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Veröffentlicht am 10.11.2021

Der sechste Band der Reihe mit dem Hamburger Ermittler Danowski

Danowski: Hausbruch
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Der Hamburger Hauptkommissar Adam Danowski wird im Buch „Danowski: Hausbruch“ von Till Raether bereits zum sechsten Mal in einem Kriminalfall tätig. Jedoch befindet er sich gerade zu einer Rehabilitation ...

Der Hamburger Hauptkommissar Adam Danowski wird im Buch „Danowski: Hausbruch“ von Till Raether bereits zum sechsten Mal in einem Kriminalfall tätig. Jedoch befindet er sich gerade zu einer Rehabilitation in einer Kurklinik an der Ostsee. Seit den Vorfällen der Ermittlungen im fünften Band der Serie ist einige Zeit vergangen, in der Adam zum Team von seiner Kollegin Meta gehörte, die die Sonderkommission Sexualisierte Gewalt leitete. Im Laufe der Geschichte blickt Danowski auf die jüngste Vergangenheit zurück, in der ihn ein Geiselnehmer in seiner Gewalt hatte. Damit hängt sein Aufenthalt im Kurheim unmittelbar zusammen. Während er versucht, die Ereignisse in diversen Anwendungen der Klinik psychisch zu verarbeiten, geschieht dort ein Mord, in den er mit einbezogen wird.

Die vorliegende kriminelle Handlung folgt nicht dem sonst üblichen Ablauf mit Delikt und der dann folgenden Ermittlungstätigkeit, sondern ist sehr viel subtiler. Erst spät kommt Spannung auf. Während Danowski, der seinen trockenen Humor nicht verloren hat, sich viele Gedanken über Alles und Jeden macht, vor allem aber über weitere Behandelte in der Klinik, lässt Till Raether einen parallelen Handlungsstrang in Hamburg-Hausbruch spielen. Ein noch unbenannter Mann und seine Frau haben dort ein Haus gekauft. Dieses Paar spielt im weiteren Verlauf der Geschichte eine wesentliche Rolle.

Aufgrund seiner vorigen Zugehörigkeit zur Sonderkommission bringt Danowski die benötigten Einblicke in die Beweggründe für die Handlungen des besagten Paars mit. Der Autor versucht dem Lesenden zu vermitteln, wie sexualisierte Gewalt ausgeübt wird und welche Chancen es für das Opfer gibt, sich davon zu lösen. Wie schwierig es ist, als Außenstehende darauf zu reagieren, zeigt sich anhand des Tuns von Meta und Danowski. Dabei wird die Kluft zwischen gesetzmäßigem Handeln und Eigenmacht deutlich sichtbar. In Bezug auf das Verhalten von Danowski stimmte mich das als Lesende nachdenklich.

Nicht nur die Aufarbeitung der erlebten Geiselnahme, sondern auch die Tat in der Kurklinik lassen den Hauptkommissar über seine berufliche Zukunft nachdenken. In seine Überlegungen bezieht er das ein, woran er in der Vergangenheit gescheitert ist, was er gut kann und welche Arbeit er sich wünschen würde. Zum Schluss überrascht Till Raether dann nochmal mit einer Wendung, die nicht jeden Lesenden freuen wird. Der Abschluss hält die Möglichkeit offen, dass es weitere Bände mit Danowski als Ermittler geben könnte.

Wer die Danowski-Serie bisher gelesen hat, wird in „Hausbruch“ von Till Raether einen noch feinfühligeren, nachdenklicheren Danowski erleben als bisher. Die Spannungskurve ist am Anfang recht flach, steigt aber nach der Hälfte der Erzählung bis zum Ende leicht an. Wer die Reihe, die eventuelle fortgesetzt werden könnte, weiterlesen möchte, sollte auch den vorliegenden Band gelesen haben.

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Veröffentlicht am 07.11.2021

Romantik, Wohlgefühl und hintergründige Spannung

Inselliebe und Meer
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Das Buch „Inselliebe und Meer“ von Anja Saskia Beyer ist der erste Teil der Romanreihe „Mallorca-Sehnsucht“, die entsprechend des Titels auf der gleichnamigen Baleareninsel spielt. Die romantische Bucht ...

Das Buch „Inselliebe und Meer“ von Anja Saskia Beyer ist der erste Teil der Romanreihe „Mallorca-Sehnsucht“, die entsprechend des Titels auf der gleichnamigen Baleareninsel spielt. Die romantische Bucht und das Backsteinhaus auf dem Cover vermitteln dem Lesenden einen Eindruck der Schönheit der Landschaft. Die Korbsessel im Vordergrund laden zum Verweilen und genießen ein. Gerne habe ich gedanklich hier zum Lesen Platz genommen.

Liz ist Anfang Dreißig und immer noch Single. Sie lebt in Berlin-Moabit und betreibt einen Feinkostladen, der aber wenig Gewinn abwirft. Eines Tages wird sie von ihrem Großonkel gebeten, auf seiner Finca auf Mallorca nach dem Rechten zu sehe, denn es habe mehrere Stornierungen bei den Ferienwohnungen gegeben, was er auf die Misswirtschaft des zuständigen Verwalters zurückführt. Obwohl der Großvater von Liz mallorquinischer Herkunft war, hat sie noch nie von der Finca gehört. Sie kommt dem Wunsch ihres Großonkels nach. Jedoch stellt sich heraus, dass Cristian als Verwalter immer um das Wohl der Feriengäste bemüht und zudem sehr attraktiv ist. Gegenüber Liz gibt er sich verschlossen bezüglich seiner Vergangenheit. Daher hat Liz nicht nur ein Familiengeheimnis aufzudecken, sondern möchte auch mehr über Cristian erfahren.

Anja Saskia Beyers Figuren sind authentisch gestaltet. Sowohl in ihrem wenig erfolgreichen Geschäft in Berlin wie auch auf der Finca in Mallorca konnte ich mir die Handlungen von Liz gut vorstellen. Während ihre Freundinnen bereits an eigene Kinder denken ist sie schon länger ohne festen Freund und ihr Geschäft ist erfolglos. Es ist angenehm zu verfolgen, dass Liz auf Mallorca nach ersten Problemen eine Wandlung durchläuft, was vor allem einer Gruppe von örtlichen Ladenbesitzerinnen zu verdanken ist. Die Frauen versprühen positive Energie und durch sie lernt Liz auch mal loszulassen und selbstbewusster zu sein. Kleine Eifersüchteleien bringen weitere Würze in den Roman

Zwar hat die Autorin mit dem Großonkel einen recht grantigen Charakter kreiert, doch durch ihn kommt ein Familiengeheimnis in die Geschichte, das hintergründig für Spannung sorgt. Daneben sorgt Cristian für weitere Heimlichkeiten in Bezug auf sein Vorleben. Liz weiß nicht, ob sie ihm Vertrauen kann, was für sie aber von grundlegender Bedeutung ist, sowohl im privaten Miteinander als auch in ihrer Rolle als Abgesandte ihres Großonkels.

Die Umgebung auf Mallorca ist zum Träumen schön beschrieben. Sind bei uns die Herbsttage grau und trist wünschte ich mir beim Lesen, auf der Insel sein zu können. Für die Protagonistin bietet das im Vergleich zu Berlin gemächlichere Leben eine kleine Auszeit trotz der Aufgabe, die sie zu erledigen hat. Das Ende der Geschichte ist erfreulich, konnte mich aber von den Verhaltensweisen her nicht vollständig überzeugen. Ein wenig Mallorca-Feeling kann der Lesende sich mit den im Anhang befindlichen Rezepten nach Hause holen.

Sonne, Strand, Olivenernte, Gefühlsverwirrungen und Geheimnisse sind die Zutaten des Romans „Inselliebe und Meer“ von Anja Saskia Beyer, die für Romantik, Wohlgefühl und hintergründige Spannung beim Lesen sorgen. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 03.11.2021

Ein Thriller, der die Lesenden auf den Klimawandel und seine Konsequenzen hinweist

Der Zorn des Oktopus
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Das Buch „Der Zorn des Oktopus“ von Dirk Rossmann und Ralf Hoppe ist ein Thriller, der in einer dystopischen nahen Zukunft spielt. Der Titel ist angelehnt an das vorige Buch „Der neunte Arm des Oktopus“ ...

Das Buch „Der Zorn des Oktopus“ von Dirk Rossmann und Ralf Hoppe ist ein Thriller, der in einer dystopischen nahen Zukunft spielt. Der Titel ist angelehnt an das vorige Buch „Der neunte Arm des Oktopus“ von Dirk Rossmann. Die Handlung spielt auch vor dem gleichen Hintergrund mit der Annahme, dass unsere Umwelt sich durch bestimmte Faktoren immer lebensunwerter gestaltet und es zur Klimakatastrophe kommt. Jedoch sind die fiktiven Protagonisten neu und es wird für das Lesen keine Vorkenntnis der Handlung des ersten Thrillers benötigt. Ein Oktopus spielt im vorliegenden Buch nur eine nebensächliche Rolle. Sind es im realen Leben die beeindruckenden Millionen Nervenzellen, die eine Krake zu einem feinfühligen Lebewesen machen, steht im Fokus der Erzählung ein Quantencomputer, der eine extrem hohe Dichte, teils sehr sensibler Zahlen auswertet und dem Menschen unglaubliche Ergebnis für die Zukunft vorhersagen kann.

In einführenden Kapiteln beschreiben die Autoren unsere Welt wie wir sie in den Jahren 2026 bis 2028 erleben könnten. Die Vereinigten Staaten von Amerika, China und Russland haben eine Klima-Allianz gebildet, zu der sich weitere Länder hinzugesellen, nur Indien sträubt sich noch. Es wurde eine Einheit gegründet, die sicherstellen soll, dass genügend Nahrung vorhanden ist. Eine erste Technologie, die dabei helfen soll wurde vorgestellt, endete aber in einem Fiasko. Die Haupthandlung spielt ab Juli 2029. In einem neu gegründeten Meta-Ministerium in Island arbeiten Wissenschaftler an einem Supercomputer, der bereits vielversprechende Daten liefert. Er enthält eine Ressource, die auf dem Mars gewonnen wurde und momentan einmalig auf der Welt ist. Desto größer ist das Begehren, sie und den Quantencomputer zu besitzen und die dazu führt, dass manche für den Besitz über Leichen gehen. Nur zwei Personen, in ihrer beruflichen Stellung eher unbedeutend sind und früher einmal ein Paar waren können den Gau für die Welt eventuell verhindern.

Dirk Rossmann und Ralf Hoppe bauen die Handlung ihres Thrillers mit Handlungsorten rund um die Welt auf den heutigen Gegebenheiten auf. Ihre Vorstellung unserer Welt von morgen ist beeindruckend und durchaus vorstellbar, vor allem in den Details rund um das Klima. Immer wieder weisen sie auf verschiedene bereits heute sich ankündigende Bedrohungen aufgrund der von uns verursachten Störungen der Umwelt hin. Interessant fand ich die Vorstellung eines Computers, der problemlos das exakte Wetter vorhersagen kann. Es ist klar, dass er ein Ding des Habenwollens darstellt, aber welche Macht er besitzen könnte, wenn er in falsche Hände gerät, erfährt der Lesende im Laufe der Geschichte.

Die Autoren beschreiben Hintergründe zum Klimawandel genauso verständlich für die Lesenden wie die Arbeitsweise des Quantencomputers und das Leben eines indigenen Volks. Um etwas zu verdeutlichen greifen sie gelegentlich zu Metaphern. Sie zeigen Fakten auf, die mich manchmal zum Nachdenken brachten. Die eigene Neugierde und der Spaß am Neuen lassen sich aus dem Schreibstil herauslesen, der geprägt ist von kurzen Sätzen, die auf den Punkt geschrieben sind.

Die Figuren sind abwechslungsreich gestaltet, jede von ihnen wird anschaulich beschrieben, so dass ich sie mir gut vorstellen konnte. In der Regel erweisen sie sich als wandelbar, was für eine gewisse Unberechenbarkeit und Spannung in der Handlung sorgt. Die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten entwickelt einige Höhen und Tiefen und sorgte bei mir für Sympathiepunkte, so dass ich darauf hoffte, dass die zwei Figuren einen glücklichen Stand am Ende des Buchs haben werden.

Man spürt das innere Brennen der Autoren Dirk Rossmann und Ralf Hoppe im Thriller „Der Zorn des Oktopus“ dafür, dem Lesenden den Klimawandel mit seinen für unsere Welt bevorstehenden fürchterlichen Konsequenzen nahezubringen und aufzuzeigen, dass es fünf vor zwölf in der Krise ist. In einem Schreibstil, der auch die technischen Elemente der Handlung leicht nachvollziehbar macht, haben sie Spannung bis zum Ende verpackt. Sehr gerne empfehle ich den Thriller daher uneingeschränkt weiter.

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Veröffentlicht am 03.11.2021

Eine Geschichte vom Kommen und Gehen im Leben

Der Zug der Nonnengänse
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Weißwangengänse, auch Nonnengänse genannt, kehren im Herbst von der russischen Eismeerküste aus in ihr Winterquartier nach Langeoog zurück. Die 60-jährige Amelie, die schon lange auf der Insel lebt und ...

Weißwangengänse, auch Nonnengänse genannt, kehren im Herbst von der russischen Eismeerküste aus in ihr Winterquartier nach Langeoog zurück. Die 60-jährige Amelie, die schon lange auf der Insel lebt und früher Nationalpark-Gästeführerin war, erwartet ungeduldig ihre Ankunft. Sie vermutet, dass sie aufgrund ihrer schweren Erkrankung nicht mehr den Rückflug der Gänse zu Beginn des nächsten Jahres sehen wird. Amelie ist eine der beiden Protagonistinnen des Romans „Der Zug der Nonnengänse“ von Franka Michels, einem offenen Pseudonym der Autorin Regine Kölpin.

Die Journalistin Bente aus Hannover, 40 Jahre alt, ist die zweite Hauptfigur der Geschichte. Spontan lässt sie ihren Ehemann Daniel und ihre 14-jährige Tochter Zuhause zurück, um sich eine Auszeit auf Langeoog zu nehmen. Zwischen ihr und Daniel stehen Themen zur Diskussion, zu denen sie eine gegenteilige Meinung haben. Bente fühlt sich unverstanden und in eine Nebenrolle gedrängt, während Daniels Beruf im Vordergrund zu stehen scheint und er auf einen Kollegen seiner Ehefrau eifersüchtig ist. Auf Langeoog begegnen sich Amelie und Bente, woraus sich sehr bald eine tiefe Freundschaft entwickelt. Verbunden sind sie durch gemeinsame Erfahrungen. Doch der Älteren von ihnen bleibt wenig Zeit dazu, ihre Erkenntnisse aus dem Erlebten der Jüngeren mitzuteilen.

Bereits das Cover vermittelte mir die Ruhe der Natur, die die beiden Protagonistinnen auf der Insel finden. Die Autorin lebt selbst an der Nordseeküste und sehr schön hat sie ihre eigenen Eindrücke in den Roman einfließen lassen und für mich als Lesende vorstellbar gemacht. Da ich vor einigen Jahren auch auf Langeoog zu Gast war, kehrten meine Erinnerungen schnell wieder. Dank guter Recherche bindet Franka Michels in der Geschichte ebenfalls Wissenswertes rund um die Lebensweise von Gänsen auf der Insel und ganz speziell zu Nonnengänsen ein.

Zunächst ist noch nicht ersichtlich, was die beiden Hauptfiguren schließlich verbindet, denn zu verschieden sind ihre Sorgen. Ganz behutsam nähert sich die Autorin dem Thema des bevorstehenden Sterbens Amelies, die bewusst Abschied nimmt von all den vertrauten Dingen ihres Alltags. Gleichzeitig sorgt sie mit den Zwistigkeiten in der Ehe von Bente, die bisher bestimmt war von einem starren, eher konservativen Rollenkonzept, für einen starken Kontrast, denn die Hannoveranerin kämpft mit ihrer Wut und ihrer anhaltenden Liebe zu ihrem Ehemann. Sie bemerkt, dass die Beziehung zu ihm sich zum Nachteil verändert hat. Diese beiden Erzählstränge sind bereits bewegend, doch der Roman erlebt noch einmal ein emotionales Highlight als Amelie und Bente sich befreunden und sich gemeinsam dem stellen, was sie verbindet und bedrückt. Die Figuren und ihre Handlungen sind authentisch und manche hat ihre eigenen Ecken und Kanten.

Der berührende Roman „Der Zug der Nonnengänse“ von Franka Michels ist eine Geschichte vom Kommen und Gehen im Leben. Im Fokus stehen zwei Frauen unterschiedlichen Alters mit ganz verschiedenen Problemen, die sich bald freundschaftlich verbunden fühlen und sich gegenseitig stützen. Die Autorin zeigt, wie wunderbar und tröstlich es sein kann, sich mit der Natur zu verbinden. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung zum Buch.

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Veröffentlicht am 01.11.2021

Die 1920er und 1930er Jahre in Berlin zwischen Glamour und Gosse

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm
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Der Roman „Berlin Friedrichstraße – Novembersturm“ von Ulrike Schweikert ist der erste Teil eine Dilogie. Bezeichnenderweise spielt die Geschichte zu einem gewissen Teil in der Friedrichstraße in Berlin, ...

Der Roman „Berlin Friedrichstraße – Novembersturm“ von Ulrike Schweikert ist der erste Teil eine Dilogie. Bezeichnenderweise spielt die Geschichte zu einem gewissen Teil in der Friedrichstraße in Berlin, denn hier besitzt ab einem gewissen Zeitpunkt einer der Protagonisten ein kleines Geschäft an einer Ecke des Bahnhofs. Die Bahnstation, die am Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, erfuhr später einige Aus- und Umbauten. Im Laufe der Jahre entwickelte sie sich zu einem Dreh- und Angelpunkt für die West- und Ostberliner. Aber der erste Band spielt zunächst in der Zeit von 1882 bis 1933.

Die Autorin schildert im Buch die ungewöhnliche Liebe der Kinder der Familien Rosenstein, Wagenbach und Richter, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Beletage und dem zweiten Stock in einem Vorderhaus in Charlottenburg leben. Aber auch Ella Weber, die im Hinterhaus aufwächst, spielt in der Liebesbeziehung eine wichtige Rolle.

Nach einem einführenden Prolog springt die Geschichte zeitlich in das Jahr 1920. Der 31 Jahre alte Robert Wagenbach erhält in diesem Jahr als Architekt einen bedeutenden Auftrag und hält um die Hand der ein Jahr jüngeren Luise Richter an. Über der Freundschaft der beiden liegt die Trauer um den im Ersten Weltkrieg vermissten Freund Johannes Rosenstein, mit dem Luise heimlich verlobt war. Johannes ältere Schwester Ilse ist eine gute Freundin von Luise und ist genauso positiv erschrocken wie das Ehepaar als Johannes eines Tages wieder in ihr Leben tritt.

In ihrem Roman beschreibt die Autorin bewusst sowohl die glänzende Seite Berlins wie auch die Schattenwelt. Sie bringt einen Teil ihrer Figuren mit der Welt des Kinos, des Theaters, der Kleinkunst und der Literatur in Berührung. Neue Musikstile erobern die Bühnen, nach den langen Kriegsjahren freuen sich die Berliner über kurzweilige Unterhaltung, obwohl ihnen sicher aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht immer zum Lachen ist. Viele kämpfen noch lange Zeit mit den psychischen und physischen Folgen des Kriegseinsatzes. Die Inflation bedrohte Reiche wie Arme. Ulrike Schweikert zeigt, wie Ringvereine kriminell organisiert vorgingen und ihren Einfluss gelten ließen.

Die Geschichte spielt vor dem Hintergrund der dramatischen politischen Entwicklungen in Deutschland und deren Auswirkungen auf Berlin. Dadurch gelingt der Autorin die Gestaltung einer viele Aspekte umfassenden Erzählung, die sich leicht und gewandt lesen lässt. Allerdings treten neben den Fakten die fiktiven Anteile der Geschichte etwas zurück. Leider konnten mich persönlich die Gefühle der handelnden Personen nicht wirklich erreichen. Es gab kaum Entwicklung in den Ansichten und Meinungen der einzelnen Protagonisten über die Reihe von Jahren hinweg. Von einem Unglücksfall zum Ende des Romans hin war ich überrascht, er sorgte dafür, dass die Figuren neu gesetzt wurden.

Insgesamt gesehen, hat Ulrike Schweikert mit ihrem Roman „Berlin Friedrichstraße – Novembersturm“ ihr Ziel erreicht, die 1920er Jahre bis hinein in die 1930er Jahre in Berlin aus mehreren Blickwinkeln abzubilden. Wer sich gerne in diese Welt zwischen Glamour und Gosse mitnehmen lassen möchte, sollte zu dem Roman greifen.

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