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Veröffentlicht am 24.05.2020

Coming-of-Age Geschichte bizarrer Art

Das wirkliche Leben
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Der Roman „Das wirkliche Leben“ ist das Debüt der Belgierin Adeline Dieudonné. Sie lässt ihre unbenannte Protagonistin als Ich-Erzählerin auftreten, die davon erzählt, wie sie von Kind an darum bemüht ...

Der Roman „Das wirkliche Leben“ ist das Debüt der Belgierin Adeline Dieudonné. Sie lässt ihre unbenannte Protagonistin als Ich-Erzählerin auftreten, die davon erzählt, wie sie von Kind an darum bemüht ist, ihr wirkliches Leben zu führen. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, der über Jahre hinweg von ihr fordert, dass sie die Gegebenheiten in ihrer Jugend akzeptiert.

Die namenlose Erzählerin schildert ihre Erlebnisse im Rückblick. Als sie zehn Jahre alt ist und ihr Bruder sechs ereignet sich ein verstörender Unfall bei dem die Geschwister miterleben, wie jemand auf außergewöhnliche Weise ums Leben kommt. Die Protagonistin nimmt ab diesem Zeitpunkt eine Wesensänderung bei ihrem Bruder wahr und für sie selbst ist es der Auslöser für die Idee, die Vergangenheit zu ändern, damit das dann kommende Leben eine Wirklichkeit wird, die nicht nur sie, sondern auch ihren Bruder glücklich macht.

Die Familie lebt in einer Reihenhaussiedlung. Hinter der immer gleichen Fassade wohnen ganz unterschiedliche Menschen. Doch das Haus der Familie am Ende der Hausreihe unterscheidet sich ein wenig von den anderen und fällt dadurch ins Auge. Was wie bei den anderen Häusern nicht auffällt, ist das, was sich hinter den Türen ereignet.

Der Vater der Familie ist begeisterter Jäger und geht gern auf Großwildjagd. Ein Zimmer im Haus ist ausschließlich mit seiner Trophäensammlung ausgestattet. Trotz Verbots schleichen die Geschwister sich immer wieder ins Zimmer, voller widerstreitender Gefühle in Anbetracht der ausgestellten Tiere.

Die Mutter ist Hausfrau und züchtet wenige Ziegen. Sie bleibt unscheinbar, immer bereit, der Wut des Ehemanns zu entgehen und stattdessen seine Belehrungen und Weisungen entgegen zu nehmen. An der Protagonistin geht das Verhalten ihrer Eltern nicht unbemerkt vorbei, sondern sie fühlt sich und ihren Bruder immer tiefer hineingezogen in die eingeschliffenen Verhaltensweisen ihrer Eltern und deren Erwartungen entsprechende Rollen nach eigenem Vorbild einzunehmen. Um nicht so farblos zu werden wie ihre Mutter bemüht sie sich in der Schule um beste Noten und erhält auf diese Weise eine Anerkennung, die sie in der Familie nicht findet. Außerdem erhofft sie sich durch ihre Wissbegier, eine Lösung für die Umsetzung ihrer Idee zu finden.

Die Sprache ist einfach, dem Alter der Protagonistin während der Ereignisse angepasst. Es sind gerade die kurzen Sätze, die eine besondere Brisanz in die Erzählung bringen und mit ihrer Aussage das Gewicht verdeutlichen, dass ein junges Mädchen beim Heranwachsen zu tragen hatte. Zwar ist die Geschichte nur fiktiv und dennoch beschreibt sie eine mögliche Realität mit großem Ausdruck, der mich als Leser beeindruckte.

„Das wirkliche Leben“ von Adeline Dieudonné erzählt die Coming-of-Age Geschichte bizarrer Art einer ungenannten Jugendlichen, die nachdenklich stimmt und in Erinnerung bleibt. Gerne empfehle ich den Roman weiter, möchte aber auf die teils aufschreckenden Beschreibungen hinweisen.

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Wellness für die Seele

Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich Von einer Begegnung, die alles veränderte
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„Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich“ – Von einer Begegnung, die alles veränderte“ ist ein in Romanform geschriebener Ratgeber von Tessa Randau, in dem die Autorin ihre eigenen Erfahrungen eingebracht ...

„Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich“ – Von einer Begegnung, die alles veränderte“ ist ein in Romanform geschriebener Ratgeber von Tessa Randau, in dem die Autorin ihre eigenen Erfahrungen eingebracht hat. Es enthält Anregungen dazu, über die eigene Position im Leben nachzudenken. Auch Personen mit wenig Zeit zum Lesen sind dazu eingeladen, denn das Buch ist in kompakter Form geschrieben. Bereits der Titel weist darauf hin, dass es vier Fragen sein werden, die der Hauptfigur durch eine Zufallsbekanntschaft gestellt werden und deren Anwendung bei verschiedenen Situationen in ihrem Alltag sie dazu bringen, ihr Leben zu überdenken und es auf verschiedene Weise zu ändern.

Die unbenannte Protagonistin ist verheiratet, hat zwei jüngere Kinder und ist erfolgreich im Beruf, ein weiterer Karriereschritt scheint unmittelbar bevor zu stehen. Jedoch wird sie immer leichter und schneller in stressigen Situationen wütend, was auch ihrem Umkreis nicht verborgen bleibt. Bei einem Spaziergang im Wald begegnet die sie einer älteren Frau, die ihr in einem Gespräch anbietet, ihr vier wichtige Fragen verraten, die ihr Leben zum Positiven hin verändern könnten. Als Regel gilt dabei, dass sie bei jeder Begegnung immer nur eine Frage gestellt bekommt.

Schon allein die Vorgabe, bei jedem Aufeinandertreffen nur eine einzige Frage mit auf den Weg zu nehmen, veranlasste mich, das Buch in einem Stück zu lesen, weil ich neugierig auf alle vier war. Selbstverständlich war ich auch begierig zu erfahren, ob die jüngere Frau einen Nutzen aus den Fragen ziehen konnte. Dabei habe ich mich in vielen geschilderten Situationen wiedergefunden. Nach einem sehr traurigen Erlebnis in meinem Leben vor ein paar Jahren habe ich begonnen, viele Dinge zu hinterfragen und den Weg zu gehen, den Tessa Randau vorschlägt.

Ich möchte euch allen empfehlen, diese gefühlvoll geschriebene Geschichte zu lesen, in der in einigen Beispielen verdeutlicht wird, was bedeutsam ist im Leben. Auf für mögliche Schwierigkeiten bietet sie Lösungsansätze an. Sie ist Wellness für die Seele und eine Aufforderung innezuhalten und sich neu zu fokussieren. Schöne Illustrationen von Ruth Botzenhardt machen das Buch auch optisch zu einem Genuss.

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Veröffentlicht am 19.05.2020

Mit dem Wissen geschichtlicher Daten, Ortskenntnis und viel Verve für die Figuren geschrieben

Der Turm aus Licht
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In ihrem historischen Roman „Der Turm aus Licht“ erzählt Astrid Fritz vom Bau des Freiburger Münsters in der Zeit von 1270 bis 1330. Besonders bekannt ist der gotische Westturm der Kathedrale, der bis ...

In ihrem historischen Roman „Der Turm aus Licht“ erzählt Astrid Fritz vom Bau des Freiburger Münsters in der Zeit von 1270 bis 1330. Besonders bekannt ist der gotische Westturm der Kathedrale, der bis heute mit seinen 116 m Höhe weithin sichtbar ist. Er wird auch als „schönster Turm auf Erden“ bezeichnet und ist mit einem einzigartigen durchbrochenen Maßwerkhelm ausgestattet, der aus eben jener im Buch beschriebenen Zeit stammt und der Geschichte seinen Namen gegeben hat.

Im Jahr 1270 traf der fiktive Baumeister Gerhard, der bisher als Parlier an der Straßburger Bischofskirche mitgearbeitet hat mit seiner Frau und einigen weiteren Handwerkern, darunter ein Bildhauer und mehrere Steinmetze aus Basel und Köln, in Freiburg ein. Zehn Jahre war an der Liebfrauenkirche nicht mehr gebaut worden, weil die Befestigung der nördlichen Vorstadt Arbeiter und Material forderte. Der Empfang der Arbeiter ist recht bescheiden, wobei gleich ein Zwist deutlich wird zwischen dem „Alten Rat“ der Stadt, bestehend aus Rittern und Herren und dem „Neuen Rat“, der aus Kaufleuten und Handwerkern besteht.

Über die Geschicke der Stadt haben verschiedene Autoritäten zu bestimmen, die im Verlauf der Erzählung zu weiteren häufigen Konflikten sorgen werden. Freiburg wird beim Eintreffen der Handwerker von Graf Konrad regiert, der gegenüber seinem König Rudolf von Habsburg verpflichtet ist, aber auch gegen ihn integriert. Eine wichtige Stellung nimmt auch der jeweilige Gemeindevorsteher ein und einige Angehörige des geistlichen Stands. Das Gerangel um Zuständigkeiten und das Streben nach Machtbefugnissen führen über alle Jahre des Baus hinweg zu vielen Auseinandersetzungen.

Der Roman ist in drei Bücher gegliedert. Während der ersten beiden Teile nehmen die Streitereien um führende Positionen einen breiten Raum ein. Neben den auf Fakten beruhenden Ereignissen beschreibt Astrid Fritz auch das Alltagsleben der am Bau beteiligten Handwerker und der Bürger der Stadt. Liebe, Hass, Neid und Eifersucht sind ebenso beschrieben wie einfache tägliche Verrichtungen und besonderen Anlässen aufgrund dessen Feste gefeiert werden. Vor allem im dritten Buch des Romans konnte ich mehr über familiäre Verwicklungen lesen, aus denen sich einige Dilemmata ergeben und der Geschichte nochmals eine besondere Würze verleihen.

Ich war während des Lesens davon fasziniert welche Möglichkeiten damals schon bestanden, ein Gebäude mit so vielen Verzierungen und filigranen Elementen zu errichten. Es zeigt sich, wie viele Existenzen vom Bau eines solch großen Werks abhängig sind und sich damit den Machtspielen der oberen Gesellschaftsschicht unterworfen sind. Ein weiteres Problem ergibt sich durch die unterschiedlichen Meinungen über die entstehenden Kosten. Während die Steinmetze und Bildhauer ihre Künste bis zur Perfektion beim Kirchenbau und dem Errichten des Westturms zeigen wollen, was viele Arbeitsstunden und kostenintensiv ist, stehen ihnen ausreichend Kritiker entgegen, die sich gegen den damit verbundenen Prunk und für eine schlichtere Ausführung aussprechen.

Es freute mich, über den Anteil zu lesen, den auch Frauen eingebracht haben, nicht nur als Dienstmagd der am Bau beteiligten und Ehefrauen, sondern sogar als Handwerkerinnen. Ein Verzeichnis der Haupt- und Nebenfiguren, das dem Roman vorweggestellt ist, hilft dabei, den Überblick über die handelnden Personen zu behalten. Ein Glossar am Ende des Buchs erklärt vor allem geografische Begriffe, Worte aus der Handwerkersprache und Stellungsbezeichnungen.

Dank guter Recherche schreibt Astrid Fritz mit dem Wissen geschichtlicher Daten, Ortskenntnis und viel Verve für die von ihr erfundenen Figuren in ihrem Roman „Der Turm aus Licht“ über eine bewegte Zeit, in der einige der wunderbarsten Kirchen der Welt geschaffen wurden, was erst durch die Entwicklung neuer Bauweisen und -formen möglich war. Man hofft und bangt um den Weiterbau am Freiburger Münster Unserer Lieben Frauen, die durch wechselhafte gesellschaftspolitische Entwicklungen immer wieder gestört wird. Die Figuren werden schnell sympathisch und man möchte sie gerne über all die Jahre hinweg festhalten, auch wenn es altersbedingt leider nicht möglich ist. Obwohl aus der Historie heraus bekannt ist, dass der Turmbau zu einem Abschluss gekommen ist, sorgt die Autorin dank vieler Wendungen für eine abwechslungsreiche unterhaltsame Lektüre. Gerne empfehle ich daher das Buch an Liebhaber historischer Romanen gerne weiter.

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Veröffentlicht am 18.05.2020

Heitere Szenen trotz traurigem Hintergrund

Pandatage
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Im Roman „Pandatage“ schildert der Engländer James Gould-Bourn die besondere Beziehung von Danny Maloony zu seinem 11-Jährigen Sohn Will, die aufgrund einer Familientragödie entstanden ist. Um der prekären ...

Im Roman „Pandatage“ schildert der Engländer James Gould-Bourn die besondere Beziehung von Danny Maloony zu seinem 11-Jährigen Sohn Will, die aufgrund einer Familientragödie entstanden ist. Um der prekären Situation zu entkommen, in der er sich gerade befindet, hat Danny eine Idee. Er kauft ein Pandakostüm für sich, um damit öffentlich aufzutreten. Aber statt damit eine Lösung seiner bisherigen Probleme zu erreichen, warten ganz neue auf ihn. „Pandatage“ in der Maskerade verändern Danny nach außen hin zwar im Aussehen, doch seine Gefühle hält er für andere verborgen.

Will saß bei dem tragischen Verkehrsunfall vor einem Jahr, bei dem seine Mutter Liz starb, mit im Auto. Seitdem spricht er mit niemandem mehr. In der Schule wird er von den anderen Schülern gemoppt, nur sein bester Freund Mo steht ihm zur Seite. Sein Vater ist als ungelernter Arbeiter auf dem Bau beschäftigt. Es ist nicht leicht für Danny, seinen Job, den Haushalt und die Betreuung seines Kindes unter einen Hut zu bringen. Von den Schwierigkeiten seines Sohns in der Schule bekommt er wenig mit. Aufgrund seines mehrfachen Zuspätkommens verliert er seine Arbeit, die Rechnungen häufen sich und sein Vermieter droht ihm drastische Maßnahmen bei Mietverzug an. Als Tanzbär Geld zu verdienen, hat er sich leichter vorgestellt, denn im Gegensatz zu Liz hat er überhaupt kein Talent zum Tanzen und bisher auch kein Interesse daran gezeigt. Nur Tanzunterricht könnte ihm jetzt weiterhelfen. Vor Will möchte er unbedingt sein neues Engagement geheim halten.

Danny ist ein liebenswerter Charakter. Er stammt aus einfachen Verhältnissen. Von seinen Schwiegereltern fühlt er sich aufgrund seiner beruflichen Stellung nicht akzeptiert. Doch die Liebe zwischen Liz und ihm hat schon einige Klippen umschifft. Er hat sich immer wenig Sorgen um seine Zukunft gemacht. Aber nachdem er alle Kosten nur noch von seinem Gehalt bezahlen kann, sind seine finanziellen Belastungen hoch. Er ist davon ausgegangen, dass auf dem Arbeitsmarkt immer Arbeitswillige gesucht werden und steht plötzlich nach seiner Entlassung vor den Scherben seiner Existenz.

James Gould-Bourn entlockte mir trotz dramatischer Szenen immer wieder ein Lächeln durch geschickt gesetzten Wortwitz mancher Figuren. Auch wenn er teilweise zu Übertreibungen greift, die unglaubwürdig sind, so verteidigt er doch diese Linie mit dem engen Band zwischen Liz und Danny, das den Tod überdauert und an dem sein Protagonist festhält. Danny verliert nach dem Unfall aufgrund seiner eigenen tiefen Empfindungen, die er gegenüber Will geschickt überspielt, den Kummer seines Sohns aus den Augen und widmet sich ganz seiner Arbeit auf dem Bau, bei der er Abstand von Zuhause gewinnen kann. Der Arbeitsplatzverlust entzieht ihm die Möglichkeit sein Gedankenkarussell auszuschalten.

„Pandatage“ von James Gould-Bourn sorgt immer wieder für heitere Szenen trotz traurigem Hintergrund aus mehrfachem Anlass durch abwechslungsreich gezeichnete, eigenwillige Figuren mit manch schrägen Sprüchen und überspitzten Beschreibungen von Situationen. Er stellt dar, dass es verschiedene Wege zu trauern gibt. Für das Wohl eines Kindes reicht eine nur physische Anwesenheit nicht aus, sondern es ist notwendig auch dessen Vertrauen zu erhalten und ihm im Gegenzug seines zu schenken. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für den Roman.

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Veröffentlicht am 13.05.2020

Persönliche Coming-of-Age-Geschichte der Autorin

Wild Game
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Das Buch „Wild Game“ der US-Amerikanerin Adrienne Brodeur ist die wahre Geschichte der Beziehung zwischen der Autorin und ihrer Mutter Malabar. Der Untertitel „Meine Mutter, ihr Liebhaber und ich“ stellt ...

Das Buch „Wild Game“ der US-Amerikanerin Adrienne Brodeur ist die wahre Geschichte der Beziehung zwischen der Autorin und ihrer Mutter Malabar. Der Untertitel „Meine Mutter, ihr Liebhaber und ich“ stellt die Brisanz der Erzählung heraus, denn Adrienne Brodeur wurde unwillentlich zur Mitwisserin der langjährigen Affäre Malabars. Der Titel nimmt Bezug auf das Schreiben eines Kochbuchs über Wildgerichte, denn das Projekt bildet den Grund für Treffen zwischen den Liebenden ohne das ihre Liaison auffällt.

Ende der 1970er Jahre ist Adrienne, kurz Rennie gerufen, 14 Jahre alt. Jedes Jahr verbringt die Familie ihre Ferien im eigenen Ferienhaus auf Cape Code. Freunde sind hier herzlich willkommen, besonders häufig sind Ben, ein langjähriger Freund von Rennies Stiefvater Charles, und seine Frau Lily zu Gast. Nach einem feuchtfröhlichen Abend mit den Freunden wird Rennie mitten in der Nacht von ihrer Mutter geweckt, die ihr mitteilt, dass Ben sie geküsst hat. Anders als die Ich-Erzählerin erwartet, hat Malabar sich sehr über den Kuss gefreut. Es ist der Beginn eines leidenschaftlichen Liebesverhältnisses in dem Adrienne eine immer aktivere Rolle einnimmt, um ablenkende Situationen zu schaffen.

Anders als bei einem Roman steht die Realitätsnähe hier nicht in Frage. In einleitenden Worten informiert die Autorin darüber, dass die Geschichte ihre Ansicht der Ereignisse darstellt, die sie nicht nur aufgrund ihrer Erinnerungen, sondern auch anhand von Fotos, Aufzeichnungen und weiterer Fakten geschrieben hat. Sie schildert die heiteren Tage ihrer Mutter am Meer, die unterbrochen sind von den trüben Tagen im Alltag. Nicht nur Malabars Name ist ungewöhnlich, sondern auch ihre Vergangenheit. Rennies Mutter steht gern im Mittelpunkt. Ihre glänzenden Kochkünste geben ihr immer wieder kleine Erfolgserlebnisse, doch sowohl Malabar wie auch Ben sind an Ehepartner gebunden, die von Krankheit gezeichnet sind. Ihr Aktionsradius ist daher eingeschränkt, denn sie fühlt sich Charles verpflichtet. Gerne würde sie, die in Indien geborene und in ihrer Kindheit weit Gereiste, Abenteuer erleben und die Welt kennenlernen.

Die noch junge Adrienne hat widerstreitende Gefühle, wenn sie über die Affäre nachdenkt. Einerseits fühlt sie sich durch die Mitteilung des Geheimnisses geschmeichelt und hofft, dass sich dadurch eine besondere Nähe zu ihrer Mutter einstellt, andererseits sieht sie den Seitensprung als verwerflich an, weil ihr bewusst ist, dass das Bekanntwerden beide Ehen zerstören könnte. Sie nimmt die Einschränkungen wahr, die ihre Mutter hinnimmt und sie entscheidet sich dafür, ihr dabei zu helfen, Freiräume zu schaffen, damit Malabar ihre Gefühle ausleben kann. Doch je länger die geheime Beziehung anhält, desto deutlicher werden für Rennie die Auswirkungen auf ihr eigenes Leben durch ihre ständige Bereitschaft zur Organisation von Ablenkungsmanövern. Besonders schwierig wird die Frage, wie sie die Angelegenheit in ihre eigenen Partnerschaften einfließen lassen soll.

„Wild Games“ von Adrienne Brodeur ist die sehr persönliche Coming-of-Age-Geschichte der Autorin. Sie thematisiert nicht nur ihre besondere Beziehung zu ihrer egozentrischen Mutter, sondern vor allem deren jahrelang dauernde Liebesaffäre zum besten Freund des Stiefvaters, die nicht nur einen breiten Raum in ihrem eigenen Leben eingenommen, sondern es auch tiefgreifend beeinflusst hat. Zwar ist die Erzählung nicht einzigartig, zeigt aber auf vielfache Weise und bewegend auf, welche Abhängigkeiten und Einflüsse in einem Familienkonstrukt zum Tragen kommen können. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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