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Veröffentlicht am 08.08.2017

Zunächst gemächlich, dann immer abwechslungsreicher und turbulent

Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow Roman
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Auf dem Cover des Jugendbuchs „Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow“ von Rainbow Rowell sitzt der Titelheld lässig und cool lächelnd auf einem thronartigen Sessel. Doch allzu viel hat er ...

Auf dem Cover des Jugendbuchs „Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow“ von Rainbow Rowell sitzt der Titelheld lässig und cool lächelnd auf einem thronartigen Sessel. Doch allzu viel hat er nicht zu lachen, denn ein Krieg bahnt sich an in der magischen Welt und bei Anwendung seiner Zauberkräfte ist er alles andere als entspannt.

Simon Snow ist Schüler des Internats Watford School of Magicks. Der aktuelle Leiter der Schule, kurz Magier genannt, hat ihn mit 11 Jahren im Kinderheim der gewöhnlichen Menschen besucht und ihn darüber aufgeklärt, dass er zaubern kann. Mit seiner Mitschülerin Agatha ist er seit langer Zeit liiert und mit seiner Klassenkameradin Penelope, die kurz Penny genannt wird und deren Freund in Amerika lebt, ist er sehr eng befreundet. Zu Beginn seiner Schulzeit hat er in einem Ritual seinen Zimmergefährten Baz zugeteilt bekommen. Baz ist nicht nur ein Zauberer, sondern Simon vermutet auch, dass er ein Vampir ist. Die beiden verstehen sich nicht besonders gut, doch meistens akzeptieren sie die Eigenarten des anderen. Simon und seine Freunde sind ungefähr 18 Jahre alt und kommen ins letzte Schuljahr. Ein Schatten bedroht ihr Dasein, der nach seiner Anwesenheit große Löcher auf der Erde hinterlässt. Aber Baz kehrt nach den Ferien nicht an die Schule zurück und sein Fernbleiben wirft bei Simon Fragen auf. So stellt das finale Schuljahr ihn nicht nur vor die Aufgabe, seine Zauberkraft endlich zu kanalisieren, sondern auch nach dem Verbleib von Baz zu suchen. Ein Glück für ihn, dass er Penny und Agatha an seiner Seite hat.

Das Buch beginnt mit deutlichen Ähnlichkeiten zu der Serie um Zaubererlehrling Harry Potter, daher war ich zunächst etwas enttäuscht beim Lesen, zumal sich die Geschichte auch eher langsam aufbaute. Doch dann wurde alles ganz anders und turbulent. Zwar reicht auch hier der Erzählzeitraum über ein Schuljahr, doch weil dies bisher ein Einzelband ist, wird die Vergangenheit in Rückblicken erzählt und ergänzt auf diese Weise die Ereignisse in der Gegenwart. Dadurch passiert ständig etwas Neues. Um einige Geschehnisse aus der Vergangenheit darzustellen, die die heute lebenden Charaktere wissensmäßig weiter voran bringen können, hat sich die Autorin einen interessanten Trick ausgedacht.

Die Schilderungen erfolgen immer in der Ich-Form und wechseln auf die unterschiedlichen Charaktere der erwähnten Freunde und diverse andere Randfiguren. Jede Szene wird zwar nur einmal beschrieben, jedoch konnte man auf diese Weise auch schon mal in der Erinnerung eine andere Ansicht erfahren. Die nummerierten Kapitel, die immer auf einer neuen Seite beginnen, sind mit dem Namen desjenigen betitelt, der gerade erzählt. Grundsätzlich ist das nur eine Figur. In Ausnahmen, wenn die Spannung oder die Emotionen steigen, wechselt die Perspektive nach kürzeren Abschnitten noch innerhalb des Kapitels, was mich als Leser noch intensiver in das Geschehen einbezog. Rainbow Rowell lässt mit ganz einfachen, klaren Sprüchen zaubern. Das ist so genial, dass ich entgegen der Vernunft versucht war, mein eigenes Glück damit zu probieren.

In ihrem letzten Schuljahr beginnen die Protagonisten ebenfalls, sich in Gefühlsangelegenheiten zu entwickeln. Bestehende Freundschaften werden darauf überprüft, ob man mehr als auf einer mentalen Ebene füreinander empfindet. Dabei kommt es zu einigen Überraschungen. Etwas verworren und unklar bleibt leider die Herkunft von Simon Snow.

Worüber andere Autoren eine mehrbändige Serie schreiben, dass schafft Rainbow Rowell in einem einzigen Buch. Sie beeindruckt mit Charakteren, die zwar nicht alle ganz ausformuliert sind, aber in ihrem Wesen doch ganz eigen. Sie lässt Gefühle ihrer Figuren zu, die darüber auch offen reden. Keiner ist perfekt, doch jedem wird Raum und Zeit eingeräumt, Mankos zu korrigieren, sich zu verbessern oder einfach zu akzeptieren wie man ist. Dadurch entsteht eine zwar zunächst gemächliche, doch dann immer abwechslungsreichere und unterhaltsame Geschichte mit unvorhersehbarem Ende. Mir hat das gut gefallen und daher empfehle ich den Roman gerne an Jugendliche ab 13 Jahren, aber auch an alle erwachsenen Fantasyfans weiter.

Veröffentlicht am 06.08.2017

Komödie mit Ruhrpott-Kolorit und Hauptstadt-Flair

Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte
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Den Titel des Debütromans von Anna Basener „Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte“ kann man sinnvoll entsprechend des Lebensabschnitts der Protagonistin Änne ergänzen mit „… da war sie Wirtschafterin ...

Den Titel des Debütromans von Anna Basener „Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte“ kann man sinnvoll entsprechend des Lebensabschnitts der Protagonistin Änne ergänzen mit „… da war sie Wirtschafterin im Bordell“. Später hat sie sich dann mit einer ihrer besten Freundinnen zusammengetan und eine Frühstückspension in Essen-Rellinghausen eröffnet. Eine der Leidenschaften von Omma Änne sind Zigaretten im eleganten Langformat, daher ist das Cover ähnlich einer entsprechenden Marke gestaltet mit Blumenborte am linken Rand. Der Titel ist, wie ein Warnhinweis, im unteren Drittel zu lesen.

Fünf Söhne von drei Vätern hat Omma zur Welt gebracht und Bianca, 26 Jahre alt, ist ihre Enkelin. Zum Studium wollte sie raus aus dem familiären Umkreis im Ruhrgebiet, darum ist sie nach Berlin gezogen und hat hier eine kleine Wohnung, die sie sich mit einer anderen Studentin teilt. Doch dann stirbt Mitzi, die Vertraute und Freundin von Omma, so dass diese jetzt ganz allein in ihrer Pension in Essen ist. Kurzentschlossen nimmt sie die Einladung ihrer Enkelin nach Berlin an. Wegen eines Streits wird idealerweise das Zimmer der Mitbewohnerin frei. Darum bleibt Omma Änne bei Bianca, ihre Möbel hat sie auch im Gepäck. Mancher Freund aus Essen kommt in der Folgezeit gerne zu Besuch. Und währenddessen brennt Bianca die Frage unter den Nägeln, woran die Mitzi denn eigentlich gestorben ist. In ihr keimt der Verdacht, dass sie das nicht erfahren soll und gerade darum will sie es auf jeden Fall wissen! Die Antwort lässt nicht nur Bianca staunen.

Anna Basener erzählt in ihrem Debütroman eine überaus turbulente Handlung zwischen Essener Kohlenpott und Berliner Multikulti. Die Handlung in der Gegenwart wird aus Sicht von Bianca erzählt. Sie ist eine knallharte Beobachterin, die die Dinge gerne hinterfragt, was von ihrer Omma manchmal bedauert wird, weil sie sehr hartnäckig sein kann. Als Leser konnte ich an ihren Gedankengängen teilhaben, das brachte mir mehr Nähe zu den Situationen und den einzelnen Personen. Auch beim Denken kann Bianca sich ihrer Essener Herkunft nicht ganz entledigen. Kurze Sätze, kein Blatt vorm Mund, aber immer ehrlich, auch wenn man die Ehrlichkeit manchmal zurechtbiegen muss. Die Dialoge mit Omma Änne sind im Pütt-Platt gehalten mit ganz viel typischem Akkusativ und „watt“ und „datt“. Dadurch kam das Flair des Ruhrgebiets mit nach Berlin.

Anna Basener bedient manches Klischee. Der Roman erzählt nicht nur das Leben von Biancas Großmutter, sondern auch von ihren Freundinnen, den beiden Prostituierten Mitzi und Ulla. Die Autorin schildert die Geschichten mit einem Augenzwinkern, aber durchaus realistisch denkbar. Sie befasst sich mit der Frage, was Frauen dazu veranlasst, sich für Sex bezahlen zu lassen, verschweigt aber auch mögliche Konsequenzen nicht, vor allem die Abhängigkeit von einem Zuhälter und gewaltsame Übergriffe.

Omma Änne und Bianca sind Personen, die man lieb gewinnt und denen man gerne auch ungesetzliches Verhalten verzeihen möchte. Die Handlung bleibt in ständiger Bewegung. Die große Frage, woran Mitzi gestorben ist, bringt Spannung ins Geschehen. Daneben bahnt sich auch eine Liebesgeschichte an, natürlich eher kompliziert. Anna Basener versteht es, neben Hass, Neid, Liebe und Verachtung ihrer Charaktere mit ihrem lockeren, leichten Schriftstil Witz in den Roman zu bringen. Mir hat das sehr gut gefallen. Das Buch wird verfilmt, darauf bin ich schon sehr gespannt.

Veröffentlicht am 02.08.2017

Kriminalkomödie mit rheinischem Lokalkolorit und Zeitgeist der 1950er

Halali
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„Halali“ ist ein Jägergruß mit dem in der allgemeinen Bedeutung die Jagd beendet wird. Im Kriminalroman mit gleichlautendem Titel von Ingrid Noll begleitet der Gruß ein Verbrechen und eröffnet damit erst ...

„Halali“ ist ein Jägergruß mit dem in der allgemeinen Bedeutung die Jagd beendet wird. Im Kriminalroman mit gleichlautendem Titel von Ingrid Noll begleitet der Gruß ein Verbrechen und eröffnet damit erst eine Reihe von weiteren Gesetzesübertretungen. Die Erzählung nimmt den Leser mit zu Ereignissen, die die Protagonistin Holda Mitte der 1950er Jahre in der Nähe der damaligen Bundeshauptstadt erlebt hat. Das Cover des Buchs ziert ein Ausschnitt aus dem Gemälde von Caravaggio mit dem Titel „Judith enthauptet Holofernes“. Die Frage, ob das Bild einen Bezug zur Erzählung hat, kann ich bejahen, auch wenn hier niemand geköpft wird.

Holda ist 82 Jahre und Witwe. Ihre Enkelin Laura wohnt im gleichen Hochhaus und kommt oft zu Besuch. Dabei erzählt Holda gerne aus ihrer Jugendzeit und zieht Vergleiche zu früher. Dabei stellt sie technische Errungenschaften von damals und heute gegenüber, Jugendsprache, Berufsbezeichnungen und Benimmregeln. Mit 20 Jahren, also sie noch nicht volljährig war, zog sie aus einem Eifeldorf nach Bad Godesberg und arbeitete als Sekretärin im Innenministerium in Bonn. Mit ihrer gleichaltrigen Kollegin Karin verbrachte sie ihre Freizeit in der sie auch darüber reden, wie man einen passenden Ehemann findet. Bei einem Spaziergang finden sie in einem Starenkasten ein Briefkuvert mit geheimnisvollem Inhalt. Diese Begebenheit ist der Beginn einer Reihe von ungewöhnlichen Verkettungen. Holda und ihre Freundin verstricken sich eher versehentlich in unangenehme Situationen mit kriminellen Folgen.

Ingrid Noll weiß, wovon sie in diesem Roman schreibt. Einige Male habe ich mich gefragt, wie viel Ingrid in Holda steckt, denn nicht nur das Alter ist identisch. Die Autorin lebte in den 1950ern ebenfalls in Bad Godesberg. Ihre Erfahrungen aus dieser Zeit sind sicher in die Schilderungen eingeflossen. Als Rheinländerin war es mir ein ganz besonderer Genuss immer wieder Sätze in Mundart zu lesen, denn auch ich bin mit diesem Slang aufgewachsen. Überhaupt verhielten sich viele Personen so, wie ich es aus meiner Kindheit in den 1960er her kenne und so kann ich sagen, dass ich mich rundum wohl im Umfeld der Geschichte gefühlt habe.

Holda ist ein eine junge Frau, die aus ihrem Leben mehr machen möchte, als in der heimischen Bäckerei zu verkaufen. Sie ist strebsam und fleißig und hält sich im Allgemeinen an Regeln und Vereinbarungen. In dem für sie typischen sarkastisch lakonischen Erzählstil lässt die Autorin ihre Protagonistin das Geschehen in der Ich-Form schildern. Es brachte mich zum Schmunzeln, wie Holda ihre Contenance verteidigte. Wieder einmal gelingt es Ingrid Noll einige schrullige Charaktere zu schaffen, wie die lebenslustige Karin, die standesbewusste Gräfin oder den disziplinierten Regierungsrat.

Bereits auf den ersten Seiten vertraut Holda dem Leser an, dass sie den Pfad der Tugend in ihren jungen Jahren auch mal verlassen hat. Ab diesem Zeitpunkt wartete ich gespannt darauf, worin ihre kriminelle Aktivität denn bestehen würde. Auch diesmal schafft es die Autorin mit einem Augenzwinkern mir zu vermitteln, dass so ein Gesetzesübertritt ungewollt, aber kaum ungewöhnlich ist. Der Vergleich zwischen dem Heute und Gestern erdet den Roman in der Realität. Die Intrigen sind zwar bitterböse, reihen sich aber in den damaligen Alltag ein.

Wer die Romane von Ingrid Noll mag, der wird auch mit „Halali“ bestens unterhalten werden wie ich. Mir hat vor allem gefallen, dass die Autorin diesmal mit dem zeitlichen Vergleich mal einen ganz anderen Handlungsrahmen für ihre Erzählung geschaffen hat. Sehr gerne gebe ich für dieses Buch eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 25.07.2017

Glückliche, aber auch tragische Ereignisse der Besitzer eines Warenhauses 1897-1952

Das Haus der schönen Dinge
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Das „Haus der schönen Dinge“ nennen die Einheimische das von Heidi Rehn erfundene Kaufhaus Hirschvogl am Rindermarkt in München. Gegründet 1897 dient es über viele Jahre den Einheimischen nicht nur zum ...

Das „Haus der schönen Dinge“ nennen die Einheimische das von Heidi Rehn erfundene Kaufhaus Hirschvogl am Rindermarkt in München. Gegründet 1897 dient es über viele Jahre den Einheimischen nicht nur zum Einkauf, sondern auch zum Bestaunen des großen Warensortiments. Außerdem hat die Ehefrau des jüdischen Kaufhausbesitzers Jacob Hirschvogl ein Händchen für eine ausgefallene Präsentation der Waren. Das Cover zeigt die Ansicht der prachtvollen Eingangshalle eines Kaufhauses zur damaligen Zeit. Der Lichthof auf dem Titelbild, der einen hellen übersichtlichen Blick auf die verschiedenen Etagen gewährt, ist repräsentativ. Beliebte Einkaufsstätten suchten sich mit ihrem Angebot und dessen Darbietung voneinander abzugrenzen und sich gegenseitig zu übertreffen.

Das Ehepaar Hirschvogl hat drei Kinder, glücklicherweise ist das älteste ein Sohn, der zum erhofften Nachfolger werden soll. Doch Benno enttäuscht seine Eltern. Lilith, genannt Lily, ist die Zweitälteste und brennt darauf, das Warenhaus selbst führen zu dürfen, um die Wende zum 20. Jahrhundert jedoch nahezu eine Unmöglichkeit. Gerade die Frauen waren den Konventionen der Zeit unterworfen und hatten sich vielfach den Wünschen der Männer unterzuordnen, wozu in Kreisen mit Besitz und Macht manches Mal auch die Akzeptanz von Liebschaften gehörte.

Im Vordergrund der Erzählung steht immer das Kaufhaus. Gleichzeitig schildert die Autorin allerdings auch die Geschichte der jüdischen Kaufmannsfamilie Hirschvogl, die eingebunden ist in die politischen Entwicklungen von 1897 bis 1938 mit einem Nachspiel im Jahr 1952. Die Beschreibungen des Warenhauses sind sehr detailreich. Die Räumlichkeiten und die Ausstattung konnte ich mir sehr gut vorstellen. Es hat mich manchmal erstaunt, welche Warenvielfalt zu Beginn des letzten Jahrhunderts angeboten werden konnte, auch aus dem Ausland. Die Entwicklung der Mode ließ sich beim Lesen leicht nachvollziehen.

Die Geschichte der Familie Hirschvogl ist gleichzeitig beispielhaft für die Geschichte der Juden in München, in deren Hand fast alle Warenhäuser der Stadt waren. Das Ansehen der jüdischen Kaufleute war in Abhängigkeit der Politik ein Auf und Ab. So vor Augen geführt war ich erschrocken, wie leicht die Bürger sich von den gesellschaftlichen Trends tragen ließen und dabei auch plötzlich ihren Hass gegen ihre jüdischen Freunde richteten.

Die Zeit im Roman schreitet zügig voran. Heidi Rehn verweilt jeweils etwas länger bei wichtigen, dann natürlich fiktiven Ereignissen im Familienkreis und realen bedeutenden politischen Geschehnissen. Manchmal werden Monate und Jahre übersprungen, auch wenn der aktuelle Abschnitt mit einem Cliffhanger endet. Um den Anschluss zu halten, übermittelt die Autorin dem Leser in diesen Fällen die weitere Entwicklung im Rückblick. Hin und wieder wirkte diese Technik auf mich leider wie eine Kürzung des Textes. Nach meiner Vorstellung hätte der Roman ausführlicher in zwei Teilen erscheinen können. Auf der vorderen Innenseite ist der Stammbaum der Familie Hirschvogl gedruckt. Bei näherer Betrachtung nahmen die Angaben ein wenig die Spannung, weil ich anhand der Auflistung und der Geburts- und Sterbedaten nachvollziehen konnte, wer in die Nachfolge von Jacob Hirschvogl einsteigen würde. Das Glossar am Ende des Buchs mit Erklärungen zu Begriffen aus dem Kaufmannswesen, wichtigen zeitgeschichtlichen Figuren, Abkürzungen und bayrischer Mundart habe ich sehr zu schätzen gewusst.

Die Familie der Besitzer des fiktiven Warenhauses in München erlebt in „Das Haus der schönen Dinge“ viele glückliche Momente, aber auch zahlreiche Enttäuschungen, Neid und Verrat. Wer gerne Familienromane über mehrere Generationen liest und wie ich Interesse an der Geschichte eines Kaufhauses hat, dem empfehle ich dieses Buch gerne weiter.

Veröffentlicht am 23.07.2017

Sorgt für Gesprächsstoff über Jugendliche in der Pubertät

Hier stirbt keiner
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„Hier stirbt keiner“ von Lola Renn ist ein Buch für Jugendliche ab 12 Jahren und es ist im Roman so, wie der Titel es bereits verrät, denn es stirbt wirklich niemand. Aber stirbt man nicht ein wenig, wenn ...

„Hier stirbt keiner“ von Lola Renn ist ein Buch für Jugendliche ab 12 Jahren und es ist im Roman so, wie der Titel es bereits verrät, denn es stirbt wirklich niemand. Aber stirbt man nicht ein wenig, wenn man allein zurück gelassen wird? Die Protagonistin Annika hat schon mal das Gefühl, dass sie das letzte Lebewesen auf der Welt ist und alle übrigen sind bereits ausgestorben. Wenn sie sich in diesen Momenten wie das Mädchen auf dem Cover auf den Boden legt, ändert sich natürlich ihr Blick auf ihr Umfeld. Ihre Eindrücke sind dann sehr ungewöhnlich und sie unterstützen ihre Einsamkeit noch. Aber darüber spricht sie mit keinem.

Annika ist 15 Jahre alt, hat einen älteren Bruder und eine beste Freundin. Sie ist eine eher unauffällige Schülerin. Doch innerhalb kurzer Zeit ändert sich ihr Leben drastisch, denn ihr Bruder Marek fliegt ohne festen Pläne nach Nordamerika, sie streitet sich mit ihrer Freundin und zu Hause herrscht Kleinkrieg zwischen ihren Eltern. Hat sie vorher noch mit Marek die Sorgen um die Ehe ihrer Eltern teilen können, so beschränkt er jetzt den Kontakt zu Annika auf wenige Sätze. Nur Chris, der beste Freund von Marek ist ihr auch weiterhin ein guter Freund. Aber er plant ein Studium im fernen München. Annika zaudert, tiefere Gefühle zuzulassen, um nicht noch einen Weggang verschmerzen zu müssen.

Die Protagonistin hat nicht nur mit ihren sich verändernden Gefühlen zurecht zu kommen und sich in diversen Gruppen Gleichaltrigen zu behaupten, sondern ihr sicherer Ruhehafen zu Hause befindet sich ebenfalls im Aufruhr. Ihre Eltern bringen nicht das nötige Verständnis für die Sorgen ihrer Tochter auf, denn ihre eigenen massiven Probleme miteinander wollen auch gelöst werden. In ihrem Alter hat Annika allerdings auch nicht das nötige Potential die Situation danach einzuschätzen, dass nicht nur sie diejenige ist, die unter der Reise ihres Bruders und dem Stress der Eltern leidet. In der Folge fühlt sie sich unverstanden und zieht sich immer mehr zurück. Mit Chris und ihrem Bruder hat sie schon viele unmögliche, aber auch wunderschöne Erlebnisse gehabt. Zuerst mag sie gar nicht glauben, dass sie auch weiterhin für Chris interessant ist. Erstaunt stellt sie fest, dass sie in ihm nahezu einen Seelengefährten hat, denn auch er kennt psychisch schwierige Situationen.

Lola Renn erzählt ganz nah am Leben und gerade das macht den Roman so nachvollziehbar. Ihre Charaktere haben Ecken und Kanten. Annika hilft in vielen Situationen unaufgefordert in der Pension ihrer Mutter, was ich nicht selbstverständlich fand. Ihr Verhalten zu Bezugspersonen war dagegen häufiger unfreundlich. Die Autorin beschreibt in diesem Bereich aber beispielsweise nicht nur den Streit zwischen Annika und ihrer Freundin, sondern sie bietet auch einen möglichen Weg aus der Krise an. Chris wird zu Annikas Zuflucht, aber auch ihrem wunden Punkt, der sehr schnell verletzt werden kann. Lola Renn erzählt den Umgang von Annika mit ihren Eltern und Freunden ohne selbst zu werten. Annika wird zunehmend deutlich, dass auch ihr eigenes Verhalten auf andere verletzend wirkt.

Der Roman bietet ausreichend Gesprächsstoff über die Leere, die sich durch den Weggang eines Geschwisters ergibt, Streit in einer langen Freundschaft, Selbstmordgedanken, Einordnen von Gefühlen bei erwachender Liebe,
Kommunikationsprobleme mit Vater und Mutter sowie Trennung der Eltern. Ich empfehle das Buch daher nicht nur Jugendlichen, sondern auch deren Eltern oder das Lesen in einer Gruppe. Nicht für jedes Problem gibt es eine ideale Lösung, im Buch werden aber einige Möglichkeiten angedeutet. Das Ende bietet Potential für eine Fortsetzung.