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Veröffentlicht am 11.03.2020

Erschütternde Umstände in einer illegalen Siedlung am Rand einer indischen Großstadt

Die Detektive vom Bhoot-Basar
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Der Debütroman der in Südindien geborenen Autorin Deepa Anappara führte mich tief hinein in ein indisches Basti, das ist eine illegale Siedlung am Rand einer großen Stadt. Die Häuser dort sind zwar klein ...

Der Debütroman der in Südindien geborenen Autorin Deepa Anappara führte mich tief hinein in ein indisches Basti, das ist eine illegale Siedlung am Rand einer großen Stadt. Die Häuser dort sind zwar klein und bestehen meist nur aus einem Raum, aber immerhin sind sie aus Stein gemauert. Zur Ausstattung gehört oft ein Fernseher und von den erwachsenen Bewohnern besitzt fast jeder ein Handy. Aber es besteht ständig die Gefahr, dass die Siedlung auf Anordnung der Verwaltung mit Bulldozern niedergewalzt wird. Darum versuchen die Bewohner sich möglichst unauffällig zu verhalten und die örtlichen Polizisten nicht zu verärgern.

Der neunjährige Jai lebt in einem solchen Basti zusammen mit seinen Eltern und seiner älteren Schwester Runu. Sein Vater verdingt sich auf einer Baustelle und seine Mutter ist Dienstmädchen in der angrenzenden Hochhaussiedlung der Reichen. Eines Tages verschwindet ein Klassenkamerad von Jai, schon bald ist es ein zweites Kind und weitere folgen. Jai begibt sich mit seinen gleichaltrigen Freunden Pari und Faiz auf die Suche nach ihnen. Dabei hofft er, dass ihm sein Wissen über das Lösen von Kriminalfällen, das er sich beim Anschauen von Fernsehsendungen erworben hat, zugutekommt.

Die Wege der Freunde führen sie durch die verwinkelten Gassen des Bastis, hin zum quirligen Bhoot-Basar, der seinen Namen von dem indischen Volksglauben an Bhutas d.h. Geister ableitet, und mittels U-Bahn bis hin in die Großstadt. Die drei halten Augen und Ohren offen und kommen der Lösung immer näher, die verbunden ist mit unglaublichen Erkenntnissen über die Realität.

Jai hat in seinem jungen Alter noch eine unverstellte frische Sicht auf sein Umfeld und das ist auch genau das, was den Roman ausmacht. Aus seiner Ich-Erzähler-Perspektive heraus schildert er einfach alles was er wahrnimmt und seine Gedanken dazu. Auf diese Weise vermittelte er mir damit all die Geräusche, Gerüche und Farben seiner Welt, die sich eigentlich auf das Basti beschränken sollten und nun durch seine Ermittlungen um einiges erweitert werden. Bewusst fügt die Autorin indische Bezeichnungen für Personen und Dinge ein, um ein gewisses Feeling für das Milieu zu vermitteln.

Indem die Freunde genau hinhören und hinsehen erfahren sie von den Erwachsenen Tatsachen und Gerüchte, die eigentlich nicht für so junge Kinder gedacht sind, aber zu einem verstörenden Bild für mich als Leserin werden. Denn trotz der wenigen Mittel die Jai zum Spielen zur Verfügung stehen, vermisst er nichts. Er besucht die Schule, trifft sich mit Freunden und spielt fantasievolle Spiele. Der Zusammenhang zwischen guten Noten und seiner späteren beruflichen Perspektive ist ihm noch nicht klar. Der Glaube an Geister verlangt nach gewissen Ritualen und setzt Regeln. Doch die zunehmende Zahl verschwundener Kinder geht auch an ihm nicht spurlos vorbei.

Während Jais Ahnungslosigkeit dem gesamten Roman einen gewissen heiteren Unterton verleiht, erfuhr ich zunehmend mehr über Missstände, die die indische Gesellschaft betreffen. Das Verschwinden der Kinder beruht auf wahren Ereignissen. In Einschüben erzählt die Autorin zu jedem vermissten Kind eine Geschichte bis zu dessen Verschwinden, doch was danach geschieht, bleibt offen und füllte sich für mich mit der Zeit mit Beschreibungen der Basti-Bewohner über Missbrauch, Kriminalität, Korruption, Ausbeutung und der Nachlässigkeit der Polizei. Gegenseitiges Misstrauen, das auch auf Glaubensunterschiede zurückgeführt werden kann, erschweren die Aufklärung. Leider kam es nach etwa der Hälfte des Buchs zu ein paar Längen.

Im Roman „Die Detektive vom Bhoot-Basar“ nahm Deepa Anappara mich mit in die illegalen Siedlung am Rande einer Großstadt. Aus kindischen Augen des Protagonisten Jai betrachtet, konnte ich am quirligen Leben dort teilnehmen. Ganz nebenher übt die Autorin deutliche soziale Kritik am System und prangert so manchen Missstand an. Ich fand die Geschichte beeindruckend und faszinierend und war erschüttert über die Umstände, die mich erschrocken zurückließen. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Öfter mal "Danke" sagen

Dankbarkeiten
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Die inzwischen über 80 Jahre alte Michèle Seld, kurz Mischka gerufen ist die Protagonistin im Roman „Dankbarkeiten“ der Französin Delphine de Vigan. Mischka, die viele Jahre als Korrektorin von Texten ...

Die inzwischen über 80 Jahre alte Michèle Seld, kurz Mischka gerufen ist die Protagonistin im Roman „Dankbarkeiten“ der Französin Delphine de Vigan. Mischka, die viele Jahre als Korrektorin von Texten gearbeitet hat, leidet zunehmend unter einer Aphasie. Bald schon kann sie nicht mehr allein in ihrer Wohnung bleiben. Zwar hat sie selbst keine Kinder, aber sie hat sich häufig um die Nachbarstocher Marie gekümmert, die ihr nun beim Umzug ins Seniorenheim zur Seite steht.

Zu den wenigen regelmäßigen Besuchern im Heim gehört der Logopäde Jérome, der ebenso wie Marie die Geschichte aus seiner Sicht erzählt. Daneben gibt es weitere Abschnitte, die einige Träume Mischkas mit Situationen wiedergeben, in denen ihre Ängste deutlich werden.

Delphine de Vigan verdeutlicht, dass es für Mischka, die ein selbständiges Leben geführt hat, nicht leicht ist, sich den Regeln des Heims unterzuordnen und sich in die Gemeinschaft einzufügen. Von den Angestellten, die ihren Dienst nach Plan vollziehen, fühlt sie sich in ihrer Privatsphäre gestört. Das Telefonieren fällt ihr durch ihre Krankheit immer schwerer, nicht nur dadurch werden ihre Kontaktmöglichkeiten immer weniger. Leere breitet sich aus. Delphine de Vigan hat mit ihrem Schreibstil eine Möglichkeit gefunden mir als Leserin Mischkas Verlust der Hoffnung auf eine Besserung ihres Zustands und ihre steigende Resignation zu vermitteln, denn manche Sätze bleiben spürbar unvollendet im Raum stehen. Ein Dank in dieser Hinsicht gilt auch der sehr guten Übersetzung von Doris Heinemann, die die Nachvollziehbarkeit des Schwindens der Wörter ermöglicht hat.

Mischkas Gedanken kehren immer wieder in ihre Kindheit zurück, vor allem zu einer schwierigen Zeit im Krieg. Die Erlebnisse haben sich tief in ihr eingegraben und sie geprägt, damit hat sie noch nicht abgeschlossen, denn es gibt Menschen, denen sie gerne für ihre damalige Hilfe Danken möchte. Ihre Unruhe darüber, diesen Wunsch nicht mehr umsetzen zu können, ist spürbar. Sie ist aber nicht die einzige Figur im Roman, die dankbar ist für das Gute, dass sie im Leben erfahren hat.

Die Autorin weist auf all die Kleinigkeiten im Alltag hin, für die man Danke sagt, ohne lange nachzudenken, einfach aus Routine. Ihr Roman „Dankbarkeiten“ ist eine Aufforderung dazu, darüber nachzudenken, welche Gefälligkeiten demgegenüber einfach hingenommen werden und die doch eigentlich mehr Aufmerksamkeit von uns verlangen und ein wenig mehr Anerkennung, die man auch äußern sollte. Gerne empfehle ich den Roman uneingeschränkt weiter.

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Komplexer Thriller, der durch seine detailliert beschriebenen Ideen über unsere Zukunft beeindruckt

Qube
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Der Science-Fiction-Thrillers mit utopischen Charakter „Qube“ von Tom Hillenbrand spielt drei Jahre nach den Ereignissen des zweiten Turing-Zwischenfalls im Jahr 2088, die Thema des Vorgängerbands „Hologrammatica“ ...

Der Science-Fiction-Thrillers mit utopischen Charakter „Qube“ von Tom Hillenbrand spielt drei Jahre nach den Ereignissen des zweiten Turing-Zwischenfalls im Jahr 2088, die Thema des Vorgängerbands „Hologrammatica“ waren. Damals erwachte ein längst zerstört geglaubter Klimacomputer erneut und versuchte die Weltherrschaft zu übernehmen. Natürlich stellte sich für mich vor Beginn des Lesens die Frage, ob die Welt die Künstlichen Intelligenzen inzwischen im Griff hat. Das es auch in „Qube“ wieder um eine ähnliche Problematik gehen wird, sagt bereits der Titel aus, der sich aus den Begriffen für Quantum und Cube zusammensetzt und so einen auf quantenmechanischen Prinzipien basierenden Hochleistungsrechner bezeichnet.

Der Londoner Journalist Calvary Doyle wird durch einen gezielt gesetzten Kopfschuss schwer verwundet. Der UNANPAI, einer Behörde, deren Aufgabe darin besteht, Künstliche Intelligenzen (KI) aufzuspüren, bleibt das nicht verborgen. Eventuell könnte das Verbrechen damit zusammenhängen, dass Doyle vor der Tat auf dem Gebiet der KI recherchiert hat. Zum Glück hat er Vorkehrungen getroffen und sein Wissen in einen Qube laden lassen, der ihm nun eingesetzt werden kann. Allerdings fehlt ihm die Erinnerung zwischen Gehirnscan und Kopfschuss. Fran Bittner, eine UNANPAI-Agentin, der bereits in „Hologrammatica“ eine wichtige Rolle zukam, wird mit den Ermittlungen beauftragt.

In weiteren Handlungssträngen lernte ich Clifford Torus kennen, einen reichen Unternehmer. Er ist ständig daran interessiert, die neuesten technischen Entwicklungen zu erwerben, vor allem diejenigen, die sein Leben erhalten verlängern könnten. Außerdem zeigt Persia, eine Profi-Gamerin, ihr Können und mit dem Auserwählten Franek reiste ich in eine magisch anmutende Welt.

Das Lesen von „Qube“ fiel mir leichter im Vergleich zum Vorgängerband, was einerseits daran lag, dass mir die Science-Fiction-Welt von Tom Hillenbrand schon bekannt war und andererseits, dass es diesmal keinen Perspektivenwechsel zu einem Ich-Erzähler gibt. Hilfreich war auch ein Glossar am Ende des Buches, dass einige spezielle Begrifflichkeiten erklärt.

Es ist beeindruckend, mit welcher Detailverliebtheit der Autor seine Szenen ausformuliert, so dass sie bildlich vorstellbar werden. Sicher sind viele Ideen seiner Zukunftsvorstellungen nicht unbedingt neu, aber so geschickt kombiniert, dass sie denkbar sind. Die Storyline begeisterte mich zu Beginn des Thrillers, doch leider kam es in der zweiten Hälfte zu Längen, auch durch die Beschreibungen von Spielrunden.

Das Problem der Datensammlungen und Auswertungen durch Künstliche Intelligenzen ist heute schon spürbar. Der Thriller verdeutlicht, welche Risiken bestehen, wenn KI aufgrund ihrer vorgenommenen permanenten Selbstoptimierung sich irgendwann unserer Steuerung entziehen könnten. Dabei verarbeiten sie nicht nur die von uns eingegebenen Daten, sondern nehmen auch aus ihrer Umgebung beispielsweise über Sprache Angaben auf und wandeln sie in verwendbaren Code um. Für uns wird der kritische Umgang mit Daten umso wichtiger.

„Qube“ von Tom Hillenbrand ist ein komplexer Thriller, der durch seine vielen, detailliert beschriebenen und verbundenen Ideen über unsere Zukunft beeindruckt. Dabei wirft der Autor problematische Fragen auf zur Datennutzung und der Begrifflichkeit unseres Menschseins. Das Buch ist vor allem für Leser des Genres Science Fiction interessant, denen ich es gerne weiterempfehle. Die Geschichte ruft nach einer Fortsetzung.

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Veröffentlicht am 06.03.2020

Erzählungen durch Zeit und Raum innerhalb deutsch-deutscher Geschichte

Katzensprung
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Das Buch „Der Katzensprung“ von Uwe Preuss beinhaltet eine Reihe von Geschichten aus dem vor allem als Schauspieler bekannten Autors. Offen und ehrlich, wie wenige Prominente über ihre Vergangenheit erzählen, ...

Das Buch „Der Katzensprung“ von Uwe Preuss beinhaltet eine Reihe von Geschichten aus dem vor allem als Schauspieler bekannten Autors. Offen und ehrlich, wie wenige Prominente über ihre Vergangenheit erzählen, ließ er mich an mancher brisanten, humorvollen oder auch mal verhängnisvollen Situation teilhaben. Die Orte und Zeiten wechseln beliebig, einzuordnen sind sie durch die Untertitel der Kapitel.

Ein „Katzensprung“ ist es jeweils für den Autor, sich zwischen den Aufenthaltsorten seines Lebens zu bewegen. Die Sprache ist reduziert. Uwe Preuss erzählt, was er erlebt hat, was er beobachtet hat. Stellenweise fehlte mir dabei aber die Beschreibung seiner Empfindungen, die aufgrund des Schreibstils ebenfalls auf das Wichtigste beschränkt sind. Auf diese Weise konnten mich die Erzählungen nicht tiefer berühren. Im Abgleich mit Selbsterlebtem und den Geschichten von Freunden entdeckte ich Bekanntes und Interessantes.

Uwe Preuss erzählt von sich, von seinen Großeltern in seiner Heimat in Ostdeutschland und von seinem Vater, der berufsmäßig ins Ausland entsendet wurde, wodurch der Autor als Kind einige Jahre in Brasilien gelebt hat. Er schildert seinen schwierigen Start ins Berufsleben mit wechselnden Arbeitsplätzen und seine Ausreise in den Westen. Abenteuerlich ist der spontane Entschluss zu einer kurzzeitigen unauffälligen Wiedereinreise aus Liebe. Die Erinnerungen begleiten ihn an Orte, die für ihn von Bedeutung sind.

„Katzensprung“ ist ein Buch für Leser, die mehr über den bekannten Schauspieler Uwe Preuss erfahren möchten. Sprunghaft bewegen sich die Erzählungen durch Zeit und Raum und spiegeln auf ihre Art auch ein Stück deutsche Geschichte wieder.

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Veröffentlicht am 05.03.2020

Verdeutlicht die Schwierigkeiten bei der Meinungsbildung

Die rechtschaffenen Mörder
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Schon ein Blick auf den Umschlag des Romans „Die rechtschaffenen Mörder“ von Ingo Schulze ließ mich wissen, dass er über Bücher, viele Bücher handelt. Vor allem dreht sich die Geschichte aber um den Besitzer ...

Schon ein Blick auf den Umschlag des Romans „Die rechtschaffenen Mörder“ von Ingo Schulze ließ mich wissen, dass er über Bücher, viele Bücher handelt. Vor allem dreht sich die Geschichte aber um den Besitzer dieser Bücher, den Dresdner Antiquar Norbert Paulini. Im ersten Satz des Romans liest sich denn „…lebte einst“, was sich für mich ein wenig märchenhaft anhörte, sich schließlich jedoch in das Gesamtbild des Buchs einfügte, denn der Roman besteht aus drei Teilen. Im ersten wird das Leben des Buchhändlers durch einen zunächst unbekannten Ich-Erzähler geschildert.

Erst im zweiten Teil lernte ich den fiktiven Schriftsteller Schultze kennen, der die Geschichte über Paulini zu Papier gebracht hat. Nicht nur sein Name ist dem des Autors ähnlich, es finden sich auch weitere Parallelen zu dessen Leben. Ich erfuhr, welche Gründe ihn bewegt haben, über den Antiquar zu schreiben. Er verarbeitet dabei seine persönlichen Begegnungen, die Fakten aus Gesprächen mit Bekannten und Freunden Paulinis, bindet Gerüchte ein und ergänzt alles durch seine Fantasie. Im letzten Teil des Romans kommt schließlich die Lektorin von Schultze zu Wort, die mir nochmal einen neuen Blickwinkel auf Paulini, Schultze und deren gemeinsame Freundin Lisa sowie das unvollendete Manuskript gab.

Norbert Paulini lebt in Dresden und kommt aus einfachen Verhältnissen. Seine Mutter besaß eine Buchhandlung, verstarb aber wenige Tage nach seiner Geburt im Jahr 1953. Doch ihre unverkauften Bücher hortete der Vater an jeder freien Stelle in der Etagenwohnung einer Villa im Stadtteil Blasewitz, in der die Familie lebt. Dadurch wurde bei Paulini die Liebe zu den Büchern geweckt und seine Berufung. Sein Leben ist eng verknüpft mit der wechselhaften Geschichte Ostdeutschlands. Besonders einschneidend für ihn und sein Geschäft ist die Öffnung der Grenzen und das Oderhochwasser. Er resigniert nicht, akzeptiert die gegebenen Umstände und passt sich an. Doch im Laufe der Jahre ändern sich in kleinen Schritten seine Einstellungen, auch weil er seinen eigenen Erwartungen als Vater gerecht werden möchte. Und eines Tages steht er im Blickfeld von polizeilichen Ermittlungen.

Ingo Schulzes Roman ist angefüllt mit Leidenschaft für Bücher, nicht nur durch seinen Protagonisten, sondern auch über Buchschätze. Hier fällt mancher große Autorenname und Titel, die auf diese Weise Paulini nicht nur seinen Kunden, sondern auch mir als Leser empfiehlt. Paulini ist ein geradliniger Mensch, er hat bestimmte Ansichten von seiner Zukunft, zu dem der Wunsch gehört, vom Lesen zu leben genauso wie seine Erwartung an eine Ehefrau. An Aussagen zur politischen Lage hat er kein Interesse, stattdessen steckt er seine ganze Energie in die Vermittlung von Büchern an seine Kunden. Dabei sollen es vor allem die Klassiker sein, die jeder kennen sollte. Nur widerwillig beachtet er Neuerscheinungen.

Das Adjektiv rechtschaffen, wie es im Titel genutzt wird, trifft auf Paulini in besonderer Weise zu. Im Zeitablauf erfordern jedoch familiäre und gesellschaftliche Ereignisse unangenehme Entscheidungen von ihm, die er meistert. Für mich als Leser war es nachvollziehbar, dass er sich immer mehr als Opfer der Umstände betrachtet und seine Gelassenheit nur noch nach außen sichtbar ist, während es in seinem Innern brodelt, doch das ist nur Spekulation.

Die Veränderung der Erzählperspektive verdeutlicht, dass die Erzählung über eine Person durch Dritte gespickt ist mit vielen Einflüssen und dadurch ein reales Bild nicht möglich ist. Es kann als Außenstehender nur ein Versuch sein, dass Verhalten eines Menschen zu erklären, durch seine Äußerungen und seine Handlungen. Doch unsere Gesellschaft neigt zur Vorverurteilung und Schubladendenken.

Meisterhaft zeigt Ingo Schulze in seinem Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ dem Leser, wie schwierig es ist, sich eine umfassende, ehrliche und faire Meinung zu bilden. Durch unterschiedliche Erzählperspektiven führt er dem Leser vor, wie subjektiv, manchmal borniert der Eindruck von uns in der Öffentlichkeit entsteht. Einige Fragen bleiben offen und warten darauf, vom Denken des Lesers gefüllt zu werden. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.

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