheit während der Kaiserzeit, die abrupt mit dem Beginn des ersten Weltkrieges endet. Er erzählt undvom Wohnen in der Königsbrücker Straße, von seiner Mutter, die ihn abgöttisch liebt und alles dafür tut, daß der kleine Erich seinem Wunsch gemäß mal Lehrer werden kann, von Wanderungen und lebensmüden Fahrradtouren und der Via des Onkels am Albertplatz, in der sich heute das Erich-Kästner-Museum befindet.

Wie ich dieser Tage in einer Buchhandlung zu einer Dame sagte, die neben mir den Fabian von Kästner aus dem Regal holte: "Kästner geht eigentlich immer." Ich liebe seinen Schreibstil, der im Gegenteil zu seinen Zeitgenossen niemals antiquiert oder schwulstig ist, der einen abholt und auf jede Reise mitnimmt, die uns Erich Kästner zugedacht hat. Ob Kinderbuch, Gedichtband, Tagebuch oder ein biographisches Werk wie "Als ich ein kleiner Junge war", Kästner ist und bleibt ein großartiger Autor.

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Veröffentlicht am 01.06.2020

Dresdner Villenzauber?

Die Frauen der Rosenvilla
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Ach ja, Dresden: das schöne Elbflorenz hat es mir zur Zeit mal wieder besonders angetan: Die Barock-, Rokkoko- und Renaissancebauten in der Altstadt, das Elbufer mit seiner Brühlschen Terrasse, die vielen ...

Ach ja, Dresden: das schöne Elbflorenz hat es mir zur Zeit mal wieder besonders angetan: Die Barock-, Rokkoko- und Renaissancebauten in der Altstadt, das Elbufer mit seiner Brühlschen Terrasse, die vielen heute noch erhaltenen Villen, der Weiße Hirsch, der große Garten, Pfunds Molkerei... Ach ja, diese Stadt ist einfach nur wunderschön und ich freue mich, bald wieder mal einen Tagesausflug nach Dresden zu unternehmen.

Vor allem hab ich es zur Zeit ja mit den Dresdner Villen. In keiner Sächsischen Stadt sind trotz der Bombardements im zweiten Weltkrieg so viele Villen heil geblieben und später wieder restauriert wurden. Meine Großeltern väterlicherseits hatten sogar bis ca. 2006 noch in einer gewohnt, einen Katzensprung vom Großen Garten entfernt, bevor sie erst nach Thüringen und dann später zu meiner Tante nach Gütersloh verzogen sind. Manchen Sommer habe ich also in Dresden zugebracht und kenne es daher ziemlich gut. Und auch das Villenviertel rund um den Größen Garten (Dresden-Gruna).

Für Villen hege ich eine Faszination, seit ich als Kind eine Puppenvilla von Playmobil geschenkt bekommen habe, komplett im Stil des frühen 20. Jahrhunderts. Sogar die Figuren trugen Kostüme aus jener Zeit. Ich wollte seitherschon immer wissen, wie es ist, selbst in solch einem Prachtbau zu wohnen und hatte durch die Wohnung meiner Großeltern einen vagen Einblick in diese Zauberwelt.

Kürzlich bin ich dann über Teresa Simons "Die Frauen der Rosenvilla" gestolpert. Die Geschichte dreht sich zwar um eine Villa in Blasewitz, aber Dresden ist nun mal Dresden und Villa ist Villa, also war es abzusehen, dass das Buch in meinen Besitz wandert.

Der Anfang las sich schon recht spannend. Gärtner finden beim Setzen der Rosenpflanzen eine alte Geldkassette mit brisantem Inhalt. Zwischen allerlei Nippes, der für irgendwen einmal wichtig war, liegen alte Tagebuchseiten, die die Geschichte der Hausbewohnerinnen erzählen. Drei Generationen, drei Schicksale. Anna, die heutige Besitzerin der Rosenvilla, muss die Tagebuchseiten nur in die richtige Reihenfolge bringen, um mehr über die Geschichte ihres Hauses zu erfahren. Dabei hilft ihr ihre beste Freundin und Buchladen-Besitzerin Hanka. Doch je mehr sie der Vergangenheit und sogar der ihres Großvaters, näher kommt, desto mehr hüllen sich ihre Eltern in Schweigen. Sie wollen nicht, dass Familiengeheimnisse ans Licht kommen.

So spannend, wie der Einstieg war, so frustrierend war das Gemauere von Annas Familie. Ich hasse es schon in meiner eigenen Familie, wenn etwas im Argen ist und sich meine Verwandtschaft alles mühsam aus der Nase ziehen lässt, das Unangenehmes totgeschwiegen werden soll und dass sich keiner traut, dem anderen zu sagen, was ihm nicht passt, daher hat mich das Verhalten von Annas Familie ziemlich genervt und mir die Geschichte leider auch ein wenig versauert. Schade. Ich hatte dann auch zwischendurch "Die Frauen der Rosenvilla" erst einmal zur Seite gelegt und etwas anderes gelesen, weil ich das Gefühl hatte, die Geschichte tritt auf der Stelle. Als ich das Lesen wieder aufnahm, wurde es auch wieder spannend, allerdings raste die Handlung dann auch ziemlich eilig aufs Ende zu. Und dass der Kerl, der noch Tage vorher stocksauer auf Anna war und nach dem Lesen der Tagebuchseiten dann auf einmal in so heißer Liebe zu ihr entbrannt war, dass beide nach einem One Night Stand in seiner Beziehung steckten und er sie nie wieder gelassen wollte, war zwar vielleicht romantisch, kam aber dann doch einen Ticken zu überhastet daher. Die Geschichte hatte so vielversprechend angefangen, wurde dann langatmig, dann wieder spannend und der Schluss kam so daher, als müsse die Geschichte abrupt zum Ende kommen. Das finde ich sehr Schade, auch, dass ich nicht das selbe Lesevergnügnen empfunden habe, wie meine Lieblingsbuchbloggerin, die mir das Buch und auch die Autorin wärmstens empfohlen hatte. Trotz allem ist es kein schlechtes Buch, hat es mich doch zumindest unterhalten und findet bei anderen Lesern zum Glück den Anklang, den es bei mir leider nicht finden konnte.

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Veröffentlicht am 01.06.2020

Old but Gold

Mariana
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Es war Ende letzten Jahres, als ich meiner Mom von Ulrich Tukurs "Die Spieluhr" erzählte und wir sehr mich die Geschichte gefesselt hatte. Ich hatte Tukurs Novelle an einem trüben Novemberabend 2013 angefangen ...

Es war Ende letzten Jahres, als ich meiner Mom von Ulrich Tukurs "Die Spieluhr" erzählte und wir sehr mich die Geschichte gefesselt hatte. Ich hatte Tukurs Novelle an einem trüben Novemberabend 2013 angefangen zu lesen, obwohl ich eigentlich für meinen bevorstehenden Umzug nach Leipzig packen sollte und konnte das Buch erst wieder aus der Hand legen, als ich es komplett durchgelesen hatte. Ich war für 3 Stunden einfach aus dem Hier und Jetzt verschwunden und war völlig im Zauberbann der Geschichte gefangen. Die Novelle ist ein Sprung durch die Zeit zwischen mehreren Epochen des 20. Jahrhunderts und dem Barock und wegen ihrer Außergewöhnlichkeit zu einem meiner Lieblingsbücher geworden.
Meine Mom erzählte mir daraufhin, dass meine Erzählung sie an das Buch "Mariana" erinnere, dass sie in den Neunzigern gelesen hatte und legte mir das Buch ans Herz.
Im Mai hab ich mir dann Mariana gebraucht bestellt, um beim Eintreffen erst einmal festzustellen, dass ich nicht due Mariana-Geschichte von Susanna Kearsley bestellt habe, die ich eigentlich lesen wollte, sondern die von Monica Dickens. Doof. 🙈 Na dann lese ich eben beide. 🤷‍♀️ Aber zuerst habe ich mich Kearsleys Werk gewidmet und das während des Lesens von "Die Frauen der Rosenvilla" von Teresa Simon, weil ich nicht so recht in deren Geschichte hineinfand. In "Mariana" dafür umso schneller. Arbeitsbedingt konnte ich die Geschichte zwar leider nicht an einem Tag durchlesen, wie bei der Spieluhr, dennoch habe ich nur wenige Tage gebraucht, um hindurchzufliegen. Danach klappte es dann komischerweise auch mit den "Frauen der Rosenvilla" besser.

Zum Inhalt von Mariana: Als Julia Beckett noch ein Kind war, hatten sich ihre Eltern auf dem Weg zu ihrer Tante verfahren und sind in einem kleinen verschlafenen englischen Dorf gelandendet. Der Vater Julias muss sein Auto abrupt abbremsen, da vor ihm ein rotes Katzentier auf der Straße sitzt. Dabei entdeckt Julia das alte Haus, ihr Haus, was ihr gleich beim ersten Anblick bewusst wird, vergisst es aber wieder, bis sie sich einige Jahre später mit ihrem Bruder Thomas wieder verfährt, wieder im selben Ort landet und abermals ein rotes Katzentier vor ihnen auf der Straße sitzt, weshalb sie auch dieses Mal bremsen müssen. Julia ist klar, dass sie das Haus unter allen Umständen haben muss und als sie kurz darauf erbt, kauft sie sich das alte Gebäude und zieht in das kleine verschlafene Dorf. Sie wohnt noch nicht lange dort, da passieren plötzlich seltsame Dinge. Sie scheint in der Zeit zurückzureisen, ins 17. Jahrhundert und dort das Schicksal von Mariana Farr zu durchleben, die sich in den Adligen Richard de Mornay verliebt. Was hat es damit auf sich? Wird Julia verrückt oder sind die Flashbacks eine Art zweite Realität?
Ich bin tatsächlich froh, dass meine Mom mir das Buch empfohlen hat, denn hätte ich es nicht gelesen, hätte ich ein Großartiges Stück Literatur verpasst. Leider gibt es das Buch nur noch gebraucht, meiner Meinung nach sollte es aber wieder aufgelegt werden, denn "Mariana" sollte jeder Fan von Zeitreiseromanen einmal gelesen haben. Er ist wirklich wunderschön.

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Veröffentlicht am 24.05.2020

Ein Ermittlerduo gegen Standesdünkel, Snobismus und alle bestehenden Konventionen

Die Tote in der Sommerfrische
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1912, das ist das Jahr, in dem mein Uropa geboren worden und das Jahr, in dem die Titanic auf ihrer Jungfernfahrt sank. Keine zwei Jahre später sollte der erste Weltkrieg ausbrechen, aber das konnte zu ...

1912, das ist das Jahr, in dem mein Uropa geboren worden und das Jahr, in dem die Titanic auf ihrer Jungfernfahrt sank. Keine zwei Jahre später sollte der erste Weltkrieg ausbrechen, aber das konnte zu dem Zeitpunkt noch keiner ahnen, mal abgesehen von allen größeren europäischen König- bzw. Kaiserreichen, die schon zu diesem Zeitpunkt wettrüsteten und fleißig mit den Säbel rasselten.

1912 ist auch das Jahr, in dem Viktoria Berg in die Sommerfrische nach Norderney fährt, ein Reise, die ihr Vater ihr spendiert, in der Hoffnung, dass sie dort einen netten jungen Mann kennenlernt, anstatt ihrem Traum, Lehrerin zu werden, nachgeht. In der Sommerfrische trifft sie unverhofft auf ihre alte Freundin Henny, der sie einst das Lesen und Schreiben gelehrt hat. Auch Henny hat große Träume und denkt nicht daran, sich an einen Mann zu binden.

Zur selben Zeit trifft Christian Hinrichs auf Norderney ein, ein junger Journalist, der auf der Flucht vor der Hamburger Polizei ist, seit ihm ein Interview völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Deshalb ist er auch in die Redaktion einer Damenzeitschrift gewechselt. Kurz darauf soll auch er im Auftrag seines Verlegers nach Norderney reisen und dort über die Reichen und Schönen in der Sommerfrische berichten. Bei einem Strandspaziergang sieht Christian die Leiche der armen Henny im Wasser treiben und zieht sie an den Strand. Dabei läuft ihm Viktoria über den Weg und muss mit Entsetzen feststellen, dass ihre alte Freundin tot ist. Aber was ist passiert? Henny wäre nie im Leben ins Wasser gegangen. Da muss etwas Anderes dahinterstecken. Gemeinsam mit Christian Hinrichs rekonstruiert sie die Stunden vor Hennys Tod und begibt sich auf Abwegen.

Ein spannender historischer Krimi mit Herz, Seele und zwei für ihre Zeit recht emanzipierte junge Frauen, die gegen alle Widerstände zum Trotz ihren Weg gehen, mit snobistischen Adligen, kapitalistischen Fabrikanten, Intrigen und Erpressung und einem ganz und gar nicht vorhersehbaren Ende.

Ich freue mich schon darauf, wieder einmal mit Viktoria und Christian auf Ermittlertour zu gehen und kann eine Fortsetzung von "Die Tote in der Sommerfrische" kaum erwarten.

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