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Veröffentlicht am 02.03.2020

Berührender und eindringlich geschriebener Roman, der auf wahren Ereignissen basiert

Vardo – Nach dem Sturm
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Die Engländerin Kiran Millwood Hargrave beschreibt in ihrem Roman „Vardo“, wie auch der Untertitel „Nach dem Sturm“ schon andeutet, die fiktiven Ereignisse nach dem historisch belegten Unwetter am Heiligen ...

Die Engländerin Kiran Millwood Hargrave beschreibt in ihrem Roman „Vardo“, wie auch der Untertitel „Nach dem Sturm“ schon andeutet, die fiktiven Ereignisse nach dem historisch belegten Unwetter am Heiligen Abend des Jahres 1617. Er betraf vor allem die Fischer von Vardo, der östlichsten Gemeinde Norwegens, deren Boote er versenkte. Vierzig, und damit alle erwachsenen Männer des Orts ertranken dabei. Die Frauen müssen den Kampf ums Überleben aufnehmen in einer kargen und abgeschiedenen Gegend. Dabei versuchen sie teilweise auch die Aufgaben ihrer Männer zu übernehmen. Durch die Konventionen ihrer Zeit sind sie dabei eingeschränkt. Im gleichen Jahr wird ein Dekret zu Zauberei und Hexerei erlassen, dass drei Jahre später in der Finnmark, zu dem Vardo gehört, durchgesetzt wird.

Zu den Opfern des Sturms gehörten der Vater, der Bruder und der Verlobte der 20-jährigen Maren, die jetzt mit ihrer Mutter allein in einem kleinen Haus lebt. Ihre Schwägerin ist samischer Herkunft, schwanger und hat ein Zimmer gleich nebenan. Während Maren und die meisten Frauen des Dorfs gläubige Christen sind, hängen die Samen ihrem eigenen Glauben an, zu denen der Kontakt zur Geisterwelt durch einen Schamanen gehört, wodurch sie besonders im Blickfeld des neues Gesetzes stehen.

Zur Durchsetzung des Dekrets wird Absalom Cornet, der sich in seiner Heimat Schottland bereits in der Hexenverfolgung einen Namen gemacht hat, nach Vardo geschickt. Bei seiner Zwischenstation in Bergen trifft er Ursa, die Tochter eines Reeders. Schnell wird eine Ehe zwischen den beiden arrangiert. Die als Hausfrau unerfahrene Ursa begleitet ihren Ehemann in den Norden. Die Frauen von Vardo begegnen ihr mit Misstrauen, doch zwischen ihr und der etwa gleichaltrigen Maren entwickelt sich zunehmend ein ganz besonderes Verhältnis.

Kiran Millwood Hargrave beschreibt behutsam und feinfühlig die zunehmenden Spannungen in einer Gemeinschaft, in der durch den Verlust der erwachsenen Männer jahrzehntelang bewährte Aufgabenverteilungen hinfällig geworden sind. Der tägliche Kampf darum, genug Nahrung besorgen zu können, überdeckt die Trauer, sie brauchen einander. Obwohl sie Hilfe aus anderen Ortschaften erhalten, ist die Enttäuschung über die Obrigkeit groß, der das Einhalten der Gesetze wichtiger zu sein scheint als das Überleben der Einwohner.

Ursa kommt an der Seite ihres Mannes in dieser Situation nach Vardo. Das Misstrauen gegenüber Absalom übertragt sich auf seine Frau. Dabei weiß Ursa wenig über ihren Mann, denn die insgesamt verbrachte gemeinsame Zeit ist kurz und geprägt von Bewunderung und Respekt, aber auch einer unterschwelligen Angst vor Absalom, der ihr wenig über sein bisheriges Tun erzählt hat. Ausgerechnet ihre Unfähigkeit zur Führung eines Haushalts bringt ihr die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den Frauen der Gemeinde. Bei Maren findet sie das, was sie fern ihres Heimathauses vermisst hat: Sie wird zu ihrem Ankerpunkt, bringt ihr Verständnis entgegen und spendet ihr Trost.

Der Glaube an Hexerei und Zauberei treibt einen Keil in die Gemeinschaft, der Spalt öffnet sich immer weiter. Ursas Stand in der Gemeinde als Frau des Hexenverfolgers ist umstritten. Die beschriebenen Prozesse basieren auf den historischen Grundlagen und wurden von der Autorin sehr gut recherchiert. Sie sind grausam, abschreckend und bis heute unverständlich. Vardo hat ihnen ein Mahnmal gesetzt, damit niemand vergisst.

Kiran Millwood Hargrave erzählt im Roman „Vardo – Nach dem Sturm“ berührend und eindringlich über das reale Schicksal der Frauen in der titelgebenden Gemeinde Norwegens im Jahr 1617, die sich schon bald nach dem Unwetter und dem Verlust ihrer Männer der Macht der von der Regierung entsendeten Hexenverfolger gegenüber sehen, die die Gesetze erbarmungslos durchsetzen. Gleichzeitig schreibt die Autorin zart und behutsam über Liebe, die nicht zerstört werden kann und sich ihre eigenen Wege sucht. Ein Roman mit einem ganz eigenen Klang, der in Erinnerung bleibt. Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.02.2020

Abwechslungsreiche, magische und aufregende Handlung

Serafin. Das Kalte Feuer
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Zu den erfolgreichsten Reihen von Kai Meyer gehören die drei Jugendbuchbände über das Waisenkind Merle, die vor etwa zwanzig Jahren zum ersten Mal veröffentlicht wurden. Das Buch „Serafin – Das Kalte Feuer“ ...

Zu den erfolgreichsten Reihen von Kai Meyer gehören die drei Jugendbuchbände über das Waisenkind Merle, die vor etwa zwanzig Jahren zum ersten Mal veröffentlicht wurden. Das Buch „Serafin – Das Kalte Feuer“ erweitert die Serie und spielt im Anschluss an die Geschehnisse des dritten Bands. Die titelgebende Figur Serafin, die jetzt zum Protagonisten wird, ist bereits aus den Merle-Büchern bekannt, die ich aber bisher nicht gelesen habe. Es war kein Problem der Handlung zu folgen und die kurzen Hinweise auf vorige Ereignisse an entsprechenden Stellen, an denen Hintergrundwissen benötigt wurde, machten mir Lust darauf, auch die ersten drei Teile zu lesen.

Serafin lebt in Venedig, aber nicht in dem, welches wir heute kennen und das ich bereits besucht habe, sondern in einer Stadt voller Magie, in der in Neumondnächten die Kanäle trocken fallen. Der 17-jährige Serafin betätigt sich in solchen Nächten als Schlammsammler und hofft darauf, wertvolle Dinge auf dem Kanalgrund zu finden. In einer Nacht entdeckt er zwei bewusstlose Mädchen, etwa in seinem Alter, vor einem Standspiegel liegend. Es sind Merle und ihre Freundin Junipa. Leider kann Serafin vorerst nur eines der Mädchen in Schutz nehmen, denn längst haben starke Gegner die Freundinnen aufgespürt und sich einer von ihnen bemächtigt. Um mehr darüber zu erfahren, wieso die beiden Mädchen behaupten, ihn zu kennen, bietet er ihnen seine Unterstützung an. Gemeinsam müssen sie sich gegen Widersacher behaupten und die Hilfe zwielichtiger Gestalten in Anspruch nehmen.

Kai Meyer stattet seine Spiegelwelt mit ganz eigenen Elementen aus wie beispielsweise einer geflügelten Katze, den manifestierten Städten, einem Mädchen mit Spiegelaugen und einem steinernen Herz, einem Lampenentzünder und den Kartographen. Serafin und die beiden Freundinnen haben gute Absichten, doch mächtige Feinde lassen sich teilweise nur mit List, Magie oder unter Zuhilfenahme von Waffen besiegen.

Immer wieder baut der Autor neue Wendungen ein und führte mich als Leserin zu unbekannten Orten in einem geheimnisvollen Venedig. Dabei spielt er mit dem Charakter seiner Figuren wie mit gespiegelten Ebenbildern, mit schnellem Blick ist dabei nicht erkennbar, welche Seite man vor sich hat, die gute oder die böse, die wohlmeinende oder die vernichtende. In einer Welt voll Herausforderungen ist Vertrauen schwierig, vor allem dann, wenn man wie Serafin schon schlechte Erfahrungen gesammelt hat und er die Personen, auf die er sich verlassen möchte, noch nicht lange oder gar nicht kennt. Neben anhaltender Spannung entwickelt sich auch eine zarte Liebesgeschichte.

„Serafin – Das Kalte Feuer“ von Kai Meyer ist die Fortsetzung des Merle-Zyklus, die den 17-jährigen Serafin in einer parallelen Spiegelwelt von Venedig in den Mittelpunkt stellt. Die Handlung ist abwechslungsreich, magisch und aufregend. Durch einige unerwartete Wendungen bleibt lange offen, wie die Geschichte endet. Das Buch eignet sich für Jugendliche ab 12 Jahren und ist aufgrund des faszinierenden Schreibstils auch für Erwachsene interessant. „Serafin“ kann auch als Einstieg in die Serie gelesen werden. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 29.02.2020

Vertrauen, Respekt, Freiraum und Liebe als Zutaten für eine gute Ehe

Hör mir zu, auch wenn ich schweige
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In ihrem Roman „Hör mir zu, auch wenn ich schweige“ schreibt Abbie Greaves über das anhaltende Schweigen in der Ehe eines älteren Paars, das so viel Leere hervorruft und das schließlich viel Platz einnimmt ...

In ihrem Roman „Hör mir zu, auch wenn ich schweige“ schreibt Abbie Greaves über das anhaltende Schweigen in der Ehe eines älteren Paars, das so viel Leere hervorruft und das schließlich viel Platz einnimmt bis es zu einer solchen Last wird, dass die Ehefrau darunter zerbricht. Dennoch wenden sich die Gesichter einer Frau und eines Manns auf dem Cover liebevoll einander zu. Sie scheinen dadurch im Gegensatz zur abweisenden Stille zu stehen und doch ist in der Geschichte so, dass Frank, dem Ehemann, die Worte fehlen, obwohl er seine Ehefrau wie an ihrem ersten Tag der Beziehung liebt. Mit Ausnahme des Prologs und des Epilogs erzählt Frank als Ich-Erzähler die Ereignisse der Gegenwart und im Rückblick, die später von Maggies Auszeichnungen unterbrochen werden.

Frank und Maggie sind seit 40 Jahren verheiratet und haben gemeinsam schon manchem Sturm getrotzt. Frank ist Professor für Entwicklungsbiologie, ruhig und zurückhaltend, aber er lacht gern und liebt Ausflüge in die nahe und weitere Umgebung. Maggie ist Krankenschwester, aufgeschlossen und kontaktfreudig. Von heute auf morgen verstummt Frank. Vielleicht ahnt Maggi ansatzweise den Grund dafür, aber das Unausgesprochene steht im Raum und ihre Gedanken kreisen über die gemeinsame Bürde der letzten Jahre. Die Mauer des Schweigens wirkt auf sie belastend, ihr eigenes Handeln in der Zeit davor sieht sie als bedeutungsvoll und Schicksal gebend, so dass sie verzweifelt und keine Zukunft für sich sieht. Frank findet sie bewusstlos in der Küche und setzt alles daran, Maggie und seine Ehe zu retten.

Der Roman schildert die Geschichte einer langen Ehe, die geprägt ist von der miteinander geteilten Zeit und mit gemeinsamen Erlebnissen. Sie erzählt von den vielen Dingen, die man einander in all den Jahren aneinander zu schätzen gelernt hat und von den Eigenheiten des Partners, mit denen man sich arrangiert. Es sind die Ängste, die man miteinander geteilt hat, das gemeinsame Glück und die empfangene Freude, die mit der Zeit eine gewisse Annahme entstehen lässt, dass man stets glaubt zu wissen, wie der andere denkt und fühlt. Es bleibt aber auch der Hauch einer Ahnung, dass es Dinge gibt, die unerwähnt bleiben und dadurch ein unterschwelliges Störgefühl immer vorhanden bleibt, bei feinfühligen Personen mehr, bei anderen vielleicht weniger.

Im Roman „Hör mir zu, auch wenn ich schweige“ zeigt Abbie Greaves, dass Liebe allein manchmal nicht ausreicht und eine aufrichtige Kommunikation im Vertrauen zueinander, gegenseitiger Respekt und akzeptierter Freiraum in der Ehe wichtig sind. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 29.02.2020

Bewegender Roman über Trauer und verschiedene Arten, diese zu bewältigen

Nach Mattias
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Zu Beginn des Romans „Nach Mattias“ des Niederländers Peter Zantingh steht ein klarer Schnitt: Mattias ist tot. Daran bemisst sich die Zeiteinteilung seiner Freundin, seiner Freunde und Verwandten, für ...

Zu Beginn des Romans „Nach Mattias“ des Niederländers Peter Zantingh steht ein klarer Schnitt: Mattias ist tot. Daran bemisst sich die Zeiteinteilung seiner Freundin, seiner Freunde und Verwandten, für die es ein „mit“ und ein „ohne“ Mattias gibt. Der Autor erzählt aus acht Perspektiven mit neun Figuren, die im Mittelpunkt der jeweiligen Geschichte stehen. Der Blick auf seine Freundin und Lebenspartnerin Amber eröffnet und beschließt die Kurzgeschichten im Buch.

Lange bleibt verborgen, wie und wo Matthias gestorben ist, erst allmählich erhielt ich als Leser hierzu weitere Informationen. Der Raum um sein Sterben bleibt jedoch weit und unausgefüllt, genauso wie die Rollen, die er eingenommen hat und die jetzt nicht mehr zu füllen sind.

Die Charaktere, die Peter Zantingh selbst zu Wort kommen lässt oder auf denen sein Blick ruht, kennen den für eine Eventagentur arbeitenden Matthias nicht immer persönlich. Dennoch sind sie auf gewisse Weise mit ihm verbunden, eventuell auch nur durch Auswirkungen seiner Handlungen. Deutlich zu spüren ist der persönliche Bezug zu dem Verstorbenen durch die Tiefe der Trauer der jeweiligen Person. Obwohl der Schreibstil des Autors recht schnörkellos ist, beschreibt er die Emotionen mit treffenden und berührenden Worten.

Weil einige Figuren miteinander verwandt oder befreundet sind oder der gleichen Freizeitgestaltung nachgehen, kreuzen sich gelegentlich einige Wege. Daher findet die Entwicklung des Protagonisten einer der Kurzgeschichten eventuell später nochmal eine Fortsetzung, was ich sehr gut fand.

Auf der Trauerfeier von Matthias zeigt sich, dass die anwesenden Personen den Verstorbenen auf ganz unterschiedliche Weise gekannt haben. Die Erzählungen vermittelten mir ein Bild von ihm als Neuem gegenüber aufgeschlossen und zu spontanen Aktionen bereit. Er konnte gut zuhören, bot gerne seine Hilfe an, suchte den Konsens, doch er war auch ein Mensch mit Ecken und Kanten.

Die Geschichten spielen in einer unbenannten Stadt, nicht allzu weit vom Meer entfernt, wie beispielsweise in Utrecht, der Heimat des Autors. Beim Schreiben hört der Autor gerne Musik, die ihm auch zur Inspiration dient, und die er für dieses Buch in einer Playlist zusammengestellt hat.

Die Erzählungen sind realistisch und nachvollziehbar. Peter Zantingh lässt seinen Figuren ein Stück Hoffnung, in dem er einigen eine Aufgabe gibt, die für sie sinnerfüllend ist. Allerdings blieb mir der Charakter des Sohns einer der Protagonistinnen nicht ausformuliert genug, so dass mir dessen Handlungsmotiv unklar bilieb.

Peter Zantingh hat einen bewegenden Roman geschrieben über Trauer und verschiedene Arten, diese zu bewältigen. Die Geschichten im Buch „Nach Mattias“ zeigen auf, dass auch kleine Handlungen in unserem Leben von Bedeutung für andere Personen sind und eine verändernde Wirkung haben können, die nicht durch den Tod beendet wird. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 28.02.2020

Über das Leben und das Sterben, über Trauer und Glück - ergreifend mit heiterem Unterton

Marianengraben
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Der Marianengraben im Pazifischen Ozean liegt 11.000 m tief und ist damit die tiefste Stelle des Weltmeers. Der „Marianengraben“ der Protagonistin Paula in Jasmin Schreibers gleichnamigen Roman ist nicht ...


Der Marianengraben im Pazifischen Ozean liegt 11.000 m tief und ist damit die tiefste Stelle des Weltmeers. Der „Marianengraben“ der Protagonistin Paula in Jasmin Schreibers gleichnamigen Roman ist nicht greif- oder sichtbar, aber mit der gleichen Tiefe wie sein Namensvetter hat er sich in ihrem Innersten eingegraben. Er ist dort, wo es ihr an Licht und Farbe fehlt, wo sie nicht genug Luft zum Atmen findet und wo ihr die Energie zum Leben entzogen wird, weil ihre unendliche Liebe zu ihrem Bruder über dessen Tod hinaus ihr die Kraft raubt. Die Tiefe des Marianengrabens betitelt die Kapitel des Buchs und ließ dadurch für mich als Leserin das langsame Auftauchen und Abstreifen der Dunkelheit von Paula auch nach außen hin sichtbar werden.

Der Unfalltod ihres über zehn Jahre jüngeren Bruders Tim hat bei Paula eine große emotionale Leere hinterlassen. Wieder und wieder fragt sie sich, ob ihre Anwesenheit am Unfallort den Tod von Tim hätte verhindern können. Als sie sich nach der Beerdigung endlich traut, das Grab zu dem für sie perfekten Zeitpunkt aufzusuchen, stellt sie fest, dass sie nicht wie gewünscht allein auf dem Friedhof ist. Bei dieser Gelegenheit lernt sie Helmut kennen, viermal so alt wie sie und mit einem klaren Auftrag, den er zu erfüllen gedenkt und der ihn schließlich mit seinem neuerworbenen alten Wohnmobil Richtung Berge in den Süden treibt. Paula begleitet ihn und schnell wird die Geschichte zu einem skurrilen Roadmovie.

Paula und Tim sind ganz unterschiedliche Charaktere. Während Paula kontaktscheu und ruhig ist, gerne liest und lernt, ist Tim ebenfalls neugierig auf das Leben, aber er schließt schnell Freundschaften und ist abenteuerlustig. Paula versucht an dem Status Quo vor dem Unfall festzuhalten. Das, was sie aktuell erlebt erzählt sie in Gedanken ihrem Bruder und stellt sich seine Reaktionen in entsprechenden Situationen vor und seine Rückfragen auf ihre Schilderungen. Entsprechend angepasst und einfach, aber brillant ist in diesen Abschnitten die Sprache im Zwiegespräch mit Tim. Sie kann ihn nicht aus ihren Gedanken lassen, denn sie stellt sich vor, dass die Größe des dann entstehenden Raums nicht zu füllen ist. Und immer wieder stellt sie sich die Frage ihrer Schuld. In der Geschichte ist spürbar, dass die Autorin sich mit dem Sterben als Ende unseres Lebens aktiv auseinandersetzt.

Helmut erscheint zunächst als schrulliger älterer Herr. Zunehmend entdeckt Paula jedoch Gemeinsamkeiten. Einige seiner eigenen Erlebnisse, die er im Laufe der vielen Jahre seines Lebens gesammelt hat, sind ähnlich denen seiner viel jüngeren Reisebegleiterin. Beide bleiben sich auf ihrer Fahrt selbst treu und dennoch ist deutlich spürbar, dass sie im Austausch ihrer Erfahrungen und Gefühle ein besseres Verständnis nicht nur voneinander, sondern über viele Dinge des Lebens finden.

„Marianengraben“ von Jasmin Schreiber ist ein Roman über das Leben zu dem das Sterben dazugehört, ob absehbar oder unerwartet. Die Autorin schreibt über Trauer und über Glücksmomente. Sie findet eine eigene Art, der ergreifenden Erzählung an manchen Stellen einen heiteren Ton zu geben, der dem Roman eine gewisse Leichtigkeit verleiht und immer wieder über die berührenden und schmerzlichen Geschehnisse hinweg Fröhlichkeit einkehren lässt. Sehr gerne vergebe ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

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