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Veröffentlicht am 04.03.2018

Zurück ins Leben

Liebe unter Fischen
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"Je weniger die Dinge um mich werden, umso mehr werde ich"

Alfred Firneis hat mit 2 Lyrik-Büchern den Nerv der Zeit getroffen und damit seiner Verlegerin Susanne Beckmann eine gesicherte Existenz beschert. ...

"Je weniger die Dinge um mich werden, umso mehr werde ich"

Alfred Firneis hat mit 2 Lyrik-Büchern den Nerv der Zeit getroffen und damit seiner Verlegerin Susanne Beckmann eine gesicherte Existenz beschert. Nun geht es dem Verlag nicht so gut und Firneis soll nachlegen. Der aber verlottert so langsam in seiner Kreuzberger Wohnung. Nach einem physischen und psychischen Zusammenbruch will aus dem Kerker seiner schlechten Gewohnheiten – saufen, zweifeln, fürchten, verzweifeln – ausbrechen und macht sich auf den Weg zu einer aus Lärchenholz gebauten Hütte in Grünbach am Elbsee in Österreich. Hier trifft er auf die Limnologin Mara, die ihm erklärt, wie die Elritzen Liebe machen - und ist ganz hin und weg.

Obwohl er sich als Ekel und irgendwie unnahbar gibt, war mir Alfred "Fred" Firneis von Angang an recht sympathisch. Schon seine Ansage auf dem Anrufbeantworter "Bitte hinterlassen sie keine Nachricht: Ich rufe nicht zurück" finde ich witzig und hat mich für ihn eingenommen. Ich würde jetzt gerne neben ihm und dem jungen Revierförster August mit Lederhose und Nixentatoo, den ich auch sehr mag, vielleicht weil er das genau Gegegenteil zu Fred ist, auf der kleinen Bank vor der Hütte am See sitzen und mir seine Lebensweisheiten anhören. Ich finde es rührend, wie sich Fred ohne Elektrizität und warmes Wasser versucht in der Einsamkeit einzurichtren. Freds Verlegerin Susanne kommt mir sehr egoistisch, nur auf sich und den Verlag bedacht und manipulativ vor. Mara dagegen halte ich für etwas naiv, sie lässt sich manipulieren, merkt aber noch gerade rechtzeitig, was ihr wichtig ist.

Die Geschichte ist nach Tagen aufgeteilt, und enthält anfangs auf der Hütte meist Briefen, zuerst nur von Fred an Susanne, bis sie dann auch antwortet. Gerade die Briefe lassen noch vielmehr als die vorhergehenden und die folgenden Gespräche tief in Freds Seele blicken. Hier und da schien mir die Handlung etwas verworren, fügt sich aber zum Schluss hin zu einem kompletten Ganzen zusammen.
Der Schreib- und Erzählstil ist leicht und flüssig und ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Der Bucheinband weist auf Daniel Glattauers "Gut gegen Nordwind" hin, das ich auch gelesen habe. Mir persönlich hat "Liebe unter Fischen" noch einen Tick besser gefallen.

Ich habe gute Unterhaltung mit nicht alltäglichen Charaktären bekommen.

Veröffentlicht am 01.03.2018

Trauer und Humor liegen eng beieinander

Für immer ist die längste Zeit
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Madeline "Maddy" ist von der Bibliothek des Wellesley College gesprungen. Bei der Frage nach dem Warum geraten Ehemann Brady, ein Arbeitstier, und die 17-jährige Tochter Eve in einen Strudel aus Trauer, ...

Madeline "Maddy" ist von der Bibliothek des Wellesley College gesprungen. Bei der Frage nach dem Warum geraten Ehemann Brady, ein Arbeitstier, und die 17-jährige Tochter Eve in einen Strudel aus Trauer, Verzweiflung und der Frage nach ihrer eigenen Schuld. Maddy versucht aus einer Art Zwischenwelt immer noch Einfluss auf das Handeln und die Gedanken der Beiden zu nehmen.

Bei dem Thema Selbstmord habe ich mir zuerst überlegt, ob ich das Buch überhaupt lesen will. Aber nun, nachdem ich es getan habe, bin ich richtig gehend froh. Sonst hätte ich einen wunderbaren emotionalen Debütroman versäumt.

Die Geschichte wird in jedem Kapitel aus drei Perspektiven, jeweils in der Ich-Form, erzählt. Ich begleite zuerst Maddy in ihren Gedanken, die z.B. für ihren Mann eine neue Frau sucht. Sie hat zuweilen einen recht bissigen Humor und ich verstehe gar nicht, warum sie sich wohl umgebracht hat. Dann erfahre ich, mit welchen Gedanken sich Eve beschäftigt. Gerade ist ihr nicht danach als Rettungsschwimmerin Leben zu retten. Lieber liest sie Maddys Tagebuch und tut mir manchmal leid, wenn sie reflecktiert, wie ihre Mutter sie und Brady gesehen hat. Und als Dritter darf ich die Gedanken von Brady lesen, der unter Verfolgungswahn leidet, weil alle Frauen der Straße ihm etwas meinen vorbeibringen und ihn bemuttern zu müssen. Schön finde ich, wie er und Eve sich in ihrer Trauerbewältigung langsam immer mehr annähern und wie er versucht, seine Teenagertochter zu verstehen.

Maddy habe ich von Anfang an sehr gemocht. Und auch Eve hat bald einen Zugang zu mir gefunden. Mit Brady habe ich mich anfangs richtig schwer getan. Er beginnt zu trinken, rastet immer wieder aus und igelt sich ein. Er macht in der Geschichte für mich die größte positive Entwicklung durch und erkennt, dass er bisher ausser seiner Arbeit eigentlich an nichts Interesse hatte. Auch nicht an seiner Familie.
Alle Handelnden kommen sehr menschlich rüber, mit ihren Ecken und Kanten, ihren Gefühlen und ihrer Zuversicht.

Dass in dieser Geschichte die Gefühle, Gedanken und Sehnsüchte im Vordergrund stehen, hat mir sehr gut gefallen. Ich brauchte immer mal wieder eine kleine Pause um über einiges nachzudenken.

Ich habe schon lange keine so tiefgründige Familiengeschichte gelesen, die so berührend, traurig, emotional und spannend zu lesen war. Wo die Protagonisten schlussendlich aber auch so zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Vor allem der Schluss kam für mich doch sehr überraschend und hat mir im Nachhinein einiges klar werden lassen. Der Roman lässt mich mit einer feinen Gänsehaut zurück.

Ein Buch, das man unbedingt gelesen haben sollte.

Veröffentlicht am 01.03.2018

Sehr blutig, aber gut

Gründerjahr
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Die Fährmänner Gottes

1918: Kurt Eisner hat gerade erst den Freistaat Bayern ausgerufen, da werden kurz hintereinander 3 junge, blonde, blauäugige Frauen ermordet und bestialisch zugerichtet. Eine weitere ...

Die Fährmänner Gottes

1918: Kurt Eisner hat gerade erst den Freistaat Bayern ausgerufen, da werden kurz hintereinander 3 junge, blonde, blauäugige Frauen ermordet und bestialisch zugerichtet. Eine weitere Frau kann der Bestie entkommen. Kriminaloberinspekor Karl Weinberger, sein Kriminalassistent Hubert Ratgeber und der vom Straßendienst ins Kriminalamt berufene Martin Brandl gelingt es zwar, den Mörder der Frauen ausfindig zu machen. Aber als sie ihn festsetzen wollen, gelingt ihm die Flucht.
1948: Wieder werden in den Isarauen junge, blonde Frauen ermordet. Oberinspektor Hans Weinberger, der in die Fußstapfen seines Großvaters Karl getreten ist, erinnert sich an die Morde, von denen sein Opa erzählt hat, als er noch ein kleiner Stepke war. Zusammen mit seinem Kriminalassistenten Severin Maier und Major Joe Singer von der amerikanischen Polizei in München gelingt es, den Täter endlich zu verhaften.
2017: Die Journalistin Julia Weinberger, die Kopien der Akten von 1918 und 1948 ihres Ururopas und ihres Opas besitzt, will die Fälle von damals für einen Zeitungsartikel aufarbeiten. Denn schon wieder gibt es tote Frauen in der bayerischen Landeshauptstadt nach den gleichen Mustern von damals. Sie kommt dem Trittbrettfahrer ganz nah und bringt sich damit in höchste Lebensgefahr.

Mit Michael Gerwiens Protagonisten darf ich mal wieder durch mein München schlendern. Durch die Isarauen, Ober- und Untergiesing, Sendling und zum Cafe Mozart am Sendlinger Tor nimmt er mich mit. Ich genieße es, wenn ich die Schauplätze kenne und direkt vor meinem inneren Auge sehen kann.

In diesem Krimi geht es richtig blutig zu. Die detailgenauen Beschreibungen waren mir hier und da etwas zuviel. Wenn ich z.B. lese, was und mit welchem Genuss der Mann so alles isst, wird mir ganz schlecht. Andererseits gehören die Details dazu, wenn man den Mörder mit seinen irren und wirren Gedanken besser kennenlernen will.

Die Spannung habe ich trotz der Grausamkeiten etwas vermisst. Sie kam bei mir immer nur dann auf, wenn die Kommissare nahe am Mörder oder Entführer dran waren. Ansonsten finde ich die Geschichte recht unaufgeregt und locker. Was aber der Lust am Lesen keinen Abbruch tut.

Da sich die Geschichte über 100 Jahre hinzieht, lerne ich auch sehr viele Menschen in ihrer jeweiligen Zeit kennen.
Hier haben mir 1918 Karl Weinberger und besonders seine Frau Marlene sehr gut gefallen. Die Hausfrau, die nun trotz aller Knappheit immer wieder versucht durch Handel und Tauschgeschäfte Leckereien auf den Tisch zu bringen. Und die für die Nöte und Sorgen ihres Mannes immer ein offenes Ohr hat.
Auch Rosi Steinbauer vom Steinbauerhof in Taufkirchen, die 1948 mit der Frau von Kommissar Hans Weinberger in Kontakt kommt und Julia, die Journalistin, waren mir sofort sympathisch.

Ein interessanter Krimi, der sich über 100 Jahre hinzieht, der mich mitgenommen und sehr gut unterhalten hat. Nur der Titel passt für mich, jetzt, wo ich die Geschichte gelesen habe, nicht so richtig.

Veröffentlicht am 25.02.2018

Ein spannender Wirtschaftskrimi

Schöngeist
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Nach ca. 30 Seiten wollte ich das Buch eigentlich schon beenden. Habe mir dann aber die gefundenen Rezensionen angeschaut – und darauf gewartet, dass ich genau so empfinde, wie die Leser, die dieses Buch ...

Nach ca. 30 Seiten wollte ich das Buch eigentlich schon beenden. Habe mir dann aber die gefundenen Rezensionen angeschaut – und darauf gewartet, dass ich genau so empfinde, wie die Leser, die dieses Buch absolute empfehlenswert finden. Dann hat es auch nicht mehr lange gedauert und ich war gefangen.

Thomas Schöngeist, ein Wirtschaftanwalt aus der Kanzlei Meyer & Schöngeist in Würzburg, soll die Brosinski AG, die ihren Sitz in seinem kleinen Heimatort Blaukirchen hat, mit ausgefeilten Verträgen vor ihrem Untergang bewahren.
Schöngeist, der mehr mit sich selbst, seiner Vergangenheit und seinem Liebesleben beschäftigt ist als mit dem ihm angetragenen Fall, hat eine Zeit gebraucht, bis er mir sympathisch wurde.

Die Geschichte wird in der Gegenwart erzählt und ich fühle mich viel mehr mittendrin als nur als Leserin dabei. Ich schwimme mit Investmentberatern, Firmenbossen, renditengeilen Finanzkanibalen, die sich Genies nennen, und Wirtschaftsmanagern wie in einem Haifischbecken und muss aufpassen, dass ich alles mitbekomme, was relevant scheint.

Das Register am Schluss der Geschichte, in dem die handelnden Personen beschrieben werden, war mir eine große Hilfe, da ich immer mal wieder nachschlagen konnte, wenn mir die Verbindungen untereinander mal wieder nicht ganz klar waren.
Ein geheimnisvolles Verwirrspiel, ein Schuss Erotik und tiefsinnige Gedanken rundet das Verwirrspiel über eine Firmenübernahme, die dann doch keine wurde, ab. Die drastische Wende am Schluss hatte ich absolut nicht erwartet. Obwohl ich nicht alles bis ins Kleinste durchschaut habe, hatte ich doch beste Unterhaltung.

Auch wenn es etwas gedauert hat: Im Rückblick bin ich einfach nur begeistert.

Veröffentlicht am 13.02.2018

Eine wunderbare zarte Romanze in Wien

Ein Winter in Wien
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Endlich scheint auch ihr, der 18-jährigen Marie Haidinger von einem ärmlichen Bauernhof, das Glück holt zu sein. Nachdem sie ihr Vater nach der Schulzeit auf einen angrenzenden Bauernhof verschachtert ...

Endlich scheint auch ihr, der 18-jährigen Marie Haidinger von einem ärmlichen Bauernhof, das Glück holt zu sein. Nachdem sie ihr Vater nach der Schulzeit auf einen angrenzenden Bauernhof verschachtert hatte, sie sich in einer Küche hat anstelen lassen, als Kinderfrau und Abwäscherin in einer Wirtschaft gearbeitet hat, ist sie nun bei dem Schriftsteller Arthur Schnitzler in Wien alsKindermädchen gelandet. Seine beiden Kinder Heinrich und Lili wollen schon nach kurzer Zeit nicht mehr, dass sie wieder weg geht. Aber sieht ihr Dienstherr das genau so? Marie würde so gerne bleiben, auch weil sie gerade einen jungen Mann kennengelernt hat. Oskar Novak ist Buchhändler und als die Beiden sich das erste Mal gegenüber stehen, sieht man die Funken buchstäblich fliegen.

Petra Hartlieb nimmt mich mit ins wienerische Milieu um 1910. Sie hat die Sprache derdamaligen Zeit angepasst und so bin ich noch näer an diesem Zeitgeist dran. Ich lerne kleine Teile der winterlich verschneiten, im Weihnachtsfieber steckenden Stadt kennen, höre hier und da den wienerischen Dialekt heraus und lasse mich von der kleinen Liebesgeschichte zwischen Oskar und Marie verzaubern.
Aber es sind nicht nur die heiteren sondern auch die ernsten Töne, die diese Geschichte zu etwas ganz Besonderem machen. So lernt Marie sehr schnell die Unterschiede zwischen der ärmlichen Bevölkerung und der gehobenen Oberschicht kennen. Immer wieder erinnert sie sich an die Worte ihrer Oma, bevor sie von zuhause fort ging: "Marie, du gehst mal in die Stadt und wirst in einem schönen Haus wohnen. Wirst einmal in einem feinen Lokal essen und das Theater besuchen." Das mit dem schönen Haus hat sich ja schon mal bewahrheitet. Und der Theaterbesuch wird auch folgen, denn sie bekommt von Schnitzler zu Weihnachten ein Billet für eine Theateraufführung.

" Ein Winter in Wien" ist eine wunderschöne, leichte, leise weihnachtlich angehauchte Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe. Nun freue ich mich auf den Frühling in Wien.