Atmosphärisch dicht erzählt, erweckt Whitehead das Harlem in den 60er Jahren zum Leben.
Harlem ShuffleBeschreibung
Ray Carney ist Geschäftsmann und führt im Harlem der 1960er Jahre einen Möbelladen. Doch das Geschäft läuft schlecht, vielen Kunden gewährt er Kredit, zu viel Kredit, und so kann er sich ...
Beschreibung
Ray Carney ist Geschäftsmann und führt im Harlem der 1960er Jahre einen Möbelladen. Doch das Geschäft läuft schlecht, vielen Kunden gewährt er Kredit, zu viel Kredit, und so kann er sich das Einkommen für sich und seine Familie nur durch etwas Hehlerei nebenbei sichern.
Durch seinen Cousin Freddy, der für ihn wie ein Bruder ist, wird er in einen Coup im legendären Hotel Theresa hineingezogen und rutscht immer tiefer in die Ganovenszene Harlems. Polizei und Gangster werden zu regelmäßigen Gästen in seinem Laden und die Gefahr, dass ihm sein Doppelleben um die Ohren fliegt, wird immer größer…
Meine Meinung
Der mehrfache Pulitzer-Preisträger Colson Whitehead hatte mich bereits mit seinen Romanen »Underground Railroad«, welcher von einem geheimen Fluchtnetzwerk schwarzer Sklaven handelt, und »Die Nickel Boys«, bei dem es über Rassentrennung und Gewalt in einer Besserungsanstalt für Jugendliche geht, schwer begeistert.
In Colson Whiteheads neuestem Roman »Harlem Shuffle« nimmt sich der Autor den Stadtbezirk Harlem von New York City in den 1960er Jahren vor und liefert dieses Mal keinen schockierenden und berührenden Roman über Rassismus, sondern eine astreine Gaunergeschichte vor dem lebendigen und sich wandelnden Harlem mit seinen Stilikonen wie z. B. das Hotel Theresa. Eine Art Hommage an Harlem, den Mittelpunkt des schwarzen Lebens in New York City seit Mitte des 20. Jahrhunderts, welches bis heute von den afroamerikanischen Traditionen geprägt ist.
Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Geschäftsmann Ray Carney, der stolz auf seinen Möbelladen ist und das Herz am rechten Fleck trägt, das kommt besonders dann zum Tragen, wenn er seinen Kunden immer wieder Ratenzahlungen anbietet, obwohl es die finanzielle Situation nicht hergibt. Nebenbei vertickt er immer wieder heiße Ware, vornehmlich Radios und Fernseher, was ihm das nötige Kleingeld liefert, um seine Familie über die Runden zu bringen. Seine Schwiegereltern hätten sich allerdings eine bessere Partie für ihre Tochter gewünscht und auch Ray möchte insgeheim eine schönere Wohnung und mehr Platz für den anstehenden Familiennachwuchs.
Carney ist zuversichtlich, dass er mit seiner legalen Arbeit und dem kleinen Zubrot alles erreichen kann, was er sich wünscht, doch dann zieht ihn sein Cousin Freddy, der wie ein Bruder für ihn ist, in einen größeren kriminellen Coup als Hehler. Zunehmend schlittert Carney in die Verstrickungen von Harlems Banditen und versucht den Spagat zwischen Gutbürger und Ganove zu meistern, ohne seine Familie in Gefahr zu bringen.
Randnotiz in Colson Whiteheads Ganovenstück »Harlem Shuffle« bleiben die Konkurrenz und Ungleichheiten zwischen weißen und schwarzen Geschäftsleuten, die Arbeit von Ray Carneys Frau in einem Reisebüro, welches sichere Reisepläne und Informationen für die schwarze Bevölkerung anbietet, und auch die Unruhen nach der Ermordung des Schülers James Powell durch einen weißen Polizisten im Juli 1964 tauchen als Puzzlestück im Gesamtbild auf, ohne einen zu großen Raum einzunehmen.
Ich habe es sehr genossen mit Ray durch Harlem zu schlendern, in die dicht gewebte Atmosphäre seiner Möbelwelt abzutauchen und eine Kostprobe der illegalen Szene von Harlems Kriminellen zu bekommen. Allerdings muss ich sagen, dass mich die Geschichte nicht so berühren konnte wie ich es von seinen vorherigen Romanen gewohnt war. Außerdem hätte ich mir gewünscht, dass Rays Frau auch etwas mehr Aufmerksamkeit bekommt, denn in den Grundzügen fand ich diese Figur sehr reizvoll und man hätte sicherlich etwas mehr aus ihrer Rolle machen können. Star des Romans bleibt für mich daher New York Citys berühmter Bezirk Harlem.
Fazit
Atmosphärisch dicht erzählt, erweckt Whitehead das Harlem in den 60er Jahren zum Leben. Allerdings konnte mich diese Ganoven-Geschichte nicht ganz so sehr mitnehmen, wie es »Underground Railroad« oder »Die Nickel Boys« vermochten.
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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 28.09.2021