Schuldig oder nicht, das ist hier die Frage
Perfect DayIm Thriller „Perfect Day“ von Romy Hausmann stehen in mehrfacher Hinsicht Gefühle im Mittelpunkt. Sie sind es auch die die Protagonistin Ann nicht ruhen lassen und antreiben, um die Unschuld ihres Vaters ...
Im Thriller „Perfect Day“ von Romy Hausmann stehen in mehrfacher Hinsicht Gefühle im Mittelpunkt. Sie sind es auch die die Protagonistin Ann nicht ruhen lassen und antreiben, um die Unschuld ihres Vaters zu beweisen. Die Musik des Songs „Perfect Day“, gesungen von Lou Reed und veröffentlicht 1972, löst bei Ann Erinnerungen an einen schönen Sommertag vor 17 Jahren aus. Doch der Text sorgt bei ihr durch die letzten Liedzeilen für Furcht.
Es ist Heiligabend im Jahr 2017 als die Welt für Ann zusammenbricht. Wie aus dem Nichts steht ein Einsatzkommando der Polizei anstelle des erwarteten Pizzaboten vor der Tür und verhaftet ihren Vater, einen angesehenen Professor der Philosophie und Anthropologie. Er wird angeklagt, in den vergangenen Jahren fast jährlich ein kleines Mädchen ermordet zu haben, immer auf die gleiche Weise. Die 24-jährige Germanistikstudentin Ann, die in Berlin lebt, kann das nicht glauben, denn ihr Vater hat sich nach dem frühen Tod ihrer Mutter immer gut um sie gekümmert. Bei ihm fühlt sie sich geborgen, er ist für sie ihr Zuhause.
In ihrem Thriller verarbeitet die Autorin die verschiedensten Emotionen, die Ann bei ihrer Suche nach Beweisen erfährt. Es ist ein Wechselbad der Gefühle für die Protagonistin. Neben der Liebe zu ihrem Vater vermischen sich Wut über seine Verhaftung, Trauer über ihre Hilflosigkeit und Angst vor der Wahrheit. In ihren Gedanken kehrt Ann häufiger zu schönen, aber auch manchen verstörenden Erinnerungen zurück.
Neben den von Ann erzählten Ereignissen im Jahr 2017 fügt Romy Hausmann Abschnitte ein, die mit „Wir“ überschrieben sind und von einer unbekannten Figur erzählt werden, die offensichtlich ein Kind in ihrer Gewalt hat. Eine zeitliche Einordnung ist schwierig. Diese Einfügungen steigern die Spannung nochmals. Für eine Anhebung der Spannungskurve sorgen außerdem Einschübe, die im Jahr 2021 spielen und offensichtlich ein Verhör des Täters darstellen. Beide Einschiebsel lassen völlig offen, ob Anns Unschuldsvermutung über ihren Vater richtig ist und sorgen für einen Lesesog.
Gelegentlich gaukelte die Autorin mir eine Scheinwelt vor, in die sich Ann aufgrund ihrer aufgewühlten Stimmung begibt. Ihre Vorstellungen waren erschreckend. Ich war erleichtert, darüber zu lesen, dass Ann bei ihren Ermittlungen nicht ganz auf sich allein gestellt ist. Denn als Tochter eines vermutlichen Mörders erfährt sie zunächst, dass sich Freunde und Bekannte von ihr abwenden. Bald stellt sich heraus, dass es gefährlich sein kann, Ann zu unterstützen. Romy Hausmann hat dazu einige überraschende Wendungen eingebunden.
Von Beginn an ist es schwierig zu entscheiden, ob man den Vater von Ann für schuldig hält oder nicht und das ist selbstverständlich ganz im Sinne der Autorin. „Perfect Day“ von Romy Hausmann baut zunehmend Spannung auf und hält sie bis zum Schluss, auch durch den besonderen Schreibstil und unerwartete Entwicklungen. Sehr gerne empfehle ich den Thriller weiter.