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Veröffentlicht am 09.03.2018

Ein Sommer, so flüchtig wie ein Windhauch

Der endlose Sommer
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Eine Gruppe von Personen verschiedenen Alters, die sich in Dänemark auf einem ehemaligen Gutshof zusammen finden, steht im Mittelpunkt des Romans „Der endlose Sommer“ der dänischen Performance-Künstlerin, ...

Eine Gruppe von Personen verschiedenen Alters, die sich in Dänemark auf einem ehemaligen Gutshof zusammen finden, steht im Mittelpunkt des Romans „Der endlose Sommer“ der dänischen Performance-Künstlerin, Autorin und Sängerin Madame Nielsen. Dieser eine Sommer brachte den Hofbewohnern Liebe wie Leichtigkeit und gleichzeitig Leidenschaft. Das Glück der Erde, das bekanntlich auf dem Rücken der Pferde liegt, kann der Charaktere der Mutter als Reiter genießen, das Festhalten an den unbeschwerten Tagen gelingt aber nur auf dem Papier. Daher ist Madame Nielsens Roman wie ein Abgesang auf die Jugend, von der wir uns wünschen, dass sie nie zu Ende geht.

Die Erzählung beginnt mit einem 19-jährigen Jungen, der ein 17-jähriges Mädchen kennenlernt und zu ihrem festen Freund wird. Das Mädchen lebt mit Mutter, Stiefvater und zwei kleinen Halbbrüdern auf dem „weißen“ Hof. Sie hat außerdem noch einen besten Freund und Vertrauten, der sie gerne besucht. Ihr krankhaft eifersüchtiger Stiefvater, dem der Hof gehört, ist längst verschwunden, als das Mädchen eines Tages von der Schule nach Hause kommt und vom portugiesischen Brieffreund ihrer Sitznachbarin und dessen Freund erzählt, die zu Besuch in Deutschland sind. Die beiden Portugiesen im Alter von dem Mädchen ziehen zu ihr und die Mutter verliebt sich in einen von ihnen. Die Gruppe wird noch ergänzt von einem Freund der Jungen aus Odense. Gemeinsam genießen sie die scheinbare Auflösung des Unmöglichen auf dem Scheitelpunkt ihres Lebens.

Ausdrücklich, weil mehrfach, betont Madame Nielsen, dass der Junge mit dem alles beginnt, vielleicht ein Mädchen ist. Dabei habe ich mich gefragt, wie viel die Autorin aus ihrem eigenen Leben in den vorliegenden Roman eingebracht hat. Ohne lange Umschweife geriet ich als Leser in den endlosen Sommer durch endlos erscheinende Sätze, denn die Schicksale der Figuren verknüpft Madame Nielsen mit zahlreichen Nebenhandlungen in Teilsätzen. Ich geriet in eine Erzählfolge, die unmittelbar nach der Vorstellung des Jungen am Anfang des Romans mit einer offenen Klammer beginnt, die niemals geschlossen wird und die dadurch den Gedankenfluss nicht abreißen lässt. Die Autorin weist dadurch dem Jungen eine vorrangige Bedeutung zu. Der Rest ist Erinnerung, flüchtig, nicht mehr zurückholbar und erscheint manchmal sogar unwirklich, nie dagewesen. Dennoch versucht Madame Nielsen diesen Windhauch der Vergangenheit einzufangen in Worte.

Was nun folgt sind Skizzen vieler Leben, von denen einige sich streifen. Von Beginn an stellt die Autorin fest, dass die Erzählung nicht gut ausgeht, denn der Tod lauert auf alle von uns, aber für einige tragischer Weise früher als auf andere. Die Stränge der Geschichte behält sie fest in der Hand, verweist ausdrücklich auf den Beginn um danach um etliche Ecken abzubiegen, zahlreichen Nebenfiguren Leben einzuhauchen, kurz innezuhalten, nach vorne zu schauen und auf der Geraden sich wieder dem endlosen Sommer zuzuwenden. Zeitlos, geschlechtslos, alterslos, ortungebunden kommt dieser daher, obwohl jeder Charakter nach Identität strebt. Aber der Alltag holt jeden ein, auch die kleine Hofgruppe.

Wie ein expressionistisches Gemälde, mit schnellen Strichen zu Papier gebracht, und Ereignissen wie Farbkleckse, präsentiert sich „Der endlose Sommer“. Entsprechend einem Bild entdeckte ich bei näherer Betrachtung beziehungsweise dem erneuten Lesen vorangegangener Seiten weitere Nuancen und Feinheiten, die mich noch tiefer eintauchen ließen in diese einzigartige Jahreszeit, bei der es keinem gelingt, sie festzuhalten. Lesen, erinnern, träumen!

Veröffentlicht am 06.03.2018

Reale Abbildung des Alltags in der Zeit 1919-1948

Töchter einer neuen Zeit
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„Töchter einer neuen Zeit“ von Carmen Korn ist der erste Band einer Trilogie, die vier Hamburger Frauen über einen Zeitraum von mehr als achtzig Jahren hinweg begleitet. Auf dem Coverfoto sind dementsprechend ...

„Töchter einer neuen Zeit“ von Carmen Korn ist der erste Band einer Trilogie, die vier Hamburger Frauen über einen Zeitraum von mehr als achtzig Jahren hinweg begleitet. Auf dem Coverfoto sind dementsprechend vier junge Frauen abgebildet, die im Stil der 1920er gekleidet sind. Die Erzählung beginnt allerdings bereits im Frühjahr 1919, einige wenige Monate nach dem ersten Weltkrieg. Voller Hoffnung blicken die Menschen in ihre Zukunft, nun soll eine neue Zeit, eine friedliche Zeit beginnen. Der erste Teil der Reihe endet im Dezember 1948 als Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg wirtschaftlich allmählich wieder bessere Aussichten hat und in Hamburg nach schweren Beschädigungen der Gebäude der Aufbau voranschreitet.

Henny ist zu Beginn des Romans 19 Jahre alt. Sie wohnt bei ihrer Mutter, ihr Vater ist im Krieg gefallen. Nicht nur sie, sondern auch ihre gleichaltrige Freundin Käthe, die im Haus gegenüber aufgewachsen ist, streben eine Ausbildung zur Hebamme an. Zwei Jahre später begegnen sie Lina, der dritten Protagonistin des Romans. Sie ist von Beruf Lehrerin, im Wechsel der Zeit zum Zölibat verpflichtet, und Schwester des zukünftigen Ehemanns von Henny. Erst einige Jahre später trifft Henny in einer schicksalhaften Stunde auf Ina, Tochter aus wohlhabendem Haus, die von ihren Eltern in eine Vernunftehe vermittelt wird.

Die Geschichte entwickelt sich kontinuierlich weiter. Die Kapitel sind mit den jeweiligen Jahren betitelt, in denen der Roman gerade spielt. Meist sind die Szenen kurz gehalten und springen von einer Freundin und ihren Erlebnissen in eben jener Zeit zur nächsten. Dadurch schreitet die Erzählung zügig voran und überspringt häufiger einige Jahre. Nur kurz ließ Carmen Korn mich jeweils verweilen. So flüchtig wie das Leben, so erschienen mir die Schicksale der einzelnen Figuren, die weder Glück noch Leid festhalten können. Einige historisch bedeutsame Ereignisse blieben dadurch leider etwas blass. Deutlich wird jedoch, wie wichtig bestimmte Entscheidungen sind, denn von ihnen hängt es ab, welche Zukunft sich daraus entwickelt.

Die vier Frauen stehen im Fokus der Erzählung, werden aber umgeben von immer mehr Figuren, ein Verzeichnis im Folgeband wäre hilfreich. Durch die Zeitensprünge werden vergangene Begebenheiten der Protagonistinnen häufiger im Rückblick erzählt. Es gelingt der Autorin mit kurzen Beschreibungen selbst große Sorgen zu skizzieren, die durch den schnellen Ablauf schon bald hinter dem Leser liegen. Bald schon lernen Henny und ihre Freundinnen, teils aus bitterer eigenen Erfahrung, dass sie auf niemanden vertrauen können, denn nur diejenigen ziehen ihren Vorteil, die der vorherrschenden Partei zuarbeiten. Die Hauptfiguren sind keine Heldinnen, bilden aber mit ihrer Gesinnung und ihrem Tun den Alltag einer Gesellschaft in belasteten Zeiten ab. In ihrer Verschiedenartigkeit stehen sie für eine Auswahl aus vielen Schicksalen.

Das Buch beginnt mit der Hoffnung auf dauerhaften Frieden und steuert auf eine Zeit zu, die die Zerstörungen der Vergangenheit noch übertreffen wird. Film, Literatur und Musik begleiten die Frauen auf ihrem Weg und unterstützen den Eindruck einer realen Abbildung des damaligen Alltags. Das Ende lässt Platz für Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Daher freue ich mich schon auf die Fortsetzung und gebe gerne eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 28.02.2018

So spannende und vielfältig wie das Leben

Leinsee
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„Leinsee“ ist der Debütroman von Anne Reinecke und benannt nach dem Ort, an dem die Eltern des Protagonisten Karl bis zur schweren Erkrankung der Mutter in 2005 wohnen und der Vater mit 57 Jahren in Aussicht ...

„Leinsee“ ist der Debütroman von Anne Reinecke und benannt nach dem Ort, an dem die Eltern des Protagonisten Karl bis zur schweren Erkrankung der Mutter in 2005 wohnen und der Vater mit 57 Jahren in Aussicht des Todes seiner Frau Selbstmord begeht. Karl ist zu Beginn der Geschichte erst 26 Jahre alt und lebt als Künstler in Berlin. Seine Eltern sind seit vielen Jahren in der Welt der Kunst zu hohem Ansehen gelangt. Karl ist mit der Begründung, ihm die bestmögliche Erziehung zukommen zu lassen, im Internat aufgewachsen. Dort hat er einen neuen Nachnamen angenommen unter dem er selber nun erfolgreich ist. Seit seinem Abitur vor sieben Jahren war er nicht mehr zu Hause. Jetzt fährt er nach Süddeutschland an den Leinsee, um die Beerdigung seines Vaters zu organisieren und seine todkranke Mutter ein letztes Mal zu sehen. Zum großen Erstaunen erholt sie sich jedoch.

Karl Gefühlswelt ist im Aufruhr. Seine Freundin Mara möchte, dass er wieder nach Berlin zurückkehrt. Doch Karl ist in seinem Leben seiner Mutter noch nie so nah gewesen wie jetzt. Die Bindung und Nähe der Eltern zueinander, sowohl bei ihrer Arbeit wie auch in der Freizeit, war so eng, dass er sich immer ausgeschlossen fühlte. Seine Entscheidung, in Leinsee zu bleiben, wird stark von der achtjährigen Tanja beeinflusst, die eines Tages in einem Baum auf dem Anwesen hockt. Zu ihr entsteht ein ganz besonderes Verhältnis, das sich im Roman über zehn Jahre hinweg entwickelt.

Karl hat sich, ohne vom Erfolg seiner Eltern zu profitieren, einen sehr guten Ruf mit eigenen Arbeiten geschaffen und ist zu Recht stolz darauf. Niemals wird er jedoch den ganz eigenen Lebensstil von Vater und Mutter vergessen, der in ihre Arbeiten einfloss und auch das Fundament für seine eigene Karriere bildet. Denn nur auf dieser Grundlage konnte er seine eigene Persönlichkeit entwickeln und sich deutlich von dem Werk der Eltern abheben. Er weiß genau, was er will, kommt aber durch die nun veränderte Situation in eine unbekannte Lage, die sehr an seiner gewohnten Ordnung zerrt.

Bei seiner Ankunft in Leinsee begegnet ihm der Assistent der Eltern, dem er skeptisch entgegensteht. Obwohl er solange nicht vor Ort war, nimmt er sich alle Rechte eines Sohns. Dennoch bleibt er nahezu unberührt über den Tod des Vaters und ohnmächtig gegenüber der schweren Erkrankung seiner Mutter. Seine Gefühle sind verwirrt und das Kind im Baum bringt eine unbesorgte ungeahnte Leichtigkeit in sein Leben. Sie kommt immer wieder und regt seine Kreativität zu neuen Höhepunkten an so wie er ihre zum Leuchten bringt. Es ist wie ein Spiel mit ihr, in dem er ein Stück seiner eigenen Kindheit und Jugend wieder gibt.

Jedes Kapitel ist mit einer Farbe überschrieben, die ein Adjektiv in sich trägt. Dadurch kommt eine ungewöhnliche Farbenpalette zusammen, die synonym für die Vielfalt von Karls Gefühlen steht. Anne Reinecke schreibt auf den Punkt und scheut auch nicht vor der Beschreibung schwieriger Situationen mit Hass, körperlicher Liebe, großer Traurigkeit und kindlicher Freude zurück. Karl ist ein offener, einfallsreicher Charakter mit Blick für das Neue und gewissen Extravaganzen. Seine Entwicklung im Roman über die Jahre hinweg hat mich sehr berührt.

„Leinsee“ ist ein Roman, so spannend und vielfältig wie das Leben mit Trauer und Trübnis, mit Liebe und Lachen und der Gabe sich und anderen viel Freiraum zur Selbstentfaltung zu gewähren. Er erzählt von einer besonderen Eltern-Kind-Beziehung, vor allem aber auch eine ungewöhnliche Liebesgeschichte. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter.

Veröffentlicht am 22.02.2018

Ein Ende, das erst der Anfang ist

Der Abfall der Herzen
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Das Buch „Der Abfall der Herzen“ ist das erste, das Thorsten Nagelschmidt, der auch kurz „Nagel“ genannt wird, unter seinem realen Namen veröffentlicht. Es handelt auf zwei Ebenen, nämlich zum einen in ...

Das Buch „Der Abfall der Herzen“ ist das erste, das Thorsten Nagelschmidt, der auch kurz „Nagel“ genannt wird, unter seinem realen Namen veröffentlicht. Es handelt auf zwei Ebenen, nämlich zum einen in der Gegenwart und zum anderen im Rückblick auf den Sommer des Jahres 1999. Während der Autor zu Beginn des Romans autobiographisch beschreibt, wie es zu dem Buch gekommen ist, verschwimmen seine Erinnerungen an die Vergangenheit immer mehr. Daher hat er nicht nur neue Charaktere als seine damaligen Freunde erfunden, sondern auch die Ereignisse fiktionalisiert.

Versteht sich „Abfall“ im geläufigen Sinne als Rest der da bleibt, so ist der Titel passend zu den Versatzstücken zu sehen, die wir mit dem Blick auf frühere Jahre in unserem Gedächtnis gespeichert haben. Die tief in unseren Herzen vergrabenen Gefühle spielen uns dabei manches Mal einen Streich und lassen Szenen ganz anders erinnern als sie sich tatsächlich ereignet haben. Das Cover ist haptisch sehr schön gestaltet. Der sepiafarbene Hintergrund ist fühlbar längs gestreift und spiegelt mit dieser klaren Linie die Regeln und Gesetze der Erwachsenenwelt wieder. Um sich genau davon bewusst abzuheben und den Trotz widerzuspiegeln erscheinen die Jugendlichen im unteren Drittel in den kräftigen Farben türkisblau und orange bei ihrem wagemutigen, aber verbotenen Sprung in den Baggersee.

Der Roman beginnt mit dem Ende, nicht nur weil es vor Beginn des ersten Kapitels so geschrieben steht, sondern weil Thorsten Nagelschmidt zunächst erzählt, wie es dazu kam, dass er sich auf Spurensuche in seine Vergangenheit begibt. Er wohnt heute in Berlin und trifft sich dort eines Tages mit einem guten Freund, mit dem er Jahre vorher im Clinch lag, an der Bar eines Möbelgeschäfts. Plötzlich ist die Rede von einem Brief den er ihm 16 Jahre vorhergeschrieben hat nachdem der Streit angeblich beendet wurde und an den er sich partout nicht erinnern kann. Aber bereits damals hat der Autor Tagebuch geführt.

Das Lesen in den alten Kladden wirft jedoch immer neue Fragen auf, die ihn nicht mehr loslassen. Darum geht er einer Reihe von Anhaltspunkten nach und vereinbart Termine mit seinen Freunden und Bekannten aus Rheine, der Stadt, in der er 1999 gewohnt hat. Hier ist er aufgewachsen und wurde zum Sänger und Songschreiber der Band Muff Potter. Jeder erzählt ihm auf Nachfrage bestimmte Ereignisse aus seiner eigenen Perspektive. Die inzwischen verwaschenen Gedanken bieten ein breites Spektrum dessen, was sich abgespielt haben könnte anstelle von realen Begebenheiten. Erst langsam nähert Thorsten Nagelschmidt sich einer Wahrheit, die ihn gleichzeitig sich selbst ein wenig besser kennen und verstehen lässt. Der Sommer 1999 mit all seinen guten und schlechten Seiten, vor allem aber einer gehörigen Portion Liebeskummer lebt wieder auf für ihn.

Der Autor hat mir reichliche Denkanstöße gegeben, die auch mich in meine eigene Jugend entführt haben. Meine Familiengeschichte ist eng verknüpft mit der Stadt Rheine, so dass ich nicht nur rein gefühlsmäßig in die Vergangenheit gereist bin, sondern auch einige Örtlichkeiten des Romans kenne. Und wenn Thorsten Nagelschmidt mit der Bahn von Rheine nach Aachen fährt und „in einem Kaff namens Lindern“ (S. 167) aussteigt dann ist er nur drei Stationen vorher an meinem Wohnort vorbei gekommen.

Der Autor ist in den vorigen 16 Jahren auch immer wieder zu Besuch in seiner Heimat gewesen, aber eher aus Gewohnheit an den immer gleichen Stätten. Erst der nicht mehr erinnerte Brief führt ihn an Orte zurück, deren Veränderung er sich jetzt erst bewusst wird. Wie viele andere in seinem Alter hat er sich gegen das Erwachsen werden aufgelehnt mit der vollen Absicht, bloß nicht in ausgetretenen Pfaden zu laufen. Sein Studium ruht, die Karriere der Band letztlich ebenfalls, er hält sich mit gelegentlichen Jobs über Wasser. Dennoch ist da nie der Gedanke darüber, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist. Viel Alkohol, sogar Drogen und unflätige Manieren sind angesagt, aber schließlich halten seine Freunde und Freundinnen es genauso. Ihr Verhalten ist provozierend, Raufereien unter Gleichaltrigen die anderer Meinung sind nichts Ungewöhnliches. Durch Songs, Filme, Bücher und Ereignissen mit deutschlandweiter Bedeutung wie beispielsweise der Sonnenfinsternis im August, an die ich mich sehr gut erinnere, konnte ich mich im Jahr 1999 verorten.

Thorsten Nagelschmidt nutzt eine schlichte Sprache und erzählt eine alltägliche Geschichte und dennoch machen das Sammelsurium der fiktiven Freunde, darunter Gedankenspinner und Lebenskünstler, die unterschiedlicher kaum sein könnten, die Geschichte abwechslungsreich und zu etwas Besonderem. Es war für mich interessant und spannend zu sehen, was ein Treffen mit einem alten Freund auslösen und wozu eine Suche in der Vergangenheit führen kann. Die Erzählung wirkt nicht nur echt, sondern ist es auch. Aus einer gewöhnlichen Erzählung über seine Jugend verbunden mit Freundschaft, Hass, Liebe und Ängsten gestaltet der Autor auf eine ganz eigene Weise eine mitreißende Reise in die Vergangenheit, die auf ihren Ausgang in der Gegenwart ungeduldig warten lässt. Lassen Sie sich davon mitnehmen!

Veröffentlicht am 16.02.2018

Romantisch und mystisch

Die Rückkehr der Wale
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„Die Rückkehr der Wale“ von Isabel Morland nahm mich als Leser mit auf die Inselgruppe der Hebriden in eine karge und rauhe Landschaft, die sagenumwoben ist. Schon das Cover spiegelt etwas von der grandiosen ...

„Die Rückkehr der Wale“ von Isabel Morland nahm mich als Leser mit auf die Inselgruppe der Hebriden in eine karge und rauhe Landschaft, die sagenumwoben ist. Schon das Cover spiegelt etwas von der grandiosen Kulisse mit endlos erscheinendem Sternenhimmel und magischem Licht wieder. Dazu passen mystische Geschichten zum Beispiel von einem Leuchtturm wie er rechts auf dem Titel zu sehen ist von denen die Autorin einige im Roman erzählt. Der Titel nimmt Bezug auf das Ende des Buchs, denn nicht nur die Rückkehr der Wale wird sehnlichst von der Protagonistn erwartet.

Kayla wohnt auf Harris, einer der Hebrideninseln. Seit einigen Jahren ist sie mit dem früh verwitweten Dalziel verheiratet. Ihr inzwischen erwachsener Stiefsohn hat sich gerade dazu entschlossen, sein Glück in der Fremde zu suchen. Ihr Mann gibt ihr dafür die Schuld wie für so vieles Anderes. Die beiden haben sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Fortführung ihrer Ehe, die eigentlich nur noch deshalb besteht, weil Kayla nicht weiß, wovon sie nach einer Trennung leben soll. Eines Tages kommt der gut aussehende Brannan auf die Insel auf der Suche nach Arbeit. Kayla und er teilen sich die Liebe zur Musik und fühlen sich entgegen den Regeln der Vernunft zueinander hingezogen. Kann es für die beiden eine gemeinsame Zukunft geben?

Isabel Morland schafft für ihren Roman einen grandiosen Hintergrund. Nicht nur die Landschaftsbeschreibungen, sondern auch mystische Erzählungen ließen mich in eine ganz eigene Atmosphäre der Hebriden eintauchen. Interessant fand ich auch die in die Geschichte eingeflochtenen Traditionen und Bräuche. Sie vermittelten mir, dass die Menschen der Inseln zusammenhalten und sich in Gefahrensituationen gegenseitig unterstützen. Dennoch hatte ich als davon beeindruckte Leserin Verständnis für die Jugendlichen auf den Inseln, die es in die Ferne zieht, um sich von den eingetretenen, für sie vorgesehenen Pfaden ihrer Eltern zu lösen.

Dalziel war mir von Beginn an unsympathisch. Er trauert weiter der guten Ehe mit seiner ersten Frau nach, während er für nichts die Verantwortung übernehmen und Kayla dazu bringen möchte, ihre Ehe nach seinen Ansichten zu führen. Zum Glück greifen Freunde und Familienmitglieder schon mal begütigend ein. Für Kayla ist Brannan daher ein Trost. Von ihm erhält sie die Zuneigung, die ihr in ihrer Ehe fehlt. Für beide hoffte ich, dass sie zueinander finden werden. Die Eigenschaften der Charaktere sind eher statisch. Jedoch gibt es einige unerwartete Wendungen und ein Ende, das teilweise offen ist und zum Träumen einlädt.

„Die Rückkehr der Wale“ unterhält den Leser nicht nur mit einer romantischen, berührenden Geschichte, sondern vermittelt auch einiges von der Lebenskultur auf den Hebriden. Wer Liebesromane mag, die von einem Hauch Mystik ummantelt sind, dem kann ich dieses Buch gerne empfehlen.