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Veröffentlicht am 08.01.2017

Beängstigendes Verwirrspiel - Realitätsverlust oder Wirklichkeit

Nach einer wahren Geschichte
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Der schriftstellerische Erfolg ist für Delphine ein zweischneidiges Schwert. Ihre Leser erwarten einen neuen Bestseller von ihr, doch ihr bleiben die Ideen aus. Gerade in diesem Moment der Krise taucht ...

Der schriftstellerische Erfolg ist für Delphine ein zweischneidiges Schwert. Ihre Leser erwarten einen neuen Bestseller von ihr, doch ihr bleiben die Ideen aus. Gerade in diesem Moment der Krise taucht L. in ihrem Leben auf. Ganz selbstverständlich und scheinbar uneigennützig kümmert sie sich um Delphine, wird ihre Vertraute und beste Freundin. Doch Delphine entdeckt Ungereimtheiten an deren Identität und erste Zweifel kommen ihr an L.'s Aufrichtigkeit. Sie versucht sich zu lösen, Abstand zu gewinnen, aber L. übernimmt die Kontrolle, bis es fast zu spät ist.

Delphine de Vigan spielt gekonnt mit der menschlichen Vorstellungskraft. Schon bevor man die ersten Szenen erlebt, beginnt das Spiel. Zufall, dass die Hauptprotagonistin den gleichen Vornamen wie die Autorin trägt oder erzählt sie ihre eigene Geschichte? Ist es möglich, dass man fremd bestimmt gegen den eigenen Willen gesteuert wird, ohne es zu merken, es sogar als Hilfe ansieht? Unvergleichlich gut gesprochen von Martina Gedeck erlebt man im Hörbuch das facettenreiche Spiel um Fiktion und Wirklichkeit.

Schon zu Beginn erfährt man, dass L. - im französischen ausgesprochen "elle" also "sie" - von Delphine für ihre Schreibblockade verantwortlich gemacht wird. Das Warum steht hier im Vordergrund.

"Heute weiß ich, dass einzig und allein L. der Grund für meine Schreibunfähigkeit war. Und dass mich die beiden Jahre, in denen wir in Beziehung standen, fast endgültig zum Schweigen gebracht hätten."

Delphine erzählt in der Ich-Form von ihrer Begegnung mit L., einer Ghostwriterin. Anfänglich harmlos entsteht ein Disput der Frauen, über den Inhalt des neuen Romans. Dabei wird gekonnt die Autor-Leser-Beziehung betrachtet. Wie viel darf ein Autor von sich selbst aufgeben, um die Erwartungshaltung seiner Leser nicht zu enttäuschen. Dann fassungslos, verfolgt man den Wandel der beiden Frauen. Die anfänglich zurückhaltende L., die Delphine als Autorin schätzt, übernimmt mehr und mehr deren Rolle. Kopiert ihr Aussehen, übernimmt als Doppelgängerin Lesungen und beantwortet deren E-Mails oder ist dies nur eine Erfindung von Delphine, die mit ihrem Erfolg nicht zurechtkommt.

Man stellt sich die Frage, ob dies eine Erfindung von Delphines Krise sein kann oder dies alles wirklich geschehen ist? Der Roman wandelt sich zum Psychothriller, der Steven Kings Kapitelüberschriften immer ähnlicher wird. Ein kluges Verwirrspiel beginnt, an dessen spannungsgeladenem Ende man nicht sagen kann, welcher Version man nun Glauben schenken soll.

Dieser Roman hat mich nicht von Anfang an in seinen Bann gezogen, am Ende aber alle Register gezogen, um mich sprachlos zurückzulassen.

Veröffentlicht am 06.01.2017

Fulminantes Abenteuer voller Rätsel und Spannung

Der Blackthorn-Code - Das Vermächtnis des Alchemisten
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Für den Waisenjungen Christopher Rowe in London des 17. Jahrhunderts ist es ein Glücksfall, dass er als Lehrling beim Apotheker und Alchemisten Benedict Blackthorn aufgenommen wurde. Er lernt nicht nur ...

Für den Waisenjungen Christopher Rowe in London des 17. Jahrhunderts ist es ein Glücksfall, dass er als Lehrling beim Apotheker und Alchemisten Benedict Blackthorn aufgenommen wurde. Er lernt nicht nur Heilmittel herzustellen, sondern wird auch mit der Wissenschaft vertraut gemacht. Bis zum Abschluss seiner Lehre wäre er hier gut aufgehoben, doch unheimliche Morde passieren in der Stadt und sein Meister wird bedroht. Zusammen mit seinem Freund Tom will Christopher dem Geheimnis der Mörder auf die Schliche kommen.

Kevin Sands ist mit seinem Debüt-Roman ein sehr spannender historischer Jugendbuchroman gelungen. Die Geschichte begeistert nicht nur die Altersgruppe ab 11 Jahren, für die das Buch empfohlen wird. Durch den Ich-Erzähler Christopher Rowe erlebt man London im Jahre 1665 sehr bildhaft und lebendig. Es stinkt, ist schmutzig, laut und voller Gefahren. Wer hier überleben will, muss sich an die Regeln halten. Fasziniert folgt man Christopher in die Welt der Alchemisten und staunt über ungewöhnliche Rezepturen, die nicht nur als Heilmittel eingesetzt werden. Es qualmt, knallt und explodiert, wenn Christopher wieder einmal unerlaubt die Mixturen seines Meister für Experimente nutzt.

"Der Knall riss mir beinahe beide Ohren ab. Ich sah eine Flammenzunge und dann eine Rauchwolke, und dann schlug die Röhre nach hinten wie der Huf eines aufgebrachten Ochsen."

Meister Benect Blackthorn ist ein gutmütiger Meister, der über manche Dummheit Christophers hinwegsieht, denn er erkennt in ihm einen schlauen und gelehrigen Schüler. Deshalb weist er ihn auch in geheime Verschlüsselungs-Codes für seine Rezepturen ein und gibt ihm schwierige Rätsel zu lösen, die den Jungen unbewusst auf eine große Aufgabe vorbereiten. Besonders diese Rätsel machen einen besonderen Reiz aus, denn als Leser knobelt man ein ums andere Mal mit, wie sich denn wohl ein geheimnisvoller Würfel oder eine Tür öffnen lassen.

Die Mischung aus Geschichte, geheimnisvoller Alchemie und spannender Mörderjagd fesselt und lässt einen in die Handlung eintauchen. Auf die Fortsetzung bin ich schon sehr gespannt.

Veröffentlicht am 03.01.2017

Schicksalhaftes Paris - Hommage an eine Stadt

Rendezvous im Café de Flore
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Im Jahr 1928 träumt die junge Vianne davon, Botanikerin im Jardin des Plantes in Paris zu werden. Doch bis zum Erreichen des Ziels muss sie hart arbeiten. David, ein englischer Maler, wird ihre große Liebe. ...

Im Jahr 1928 träumt die junge Vianne davon, Botanikerin im Jardin des Plantes in Paris zu werden. Doch bis zum Erreichen des Ziels muss sie hart arbeiten. David, ein englischer Maler, wird ihre große Liebe. Durch ihn lernt sie die lebenslustige Künstler-Avantgarde und das Bohème-Leben kennen. Doch dann kommt der Krieg. Ein Bild einer Frau übersteht die Jahrzehnte und wird im Musée d´Orsay von Marlène überrascht betrachtet. Denn sie erkennt sich selbst auf diesem Gemälde. Marlène möchte mehr über diese Frau erfahren und erfährt dabei nicht nur etwas über ihre Familie, sondern auch über sich selbst.

Paris, eine Metropole, die wie keine andere Stadt für ein Lebensgefühl steht. Caroline Bernard hat ihre Leidenschaft für diese Stadt mit französischem Esprit gekonnt in bunte, sprechende Bilder umgesetzt. Zusammen mit Vianne und Marlène schlendert man durch die Straßen, bestaunt die Sehenswürdigkeiten und lässt sich von dem besonderen Flair gefangen nehmen.

"Das ist das Schöne an Paris. Ganz egal, wo man sich befindet, in jeder Straße kann man eine Entdeckung machen und dem Zauber dieser Stadt erliegen."

In zwei Zeitebenen stehen zwei sehr unterschiedliche Frauen und ihre Beziehungen im Vordergrund. Besonders die mutige Vianne ist bewundernswert und sehr stark beschrieben. Anfang der 30er-Jahre flieht sie vor dem vorgezeichneten Weg aus der Provinz nach Paris. So wie sie zog es viele Menschen vom Land in die Stadt: „Monter à Paris“, „nach Paris aufsteigen“, nannte man es. Sie wählt einen für diese Zeit noch ungewöhnlichen Weg. Statt sich durch eine Heirat abzusichern, lebt sie in einer freien Beziehung mit dem Maler David zusammen. Auch in der Kriegszeit kehrt sie der Stadt nicht den Rücken, sondern schließt sich der Résistance an und steht für eine Vielzahl von Frauen, die ihr Leben riskierten.

Die zweite Hauptprotagonistin ist die Mittvierzigerin Marlène, die in der heutigen Zeit mit ihrer Ehe hadert. Erst eine Reise mit ihrem Mann nach Paris weckt ihre Lebensgeister und ihre fast schon vergessene Leidenschaft für die Stadt. Als ehemalige Kunsthistorik-Studentin führt sie ihr Weg ins Museum und damit in einen neuen Lebensabschnitt.

Mir hat dieser stimmungsvolle Roman sehr gefallen. Paris ist auf jeden Fall eine Reise wert und man spürt durchgehend die Leidenschaft und Leichtigkeit dieser Stadt. Vianne ist eine starke Romanfigur, die man nicht so schnell vergisst.

Veröffentlicht am 31.12.2016

Faszination Animox - magische Tierwesen mitten unter uns

Animox 1. Das Heulen der Wölfe
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Als Außenseiter, der mit Tieren spricht, hat es der 12-jährige Simon in New York eigentlich schon schwer genug. Doch als ihn ein alter Adler vor Gefahr warnt und eine Ratteninvasion Jagd auf ihn macht, ...

Als Außenseiter, der mit Tieren spricht, hat es der 12-jährige Simon in New York eigentlich schon schwer genug. Doch als ihn ein alter Adler vor Gefahr warnt und eine Ratteninvasion Jagd auf ihn macht, beginnt ein spektakuläres Abenteuer für den Jungen. Auf der Flucht verlieren sich Onkel, Mutter und Simon aus den Augen und es bleibt keine Zeit für Erklärungen. Um so überraschter ist Simon, als er erfährt, dass er ein Animox ist, ein Mensch, der sich in ein Tier verwandeln kann.

Aimée Carter hat eine Kinderbuch-Reihe für die Lesegruppe ab 10 Jahren geschrieben. Um so überraschter war ich, als ich meinem Sohn zuliebe, das Buch las und nicht mehr aufhören konnte. Eigentlich sage ich nichts zu Covern. Doch hier muss ich eine Ausnahme machen. Der Wolf zieht einen magisch und und haptisch ist es ein Erlebnis, das Cover zu streicheln. Sehr gelungen.
Magisch, spannend und fesselnd geht es in der Welt der Animox zu. Eigentlich gehören alle Tierreiche zusammen: die Säuger, Reptilien, Insekten, Vögel und Wassertiere. Doch ein alter Kampf zwischen Gut und Böse hat sie entzweit.

Simon ahnte von all dem nichts, denn seine Mutter hat ihn bewusst fern der Animox bei seinem Onkel aufwachsen lassen. Zusammen mit Simon entdeckt der Leser die Welt der Gestaltwandler mitten in New York. Ein wenig erinnert die Szenerie an Harry Potter auf tierische Art. Es gibt eine Schule, die die zukünftigen Herrscher der Tierreiche auf ihre Rolle vorbereitet. Gespannt verfolgt man Kämpfe, in denen sich Jungen und Mädchen in ihren Tierrollen messen. Die Charaktere sind lebendig und bildhaft beschrieben, bergen aber auch Geheimnisse, die erst am Ende offenbart werden.

Plötzlich hat Simon eine große Familie, deren Mitglieder nicht alle von seinem Erscheinen begeistert sind. Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, wer auf Simons Seite steht. Das Geheimnis seiner Familie wird erst nach und nach gelüftet und nur durch Hilfe neuer Freunde findet Simon seinen Weg. Man fiebert mit ihm mit und bangt ein ums andere Mal, ob er der Gefahr die ihm droht, entkommen kann.

Bis zum Ende bleibt es spannend und abwechslungsreich. Denn erst der letzte Satz birgt eine der größten Überraschungen.

Ein gelungener Auftakt für eine magische Kinderbuch-Reihe, die sicherlich viele Leser in ihren Bann ziehen wird. Unsere Familie wartet schon sehnsüchtig auf die Fortsetzung.

Veröffentlicht am 29.12.2016

Hoffnung überwindet Ängste

Lautlose Nacht
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Arktische Kälte, die tödlich sein kann, ewige Nacht und Einsamkeit, umgeben Mutter und Tochter. Auf der Suche nach dem todgesagten Vater und Mann fahren Yasmin und ihre zehnjährige Tochter Ruby in einem ...

Arktische Kälte, die tödlich sein kann, ewige Nacht und Einsamkeit, umgeben Mutter und Tochter. Auf der Suche nach dem todgesagten Vater und Mann fahren Yasmin und ihre zehnjährige Tochter Ruby in einem Truck ins Nirgendwo Alaskas. Ein gewaltiger Sturm zieht auf, der erfahrene Trucker vom Fahren abhält, doch Yasmin fährt weiter. Lebensgefährlich ist diese Fahrt schon jetzt, doch dann taucht auch noch ein geheimnisvoller Verfolger auf.

Rosamund Lupton ist es gelungen einen hochdramatischen, atmosphärischen und authentischen Alaska-Roman zu schreiben. Die unbeschreibliche Schönheit und gleichzeitig tödliche Naturgewalt Alaskas wird hier so spürbar beschrieben, dass man während des Lesens tatsächlich meint, die Kälte zu spüren.

"Es hatte aufgehört zu schneien. Die Luft war gleißend hell, kristallin und unfassbar durchsichtig. Noch einen Tick klarer, und man hätte jedes einzelne Luftmolekül sehen können. Als wäre die ganze Szene zu rein und zu scharf, um wahr zu sein."

Durch wechselnde Erzählperspektiven aus Sicht von Mutter und Tochter kommt man den Charakteren sehr nah. Sympathie empfindet man sofort für die kleine Ruby, die trotz ihrer Gehörlosigkeit sehr selbstbewusst und überzeugend handelt, über sich hinauswächst. Yasmin muss man erst kennenlernen, um sie wirklich einschätzen zu können.

Physikerin Yasmin hat sich mit der Zeit von ihrem Ehemann Matt, dem Dokumentarfilmer, entfernt. Seine immer längeren Abwesenheiten und die Begeisterung für Alaska kann sie nicht teilen. Für die gehörlose Ruby ist ihr Vater dagegen eine wichtige Bezugsperson, mit der sie ihre Gedanken und Ideen austauscht. Mutter und Tochter wollen Matt in Alaska besuchen, um die Familie wieder zusammenzuführen, doch ein schreckliches Unglück scheint für Matt den Tod bedeutet zu haben.

Obwohl die meiste Zeit der Handlung in einem Truck spielt, erhöht sich der Spannungsbogen kontinuierlich. Die Autorin versteht es mit kleinen, aber kraftvollen Details immer wieder für unvorhersehbare Momente zu sorgen. Man spürt die Angst der beiden Menschen, die nicht nur der Willkür des Wetters, sondern auch ihren persönlichen Ängsten ausgesetzt sind.

Am Ende überschlagen sich die Ereignisse und man verfolgt atemlos das überraschende Geschehen.

Dieser Roman fesselt nicht nur durch Spannung, sondern auch durch Emotionalität und Information. Man bekommt ein Gefühl für die Unberührtheit dieser Landschaft, die so schützenswert und wertvoll ist.