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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.08.2019

Gut konstruierter Thriller mit unterschwelliger Spannung

Something in the Water – Im Sog des Verbrechens
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„Something in the water“ ist ein Thriller der Engländerin Catherine Steadman, der eine subtile Spannung aufbaut, die sich vor allem aus dem Umstand ergibt, dass die Protagonisten Erin und Mark in ihren ...

„Something in the water“ ist ein Thriller der Engländerin Catherine Steadman, der eine subtile Spannung aufbaut, die sich vor allem aus dem Umstand ergibt, dass die Protagonisten Erin und Mark in ihren Flitterwochen bei einem Ausflug eine Tasche aus dem Wasser fischen mit einem brisanten Inhalt. Schon der Untertitel des Buchs „Im Sog des Verbrechens“ deutet an, dass eine verwerfliche Tat weitreichende Konsequenzen haben wird.

Erin ist Dokumentarfilmerin, Mark ist Bankkaufmann. Sie sind schon seit einigen Jahren in einer festen Partnerschaft. Wenige Wochen vor der lang ersehnten, pompös geplanten Hochzeit wird Mark arbeitslos. Aus Furcht davor, dass die Kosten unbezahlbar werden, kürzt er sowohl das Budget für die Feierlichkeiten wie auch die Tage der Flitterwochen im Luxushotel auf Bora Bora. Erste Drehtage zu einem Film über drei Strafgefangenen, die vor ihrer Entlassung stehen, verlaufen für Erin nach Plan. Schließlich heiraten beide und begeben sich auf Hochzeitsreise. Der Fund der Tasche, verbunden mit einer grausamen Entdeckung im Wasser, bringt beide in eine emotional angespannte Ausnahmesituation.

Aus dem Prolog wusste ich, dass Erin ein Grab für ihren verstorbenen Ehemann schaufelt. Meine Neugier war dadurch natürlich geweckt, um zu erfahren, was in der Zeit zwischen dem Fund und dem Schaufeln mit dem verliebten Paar geschehen ist. Erin erzählt die Geschichte als Ich-Erzählerin, so war ich als Leserin immer an ihrer Seite. Sie liebt ihren Beruf, obwohl der Verdienst eher bescheiden ausfällt. Dank der Einkünfte von Mark kann sich das Paar einen gewissen Wohlstand leisten. Erin reagiert zunächst recht naiv auf die Bedenken von Mark in Bezug auf zukünftige Ausgabenbeschränkungen.

Bei einigen ihrer Gedankengänge, wie beispielsweise zur weiteren Verwendung des Inhalts der gefundenen Tasche, wendet die Protagonisten sich direkt an den Leser, besorgt um dessen Verständnis. Oft konnte ich ihre Handlungen gut nachvollziehen, aber manchmal erschienen mir die Entscheidungen dieser intelligenten Frau unlogisch. Allerdings muss man berücksichtigen, dass Erin in kurzer Zeit viele, mehr oder weniger schnelle Entscheidungen zu treffen hat, die sie gefühlsmäßig stark mitnehmen. Auf die große Freude über ihre Heirat folgt die Enttäuschung durch die Entlassung ihres Manns, bald darauf ist sie Stolz über den Fortschritt ihrer Arbeit verbunden mit Nervosität vor den ersten Interviews mit den Straftätern. In den Flitterwochen versucht sie ihre Tiefenangst zu überwinden und genießt in vollen Zügen die bevorzugte Behandlung im Hotel und die Idylle. Ihre Gefühle fahren also Achterbahn.

Die Autorin verliert sich bei ihren Schilderungen in vielen Einzelheiten, die gelegentlich die Handlung ausbremsen, manchmal aber, wie im Fall des Aufenthalts auf Bora Bora, zum Träumen einladen oder, wie bei den Schilderungen der Dreharbeiten, inhaltlich interessant waren. Die Geschichte verläuft weitestgehend unblutig. Dem Ende fehlte ein wenig die Würze, weil es vorhersehbar ist.

Catherine Steadman ist ein gut konstruierter Thriller mit unterschwelliger Spannung über ein Beziehungs-Drama gelungen. Das Buch ist unterhaltsam und lesenswert trotz kleinerer Schwächen, darum spreche ich gerne eine Leseempfehlung aus.

Veröffentlicht am 05.08.2019

Klug komponierter Roman über ein wichtiges Thema

Radio Activity
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„On“ heißt das erste der drei Kapitel des Romans „Radio Activity“ von Karin Kalisa. „On Air“ trifft es noch besser, denn bereits auf der ersten Seite konnte ich verfolgen, wie Holly Gomighty alias Nora ...

„On“ heißt das erste der drei Kapitel des Romans „Radio Activity“ von Karin Kalisa. „On Air“ trifft es noch besser, denn bereits auf der ersten Seite konnte ich verfolgen, wie Holly Gomighty alias Nora Tewes ihre erste Radiosendung beim neuen Sender „Tee und Teer“ moderiert. In Rückblicken erfuhr ich in diesem ersten Teil des Buchs, wie Nora gemeinsam mit zwei Jugendfreunden den Sender gründet. Vorher war Nora, 25 Jahre alt, Teil eines Ballettensembles in New York. Als ihre Mutter im Sterben liegt, kündigt sie ihre Arbeit und kehrt in ihre Heimat im Norden Deutschlands zurück, um ihre Mutter zu pflegen. Die Geschichte rund um die Gründung schreitet zügig voran. Das Team des neuen Senders hat einige kreative Ideen zur Programmgestaltung, unter anderem ein Quiz, welches wie beim Geocachen zu bestimmten Orten hinführt. Doch dann nutzt Nora ihre Sendung dazu, die Zuhörer auf ein längst verjährtes Verbrechen aufmerksam zu machen und sie zum Täter zu führen. Wie Radioaktivität soll ihre Nachricht unsichtbar sein, aber mit durchdringenden, bleibenden Folgen.

Im Kapitel „Stay“ steht für eine Weile die Zeit scheinbar still, denn als Leser verharrte ich an der Seite von Nora am Sterbebett ihrer Mutter, die Nora ein für schwer fassbares Geständnis macht. Auf diese Weise konnte ich alles über die Hintergründe von Noras Aktion und ihr waghalsiges Vorgehen erfahren. Im letzten Kapitel, „Off“ betitelt, konnte ich dann erfahren, wie die von Nora initiierte Aktion weiter verläuft.

Karin Kalisa erzählt detailgenau und intensiv. Ihren Figuren gibt sie einen interessanten Hintergrund, so versammeln sich einige Lebenswege mit Hochs und Tiefs in diesem Buch. Obwohl Nora sich ihre Karriere beim Ballett vorgestellt hat, bleibt sie doch der Heimat verbunden. Immer deutlicher spürt sie einen Sinn nach Veränderung und kann sich ihre zunehmenden Fehler beim Tanz doch zunächst nicht erklären. Der kurzfristig gewählte Weg nach Hause ist eine logische Folge für sie aus den aktuellen Ereignissen.

Nach dem Bekenntnis ihrer Mutter reift in Nora ein Plan, dessen Umsetzung die Autorin auf glaubhafte Art und Weise schildert. Immer wieder wird die Wut in Nora aufgrund des für sie Unglaublichen spürbar. Sie fühlt die tiefe Verletzung ihrer Mutter, die diese über Jahre in sich getragen hat. Aus der dadurch resultieren Hilfslosigkeit von Nora werden bald Rachegedanken. Durch das Ziel, dass sie sich gesetzt hat, versucht sie ihre Gefühle zu kanalisieren. Ihr Vorgehen wird zu einer gesellschaftspolitischen Angelegenheit, in die der Rechtsreferendar Simon eine tragende Rolle spielt und für Nora in mehrfacher Hinsicht zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Davon ausgehend, dass die Autorin genau recherchiert hat, eröffnete sie mir in diesem Roman ein Stück aktueller Rechtsgeschichte, das empörend ist und der allgemeinen Wahrnehmung nach wohl von den meisten als ungerecht empfunden wird. Ich war fasziniert darüber, wie die Autorin die Handlung fortführt.

„Radio Actity“ berührt ein wichtiges Thema, das in unserer Gesellschaft oft tabuisiert wird. Die Kraft der Protagonistin, ihre Handlungen ganz auf Gerechtigkeit auszurichten, die von Freundschaft und Beherztheit getragen wird, ist bewundernswert und berührend. Karin Kalisa erzählt mit viel Esprit und guten Ideen. Beim Lesen war ich tief betroffen und werde die Geschichte in Erinnerung behalten. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

Veröffentlicht am 30.07.2019

Eine Frau auf der Suche nach Gefühlen

Kein Sturm, nur Wetter
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Der Roman „Kein Sturm, nur Wetter“ von Judith Kuckart beginnt handlungsmäßig am Flughafen Tegel und endet dort auch. Auf den dazwischenliegenden Seiten wurde meine Aufmerksamkeit gefordert, die zu einigen ...

Der Roman „Kein Sturm, nur Wetter“ von Judith Kuckart beginnt handlungsmäßig am Flughafen Tegel und endet dort auch. Auf den dazwischenliegenden Seiten wurde meine Aufmerksamkeit gefordert, die zu einigen Déjà-Vues führte, denn im Lesefluss fielen mir immer wieder Handlungsschnipsel auf, die mir bekannt vorkamen, die so oder so ähnlich vorher schon eiinmal eine Situation beschrieben. Die namenlose Protagonistin misst den wiederkehrenden Szenen einiges an Bedeutung bei und glaubt auch eine Kontinuität im Zeitabstand zu sehen, in dem sie zu einer festen Beziehung findet. Sie war 18 Jahre, dann 36 Jahre alt, als sie mit Viktor beziehungsweise Johann zusammenkam. Jetzt ist sie 54 Jahre alt, Zeit also, dass sie wieder dem passenden Partner begegnet?

Die Langeweile der Mietwohnung ihrer Kinder- und Jugendjahre verlässt sie kurz nach dem Abitur und hofft mit dem Abschluss eines Studiums der Medizin in der Hauptstadt auf eine abgesicherte Zukunft. Schon bald begegnet sie hier dem doppelt so alten Viktor. Er gibt ihr die Zärtlichkeiten, nach denen sie sich als junge Frau sehnt. Beide gewähren sich gewisse Freiheiten bis zum Rand der Akzeptanz. Mit 36 Jahren lernt sie als Single den gleichaltrigen Johann kennen. Seine Karriere scheint, wie ihre eigene, nicht in Schwung zu kommen. Sie folgt ihm auf seinen beruflichen Stationen in verschiedenen Städten und verliert sich dabei ein Stück selbst. Zu Beginn des Romans wohnt sie seit mehreren Jahren wieder in der Hauptstadt und genießt ihren Sonntag in der Abflughalle. Hier lernt sie bei einem kurzen Gespräch Robert Sturm kennen, der für eine Woche nach Moskau fliegt. Als Leser begleitete ich die Protagonistin in dieser Zeit, in Ihrer Erwartung, ihn dort wieder zu treffen.

Als promovierte Neurologin, die hauptsächlich verwaltend an einem zum Fach gehörenden Institut arbeitet, fühlt sie sich nicht gefordert. Dennoch gibt ihr die Stelle genügend Kontinuität und ein gesichertes Einkommen. Mit Gefühlen hat sie sich wissenschaftlich beschäftigt und fragt sich, ob deren Auftreten sich allein nur durch neurophysiologische Vorgänge erklären lassen. Sie grübelt über die Worte ihrer Vorgesetzten, die Ereignisse in der Gegenwart stets im Geschehen der Vergangenheit begründet sieht.

In der Woche, in der die Protagonistin auf Robert wartet, gleiten ihre Gedanken immer wieder in die Vergangenheit, zum Beginn ihrer Beziehungen und zu deren Ende. Ihr Wunsch danach, dass es auch jetzt nochmal geschehen wird, ist spürbar. Für mich als Leser ergab sich aus den einzelnen Versatzstücken ihrer Gedanken mit und mit, das Leben einer wenig beachteten, bewusst im Schatten anderer stehenden intelligenten Frau, die immer noch auf der Suche nach ihrem Platz im Leben ist, den sie gemeinsam mit einem Partner einnehmen möchte. Sie beansprucht für sich, in ihrer Unsichtbarkeit, in ihrem Innersten ganz tief jemand anderen zu lieben und idealerweise Erwiderung darauf zu finden. Dabei wünscht sie sich auch Vertrauen und ein sicherer Rückhalt in allen Lebenslagen.

Bewusst lässt Judith Kuckart ihre Hauptfigur ohne Namen, so kann sie in vielen Menschen wiedergefunden werden oder sich selbst darin finden. Unwillkürlich begann ich darüber nachzudenken, ob sich auch in meinem Leben Parallelen finden, wie sie die Protagonistin für sich entdeckt. Die Frage wirft sich auf, ob sich gewisse Situationen durch eigenes Einwirken erzwingen lassen. Der Charakter der Neurologin passt sehr gut zum Schreibstil der Autorin, der weniger leidenschaftlich, aber dennoch einfühlsam und bewegend ist. In den Handlungen, die in der Vergangenheit spielen sind die Figuren abwechslungsreich gestaltet und sorgen für einige unerwartete Wendungen. Für die promovierte, an bestimmten Erfahrungen reiche Namenlose bleibt die Hoffnung, dass Krisen sie nicht gleich vom Weg abbringen werden und sie die Erfüllung ihrer Wünsche finden wird. Den Roman empfehle ich an gerne an anspruchsvollere Leser weiter.

Veröffentlicht am 24.07.2019

Zeigt das, was eine Familie zusammenhält und was Heimat bedeutet - berührend und authentisch

Aber Töchter sind wir für immer
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Im Roman „Töchter sind wir für immer“ nahm Christiane Wünsche mich mit nach Büttgen, einer Ortschaft am Niederrhein, die zur Stadt Kaarst gehört. Weil ich nur etwas mehr als 30 km davon entfernt ebenfalls ...

Im Roman „Töchter sind wir für immer“ nahm Christiane Wünsche mich mit nach Büttgen, einer Ortschaft am Niederrhein, die zur Stadt Kaarst gehört. Weil ich nur etwas mehr als 30 km davon entfernt ebenfalls am Niederrhein wohne, fühlte ich mich hier gleich heimisch. Im Mittelpunkt der Erzählung steht die Familie Franzen mit ihren vier Töchtern, die im Bahnwärterhäuschen unmittelbar an den Schienen der S-Bahn zwischen Mönchengladbach und Düsseldorf lebt, etwas außerhalb des Dorfs. Die Apfelblüten und der Apfel, die das Cover des Buchs zieren, stehen als Symbol für den Apfelbaum im Garten der Familie. Hier findet Johanna, die älteste der Töchter, in jüngeren Jahren einen Zufluchtsort. Er ist aber auch Zeuge für eine Handlung, die viel zu lange unausgesprochen bleibt und verheimlicht wird.

Johanna, Heike und Britta kehren zum bevorstehenden 80. Geburtstag ihres Vaters nach Hause zurück. Zu dritt kommen sie selten im Elternhaus zusammen, was nicht nur daran liegt, dass Johanna in Berlin lebt, sondern auch weil sie grundverschieden sind. In der vorderen Klappe findet sich ein kleiner Stammbaum, in dem vier Töchter des Ehepaars Franzen aufgeführt sind. Dort steht hinter dem Namen der Tochter Hermine das Jahr ihrer Geburt sowie das ihres Todes. Damit war meine Neugier von Beginn an geweckt, denn ich wollte erfahren, warum sie mit 22 Jahren verstorben ist.

Christiane Wünsche lässt Britta in der heutigen Zeit von den aktuellen Planungen zu den Festivitäten rund um den Geburtstag ihres Vaters in der Ich-Form erzählen. Britta ist die mit großem Altersabstand zu den Schwestern jüngste der Töchter, inzwischen 28 Jahre alt und lebt als Reiseverkehrskauffrau in Düsseldorf. Unterschwellig ist von Beginn an ein Unbehagen in der Familie zu spüren. Nicht nur, dass Britta aufgrund ihres Alters viele angesprochene vergangene Erlebnisse in der Familiengeschichte nicht zu teilen vermag, sondern auch die Rivalitäten zwischen den Geschwistern aus der Kinder- und Jugendzeit sowie ihr Verhältnis zu den Eltern scheinen immer noch präsent.

Geschickt blendet die Autorin zwischen den Kapiteln, die in der Gegenwart spielen, auf die Vergangenheit der einzelnen Mitglieder der Familie, nicht nur bis zur Geburt der einzelnen Kinder, sondern auch bis zur Kindheit von Vater Hans und Mutter Christa. Der Rückblick reicht zurück bis in die 1930er Jahre. Christiane Wünsche nähert sich bedeutsamen Geschehnissen in der Familie von mehreren Seiten ohne darauf zu verharren. Dadurch konnte ich mir selbst eine Meinung dazu bilden, wer welchen Anteil hat an Verrat, Missgunst, Hass, Unrecht, Liebe und Freude, die wie in jeder Familie auch bei den Franzens anzutreffen sind. Das Geheimnis rund um die Krankheit und den Tod von Hermine öffnete sich für mich Schritt um Schritt. In der drittältesten Tochter der Franzens begegnete mir eine hochsensible Persönlichkeit, die über mehr wie fünf Sinne verfügt.

Desto tiefer ich in die Vergangenheit blicken konnte, desto mehr wurde mir deutlich, warum die jeweilige Figur sich entsprechend so entwickelt hat, wie sie in der Gegenwart dargestellt wird. Dazu beigetragen hat auch die Einflechtung von weltpolitisch bedeutsamen Ereignissen und Entwicklungen. Angesagte Filme, Musik und Bücher sind ebenfalls gelegentlich erwähnt. Bis auf wenige Einwürfe im Dialekt weist die Autorin nur darauf hin, dass dieser früher in der Familie gesprochen wurde. Der Lesefluss bleibt daher ungebrochen.

Im Roman „Aber Töchter sind wir für immer“ von Christiane Wünsche wurden durch die mit mir etwa gleichaltrigen Töchter Johanna und Heike, die wie ich am Niederrhein aufwuchsen, Erinnerungen bei mir wach an meine eigene Kindheit und Jugend. Ich empfand die Beschreibungen als authentisch und übereinstimmend mit meinen eigenen Erinnerungen. Die Autorin zeigt, dass trotz unterschiedlicher Meinungen und der daraus resultierenden Differenzen die Bande, die eine Familie zusammenhält, sehr stark sind und der Ort an dem man aufgewachsen ist, seinen besonderen Reiz durch die beinhalteten Erinnerungen hat und man dadurch untrennbar mit ihm verbunden ist. Der Roman hat mich bewegt und wird mir in Erinnerung bleiben. Gleichzeitig hat er mich sehr gut unterhalten, daher empfehle ich ihn gerne weiter.

Veröffentlicht am 22.07.2019

Unerwartete Wendungen, gut ausformulierte Charaktere und eine fein abgestimmte Konstruktion

Die Stille des Todes
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Das Buch „Die Stille des Todes“ ist der erste Teil der „Trilogie der Weißen Stadt“ der Spanierin Eva García Sáenz. Haupthandlungsort im Thriller ist Vitoria, die Hauptstadt des Baskenlands. Die Ermittlungen ...

Das Buch „Die Stille des Todes“ ist der erste Teil der „Trilogie der Weißen Stadt“ der Spanierin Eva García Sáenz. Haupthandlungsort im Thriller ist Vitoria, die Hauptstadt des Baskenlands. Die Ermittlungen übernimmt Inspector Unai López de Ayala gemeinsam mit seiner Kollegin Inspectora Estíbaliz Ruiz de Gauna. Seit seiner Jugend hat Ayala den Spitznamen „Kraken“, vielleicht weil es bei ihm schwierig ist, wie bei den gleichnamigen Tieren,, etwas über ihn zu erfahren. Als Leser blieb ich an seiner Seite, denn er erzählt die Ereignisse in der Ich-Form im Rückblick. Allerdings unterbricht ein weiterer Handlungsstrang, der zu Beginn der 1970er Jahre spielt, das in zeitlicher Reihenfolge ablaufende Geschehen. Eine Ausnahme dazu bildet der Prolog, in dem Ayala kurz ein Statement zu den vorigen erfolgten Ermittlungen abgibt. Das Erschreckende daran war für mich, dass er von einem Schuss des Mörders auf ihn erzählt. Spannender konnte der Einstig kaum sein, denn nun wollte ich natürlich wissen, ob der Mörder gestellt werden konnte und Ayala überlebt hat. Ich mag Bücher mit Ich-Erzähler, die rückblickend aus dem Jenseits erzählen, nicht. Wird der Thriller wieder in diese Kategorie fallen? fragte ich mich daher nach der Einleitung.

Vitoria wurde vor zwanzig Jahren von einer Serie von Morden erschüttert. Erst waren es ein neugeborenes Mädchen und ein neugeborener Junge, dann zwei Fünfjährige, des Weiteren ein zehn Jahre altes Pärchen und schließlich ein Fünfzehnjähriger und eine Fünfzehnjährige, die ermordet, entkleidet und auf besondere Weise arrangiert an jeweils einem historischen Ort in der Stadt aufgefunden wurden. Der Täter wurde damals gefasst, doch das Prekäre war, dass es sich dabei um einen aus dem Fernsehen bekannten Archäologen handelte der von seinem eineiigen Zwilling, einem Polizeiinspektor, verhaftet wurde. Jetzt werden Ayala und Gauna an einen Tatort gerufen, bei dem alles an die damalige Mordserie erinnert. Die beiden Opfer sind zwanzig Jahre alt, was an den Altersabstand der früheren Tötungen anknüpft. Aber der Mörder sitzt noch im Gefängnis, soll allerdings in zwei Wochen entlassen werden. Wurde er unschuldig verurteilt oder ist es möglich, dass er aus der Haft heraus die Taten veranlasst? Die Ermittler stehen vor einem Rätsel und die Zeit drängt, denn die 25-jährigen der Stadt geraten in Panik, diesmal auf der Liste des Täters zu stehen …

Die Autorin legt von Beginn an die Spannungslatte sehr hoch. Ich habe mitgerätselt und darauf gehofft, dass sich die Morde schnell klären lassen, obwohl mir das schon aufgrund der über 500 Seiten schlichtweg nicht möglich erschien. Im Einschub von Kapiteln mit der Einflechtung von Geschehnissen in den 1970ern erfuhr ich mehr über die Mutter der eineiigen Zwillinge und hoffte darauf, dadurch einen Erkenntnisvorsprung gegenüber den Ermittlern zu erhalten. Eva Garciá Sáenz lässt ein um die andere Wendung in ihre Geschichte einfließen. Mit den beiden Inspektoren schafft sie ganz unterschiedliche Charaktere über deren Privatleben ich zunehmend mehr erfuhr. Oftmals denken die beiden in unterschiedlichen Richtungen, was zu konstruktiven Auseinandersetzungen untereinander führt. Zwar ist die Suche nach Indizien kleinteilig, aber nie langweilig. Die Inspektoren gehen gelegentlich ihren eigenen Vermutungen nach. Durch ihre längere Zusammenarbeit lässt sich dabei das Vertrauen in die Fähigkeiten des anderen spüren.

Die Autorin beschreibt die Leichenfunde so, dass ich mir die Szene gut vorstellen konnte. Bei den Ermittlungen fließt wenig Blut, der Fokus liegt eindeutig auf der Suche nach Indizien. Nicht nur die Fundorte, sondern die gesamte Erzählung ist eingebunden in die Historie der Stadt Vitoria und ihrer Umgebung zu der Eva Garcia Saenz einiges zu erzählen hat. Außerdem lässt sie die Morde im Juli und August geschehen, in einer Zeit in der wichtige Festivität in der Stadt stattfinden. Trotz des Grausens aufgrund der Verbrechen bekam ich Lust dazu, die Region im Baskenland bei Gelegenheit zu besuchen. Einen kleinen Eindruck gewinnt man vom Cover des Buchs, das den Weg vom Markt zur Kirche San Vicente Martir zeigt. Dabei blitzt im Hintergrund der Glockenturm der Kirche San Miguel Arcangel heraus, einem Ort der im Buch eine Rolle spielt.

Der Thriller „Die Stille des Todes“ von Eva Garcia Sáenz konnte mich von Beginn an begeistern. Aufgrund zahlreicher unerwarteter Wendungen, gut ausformulierter Charaktere und einer fein abgestimmten Konstruktion ist der Thriller fesselnd bis zum Schluss. Ich freue mich darüber, dass es noch zwei weitere Fälle für das Ermittlerpaar Inspector Unai López de Ayala und Inspectora Estíbaliz Ruiz de Gauna sowie ihren Kollegen vom Kommissariat im baskischen Vitoria gibt, die bald in deutscher Sprach erscheinen werden. Klare Leseempfehung an Thrillerfans!