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Veröffentlicht am 17.07.2021

Schicksalhafter Roman, eine Geschichte über Freundschaft, Vergebung und Vertrauen.

Heldinnen werden wir dennoch sein
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Der Roman „Heldinnen werden wir dennoch sein“ von Christiane Wünsche nahm mich mit an den Niederrhein. Susi, Ellie, Ute und Helma sind seit 1974, als sie in die
5. Klasse an einem Gymnasium in Kaarst eingeschult ...

Der Roman „Heldinnen werden wir dennoch sein“ von Christiane Wünsche nahm mich mit an den Niederrhein. Susi, Ellie, Ute und Helma sind seit 1974, als sie in die
5. Klasse an einem Gymnasium in Kaarst eingeschult wurden, befreundet. Auch Marie gehörte zu ihrem Kreis, ist aber inzwischen verstorben. Jede der Freundinnen hatte schon damals ihre eigenen Sorgen, was unter anderem an den Eltern lag.

Wenn es zu Problemen mit Mitschülern kam, stand jeder von ihnen Frank zur Seite, der eine gefestigte Position in ihrem Klassengefüge hatte. Obwohl er immer mit den fünf Mädchen befreundet war, hat er in der Teeniezeit nie versucht eine Liebesbeziehung aufzubauen. Schließlich begreift sein Umfeld, dass er schwul ist. Die Freundinnen erfahren viele Jahre später während einer Geburtstagsfeier von Franks Freitod in Berlin. Die Gedanken der Frauen kehren zurück zu einem bestimmten Abend im Herbst 1984, der ihre Freundschaft nachhaltig verändert hat.

Die Autorin erzählt ihre Geschichte über mehrere Zeitebenen hinweg. Der Fokus wechselt zwischen den Kapiteln von einer Freundin zur anderen, wobei jedes Kapitel zur Orientierung mit dem jeweiligen Namen überschrieben ist. Die Rückblenden sind an geeigneten Stellen in den Text eingegliedert. Recht schnell wurde mir bewusst, dass der Prolog und weitere kursiv gesetzte Einstreuungen von Frank in der Ich-Form erzählt werden, dessen Gefühlswelt mir aufgrund der gewählten Darstellung verständlicher wurde. In der vorderen Klappe sind die Hauptcharaktere mit einer kurzen Selbstbeschreibung aufgeführt. Dadurch behielt ich den Überblick, denn im Laufe der Geschichte gesellen sich noch etliche Nebenfiguren hinzu.

Die Freundinnen sind schon über viele Höhen und Tiefen in ihrem Leben gegangen. Seit Lisa, die Tochter von Marie, erwachsen ist, wird sie in diesen Kreis mit einbezogen. Überrascht nehmen Susi, Ellie, Ute und Helma nach Franks Tod Kenntnis davon, dass Lisa noch Kontakt zu ihm hatte. Die Erinnerungen der Frauen, die inzwischen Anfang Fünfzig sind, gehen zurück in ihre Jugend zu vielen problematischen Themen, sei es die schwere Erkrankung oder der Alkoholismus eines Elternteils, hohe Anforderungen der Eltern, Kriegstrauma, Drogenkonsum und Selbstverwirklichung.

Christiane Wünsche ist gleichalt mit ihren Figuren und in Kaarst aufgewachsen, so dass ihr dadurch eine realistische Darstellung des damaligen Umfelds gelingt. Jede der Frauen ist bis in die Gegenwart eine stille Heldin für die anderen Freundinnen, weil sie für diese Anlaufstation für eine Aussprache sein kann und dennoch erfährt man, dass die Frauen über eine wichtige Situation ihrer Jugend das Mäntelchen des Schweigens all die Jahre hinweg gedeckt haben. Die Freundschaft wirkte auf mich nicht besonders innig. Susi, Ellie, Ute und Helma verhalten sich so wie viele andere, die man kennt, mal gedankenlos in ihren Äußerungen, manchmal arglos, selbstsüchtig oder zickig.

Jede der Freundinnen hat ihr Päckchen zu tragen, hier und da blitzt auf, dass sie auch viele schöne Erinnerungen an gemeinsame Zeiten haben, doch diese gab es meiner Meinung nach im Roman zu wenig, ich hätte lieber noch häufiger mit ihnen gelacht. Auch in der Jetztzeit hat jede der Freundinnen nicht nur den Tod von Frank zu verkraften, sondern kämpft mit der eigenen Gesundheit, mit der Ehebeziehung oder sorgt sich um Familienmitglieder. Doch trotz diverser Meinungsverschiedenheiten hat die Freundschaft der Frauen weiter Bestand.

„Heldinnen werden wir dennoch sein“ von Christiane Wünsche ist ein schicksalhafter Roman, eine Geschichte über Freundschaft, Vergebung und Vertrauen. Mich brachte sie dazu, mich an meine eigene Jugend zu erinnern und darüber nachzudenken, was eine Freundschaft ausmacht. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 13.07.2021

Roman mit krimineller Handlung, authentisch erzählt

Trümmerland
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Sabine Hofmanns Roman „Trümmerland“ spielt in Bochum im Frühjahr 1946. Noch sind die Trümmerberge der zerbombten Häuser überall zu sehen. Zwischen den Trümmern wird geplündert und alles mitgenommen, was ...

Sabine Hofmanns Roman „Trümmerland“ spielt in Bochum im Frühjahr 1946. Noch sind die Trümmerberge der zerbombten Häuser überall zu sehen. Zwischen den Trümmern wird geplündert und alles mitgenommen, was irgendwie brauchbar erscheint, obwohl es inzwischen verboten ist.

Hella Schrader ist 12 Jahre alt. Sie wohnt gemeinsam mit ihrer Mutter Martha und der aus Ostpreussen stammenden Edith Marheinecke, die seit einem Jahr bei ihnen einquartiert wurde, in einer kleinen Wohnung unweit des Zechengeländes. Am Nachmittag klettert sie gerne in den Trümmern und findet hier und dort auch immer wieder ein nützliches Teil. Auf diese Weise möchte sie den Haushalt unterstützen, in dem es an Essbarem, Kleidung, Heizmaterial und Haushaltsgegenständen fehlt.

Eines Tages sieht sie am Boden eines Bombentrichters einen Mann mit verrecktem Bein liegen. Sie überwindet ihre Angst und klettert zu ihm. Doch er stirbt als sie ihn erreicht hat. Sie nimmt seinen Kurzmantel aus feinem Wollstoff mit nach Hause. Im Futter finden sich Lebensmittelscheine für Butter. Nach Abwägen des Für und Wider entschließen Martha und Edith, dass sie die Scheine einlösen werden, ohne zu ahnen, welche Auswirkungen das haben wird.

Die Autorin schafft in ihrer Geschichte ein vorstellbares Szenario der Nachkriegszeit. Das Überleben steht im Alltag der Bochumer im Vordergrund, der Schwarzmarkt blüht und dennoch sind die meisten froh darüber, überlebt zu haben. Weil viele Männer noch vermisst werden, arbeiten die Mütter für den Lebensunterhalt, die Kinder sind sich außerhalb der Schule notgedrungen selbst überlassen. Martha hat ein schlechtes Gewissen, Hellas Funde anzunehmen, weil sie ihr verboten hat, in den Trümmern zu plündern. Sie weiß, dass sie den Mantel nicht behalten durften und daher liegt von Beginn des Romans die Furcht vor Entdeckung und der daraus resultierenden Strafe über dem Verhalten der Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft, die deutlich spürbar ist.
Die Erzählung zeigt ebenfalls ein Bild der damaligen Polizeiarbeit. Für die Briten, die Bochum in der Nachkriegszeit besetzt hatten, war es nicht einfach, auf jedem einflussreichen Posten jemanden zu setzen, der keinem nationalsozialistischen Gedankengut anhängt. Die Not bietet Kleinkriminellen mit ihren illegalen Geschäften ein gutes Pflaster. Auch aufgrund der allgemeinen Ausstattung der Kriminalpolizei ist die Nachverfolgung von Straftaten schwierig.

Dank der guten Recherche von Sabine Hofmann bildet sich ein kompaktes gelungenes Bild des Alltags. Das Tempo, in dem die Kriminalhandlung sich entwickelt ist gemächlich, die Spannung eher unterschwellig. In vielen Nebenhandlungen erfuhr ich detailliert einiges über die Zusammenhänge von Schiebung, Schwarzhandel, Fälschungen und der Sorge, die die Menschen dazu veranlasste, sich trotz drohender Bestrafung auf ungesetzlichem Weg Notwendiges zu besorgen. Die Figuren durchleben dabei riskante Situationen, aber auch an ihrer Freude über und an kleinen Dingen durfte ich als Leser teilhaben.

„Trümmerland“ von Sabine Hofmann ist ein Roman mit kriminellen Handlungen. Er bildet die Zeit des Nachkriegsdeutschlands in einer Stadt des Ruhrgebiets überzeugend und nachvollziehbar mit authentischen Figuren ab. Gerne empfehle ich das Buch weiter an Leser historischer Romane.

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Veröffentlicht am 11.07.2021

Komplexer Thriller, der durchgehend spannend ist

Die Verlorenen
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Mit dem Thriller „Die Verlorenen“ beginnt der Engländer Simon Beckett eine neue Serie bei dem Jonah Colley, ein Sergeant der bewaffneten Sondereinheit der Metropolitan Police in London, im Mittelpunkt ...

Mit dem Thriller „Die Verlorenen“ beginnt der Engländer Simon Beckett eine neue Serie bei dem Jonah Colley, ein Sergeant der bewaffneten Sondereinheit der Metropolitan Police in London, im Mittelpunkt steht. Während Jonah sich mit einigen Teamkollegen nach Feierabend in einem Pub trifft, ruft sein früherer Freund Gavin ihn auf seinem Handy an und bittet um Hilfe. Seit zehn Jahren haben die beiden keinen Kontakt mehr, aber Jonah erkennt die Ängstlichkeit in der Stimme von Gavin und begibt sich zum vorgeschlagenen Treffpunkt zu einem Lagerhaus am Kai. Das Cover vermittelt einen düsteren Eindruck einer solchen Lagerhalle. Vor Ort findet Colley vier fest in Plastikplane eingewickelte und mit Tape verschnürte Personen, eine davon ist Gavin. Noch während er versucht die Planen aufzureißen, wird er tätlich angegriffen und findet sich einige Zeit später im Krankenhaus wieder.
Nachdem sein vierjähriger Sohn Theo vor zehn Jahren verschwunden ist, zerbrach wenig später seine Ehe. Seitdem ist Colley zu einem einsamen Wolf geworden, der die Anonymität einer Wohnung in einem Hochhaus in einer zwielichtigen Gegend zum Leben bevorzugt. Zunächst ist nicht klar, was damals geschah, als Theo aus seinem Leben verschwand. Von der Zeitangabe her ist es auffällig, dass auch der Abbruch der Verbindung zu Gavin gleichlange her ist. Natürlich wollte ich wissen, ob beides vielleicht miteinander zu tun hat. Immer häppchenweise lässt Simon Beckett seinen Protagonisten sich an die damaligen Ereignisse zurückerinnern.
Colley steckt recht schnell in der Zwickmühle, er hat Schlimmes erlebt, hat starke Schmerzen und findet sich in der Rolle des Verdächtigen wieder. Da er nicht in die Aufklärung des Falls involviert ist, erhält er auch keine Informationen. Aber er ist neugierig und obwohl eine Verletzung ihn behindert scheut er nicht davor zurück, eigene Ermittlungen nachzugehen. Seine gewonnenen Erkenntnisse machen ihn aber umso mehr verdächtig.
Der Autor schont seine Hauptfigur nicht, auch brutale Szenen schildert er aus nächster Sicht. Die Konstruktion des Thrillers ist durchdacht und liefert immer nur schrittweise weitere Hinweise, was die Spannung von Beginn an hochhielt. Das geschickte Ausspielen von gegebenen und zurückgehaltenen Informationen zwischen Jonah und den ermittelnden Detective Inspector Fletcher und Detective Seagant Bennet steigert die Spannung noch.
Simon Beckett versteht es auch in seiner neuen Serie, wieder eine beklemmende Atmosphäre aufzubauen an Orten, die sonst voller Leben sind, aber zu bestimmten Zeiten düster und leer. Neben Colley, Bennet und Fletcher kreiert er weitere interessante Figuren, manche undurchsichtig, die Entwicklungspotential für die nächsten Bände haben.
In seinem Thriller „Die Verlorenen“ lässt Simon Beckett Jonah Colley ermitteln, ein Mitglied des bewaffneten Eliteteams der Met, sympathisch und mit vielen Ecken und Kanten versehen. Der komplexe Thriller ist durchgehend spannend. Zum Schluss bleiben Fragen offen, die einer Klärung in der Fortsetzung bedürfen, auf die ich mich schon sehr freue. Klare Leseempfehlung an Thrillerfans!

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Veröffentlicht am 04.07.2021

Durchgehend spannend aufgrund abwechslungsreich gestalteter Figuren und Fährten mit Finten

Das Buch des Totengräbers (Die Totengräber-Serie 1)
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Der Kriminalroman „Das Buch des Totengräbers“ nahm mich als Leserin mit in das Jahr 1893. Die beiden Protagonistin Leopold von Herzfeldt, neuer Polizeiagent am Wiener Sicherheitsbüro für Blutverbrechen ...

Der Kriminalroman „Das Buch des Totengräbers“ nahm mich als Leserin mit in das Jahr 1893. Die beiden Protagonistin Leopold von Herzfeldt, neuer Polizeiagent am Wiener Sicherheitsbüro für Blutverbrechen und vor kurzem noch Untersuchungsrichter in Graz sowie August Rothmayer, seit zwanzig Jahren Totengräber auf dem Wiener Zentralfriedhof, werden von Oliver Pötzsch zu Ermittlungen von einigen Mordfällen eingesetzt. Zu Beginn ahnen sie noch nicht, wie wichtig ihre Zusammenarbeit sein wird. Der Titel des Krimis nimmt Bezug auf den Almanach, den Rothmayer zurzeit verfasst, in dem er seine Erkenntnisse aus langjähriger Tätigkeit rund ums Sterben und den Tod festhält. Auszüge aus diesen fiktiven Aufzeichnungen, die einen guten Überblick über den Stand des Beerdigungswesens zur damaligen Zeit geben, finden sich am Anfang einiger Kapitel.
Noch vor seinem offiziellen Dienstantritt im Wiener Polizeiagenteninstitut fährt Herzfeldt an einen aktuellen Tatort im Prater. Dort wurde eine junge Frau brutal ermordet. Mit im Gepäck hat er seine Ausrüstung zur Beweisaufnahme, die modernste Geräte beinhaltet und auf dem aktuellen Stand ist. Seine Kollegen sehen sein Handeln mit Skepsis, von seinem Vorgesetzten bekommt er dafür einen Verweis. Als nächstes wird er auf den Fall eines Selbstmörders angesetzt, den man nach seinem Begräbnis wieder versucht hat auszugraben. Sein Weg führt ihn hierbei auf den Wiener Zentralfriedhof zu Rothmayer.

Nachdem Oliver Pötzsch Herzfeldt gleich anfangs zu einem grausigen Mord führte, nahm er dessen frischen Elan bei den nächsten Schritten zurück, um dann durch die Aussagen von Rothmayer Skepsis zu wecken und sein Feuer für die Gerechtigkeit neu zu wecken. Als Leserin ahnte ich schon durch den Prolog, dass hier etwas nicht stimmte, was mich natürlich neugierig machte. Herzfeldt werden bei seinen Ermittlungen noch einige Steine in den Weg gelegt. Auch er selbst merkt, dass er sabotiert wird. Geschickt streut der Autor verschiedene Hinweise aus, die nicht immer auf die richtige Fährte führen und dadurch die Spannung erhöhen.

Seine Protagonisten schafft Oliver Pötzsch mehrdimensional. Herzfeldt ist gut ausgebildet, wirkt aber arrogant dadurch, dass er besserwisserisch daherkommt. Er begegnet in Wien einer Welle von Antisemitismus. Dennoch steht er zu seinen jüdischen Vorfahren. Rothmayer ist in seiner Arbeitskleidung eine muffelige dunkle Gestalt, die ansonsten zwar brummig und manchmal schroff aber auch hilfsbereit ist sowie mit einer gehörigen Portion Ironie versehen, die er nicht nur selbst in Bezug auf seinen Beruf „Galgenhumor“ nennt. Figurenmäßig erhält auch Julia Wolf, eine Telefonistin der Polizeiagentur, im Laufe der Zeit größere Bedeutung, auch dadurch, dass sie sich mit Herzfeldt enger befreundet. Ihnen allen ist eigen, dass sie ein Geheimnis aus ihrer Vergangenheit bergen, das zum Ende des Buchs hin jeweils aufgedeckt wird.

Der Autor scheut vor den Verdächtigungen bedeutender historischer Personen, die in Wien damals ansässig waren, nicht zurück, was für die Ermittlungen prekär ist, aber dem Krimi Würze verleiht, denn ich fragte mich unwillkürlich, inwieweit hier historische Daten sprechen oder die Fantasie mitspielt. Dank sehr guter Recherche erfuhr ich zudem Vieles zum Stand der Kriminalistik, in der zur Zeit der Handlung die Technik Einzug hielt. Die Klappen des Buchs sind gestaltet, auf der vorderen findet sich eine Übersicht von Wien im Jahr 1893, auf der hinteren Klappe ist ein interessantes Interview mit dem Autor zu lesen.

„Das Buch des Totengräbers“ ist ein Kriminalroman, in dem Oliver Pötzsch ein realistisch wirkendes, meist dunkles Szenario in der Hauptstadt des Kaisertums Österreich in den 1890ern als Hintergrund für die Aufklärung einige Kapitalverbrechen schafft. Er ist durchgehend spannend durch abwechslungsreich gestaltete Figuren und mehrfach ausgestreuten Spuren zu grausig beschriebenen Verbrechen. Gerne empfehle ich das Buch an die Liebhaber und Liebhaberinnen historischer Krimis weiter.

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Veröffentlicht am 01.07.2021

Lebensnah und einfühlsam geschrieben

Bergland
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Der Roman „Bergland“ von Jarka Kubsova spielt in Tiefenthal, einem kleinen Ort in Südtirol. Auf dem höchsten der umliegenden Berge stehen vor dem Zweiten Weltkrieg auf steilem Grund das Bauernhaus und ...

Der Roman „Bergland“ von Jarka Kubsova spielt in Tiefenthal, einem kleinen Ort in Südtirol. Auf dem höchsten der umliegenden Berge stehen vor dem Zweiten Weltkrieg auf steilem Grund das Bauernhaus und die Scheune von Josef Breitenberger und seiner Familie. Das Anwesen wird von allen der „Innerleithof“ genannt und gibt seinen Bewohnern nach altem Brauch einen entsprechenden Beinamen. Die Innerleit Rosa ist die älteste Tochter und übernimmt die Arbeiten an der Seite ihres Vaters als ihre beiden Brüder zum Kriegsdienst eingezogen werden.

Ihr Sohn Josef, genannt Sepp, wird eines Tages den Hof übernehmen. Er ist das verbindende Familienmitglied zwischen den alten Zeiten und der Gegenwart, in der sich nicht nur das Bewirtschaften des Hofs, sondern auch die Sorgen der Betreiber verändert haben. Aus der ursprünglich allein auf den Lebensunterhalt der Familie abzielenden Landwirtschaft und Viehhaltung ist eine Ferienunterkunft mit Streichelzoo und wenigem Milchvieh geworden. Hannes ist deren Inhaber sowie der Enkel von Rosa. Doch seine Frau Franziska ist es, die die Autorin neben Sepp und Rosa in den Fokus nimmt.

Der Schreibstil von Jarka Kubsova passt sehr gut zum Umfeld, das sie beschreibt, denn er ist klar und schnörkellos. Jederzeit erfasst sie die Unwägbarkeiten der Natur und die Herausforderungen vor denen die Menschen, die dort leben, dadurch gestellt werden. Sie zeigt auf, dass es durchaus andere Möglichkeiten für die Tiefenthaler über alle Jahre hinweg gegebenen hat, die Gegend zu verlassen und das Auskommen an anderer Stelle zu suchen.

Rosa ist eine bodenständige Person. Nicht nur die Tatsache, dass sie eine Frau ist, sondern auch, dass sie zwei ältere Brüder hat, schließen sie zunächst von der Übernahme des Hofs aus. Erst durch die Gegebenheiten und ihr entschlossenes Engagement wird ihr zugetraut, den Hof zu führen und dennoch wird sie weiterhin mit Skepsis betrachtet. Sie hält viel von Altbewährtem und es ist nur eine Frage der Zeit, dass sie sich mit dem Interesse ihres heranwachsenden Sohns an modernen Errungenschaften zur Erleichterung der Arbeit auseinandersetzen muss. Da ich in einer ländlichen Gegend aufgewachsen bin, habe ich den Wandel aus nächster Nähe selbst miterlebt. Die Schilderungen der Autorin habe ich als überaus realistisch empfunden. Mit wenigen Beschreibungen schafft Jarka Kubsova es, auch die finanziellen Aspekte darzustellen, die die Bauern und Landwirte bei ihren jeweiligen Entscheidungen berücksichtigen.

Jarka Kubsova zeigt anhand ihrer Figur Franziska auf, mit welchen Problemen die Betreiber von Ferienbauernhöfen heute zu kämpfen haben. Sie stellt überspitzt, aber wirklichkeitsnah dar, welche Erwartungen Touristen im Urlaub haben und welche Forderungen sie an ihre Gastgeber stellen. Sicher erkennt der ein oder andere sich hierin wieder.

Im Roman „Bergland“ schildert Jarka Kubsova das beschwerliche Leben auf einem Bauernhof in den hohen Bergen Südtirols über drei Generationen hinweg. Sie benennt die unterschiedlichen Sorgen der Bewohner, mit einer Akzentuierung auf dem Ansehen der dortigen Arbeit der Frauen. Lebensnah und einfühlsam beschreit die Autorin das seit Jahren nötige ständige Abwägen zwischen Tradition und Moderne auf steilen Hängen durch bäuerliche Arbeit, um ein einträgliches Einkommen zu erwirtschaften. Sehr gerne empfehle ich die Geschichte weiter, weil sie für mich ein Lesehighlight ist.

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