Profilbild von Girdin

Girdin

Lesejury Star
offline

Girdin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Girdin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.03.2019

Eine Frau auf der Suche nach dem, was sie wirklich will

Frühlingserwachen
0

Der Roman „Frühlingserwachen“ erzählt von dem Alter Ego gleichen Namens der Autorin Isabelle Lehn. Mit dem Erwachen des Frühlings assoziiere ich den Beginn des jährlichen Aufblühens der Natur. Für die ...

Der Roman „Frühlingserwachen“ erzählt von dem Alter Ego gleichen Namens der Autorin Isabelle Lehn. Mit dem Erwachen des Frühlings assoziiere ich den Beginn des jährlichen Aufblühens der Natur. Für die Protagonistin Isabelle Lehn, 36 Jahre alt, Schriftstellerin, geschieden und in einer Beziehung, ist es kein neuer Anfang. Eher sieht sie „rot“ und ist wütend auf sich selbst, wenn sie auf das schaut, was sie bisher im Leben erreicht hat, symbolisiert auch durch die Farbgestaltung des Covers. Die junge Frau, die dort abgebildet ist, scheint sich lieber in ihrer Kleidung verstecken zu wollen, doch ihr Blick richtet sich offen und erwartungsvoll auf den Lesenden. Wendet man das Buch, stellt sich die Abbildung förmlich auf den Kopf und auch die Hauptfigur sinnt darüber nach, ob sie durch verschiedene Entscheidungen ihre Zukunft gründlich verändern könnte.

Isabelle wünscht sich ein Kind, ist sich aber nicht schlüssig darüber, ob es ihr in der Folge gelingen wird, die Maßstäbe tatsächlich zu erreichen, die sie sich für eine Erziehung setzt. Seit vielen Jahren arbeitet sie an ihrem Roman und hofft natürlich darauf, dass er veröffentlicht wird. Sie ist unzufrieden aufgrund des Nichterreichten beziehungsweise nicht genug Erreichten und stagniert in einer depressiven Phase. Die verordneten Tabletten wirken gegen ihre Unruhe, vermindern aber auch ihren Antrieb. Wie bei vielen Dingen in ihrem Leben, weiß sie nicht, welchem Umstand sie mehr Bedeutung beimessen soll. Ihrer Meinung nach befindet sie sich in einem Alter in dem ihre Entscheidungen wichtige Auswirkungen für den Rest ihres Lebens haben werden. Isabelle fragt sich, ob es immer nur zwei Seiten einer Medaille gibt, schwarz oder weiß, hell und dunkel oder lohnt sich es sich auch mit Alternativen und Kompromissen zu leben?

Isabelle Lehn schreibt einen Text bei dem an keiner Stelle klar wird, wie autobiographisch er ist. Doch die Frage bleibt stets im Hintergrund und forderte mich von Beginn an dazu auf, mehr über die Autorin im Internet zu erfahren. Neben der eigentlichen Handlung, in der der Schreibprozess eines Romans geschildert wird, ebenso wie die Kinderwunschbehandlung der Protagonistin und die Psychotherapiestunden gegen die Depressionserkrankung, konnte ich mehr über die Gefühlswelt der Hauptfigur erfahren, die in der Ich-Form erzählt. Ohne Hemmungen schreibt sie über ihre Beziehungen zu Männern, ihr feinsinniges Verhältnis zu ihren Freundinnen und ihrer ungebrochenen Bindung zu Familienangehörigen. Begleitet wird der Text immer wieder mit Ausflügen in die Literatur, die auf vielfache Weise in den Alltag von Isabelle einfließt und einwirkt.

Auf ihre ganz eigene Weise ist die Protagonistin des Romans „Frühlingserwachen“ bestrebt, einen Weg zu finden, sich selbst zu verwirklichen. Sie sucht dabei nach einem geeigneten Maßstab, an dem man seine Zufriedenheit messen kann, um sich letztlich der Ironie des Schicksals hinzugeben. Ausdrucksstark erzeugt die Autorin Bilder im Kopf, die gerade durch die Möglichkeit der Nähe zur Realität authentisch wirken. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

Veröffentlicht am 05.03.2019

Jugendliebe und Selbstfindung - berührend mit einem Touch Mystik

Nichts als Liebe im Universum
0

„Nichts als Liebe im Universum“ von Cat Jordan ist ein Jugendbuch ab 14 Jahren und es beschreibt die kurze, aber sehr bewegende Romanze zwischen dem 17-jährigen Matthew, von allen Matty genannt und der ...

„Nichts als Liebe im Universum“ von Cat Jordan ist ein Jugendbuch ab 14 Jahren und es beschreibt die kurze, aber sehr bewegende Romanze zwischen dem 17-jährigen Matthew, von allen Matty genannt und der scheinbar von einem anderen Stern gekommenen Priya. Im Original ist das Buch mit „Eight days on Planet Earth“ betitelt, denn genau so lange dauert es, bis Priya das Leben von Matty durch ihre Anwesenheit in seiner Nähe stark verändert. Entsprechend viele Kapitel gibt es im Buch, die außerdem in weitere Abschnitte eingeteilt sind denen eine Tageszeit zugeordnet ist.

Matty lebt auf einer Farm in Pennsylvania, die sein Großvater früher geführt hat. Mattys Vater vernachlässigt den Betrieb und widmet seine Zeit lieber der Beschäftigung mit Außerirdischen, die vor Jahren auf einem Feld hinter der Farm mit ihrem Raumschiff abgestürzt sein sollen. Ausgerechnet an dem Tag, an dem der Vater seine Familie verlässt, begegnet Matty auf eben jenem Feld einem sehr schlanken, weiß-blonden Mädchen, das behauptet von einem anderen Stern zu kommen und die Aufgabe besitzt, Informationen über die Erde und seine Bewohner zu sammeln.

Priya behauptet Matty gegenüber, dass sie von einem anderen Stern kommt. Obwohl im Klappentext deutlich geschrieben steht, dass sie kein Alien ist, wollte ich ebenso wie Matty daran glauben. Geschickt spielt die Autorin hier mit Elementen, die Priyas Aussage unterstützen.

Matty durchlebt gerade ein Wechselbad der Gefühle. Seine Beziehung zum Vater hat sich in den letzten Jahren verschlechtert, es gab so gut wie keine gemeinsamen Aktivitäten mehr. Matty stellt sich auf die Seite seiner Mutter, ohne die Gründe seines Vaters für sein Verschwinden genauer zu kennen. Er selbst wurde von einer langjährigen Freundin vor kurzem zurückgewiesen als er eine Beziehung beginnen wollte. Vielleicht denkt er, dass er dadurch den Kummer seiner Mutter sehr gut nachvollziehen kann. Er versucht, sie gefühlsmäßig wieder aufzurichten.

Seine Begegnung mit Priya bringt sein Weltbild durcheinander, denn er hat sich gedanklich von den Verschwörungstheorien gelöst, denen sein Vater nachgeht. Und nun spiegelt das Mädchen alles das wieder, was er hinter sich gelassen hat. Seine Skepsis bleibt und dennoch kommen sich die beiden immer näher durch die Hilfsbereitschaft von Matty und seinem wieder geweckten Interesse am Weltraum. Zunächst bleibt es fragwürdig, ob Priya für Matty nur ein Trost für das Fehlen des Vaters und ein Zeitvertreib für die Ferien ist oder Liebe. Aber mit dem Vergehen der wenigen Tage klärt sich die Frage nachdrücklich. Im Laufe der Geschichte gewinnt Matty durch den Umgang mit Priya einige grundlegende Erkenntnisse über das Leben an sich und das Zusammensein.

„Nichts als Liebe im Universum“ ist nicht nur eine Liebesgeschichte sondern beschreibt auch eine Selbstfindungsphase des Protagonisten bei der er emotional wächst. Über dem ganzen Roman liegt ein mysteriöser Touch, der fasziniert und über das Leben außerhalb unseres Planeten nachdenken lässt. Das Ende der Geschichte kommt rasch und bringt eine unerwartete Wendung mit sich, die tief berührend ist und alles verändert. Unbedingte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.03.2019

Berührende Auseinandersetzung mit der Frage, was eine Familie zusammenhält

Worauf wir hoffen
0

In ihrem Roman „Worauf wir hoffen“ zeigt die kalifornische Autorin Fatima Farheen Mirza auf einmalige Weise, welche Wünsche Eltern für ihre Kinder haben und welche Wege sie dazu gehen, um ihre Vorstellungen ...

In ihrem Roman „Worauf wir hoffen“ zeigt die kalifornische Autorin Fatima Farheen Mirza auf einmalige Weise, welche Wünsche Eltern für ihre Kinder haben und welche Wege sie dazu gehen, um ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Gleichzeitig schildert sie auch die Auseinandersetzung der Kinder mit den Anforderungen, die an sie gestellt werden. Das Cover zeigt einen Baum, der mit seinen Zweigen symbolisch für die Familie steht. Goldglänzende Punkte überstrahlen entlang der schwarzen Äste solche in blau. Sie weisen auf die Freude im Leben hin, die nicht nur der Einzelne für sich empfindet sondern die er auch, natürlich ebenso wie schlechte Erfahrungen, mit seinen Angehörigen teilt.

Hadia ist 27 Jahre alt und die älteste Tochter von Rafir und Laila. Ihre Eltern sind Inder und schon vor ihrer Geburt in Kalifornien zugewandert. Die ganze Familie, zu der noch ihre ein Jahr jüngere Schwester Huda und ihr vier Jahre jüngere Bruder Amar gehören, ist schiitischen Glaubens. Zu ihrer Heirat nach einem indisch-muslimischen Ritual ist auch Amar angereist, der vor drei Jahren im Streit sein zu Hause verlassen hat und zu dem jeder Kontakt abgebrochen war. Als allwissende Erzählerin blickt die Autorin auf die Geschwister und Laila und bringt deren Gefühle zu der unwirklich erscheinenden Situation, dass der verloren geglaubte Sohn heimgekehrt ist, zum Ausdruck. In Rückblicken reist Fatima Farheen Mirza in die Vergangenheit bis zu dem Punkt, als die Ehe von Rafir und Laila vermittelt wurde und zu vielen weiteren für die Familie bedeutenden Ereignissen aus denen sich schließlich der Weggang von Amar ergibt.

In diesem eher ruhig erzählten Roman legt die Autorin viele Stationen ein, um aus zahlreichen Situationen heraus zu erklären, wie es zu der Loslösung des Bruders von seinen Eltern und Geschwistern, verbunden mit Änderungen in seinen Ansichten, gekommen ist. Deutlich wird der Anspruch der Eltern, sich an die von ihren Vorfahren und ihrer Religionsgemeinschaft gesetzten Normen, Werte und Gesetze zu halten. Sie fühlen sich verpflichtet, ihre Traditionen auch fern der Heimat zu leben und an ihre Kinder weiterzugeben, ohne Fragen nach Nachteilen die dadurch gerade ihren Kindern geschehen könnten.

Die Autorin erlaubte mir mit ihren Schilderungen, die nicht wertend aber durchaus kritisch sind, hinter die Fassade des Alltags einer nach indischen und muslimischen Bräuchen lebenden Familie zu nehmen, wie ich es bisher nicht kannte. Auf sehr einfühlsame Weise legt sie die Rolle der Frau in einer solchen Gesellschaft offen und führt aus Sicht der Mutter und der Töchter Argumente an, damit verbunden zu bleiben oder sich davon zu lösen. Sie blickt auf die äußeren Einflüsse, die gerade durch Kindergarten, Schule, Arbeit und Studium nicht vermieden werden können. Innerhalb der Familienangehörigen blickt sie auf die Rollenzuweisungen der Töchter und des einzigen Sohn. Hieraus ergeben sich der Zusammenhalt der Geschwister gegenüber Außenstehenden ebenso wie Eifersüchteleien bis hin zum Hass, geteilte Freude sowie Leid und das Ringen um die Gunst der Eltern. In einem abschließenden Kapitel erzählt Rafik, dessen Sichtweise bis dahin nur durch sein Handeln erkennbar war, seinem Sohn als Ich-Erzähler von seinem Leben drei Jahre nach der Hochzeit Hadias und von seinen Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse in einem versöhnlichen Ton, der den Roman auch mich als Leser mit eine Hoffnung im Herzen zurückließ.

Fatima Farheen Mirza gab mir in ihrem Roman „Worauf wir hoffen“ Einblicke in einen für mich bisher unbekannten Mikrokosmos einer indisch-muslimischen Familie, die nach Kalifornien ausgewandert ist. Das Buch ist eine berührende Auseinandersetzung mit der Frage, wodurch eine Familie zusammenhält, die zum Nachdenken anregt. Beispielhaft führt die Autorin an, wie es zu einem Bruch in diesem Gefüge kommen kann. Die Geschichte hat mich bewegt und wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben, ich empfehle sie gerne weiter.

Veröffentlicht am 28.02.2019

Psychologisch durchdacht und sehr gut konstruiert mit grausamen Szenen

Lazarus
1

„Lazarus“ ist mein erster Krimi, den ich von Lars Kepler gelesen habe. Hinter dem Pseudonym Lars Kepler verbirgt sich das schwedische Autorenehepaar Alexandra und Alexander Ahndoril. „Lazarus“ ist der ...

„Lazarus“ ist mein erster Krimi, den ich von Lars Kepler gelesen habe. Hinter dem Pseudonym Lars Kepler verbirgt sich das schwedische Autorenehepaar Alexandra und Alexander Ahndoril. „Lazarus“ ist der bereits sechste Fall in dem Joona Linna, ein schwedischer Kommissar der Landeskriminalpolizei mit finnischen Wurzeln, und Saga Bauer, eine operative Kommissarin beim schwedischen Staatsschutz, ermitteln. Dennoch kann das Buch ohne Nachteile unabhängig von den anderen Teilen der Reihe gelesen werden.

Genauso unverhofft wie die biblische Gestalt des Lazarus aus dem Grab auferstanden ist beginnt eine Mordserie, die Linna stark an Jurek Walter erinnert, den sogenannten Sandmann, in dessen Fall er im vierten Band der Reihe tätig war. Allerdings wurde Walter damals von Saga Bauer erschossen. Trotzdem ist sich Linna sicher, dass sein damaliger Widersacher, einer der skrupellosesten Verbrecher die er je kennen gelernt hat, noch lebt. Seine Meinung wird von den Kollegen allerdings nicht geteilt. Linna beginnt mit der Umsetzung seines ganz persönlichen, von langer Hand vorbereiteten Schutzplans für sich und seine Tochter. Denn in der Vergangenheit hat Jurek Walter ihm gedroht, sich an ihm und seiner Familie zu rächen. Ob sein Plan übertrieben ist oder rechtfertigt zeigt sich im weiteren Verlauf der Handlung.

Lars Kepler hat einen ganz eigenen Stil entwickelt, um eine immer wieder beklemmende Szenerie zu schaffen. Dazu sind die Sätze recht kurz, dialoglastig und im Präsens gehalten. Gleich zu Beginn lernte ich die beiden Protagonisten nicht nur bei ihrer Arbeit, sondern auch im Privatleben kennen. Beide sind auf ihre jeweilige Art sympathisch. Die Verbrechen des potentiellen Täters richten sich eventuell als persönliche Rache an die beiden Kommissare und gerade daher rückten die Geschehnisse an mich als Leser besonders nah heran, weil ich natürlich darauf hoffte, dass vor allem die Hauptfiguren unbehelligt bleiben sollten.

Von Anfang an wird Spannung aufgebaut, die bis zum Ende anhält. Die Taten sind meist sehr grausam und daher ist der Krimi nichts für Zartbesaitete. Geschickt wechselt Lars Kepler die Perspektiven, um durch entsprechend Cliffhanger den Thrill noch ein wenig zu erhöhen. An einigen Stellen erscheint auf diese Weise die Handlung auf eine desolate Situation bereits bekannter Personen hinzuführen. Das Ende lässt in Bezug auf einen der Protagonisten viel Raum zum Hoffen und Bangen.

„Lazarus“ ist ein psychologisch durchdachter, sehr gut konstruierter Krimi, der vor brutalen Szenen nicht zurückschreckt und dennoch real denkbar ist. Für alle Leser der Reihe rund um die Kommissare Joona Linna und Saga Bauer ist er ein Muss, aber auch eine Empfehlung für alle anderen Krimileser, die vor blutigen Gemetzeln nicht zurückschrecken.

Veröffentlicht am 27.02.2019

Berührt und stimmt nachdenklich

Lieber woanders
0

Der Roman „Lieber woanders“ von Marion Brasch erzählt die Geschichten von Toni und Alex, die an verschiedenen Punkten beginnen und aufeinander zuführen. Die beiden wissen nicht, dass sie sich bereits einmal ...

Der Roman „Lieber woanders“ von Marion Brasch erzählt die Geschichten von Toni und Alex, die an verschiedenen Punkten beginnen und aufeinander zuführen. Die beiden wissen nicht, dass sie sich bereits einmal begegnet sind in einem Moment, der das weitere Leben der Protagonisten stark beeinflusst hat und bei keinem der beiden in Vergessenheit geraten ist. In diesem Augenblick wären die beiden sicher lieber woanders gewesen.

Toni lebt seit sechs Jahren in einem Wohnwagen auf dem Land. Sie ist 28 Jahre alt und ungebunden, jobbt in einer Kneipe und zeichnet sehr gut. Ein Verlag wird auf ihr Talent aufmerksam und lädt sie zu einer Besprechung in die Stadt ein. Mit Erspartem und den Einkünften aus dem geplanten Buch will sie einen Schulfreund in Neuseeland besuchen.

Alex hat Autoklempner gelernt, hat als LKW-fahrer gearbeitet und ist zurzeit als Roadie mit einer Band unterwegs. Er ist verheiratet und hat eine neunjährige Tochter, doch seit einigen Jahren betrügt er seine Frau mit einer anderen. Wegen der Erkrankung seiner Tochter macht er sich vorzeitig auf den Weg nach Hause.

In einer Art Prolog verriet die Autorin mir als Leser dass sich „zwei Leute“, zu diesem Zeitpunkt noch unbenannt, bereits einmal getroffen haben und es wieder tun werden. Überhaupt bleiben viele Figuren in ihrem Roman ohne Namen, aber es reicht die Berufsbezeichnung oder auch die einfache Bezeichnung als Frau oder Freund, um die Szene in Gedanken mit einer eigenen passenden Person zu ergänzen. Dadurch gewinnen die namentlich genannten Charaktere an Bedeutung in der Geschichte von Toni.

Im Leben von Alex gibt es Niemanden, der für ihn so wichtig wäre, dass er namentlich an ihn denkt. Ein einschneidendes Erlebnis vor sieben Jahren hat sein Leben vollkommen verändert. Es war nur ein Moment mit einer falschen Entscheidung. Seitdem trägt er das Gewicht einer nicht gutzumachenden Schuld mit sich, die im Roman immer deutlicher zu spüren ist. Er ist sich nicht sicher, ob sein Leben noch lebenswert ist und gönnt sich so viel Vergnügen wie machbar ist, um sich davon abzulenken. Dennoch kann er die Gedanken an die Folgen nicht ganz abstreifen, denn was ihm passiert ist, lässt sich nicht löschen und es ist müßig darüber nachzudenken, ob seine Schuld noch zu toppen ist. Er gönnt sich Momente mit denen er sich bei mir als Leser unsympathisch machte.

Im Roman erfuhr ich, dass auch Tina Schuld mit sich trägt und im weiteren Erzählverlauf erfuhr ich warum. Dadurch wird die Frage aufgeworfen, ob wir selbst unser Schicksal bestimmen. Sie ist existenziell und nicht abschließend zu beantworten. Trotz der Schwere der Gemüter, die den Protagonisten anhängt, schafft Marion Brasch es spielerisch, der Geschichte etwas Leichtigkeit zu geben. Einerseits geschieht dies durch heitere Szenen, andererseits durch kursiv gesetzte Abschnitte in denen die Autorin den Leser ins Vertrauen zieht und ihm mehr zum Hintergrund ihrer Protagonisten oder auch mal Abstruses erzählt.

Marion Brasch schreibt in „Lieber woanders“ über Dinge, die jedem von uns zustoßen könnten, macht dadurch ihre Geschichte nachvollziehbar und rückt sie sehr nah an den Leser heran. Sie verdeutlicht, dass wir das Erlebte der Vergangenheit nicht ändern, nur akzeptieren und damit weiterleben können. Der Roman berührt, stimmt nachdenklich und dennoch schafft die Autorin durch Ironie ihrer Erzählung einen aufheiternden Touch zu geben. Gerne empfehle ich das Buch weiter.